[IMI-List] [0570] Rüstungsforschung / KSK / Drohnenbewaffnung / Grüner Programmentwurf

IMI-JW imi at imi-online.de
Do Jul 2 14:46:21 CEST 2020



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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0570 .......... 23. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) neue Texte zur KSK-Debatte, zur SPD-Position in Sachen 
Drohnenbewaffnung sowie zur Friedensfrage im Grünen Programmentwurf;

2.) eine IMI-Analyse zu neuen Forschungsagenturen, von denen zwei 
explizit militärischen Zwecken dienen sollen.


1.) KSK, SPD-Drohnenbewaffnung, Grüne

Zur aktuellen Debatte um rechte Netzwerke im Kommando Spezialkräfte (und 
darüber hinaus) haben wir unsere diesbezügliche Sonderseite 
aktualisiert. Selbiges haben wir mit ersten (Kurz)Einschätzungen zur 
SPD-Positionierung in der Frage der Drohnenbewaffnung getan. Außerdem 
erschien mit Blick auf die anstehenden Wahlen kürzlich erstmals seit 
2002 ein neuer Programmentwurf der Grünen, der – wie zu erwarten war – 
aus friedenspolitischer äußert problematisch ist.

IMI-Sonderseite (Update 2.7.2020)
Rechte Netzwerke zerschlagen!
http://www.imi-online.de/2020/06/18/rechte-netzwerke-zerschlagen/
(18. Juni 2020)

IMI-Mitteilung
SPD & Bundeswehr Drohnenbewaffnung
http://www.imi-online.de/2020/07/01/spd-bundeswehr-drohnenbewaffnung/
(1. Juli 2020)

IMI-Analyse 2020/31- in: Telepolis 1.7.2020
Grüner Programmentwurf
Kaum Licht und viel Schatten in der Friedensfrage
Jürgen Wagner (2. Juli 2020)

IMI-Mitteilung
SPD & Bundeswehr Drohnenbewaffnung
http://www.imi-online.de/2020/07/02/gruener-programmentwurf/
(1. Juli 2020)


2) IMI-Analyse: Forschungsagenturen

IMI-Analyse 2020/32
Ein diskreter Dammbruch der Rüstungsforschung
Das Corona-Konjunkturpaket dient auch der Stimulation staatsnaher und 
militärischer Forschung
http://www.imi-online.de/2020/07/02/ein-diskreter-dammbruch-der-ruestungsforschung/ 

Christoph Marischka (2. Juli 2020)

Anfang Juni 2020 hat die Bundesregierung mit ihrem „Konjunkturpaket“ 
nach Jahren restriktiver Ausgabenpolitik ein sog. „Konjunkturpaket“ im 
Umfang von 130 Mrd. Euro auf den Weg gebracht. „Mehrwertsteuersenkung 
und Familienbonus beschlossen“, titelte der Deutschlandfunk am 29. Juni 
2020, nach der Zustimmung des Bundestages zur entsprechenden Änderung 
des Steuergesetzes. Zugleich wird im Konjunkturpaket allerdings mehrfach 
das Ziel proklamiert, dass „Deutschland gestärkt aus der aktuellen Krise 
hervorgeh[en]“ solle.1 Dies ist v.a. auch Aufgabe und Inhalt des 50 Mrd. 
Euro schweren „Zukunftspakets“, das Teil des Konjunkturpaketes ist und 
mit dem die Bundesregierung erklärtermaßen versucht, die 
Wettbewerbsposition der heimischen Industrie auszubauen. Ein besonderer 
Schwerpunkt liegt dabei auf sog. Schlüsseltechnologien, von denen sich 
Deutschland auch militärische Vorteile erhofft. Wesentliche Teile des 
Zukunftspaketes werden mit der nun anstehenden Verabschiedung des 
Nachtragshaushaltes umgesetzt, über die bislang recht wenig öffentlich 
berichtet und diskutiert wird.

