[Debatte-Grundeinkommen] Ein Grundeinkommen sollte mehr als eine Transferleistung sein

Baukje Dobberstein baukje at gmx.de
Sa Jul 21 14:20:15 CEST 2018


Liebe Liste,

mir ist der Begriff "emazipatorisches Grundeinkommen" leider immer noch 
zu schwammig. Auch das Frankfurter Manifest bringt meines Erachtens 
nicht wirklich auf den Punkt was das nun ausmachen soll. Zu viele 
Details bleiben offen, statt dessen werden alte Feindbilder gepflegt. 
Statt differenziert zwischen verschiedenen Vorschlägen zum BGE zu 
unterschieden, werde alle Unternehmer und Vertreter des "globalen 
Kapitalismus" unter generalverdacht gestellt, unabhängig von deren 
tatsächlicher Motivation.

Und in der Definition wird der einleitende Satz, dass ein Grundeinkommen 
JEDEM MITGLIED DER GESELLSCHAFT zusteht immer wieder unterschlagen. Ich 
würde mir eine klare Position dazu wünschen. BGE für ALLE die in 
Deutschland leben, Existenzsicherung auch für Kinder (aktuell ist das 
Existenzminimum für Kinder bei 80% der Erwachsenen). Ein Fortbestehen 
von bedarfsgeprügten Sozialleistungen die über das BGE hinaus gehen. 
KEIN 100%iger Transferentzug, damit ein Lohnabstand wieder gilt, der vor 
ein paar Jahren abgeschaft wurde.

Zwei Denkanstösse von mir dazu:

"Das ist der emanzipatorische Effekt vom Grundeinkommen. Es befreit 
einen von der Abhängigkeit. Ob das die Abhängigkeit vom Ehemann, Vater 
oder Arbeitgeber ist, ist dabei erstmal egal. Jeder hätte die Chance 
NEIN zu sagen. Zu schlechter Arbeit, aber auch zum Partner oder anderen, 
von denen man bislang finanziell abhängig war."

aus https://blog.baukje.de/machtumverteilung-durchs-grundeinkommen/

und zu den Kindern:

"Erstmal soll es die Existenz sichern, dafür hat der Bundestagein 
eigenes Existenzminimum für 
Kinder<http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/102/1810220.pdf>berechnet: 
7.248 Euro im Jahr 2018, das entspricht ca. 600 Euro im Monat. Das 
Statistische Bundesamt liefert ähnliche Zahlen. Hier wird geschätzt, 
dass für die Versorgung eines Kindesbis zum 18. Lebensjahr insgesamt 
etwa 130.000 Euro ausgegeben werden 
<https://www.familie.de/eltern/wie-viel-kosten-kinder-536481.html>. Auch 
hier ergibt sich eine Summe von ca. 600 Euro monatlich. Schon 
erschreckend, wenn man feststellt, dass für Kinder in Deutschland im 
Schnitt nur das Existenzminimum ausgegeben wird.

Im Vergleich dazu beträgt das Existenzminimum für Erwachsene 9.000 Euro 
im Jahr 2018, also monatlich 750 Euro. Möchte man alle Aspekte der 
Teilhabe sicherstellen, muss die Summe höher sein, für Erwachsene 
genauso wie für Kinder. Ein Grundeinkommen, das sich an 
derArmutsrisikogrenze orientiert, beträgt 2018 ca 1.170 Euro 
<https://www.grundeinkommen.de/18/07/2018/grundeinkommen-muesste-im-jahr-2018-ca-1-170-euro-betragen.html>. 
Wenn das Kindergrundeinkommen ebenfalls 80% betragen soll, so wie das 
Verhältnis der Existenzminima heute, wären es dann 936 Euro für Kinder."

aus: https://blog.baukje.de/grundeinkommen-fuer-kinder-die-haelfte/

Ich war ehrlich gesagt schockiert, als ich gestern von einem Mitglied 
des NWR auf Facebook lesen musste, dass er das BGE gerne zur 
Geburtenkontrolle einsetzen würde und ab dem 3. Kind kein BGE mehr 
befürworten würde. Auch seine Anmerkung das schon existierende Kinder 
davon ausgenommen seien und das ganze sich auf die globale Perspektive 
beziehen würde relativert es nur leicht, aus meiner Perspektive.

Bitte um eure Meinungen dazu.

Gruß Baukje




Am 13.07.2018 um 11:58 schrieb Gernot Reipen via Debatte-Grundeinkommen:
>
> Warum wird jetzt ein emanzipatorisches bedingungsloses Grundeinkommen 
> gefordert. Siehe 
> https://www.grundeinkommen.de/11/07/2018/das-frankfurter-manifest-eine-klare-stimme-fuer-das-emanzipatorische-bedingungslose-grundeinkommen.html
> Die Frage ist durchaus berechtigt. Steht der Begriff BGE nicht schon 
> allein für eine bedingungslose Teilhabe aller mit der damit 
> verbundenen emanzipatorischen Wirkung?
>
> Betrachtet man aber die vier Kriterien eines bedingungslosen 
> Grundeinkommens – individuell garantiert, ohne Bedürftigkeitsprüfung, 
> ohne Zwang zur Arbeit, ohne Gegenleistung sowie existenz- und 
> teilhabesichernd – dann wird nichts über die politischen 
> Rahmenbedingungen eines BGE ausgesagt. Zugespitzt könnte man das BGE 
> allein als eine garantierte staatliche Transferleistung ansehen.
> Bei der Definition eines emanzipatorischen Grundeinkommens geht es um 
> viel mehr: Um eine neue Definition von Arbeit. Arbeit ist weit mehr 
> als Erwerbsarbeit. Um die Emanzipation aller Menschen. Befreiung aus 
> der Knechtschaft der Lohnarbeit. Um die Abschaffung der 
> Bedarfsprüfungen und der Bürokratie in 90% aller Sozialfällen. Merke: 
> Auch unter einem emanzipatorischen Grundeinkommen werden staatliche 
> Transferleistung in Härtefällen weiterhin ausgezahlt. Stärkung einer 
> demokratischen Wirtschaft, inklusive Mitbestimmung was, wie und warum 
> etwas produziert werden soll. Stichwort Postwachstumsgesellschaft. 
> Stärkung von Gemeingütern inkl. nicht monetäre Leistungen, wie 
> fahrscheinloser ÖPNV, bezahlbarer sozialer Wohnungsbau, freier 
> Stromanteil für jeden Haushalt usw. Lebenslanges, freies Lernen und 
> Weiterbildung. Im Frankfurter Manifest sind diese Punkte ausführlich 
> aufgeführt. 
> https://digibge.wordpress.com/2018/06/13/unser-positionspapier-2/
> Das emanzipatorische Grundeinkommen stellt eine neue Stufe unserer 
> gesellschaftlichen Evolution dar, vergleichbar mit der Abschaffung der 
> Sklaverei, dem allgemeinen Wahlrecht, der Gleichstellung von Mann, 
> Frau und Transgender etc.
>
> Gruß Gernot
>
>
>
> _______________________________________________
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