[Debatte-Grundeinkommen] Wie hoch muss ein Grundeinkommen sein? Oder: Das Regelsatzdesaster

rblaschke at aol.com rblaschke at aol.com
Mo Jan 30 11:33:50 CET 2017



Lieber Bert, 


ich kann nachvollziehen, was du meinst.
Für große Preisunterschiede bei Mieten gibt es in vielen Grundeinkommenskonzepten das Wohngeld (regional modifiziert - wie es jetzt schon - ungenügend - ist, auf Bruttowarmmiete bezogen und individualisiert).


Natürlich kann auch das Grundeinkommen an einem sehr hohen Maßstab bemessen werden, was einer Förderung strukturell abgehängter Regionen gleich käme.


Der weitere Punkt ist, dass der Mietwucher endlich enden muss - jede staatliche Finanzierung dieses Wuchers ist faktisch eine Förderung des Einkommens relativ Einkommensstarker.


Herzlich, Ronald    
 
 
    

      -------- Weitergeleitete Nachricht --------      
        
          
            
Betreff:            
            
Re: [Debatte-Grundeinkommen] Wie hoch muss ein              Grundeinkommen sein? Oder: Das Regelsatzdesaster
          
          
            
Datum: 
            
Mon, 30 Jan 2017 07:56:42 +0100
          
          
            
Von: 
            
Bert Grashoff <unversoehnt at gmx.de>
          
          
            
An: 
            
debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
          
        
      
      
      
            
Hallo Ronald,
      
du hältst dich hier ja vornehm zurück, hast aber vermutlich        mitbekommen, dass ich Ausarbeitungen von dir wiederholt gelobt        und als Lektüre empfohlen habe. Ich finde wirklich, du hast da        Lob verdient.
      
      
Ohne mir jetzt alle in deinem Netzwerk-Artikel vom 27.01.        verlinkten Referenzen vergegenwärtigt zu haben, möchte ich        zumindest grundsätzliche skeptische Fragen dazu aufwerfen, die        ich hier ebenfalls schon wiederholt angeschnitten habe.
      
Du schreibst in Punkt 2: "Deutlich wird, dass –  trotz        unterschiedlicher Begründungen dieser Höhen – die Angaben nicht        sehr stark differieren. Sie bewegen sich in einem Korridor        zwischen 1.076 Euro und 1.145 Euro netto monatlich". Damit        suggerierst du, dass derzeit etwa 1.100 Euro als bGE-Höhe bei        uns im Hinterkopf sein sollten. 
      
      
Ich finde die implizite These sehr fragwürdig, dass es im        gesamten Bundesgebiet ein einheitliches        Durchschnitts-Preisniveau gibt. Ohne dass ich das ausgewertet        hätte, habe ich z. B. den Eindruck, dass die Discounter-Preise        hier auf dem Land in McPom spürbar niedriger sind als in meiner        Heimatstadt Bremen. Weil es ohnehin der höchste Einzelposten ist        und dazu sehr einfach zu recherchierende Daten im Netz verfügbar        sind, will ich mich exemplarisch aber lieber bloß auf die Kosten        für Unterkünfte konzentrieren. Dein Artikel verweist        diesbezüglich auf die Durchschnittsmiete gemäß http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/103/1810337.pdf        , für einen Singlehaushalt auf 342 Euro. Suchmaschine gibt mir        das hier als ersten Treffer zu Durchschnittsmieten nach        Kommunen:        http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/mietpreise-in-deutschland-wohnen-in-muenchen-ist-am-teuersten-a-951431.html        . Demnach lag die Durchschnittsmiete in München 2013 gut 65 %        höher als die Durchschnittsmiete im Bundesgebiet. Und ich        vermute mal, dass München nicht einmal die allerteuerste        Wohngegend im Bundesgebiet ist. Aus 342 Euro Single-Miete im        Bundesschnitt werden also 564 Euro Single-Miete im Münchner        Schnitt, aus 1.076 Euro Existenz- und Teilhabeminimum bei        Hausstein im Bundesschnitt also 1.298 Euro im Münchner Schnitt.        Und das nur wegen des einen Postens "Unterkunft". Allein daraus        würde ich schließen, dass deine Suggestion, es gäbe bei etwa        1.100 Euro so etwas wie eine 'magische Zahl', zu der        Armutsrisikogrenzen, Warenkorbmodelle, Pfändungsgrenze und        BAFÖG-Rückzahlungsgrenze streben, nicht haltbar ist.
      