Ein neues Forschungszentrum der Bundeswehr

So werden die bis 2025 vorgesehenen „Investitionen“ in „Künstliche 
Intelligenz“ um 2 Mrd. auf 5 Mrd. Euro erhöht, u.a. „um dem Bedarf an 
Rechenkapazität gerecht zu werden“ und „KI-Ökosysteme von 
internationaler Strahlkraft auf[zu]bauen“. Ein weiterer Bereich, in dem 
deutsche Wissenschaft und Industrie massiv gefördert werden sollen, ist 
die Quantentechnologie, für die das Zukunftspaket 2 Mrd. Euro zusätzlich 
vorsieht. Proklamiertes Ziel ist dabei, „dass Deutschland in 
wesentlichen Bereichen der Quantentechnologien, insbesondere dem 
Quantencomputing, der Quantenkommunikation, der Quantensensorik und auch 
der Quantenkryptographie wirtschaftlich und technologisch an der 
Weltspitze konkurrenzfähig“ werden soll. Was sich dahinter zumindest 
auch verbirgt, wird im „Rahmenprogramm Quantentechnologie“ der 
Bundesregierung von 2018 recht offen benannt. Demnach sei die „aktive 
und bedarfsgerechte Förderung von Forschungs-, Innovations- und 
Entwicklungsvorhaben im Bereich der Quantentechnologien […] aus Sicht 
von Sicherheitsbehörden des Bundes und der Bundeswehr von 
herausgehobener Bedeutung“.2 Für die Strafverfolgungsbehörden wird dabei 
recht offen „das Brechen herkömmlicher Kryptoverfahren“ als 
Anwendungsbereich genannt. Im Verantwortungsbereich des 
Bundesverteidigungsministeriums (BMVg) ist etwas allgemeiner davon die 
Rede, dass „die Entschlüsselung bestehender IT-Sicherungssysteme“ eine 
wichtige Aufgabe sei und bei „der wehrtechnischen Forschung und 
Technologie in den nächsten Jahren insgesamt die Erschließung möglicher 
militärischer Anwendungsfelder von Quantentechnologien im strategischen 
Fokus“ stehen müsse.3

Wesentlich deutlicher noch werden die geostrategischen und militärischen 
Ziele des „Zukunftspakets“ beim darin ebenfalls vorgesehen „Zentrum für 
Digitalisierungs- und Technologieforschung der Bundeswehr“, das es 
dieser ermöglichen soll, „innovative und interdisziplinäre Forschung in 
einem sicheren Umfeld zu betreiben“, „um die nationale Verfügbarkeit 
digitaler und technologischer Innovationen … zu verbessern“. Dieses 
Zentrum wird seinen Standort an der Universität der Bundeswehr in 
Neubiberg bei München haben, soll aus einem „stark virtualisierte[n] 
Verbund der beiden Bundeswehruniversitäten“ (München und Hamburg) 
bestehen und wird aus dem „Zukunftspaket“ mit 500 Mio. Euro 
ausgestattet. „Näheres gibt es zu dem geplanten Zentrum bisher noch 
nicht zu sagen“, so wird der Pressesprecher der Bundeswehruniversität 
noch am 19. Juni (indirekt) von der SZ zitiert.4 Kurz zuvor hatte sich 
der dortige SPD-Landesverband in einem Brief an Verteidigungsministerin 
Kramp-Karrenbauer (CDU) bemüht, den Standort des neuen Zentrums ins 
Saarland zu holen, weil das Bundesland „mit seinen Hochschulen, 
Forschungsinstituten und als ‚etablierter Bundeswehrstandort‘ beste 
Bedingungen“ böte.5 Auch das spricht dafür, dass das Konzept bislang 
reichlich vage ist und der Geldsegen auch die Bundeswehruniversitäten 
eher unvorbereitet trifft. Überraschend ist er allerdings nicht.

