[FoME] Finanzielle Nachhaltigkeit
Dan Blank
mail at danblank.net
Do Apr 25 20:50:06 CEST 2013
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vielen Dank für die anregenden und positiven Gespräche, die ich im
Anschluss an meine letzten FoME-Beiträge mit einigen von Euch führen
durfte. Noch stehen wir ganz am Anfang, wenn es um Fragen der nachhaltigen
Medienfinanzierung geht. Auch viele MEZ Institutionen haben dieses Problem
leider noch gar nicht richtig erfasst und für sich umsetzen können. Ich
möchte daher nochmals meine eigenen Vorstellungen zu diesem Thema
zusammenfassen:
* Die Frage nach der finanziellen Nachhaltigkeit muss ein integraler
Bestandteil jeder zukünftigen MEZ-Aktivitäten (auch der
Journalistenausbildung) sein und von Anfang an mitgedacht werden.
* Es geht darum, gemeinsam mit den jeweiligen Partnermedien eine
Finanzierungsstrategie für die Zeit nach der Beendigung einer Donor- oder
Staats-Finanzierung zu entwickeln.
* Es geht mir nicht um weitere Management-Trainings, sondern um die
langfristige Schulung auch von Marketing & Sales Mitarbeitern auf der
mittleren und unteren Arbeitsebene.
* Marketing & Sales Arbeit in Medienhäusern kann und muss man genauso
erlernen wie das journalistische Handwerk. In Deutschland ist diese Arbeit
deshalb auch ein Ausbildungsberuf.
* Marketing & Sales Arbeit in Medienhäusern unterscheidet sich essentiell
von der Marketing & Sales Arbeit in anderen (privaten) Unternehmen und kann
nicht einfach übertragen werden.
* Es sollten aus Mangel an Fachkräften nicht einfach Trainer und Berater
eingesetzt werden, die selber noch nie praktisch an der Finanzierung eines
Medienunternehmens mitgewirkt haben.
* Wir stehen auch vor der Aufgabe, Richtlinien und ggf. einen Wertekanon
für die nachhaltige Medienfinanzierungsarbeit zu entwickeln (z.B. strikte
Trennung von Redaktion und Werbung).
* Eine unabhängige Kontrolle und Zertifizierung von Marketing & Sales
Trainings könnte dazu beitragen, dass die vereinbarten Richtlinien und
Werte in den Trainings auch vermittelt werden.
* Marketing & Sales Mitarbeiter in Konflikt-Regionen müssen (wie ihre
journalistischen Kollegen auch) in Konfliktsensibilität geschult werden, um
sich nicht abhängig machen zu lassen.
* Es muss verdeutlicht werden, welcher innere Zusammenhang zwischen
finanziell erfolgreichen Medien und der notwendigen Entwicklung von
Meinungs- und Pressefreiheit besteht.
* Wir müssen dafür sorgen, dass Umsätze aus Marketing & Sales Aktivitäten
dafür genutzt werden, um den von uns gut ausgebildeten Journalisten
finanziell den Rücken frei zu halten.
* Auch den Journalisten muss ein Verständnis für die Arbeit und die
Probleme ihrer Marketing & Sales Kollegen vermittelt werden. Beide Seiten
sind letztlich voneinander abhängig.
* Die negativen Auswirkungen einer rein profitorientierten
Medienproduktion dürfen nicht verschwiegen werden.
* Wir brauchen mehr Treffen und Konferenzen, auf denen auch sehr
unterschiedliche und modulare Finanzierungsmodelle in der MEZ vorgestellt
und diskutiert werden können.
* Unsere Krise der Printmedien-Finanzierung muss genau analysiert werden,
aber unsere Probleme sind nicht immer automatisch auch (schon) in anderen
Ländern vorhanden.
* Alle Geschäftsmodelle, die unseren Partnern empfohlen werden, müssen
immer auch unter dem Gesichtspunkt der schnellen Weiterentwicklung sozialer
und digitaler Medien Erfolg versprechen.
* Eher unpolitische Finanzierungs- und Geschäftsentwicklungs-Trainings
können auch als Türöffner für solche Ländern dienen, in denen reine
Journalisten-Trainings bisher noch nicht möglich sind.
* MEZ-Institutionen müssen auch beratend tätig werden, wenn es um die
Formulierung von Gesetzen geht, die die Geschäfts- und
Finanzierungsinteressen von Medienhäusern betreffen.
* Überhaupt sollten MEZ-Institutionen auch die allgemeine Entwicklung
eines stabilen und von unabhängiger Seite kontrollierten Werbe- und
Anzeigenmarktes im Blickfeld haben.
* MEZ-Institutionen müssen sich in diesem Zusammenhang auch den Aufbau
von unabhängigen Werbe-Räten zum Ziel setzen, die Beschwerden von
Medienkonsumenten entgegennehmen.
* Außerdem müssen alle Vertriebswege von Medienerzeugnissen (Print,
Online, TV und Radio), die dem Vertrieb dieser Erzeugnisse insgesamt
nutzen, langfristig stark ausgebaut werden.
* Partnerländer und MEZ-Institutionen sollten mehr Kredite und
Kredit-Garantien zur Verfügung stellen oder solche Institutionen
unterstützen, die dies bereits tun (wie z.B. der MDLF in NY).
* Die Gründung von unabhängigen Einrichtungen zur Kontrolle der
Verbreitung von Werbeträgern würde es unseren Partner-Medienhäusern
erlauben, überzeugendere Mediadaten zu erstellen.
* Unabhängige Institutionen (wie z.B. Universitäten), die Marktforschung
zu Einschaltquoten, Nutzerverhalten, Zielgruppen etc. durchführen, sollten
dringend unterstützt werden.
* Branchengewerkschaften brauchen Unterstützung, um sich auch für die
Rechte der Marketing & Sales Mitarbeiter in Medienhäusern einzusetzen, die
oftmals nur von knappen Provisionen leben.
* Für den privaten Wirtschaftssektor aufgelegte Förderungsprogramme der
allgemeinen EZ oder der Partnerländer sollten auch von privaten
Partner-Medienhäusern mehr genutzt werden.
* Medienmanagement Software, wie z.B. CRM Software, muss im Rahmen
unserer Finanzierungs-Trainings den Medienhäusern kostenlos zur Verfügung
gestellt werden.
* Wir müssen local communities stärker dabei unterstützen, sich auch
finanziell für ihre Radiosender und damit für ihre eigenen Interessen stark
zu machen.
* Es sollte bei Finanzierungsfragen in der MEZ keine Bevorzugung von
privaten Medien, öffentlich-rechtlichen Medien oder Community Medien/Radios
geben. Nur die Inhalte entscheiden.
* Es müssen Foren gefunden werden, in denen sich Marketing & Sales
Newcomer und Profis aus unseren Partnermedien untereinander über ihre ganz
eigenen Erfahrungen austauschen können.
Hier nochmals meine alten Beiträge zum Thema:
https://listi.jpberlin.de/pipermail/fome/2013-January/001500.html
https://listi.jpberlin.de/pipermail/fome/2013-January/001528.html
Gruß in die Runde
Daniel Blank
(Bonn)
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