[FoME] Medienwirtschaft
Aarni Kuoppamäki
aarni at gmx.de
Mi Jan 23 13:05:59 CET 2013
Liebe Fome-Liste,
im Projekt "Our Radio!", einem Gemeinschaftsvorhaben von DW Akademie, GIZ
und der Ghana Independent Broadcasters Association (GIBA) kooperieren wir
mit neun kommerziellen und Community-Radios in den abgelegenen Ecken von
Ghana. Dabei versuchen wir, die Bereiche Journalismus, Technik und
Management gleichermaßen im Auge zu behalten. Wir betreiben Hörerforschung,
bieten Workshops und In-House-Beratung an und regen den Austausch
hochwertiger Programme zwischen den Regionen an.
Als Projektmanager habe die Debatte über Journalismus und das
Mediengeschäft interessiert verfolgt. Danke für die Beiträge! Auch ich
finde, die langfristige Zusammenarbeit mit Medien in Entwicklungsländern,
die letztlich über bessere journalistische Inhalte zur Demokratieförderung
beitragen soll, muss die wirtschaftlichen Aspekte des Medienbetriebs mit
berücksichtigen. Auf die Frage, wie Radios unter afrikanischen Bedingungen
wirtschaftlich nachhaltig arbeiten können, weiß ich zwar keine Antwort,
möchte aber einige Beobachtungen aus unserer Praxis mit dem Forum teilen.
Beobachtung 0: Wir alle sehen schon länger, dass es schwierig ist,
journalistische Qualität zu produzieren, wenn kein Geld da ist für
Ausrüstung, Telefonkosten, Recherchefahrten und Journalistengehälter bzw.
-honorare, die es erlauben, sein Leben zu leben, ohne
pseudo-journalistische Inhalte für Interessengruppen platzieren zu müssen.
Beobachtung 1: Die Rezipienten der Sender sind gerade in ländlichen
Gebieten arm, die werberelevante Zielgruppe ist klein, so auch der Markt
für Werbetreibende. Die Werbeminute wird für ein paar Euro verkauft. Kosten
für technische Ausrüstung, Strom, Benzin und Kommunikation sind im
Verhältnis zur Realität in Deutschland immens.
Beobachtung 2: Marketing- und Management-Konzepte, die sich in Industrie-
und Schwellenländern bewährt haben, lassen sich nicht immer anwenden bei
Sendern in Entwicklungsländern, wo andere Bedingungen herrschen. In Ghana
scheint der Verkauf von Werbung weniger von Reichweiten, Zielgruppen und
einem Markt für Werbung bestimmt zu sein als z.B. in Deutschland oder
Südafrika. Dafür spielen Aspekte wie persönliche Bekanntschaften mit
Werbetreibenden oder "Kickbacks" an Werbemakler eine viel größere Rolle.
Beobachtung 3: Private Radiosender haben in vielen Fällen Besitzer mit
kommerziellen Interessen, die alle Gewinne abschöpfen und dem Management
nur das allermindeste für den Betrieb und die Entwicklung des Senders
lassen. Journalistische Qualität lässt sich unter diesen Bedingungen nur
schwer realisieren.
Beobachtung 4: Bürgerradios haben es oft noch schwerer als kommerzielle
Sender, weil sie weniger Werbeeinnahmen erzielen. Außerdem haben die
Mitarbeiter andere berufliche Verpflichtungen und können, sofern sie
dennoch viel Zeit und Herzblut in ihre Sendungen stecken, leicht von
kommerziellen Sendern abgeworben werden. Journalistische Qualität lässt
sich unter diesen Bedingungen nur schwer realisieren.
Ich freue mich auf einen weiteren Austausch in diesen Fragen und
interessante Konzepte für die medienökonomische EZ (nennen wir sie MÖEZ ;))
Beste Grüße aus Accra,
Aarni Kuoppamäki
Project Manager "Our Radio!"