Zwei Agenturen für „disruptive“ Forschung

Denn das neue Zentrum ergänzt eine ganze Reihe bestehender Initiativen 
der aktuellen Bundesregierung, um Wissenschaft und Industrie enger 
miteinander zu vernetzen und durch staatliche Förderung Fortschritte in 
sog. Schlüsseltechnologien voranzutreiben. So heißt es bereits im 
Koalitionsvertrag vom Frühjahr 2018: „Zur Förderung von 
Sprunginnovationen wollen wir neue Instrumente schaffen und die direkte 
Forschungsförderung des Bundes stärker auf den Wissens- und 
Technologietransfer in die Wirtschaft ausrichten“.6 Seitdem arbeitet die 
Regierung u.a. am Aufbau zweier Agenturen, die Forschung im Bereich der 
identifizierten Schlüsseltechnologien anstoßen, finanzieren und mithilfe 
von Unternehmen die Umsetzung in marktfähige Produkte unterstützen 
sollen. Im Oktober 2019 wurde die „Bundesagentur für Sprunginnovationen“ 
als SprinD GmbH mit Sitz in der Leipziger Innenstadt gegründet. 
Gründungsdirektor Rafael Laguna de la Vera, der selbst als Investor und 
Unternehmer tätig war, beschreibt deren Aufgabe so: „Wir nehmen die 
Projekte, die zu groß und zu riskant sind, wo ein normaler 
Finanzinvestor vielleicht nicht gut beraten ist, zu investieren. Wir 
entwickeln die zu einem Grad, wo dann Business Angel [Finanzinvestoren] 
auch einsteigen können und auch sollen“.7 Dafür soll die Agentur bis 
Ende des Jahrzehntes mit einer Mrd. Euro ausgestattet werden.

Mitte Juni 2020 berichtete der MDR, dass darüber hinaus die im 
Koalitionsvertrag vorgesehene „Agentur für Disruptive Innovationen in 
der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien (ADIC)“ in Halle ihre 
Arbeit aufgenommen habe, ihr genauer Standort jedoch zunächst „aus 
Gründen der Sicherheit“ nicht öffentlich gemacht werde.8 Diese nun meist 
nur noch als „Cyberagentur“ bezeichnete Institution untersteht gemeinsam 
dem Bundesinnenministerium und dem Bundesverteidigungsministerium und 
soll Forschung explizit in jenen Bereichen vorantreiben, die als 
sicherheitspolitisch relevant angesehen werden. Der Gründungsdirektor 
dieser Agentur, Christoph Igel, kommt als Wissenschaftler vom Deutschen 
Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und hat sich 
anschließend nach einer erneuten Grundausbildung („wir sind wirklich 
über die Hindernisbahn“) beim IT-Bataillon in Gerolstein als Soldat auf 
Zeit im Kommando Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr vereidigen 
lassen.9 Laut einem Bericht des im Verteidigungsministerium 
angesiedelten Aufbaustabs der Agentur besteht deren Aufgabe in der 
„zielgerichtete[n], am Bedarf der inneren und äußeren Sicherheit 
orientierte[n] Beauftragung“ von „Forschungseinrichtungen durch 
staatliche Einrichtungen“. Hierzu „analysiert“ sie die 
„Innovationslandschaft“.10 Nach den Worten des Gründungsdirektors Igel 
soll sie „Forschung stimulieren und koordinieren“: „Es geht um 
Forschungsfragen, die zum Beispiel das Bundeskriminalamt, die 
Bundespolizei, die Marine, die Luftwaffe haben könnten“.11 Als 
Handlungsfelder identifizierte der Aufbaustab „unter anderem die 
Quantentechnologie, Künstliche Intelligenz oder alternative 
Rechnerarchitekturen.“ Konkreter benannt werden u.a. „DNA-basierte“, 
„organisch-elektrochemische“ sowie „neuromorphe und neuronale 
Architekturen“. Konkret werden auch „Autonomie und Entscheidungsfindung“ 
und „Lagebilder und Lagebilddarstellung“ sowie Sensorik als 
Forschungsthemen genannt. „[A]bhängig vom Schwerpunkt des spezifischen 
Programms“ ist dabei vorgesehen, dass die Agentur „Programmbüros an 
anderen Standorten in Deutschland“ einrichtet. „Dabei handelt die 
Cyberagentur bewusst als Wagniskapitalgeber und schließt nicht aus, dass 
sich manche beauftragten Forschungen und Entwicklungen als Irrweg 
erweisen“.12 Zugleich hat die Bundesregierung gegenüber der Agentur den 
Anspruch formuliert, dass – wie auch bei der (zivilen) Agentur für 
Sprunginnovationen – „der Aspekt der Verwertung künftiger Fähigkeiten … 
wesentlicher Treiber“ der Aktivitäten sein solle.13 Mit ihrem zugleich 
risikobereiten wie anwendungszentrierten Ansatz orientieren sich damit 
beide Institutionen an der DARPA, der Forschungsbehörde des Pentagon.14 
Dabei beschränkt sich die Agentur für Sprunginnovationen laut ihrer 
Homepage auf „Themenfelder“, die „zivilen Zwecken dienen“,15 während die 
Cyberagentur ihre Aufgabenfelder „aus dem Blickwinkel der inneren und 
äußeren Sicherheit“ bestimmt.16