 M. E. folgt aus den vier Kriterien unseres Netzwerks klar,        dass auch der Posten "Unterkunft" keiner Bedarfsprüfung        unterworfen werden darf, weil wir eine Unterkunft ja alle        selbstverständlich als soziokulturell existenzsichernd ansehen.        Was nutzt uns ein bGE, das zwar im Bundesdurchschnitt        existenzsichernd sein mag, für Leute in München aber nicht?        Zudem: Wegen der in Art. 11 GG und Art. 13        UN-Menschenrechtscharta gewährten Freizügigkeit folgt m. E.        zwingend, dass ein bGE sich nicht an irgendwelchen        Bundesdurchschnittswerten abarbeiten kann, sondern        ausschließlich an den Durchschnittswerten der Kommune, in der        die soziokulturelle Existenzsicherung am teuersten ist (wegen z.        B. hoher Mieten, hoher Discounter-Preise, hoher Preise im        öffentlichen Nahverkehr etc. pp.). Die dem Gesetzgeber in Art.        72 GG angetragene "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse        im Bundesgebiet" ist hierfür ein zusätzliches Argument:        Orientiert sich ein bGE am Durchschnitt der teuersten Kommune,        fließt zusätzliche Kaufkraft in billigere Kommunen, die ja in        aller Regel billiger sind, weil sie irgendwie unattraktiver        sind. Zusätzliche Kaufkraft kann diese Unattratkivität        perspektivisch ausgleichen. Politökonomisch wäre ein solches an        der teuersten Kommune orientiertes bGE (gerade im europäischen        Maßstab) zudem ein effektiver surplus recycling mechanism, wie        ihn Yanis' aus keynsianischer Perspektive stark zu machen        versucht (vgl. nur z. B.        https://yanisvaroufakis.eu/2011/02/09/what-is-a-surplus-recycling-mechanism-an-idea-going-back-to-bretton-woods/        und den dortigen Link auf das dritte Kapitel seines        Minotaurus-Buchs).
      
Ist es also nicht unbezweifelbar, dass wir uns zur Ermittlung        einer angemessenen bGE-Höhe darauf konzentrieren sollten: Wie        hoch ist das soziokulturelle Existenzminimum in der teuersten        Kommune im Bundesgebiet (bzw. innerhalb der EU)?
      
Liebe Grüße,
      
Bert
      
      
      
Am 29.01.2017 um 18:21 schrieb rblaschke at aol.com:
      
      
          
            
              
                  
                    
                      
                          
                            
                              
                                  
                                    
                                      
                                          
                                            
                                              
                                                  
https://www.grundeinkommen.de/27/01/2017/wie-hoch-muss-ein-grundeinkommen-sein-oder-das-regelsatzdesaster.html
                                                  

                                                  
                                                  
                                                    
Wie                                                        hoch muss ein                                                        Grundeinkommen                                                        sein? Oder: DasRegelsatzdesaster
                                                    
27.01.17 | von Ronald                                                        Blaschke | 
                                                  
                                                  

                                                  
                                                  
                                                    
                                                  
                                                  

                                                    
                                                  
                                                    
                                                      
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AlternativeMöglich­keiten, das Existenz- und Teilhabe­minimum in Deutschland zu                                                          bestimmen,                                                          werden                                                          aufgezählt und                                                          Höhen benannt:Armutsrisiko­gren­ze, Warenkorb, Pfändungs­frei­gren­ze und                                                          BAföG-Rückzahlungsbefreiung. 
                                                      

                                                        
                                                      
Sie                                                          bewegen sich                                                          um die 1.110                                                          Euro. Mehr                                                          ...
                                                    
                                                  
                                                
                                            
                                          
                                        
                                    
                                  
                                
                            
                          
                        
                    
                  
                
            
          
         
      
    
  

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