Development Advisor to Ghana Independent Broadcasters Association (GIBA)
Am 22. Januar 2013 20:44 schrieb Daniel Blank <Dan.Blank at gmx.de>:
>
> Nur selten bringen Journalisten ihr Geld selber mit. Irgendwoher kommt das
> Geld immer: Mal vom Staat, mal von Werbekunden, mal von Banken, mal von
> Abonnenten, mal von reichen Gönnern, mal von MEZ-Organisationen. Alle
> Geldgeber verfolgen ihre Interessen. Sie zahlen nur, wenn das
> journalistische Produkt im Großen und Ganzen für sie stimmt. Völlige
> Freiheit ist nie.
>
> Mal ist der Rahmen für Journalisten enger gesteckt, mal ist er eher
> weiter. Manchmal spürt man ihn, manchmal nicht. Zudem sind einige
> Geldquellen nachhaltiger als andere. Es gilt Finanzierungswege zu
> erschließen, die die journalistische Arbeit möglichst wenig einschränken:
> Weder inhaltlich noch zeitlich. Da sind wir uns ja im Forum alle einig.
>
> Rein theoretisch wäre das mit jeder der oben genannten Quellen möglich.
> Rein theoretisch kann aber auch jede der oben genannten Quellen das
> Gegenteil bedeuten: Druck – inhaltlich und zeitlich. Der Trick ist also,
> den richtigen Umgang mit den einzelnen Finanzierungswegen durch
> professionelle Schulungen zu vermitteln. Ein großer weißer Fleck in der
> bisherigen MEZ.
>
> Viele Geldgeber (z.B. der Staat, politische Gruppen) schränken die Arbeit
> guter Journalisten in unseren Einsatzländern ein. Zudem haben Konsumenten
> oftmals nicht genug Geld für anspruchsvolle Medienprodukte. MEZ-Gelder
> können hier kurzfristig Freiräume schaffen: Inhaltlich und zeitlich. Doch
> was kommt dann? Können wir denn die großen Rahmenbedingungen ändern? Den
> Staat, die politischen und religiösen Gruppen, die wirtschaftlichen Eliten?
> Haben unsere Partner so viel Zeit?
>
> Mittelfristig können wir nur diejenigen sensibilisieren, die das Geld für
> die Journalisten reinholen sollen. Geld von Werbekunden ist dabei nur eine
> Möglichkeit von vielen, aber eine recht überschaubare: Werbekunden kommen
> selten mit Waffen vorbei, man kann sie ablehnen, man kann ihre Werbung
> sauber von journalistischen Inhalten trennen, sie stehen untereinander in
> Konkurrenz. Kurz: Man kann lernen, sie professionell zu managen.
>
> In meiner bisherigen Arbeit (im Anzeigenverkauf für internationale Medien)
> habe ich immer wieder von den Großunternehmen gehört, dass sie weder eine
> Vermengung noch ein Junktim zwischen Redaktion und Werbung wünschen.
> Konsumenten von Medienprodukten sind nicht dumm. Sie merken, wenn Inhalte
> gekauft sind. Sie wenden sich ab, die Verbreitung der Medienprodukte sinkt.
> Nicht nur Medienhäuser florieren durch Seriosität und Glaubwürdigkeit,
> sondern auch werbenden Unternehmen ist das Image ihrer Marke wichtig.
>
> Ein professioneller Umgang mit Werbekunden ist keine Zauberei, sondern ein
> Handwerk (wie der gute Journalismus), das man erlernen kann. Leider wissen
> auch in Deutschland nur wenige Journalisten, was ihre Kolleginnen und
> Kollegen in den Marketing und Sales Abteilungen ihrer Medienhäuser so alles
> drauf haben. Und das ist nicht wenig! Nicht zuletzt ist in Deutschland der
> Beruf der Medienkauffrau bzw. des Medienkaufmanns ein staatlich anerkannter
> Ausbildungsberuf.
>
> Medienhäuser sind also keine Schokoladenfabriken. Die Geldbeschaffung für
> Medien funktioniert ganz anders als bei normalen Unternehmen. Hier sollten
> wir auf die Expertise unserer gut ausgebildeten und erfahrenen Medienprofis
> nicht verzichten. Durch Schulungen können sie ihren Kolleginnen und
> Kollegen in vielen Ländern den Rücken stärken, wenn es darum geht,
> Journalisten vor inhaltlicher Einflussnahme zu schützen und sie finanziell
> abzusichern.
>
> Euer
> Daniel Blank
> (Bonn)
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