Kampfansage an Zivilklauseln

Insbesondere die letztgenannten Agenturen sollen in staatlichem – auch 
militärischem – Interesse die deutsche Forschungslandschaft beobachten 
und analysieren, davon ausgehend durch zielgerichtete Beauftragung 
Projekte „stimulieren“ und „koordinieren“ und Kontakte zu Investoren und 
der Industrie herstellen, um bei der Kommerzialisierung auch noch als 
„Wagniskapitalgeber“ zu fungieren. Das ist eine grundsätzliche Abkehr 
vom Gedanken der Unabhängigkeit von Forschung, der Autonomie der 
Hochschulen und der Wissenschaft. Es handelt sich dabei auch um einen 
Frontalangriff auf die Kämpfe um Zivilklauseln, die in den letzten 
Jahren an vielen Hochschulen ausgefochten wurden als Versuch, eine 
militärische Indienstnahme der Wissenschaft zu verhindern. In einem vom 
BMVg veröffentlichten Interview jedenfalls hat der Gründungsdirektor der 
„Cyberagentur“, Christoph Igel, bereits eine Art Kampfansage formuliert: 
„im Hinblick auf Zivilklauseln und Dual-Use-Problematiken“ werde man 
„erstmal richtig dicke Bretter bohren müssen“.17

Zivilklauseln gehen oft auf Initiativen der Studierendenschaft oder des 
sog. Mittelbaus zurück und stellen Selbstverpflichtungen von Hochschulen 
dar, nicht für militärische Zwecke zu forschen bzw. friedliche Ziele zu 
verfolgen. Ihre Umsetzung gestaltet sich schwierig, weil die meisten 
Universitäten sich bei der Einwerbung von Drittmitteln nicht wirklich 
einschränken wollen und im Grunde gerne mit Förderungen und 
Kooperationen mit großen Unternehmen und staatlichen Stellen für sich 
werben. Militärische Zwecke werden deshalb ebenso wie friedliche Ziele 
nicht genauer definiert und erstere eng, letztere weit ausgelegt. So ist 
die Zusammenarbeit mit Rüstungsunternehmen auch an Hochschulen mit 
Zivilklauseln eher die Regel als die Ausnahme, weil hier oft auf den 
Dua-Use-Charakter der Forschung, also mögliche zivile Anwendungen der 
Ergebnisse verwiesen wird. Und tatsächlich findet der 
Entwicklungsschritt, in dem Technologien explizit auf militärische 
Nutzung zugeschnitten werden, typischerweise nicht an Hochschulen statt, 
sondern wird durch die Rüstungsindustrie selbst, in Zusammenarbeit mit 
der Bundeswehr oder an außeruniversitären Instituten (wie den 
Fraunhofer-Instituten) vollzogen. Auch bei Forschung, die aus dem 
Verteidigungshaushalt finanziert wird, gilt der „Dual-Use“ häufig als 
Argument gegen die Anwendbarkeit von Zivilklauseln, wenn etwa bei 
wehrmedizinischer Forschung auf ihren (potentiellen) allgemeinen 
medizinischen Nutzen verwiesen wird. Es finden sich allerdings auch 
Argumentationen, wonach der Schutz der eigenen Soldaten, insbesondere in 
sog. „Friedenseinsätzen“ auch als friedlicher Zweck zu interpretieren sei.18

Die konkreten Drittmittelaufträge der Bundeswehr an zivile Hochschulen 
werden in der Regel nicht öffentlich bekannt gegeben und z.B. gegenüber 
dem Bundestag als Verschlusssache eingestuft.19 Ihr Gesamtumfang betrug 
zwischen 2006 und 2009 – soweit bekannt – jährlich etwa 8 Mio. Euro.20 
Forschungsaufträge des US-Militärs allerdings sind im Umfang 
vergleichbar und öffentlich nachvollziehbar. So kam der Spiegel durch 
eine Auswertung der US-Haushaltsdatenbank von 2008 bis 2019 auf die 
Summe von 21,7 Mio. US$, die in diesem Zeitraum vom Pentagon an deutsche 
Hochschulen geflossen sind, darunter auch einige mit
Zivilklauseln.21

Dabei handelt es sich im Vergleich zum Drittmittelaufkommen deutscher 
Hochschulen insgesamt um überschaubare Beträge, die jedoch bereits 
durchaus ausreichend sind, um Forschung zu „stimulieren“, das zivile 
Gepräge von Hochschulen zu erschüttern und wissenschaftliches Personal 
für die Rüstungsindustrie, die bundeswehreigenen und bundeswehrnahen 
Forschungsinstitute (etwa des Fraunhofer-Verbundes Verteidigungs- und 
Sicherheitsforschung, VVS) zu rekrutieren. Die Cyberagentur jedenfalls, 
die explizit auf die Bedürfnisse „der inneren und äußeren Sicherheit“ 
ausgerichtet ist, soll jährlich mit 80 Mio. Euro ausgestattet sein, von 
denen 20% für den Grundbetrieb, darunter die Personalkosten der etwa 100 
Mitarbeiter*innen, vorgesehen sind. 80% des Budgets sollen in die 
„Forschungs- und Innovationsvorhaben“,22 also die zielgerichtete 
Beauftragung von Forschungseinrichtungen fließen. Das ist etwa der 
achtfache Betrag der Drittmittel, welche deutsche Hochschulen zwischen 
2006 und 2009 direkt vom BMVg erhalten haben. Es ist allerdings davon 
auszugehen, dass die Cyberagentur – wie auch das BMVg selbst – einen 
Großteil ihrer Forschungsgelder nicht direkt an Universitäten 
ausschütten werden, sondern an außeruniversitäre 
Forschungseinrichtungen, die bereits jetzt deutlich mehr Mittel aus dem 
Rüstungshaushalt erhalten. Allerdings werden die Trennlinien zwischen 
beiden immer unschärfer, denn zu den im Koalitionsvertrag vorgesehenen 
„neue[n] Instrumente[n] zur Förderung von Sprunginnovationen und des 
Wissenstransfers in die Wirtschaft“ gehören eben auch jene 
„Forschungscampi“, „Zukunftscluster“ und „Ökosysteme“, die Wissenschaft, 
Industrie, Kapital und Politik systematisch verschmelzen und nun auch 
noch aus dem „Corona-Konjunkturpaket“ mit den nötigen Mitteln 
ausgestattet werden, um sich zu militärisch-technologischen 
Versuchsanstalten zu entwickeln.

PS: Auch das Kapital ist hocherfreut

Die Forderung, in Deutschland eine Forschungsagentur nach dem Vorbild 
der DARPA auszubauen, hat noch während der Koalitionsverhandlungen im 
Januar 2018 der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) öffentlich 
erhoben.23 Wenige Monate zuvor, im Oktober 2017, hatte die MPG gemeinsam 
mit den GermanU15 (als Verband „forschungsstarker“ Universitäten) und 
großen Industrieverbänden wie dem BDI, dem Branchenverband Bitkom und 
dem Verband der Automobilindustrie (VDA) ein gemeinsames Positionspapier 
mit Forderungen veröffentlicht, um „Wissenschaft und Forschung als 
Fundament unserer Zukunft weiter [zu] stärken“. In dem gerade mal drei 
knappe Seiten umfassenden Papier wird ebenfalls gefordert, „vollständig 
neue Förderformate in den Blick [zu nehmen], die auf disruptive 
Innovationen abzielen“. Weiter heißt es dort: „Die Zusammenarbeit 
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist weiter zu fördern und mit dem 
Ziel zu stärken, vollständige Innovationskreisläufe von der 
Grundlagenforschung bis in die Anwendung und zurück abzubilden. Dazu 
sollten zusätzliche Förderformate entwickelt werden, die auf engen 
Entwicklungspartnerschaften zwischen Forschungseinrichtungen und 
Unternehmen mit komplementären Interessen und komplementärem Know-how 
aufbauen und diese in Innovationen überführen. Auch die 
innovationsorientierte öffentliche Beschaffung sollte ausgebaut werden, 
um die Marktanwendung von Forschungsergebnissen aktiv voranzutreiben und 
Innovationsprozesse zu beschleunigen“.24 Viele weitere der hier 
gemeinsam von Wissenschaft und Industrie formulierten Forderungen – 
darunter das Ziel, 3,5% des BIP für die Forschung auszugeben und dafür 
den Unternehmen für entsprechende Aktivitäten weitere 
Steuererleichterungen einzuräumen – finden sich im Koalitionsvertrag von 
2018 wieder und werden mit dem sog. „Corona-Konjunkturpaket“ weiter 
umgesetzt.

Zwar ist nachvollziehbar, dass die bemerkenswerte Koalition von 
Industrie und Wissenschaft eine gewisse politische Durchsetzungskraft 
erzeugt. Es gibt jedoch noch weitere Akteure, die am Konzept der 
disruptiven Technologiepolitik ein Interesse haben und auch geltend 
machen. Dabei handelt es sich um internationale Beratungs- und 
Kapitalgesellschaften wie PriceWaterhouseCoopers, Roland Berger, EY 
(Ernst & Young) und Unternehmen wie Accenture, Capgemini, IBM, Atos und 
Bosch, die sich als „Anbieter der digitalen Transformation“ verstehen 
und in den vergangenen Jahren kräftig in diese Bereiche investiert 
haben. Bei den investierten Geldern handelt es sich letztlich um 
Risikokapital: Obwohl sich mit der Digitalisierung des Alltags, der 
öffentlichen Verwaltung, der Gesundheit und auch der Streitkräfte 
bereits jetzt recht viel Geld verdienen lässt, bleiben die bislang 
realisierten Gewinne jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Deshalb 
wirken diese Kapitalfraktionen massiv auf die Politik ein, um die 
angekündigten Disruptionen weiter zu forcieren oder zumindest die 
Erwartungen daran aufrecht zu erhalten. Es sind v.a. diese Unternehmen 
bzw. die in ihrem Umfeld agierenden Denkfabriken, PR-Gesellschaften und 
sonstigen Institutionen, die dabei gerne die geopolitische und auch 
militärische Relevanz entsprechender Technologien hervorheben und 
beständig davor warnen, dass Deutschland/Europa mit den bevorstehenden 
Disruptionen v.a. gegenüber den USA und China ins Hintertreffen zu 
geraten drohe.25 Ins gleiche Horn blasen jedoch zunehmend auch die 
großen Wissenschaftsorganisationen wie die MPG und schlagen dabei 
erstaunlich nationalistische Töne an, um Forderungen Nachdruck zu 
verleihen, die letztlich den Interessen eines internationalen 
Risikokapitals dienen. Denn wenn der Staat nun zunehmend selbst als 
„Wagniskapitalgeber“ auftritt und in Bereiche investiert, in denen 
Disruptionen erwartet werden, verbessert dies die Möglichkeiten anderer 
Investoren, Profite zu erwirtschaften, bevor ein Produkt auf den Markt 
kommt oder sich die erwartete „Disruption“ überhaupt je ereignet. Bis 
die Blase platzt.

*Anmerkungen*
[1] Alle Zitate ohne Quellenangaben entstammen dem Eckpunktepapier 
„Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“ 
(„Corona-Konjunkturpaket“) des Koalitionsausschusses vom 3. Juni 2020.
[2] Bundesregierung: „Rahmenprogramm Quantentechnologien – von den 
Grundlagen zum Markt“, BT-Drucksache 19/4645.
[3] Ebd.
[4] „Zentrum für Digitale Forschung geplant“, sueddeutsche.de vom 19.6.2020.
[5] Florian Mayer: SPD-Fraktion will Cyber-Bundeswehrzentrum ins 
Saarland holen, www.sr.de vom 10.6.2020.
[6] Ein neuer Aufbruch für Europa / Eine neue Dynamik für Deutschland / 
Ein neuer Zusammenhalt für unser Land, Koalitionsvertrag zwischen CDU, 
CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode.
[7] „Eine gute Erfindung steigert das Gemeinwohl“, Rafael Laguna de la 
Vera im Gespräch mit Annette Riedel, Deutschlandfunk Kultur (Tacheles) 
vom 29.2.2020.
[8] Marcel Roth: Cyberagentur des Bundes startet in Halle, www.mdr.de 
vom 15.6.2020.
[9] BMVg: Im Interview – Forschungsdirektor der Cyberagentur, 
www.bmvg.de vom 20.5.2020. Im Interview lässt Igel an seiner Sympathie 
für die Bundeswehr keine Zweifel aufkommen und berichtet einleitend von 
seiner Zeit als Wehrdienstleistender: „Ich hatte frisch mein Abitur in 
der Tasche und habe im Anschluss meinen Grundwehrdienst geleistet. Das 
waren damals fünfzehn Monate in einem Fallschirmjäger-Bataillon. So 
richtig kämpfende Einheit, mit Ausbildung zum Scharfschützen und 
Teilnahme an NATO-Übungen. Da war ich Fallschirm springen, Mitglied der 
Mannschaft des militärischen Fünf-Kampfes der Kompanie und habe all das 
gemacht, was zur ‚grünen Ausbildung‘ gehört. Spannende Zeit, das hat 
ganz viele positive Eindrücke hinterlassen“.
[10] Aufstellungsstab Cyberagentur: Bericht zum Aufbau (Stand 1. August 
2019). Cyberagentur: Bedarfe – Themen – Vorgehen.
[11] Marcel Roth: Was die Cyberagentur in Halle/Leipzig machen wird – 
Interview mit Cyberagentur-Chef, www.mdr.de vom 15.6.2020.
[12] Aufstellungsstab Cyberagentur, a.a.O.
[13] BT-Drucksache 19/3289.
[14] Ebd.
[15] https://sprind.org (Stand 29.6.2020). Aktuell (1.7.2020) ist die 
Homepage der Agentur/GmbH nicht erreichbar.
[16] BT-Drucksache 19/3289.
[17] BMVg: Im Interview – Forschungsdirektor der Cyberagentur, 
www.bmvg.de vom 20.5.2020.
[18] Vgl.: Christoph Marischka: „…und irgendwann fahren Panzer drüber“ – 
Ein Beispiel für Geheimdienstforschung und vielsagende Rechtfertigungen, 
IMI-Analyse 2013/028, sowie: IMI: Zivilklausel an der Universität 
Tübingen, Reader vom Juli 2011.
[19] S. BT-Drucksache 17/3337.
[20] Ebd.
[21] Armin Himmelrath und Holger Dambeck: Millionen vom Pentagon für 
deutsche Unis, www.spiegel.de vom 22.6.2019.
[22] Drucksache 19/15961
[23] „Glaubwürdigkeitskrise der gesellschaftlichen Eliten“, Martin 
Stratmann im Gespräch mit Ralf Krauter, Deutschlandfunk (Forschung 
aktuell) vom 24.1.2018.
[24] Max-Planck-Gesellschaft u.a.: Wissenschaft und Forschung als 
Fundament unserer Zukunft weiter stärken, gemeinsames Positionspapier 
vom 10.10.2017, www.mpg.de.
[25] Christoph Marischka: KI und Geopolitik – Die unheilige Allianz von 
Risikokapital, Wissenschaft und Politik, IMI-Analyse 2020/14.


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