[Debatte-Grundeinkommen] leckere Steine vom einstürzenden no-bGE-Partei-Turm (vgl. eher vage assoziativ https://youtu.be/5Ho5u9_EMSI )

Bert Grashoff unversoehnt at gmx.de
Fr Dez 30 18:34:30 CET 2016


Lieber Arfst,

nun bist du also sehr skeptisch und ein wenig traurig. Das ist 
selbstverständlich nicht schön. Mir hingegen geht's schon mein Leben 
lang wie Bettina: https://youtu.be/QZpIjg0UhxE , ist also vielleicht 
eine gute Situation, mal in gleichschwingender emotionaler Gestimmtheit 
miteinander zu chatten. Vielleicht hilft's dir, über die Gründe deiner 
Skepsis und Trauer zu sprechen, weil ja bekanntlich geteiltes Leid 
weniger schwer wiegt. Und mir sind deine Gründe weiterhin völlig unklar: 
Die bGE-Partei vertritt zumindest nahezu in gleichem Wortlaut die vier 
Kriterien dieses Netzwerks, fordert kein konkretes bGE-Modell, sondern 
als Nahziel die Etablierung einer Enquete-Kommission in der Hoffnung auf 
eine Verbreiterung der gesamtgesellschaftlichen Debatte zum 
bedingungslosen Grundeinkommen, betont ansonsten die Gewissensfreiheit 
und nimmt auch Leute aus anderen Parteien auf, sofern die nicht gegen 
ein bGE sind. Mit anderen Worten wird da der Versuch unternommen, eine 
gesamtgesellschaftliche, parteiübergreifende politische Vereinigung im 
formellen Korsett einer Partei zu bewerkstelligen. Gut, dieses formelle 
Korsett kann einen wirklich traurig stimmen, aber du bist ja sogar bei 
den Grünen eingetreten und aktiv und scheinst ja zuvor nicht sonderlich 
skeptisch und traurig gewesen zu sein. Das Korsett ist's also 
prinzipiell nicht, was dich traurig und skeptisch stimmt. Du machst 
stattdessen eine ganz absonderliche Pirouette, um das bGE-Partei-Korsett 
von dem Korsett aller anderen Parteien zu unterscheiden: Parteien haben 
gegeneinander zu kämpfen, nicht miteinander. Wundersam ist dann 
allerdings, dass es allüberall Koalitionen unterschiedlicher Parteien 
geben kann. Haben die irgendwie ihren Kernjob vergessen, sich bis aufs 
Blut zu bekämpfen? Vielleicht, scheint dich zuvor aber nicht traurig und 
skeptisch gemacht zu haben. Traurig und skeptisch macht dich irgendwie 
eine Partei, die außer für die Voranbringung des bGE, für das du ja doch 
auch bist, sich für nichts weiter positiv engagieren mag. Und warum? 
Weil die dann ja gar nicht mehr gegen alle anderen Parteien aufgestellt 
ist, sondern nur das will, was ja alle anderen auch wollen. Hm, wie 
gesagt: Absonderliche Pirouette, du machst der bGE-Partei 
Dissensverweigerung zum Vorwurf? Das macht dich traurig und skeptisch? 
Wo soll denn da all der schöne Streit bleiben, wenn die ja doch nur 
wollen, was alle wollen? Naja, gut, Menschen haben häufig ziemlich 
verquere Gründe für alles Mögliche, warum nicht auch für Trauer und 
Skepsis. Irritierend ist allerdings, dass die Realität irgendwie nicht 
so recht mit deiner Auffassung in Einklang steht: Haben wir jetzt schon 
bGE, weil alle Parteien sich da ja ohnehin vollends einig sind? Nö? Hä, 
wieso denn dann nicht? Dieser Umstand eines in der Realität fehlenden 
bGE wäre für mich irgendwie ein verständlicheres Motiv für Skepsis und 
Trauer bei einem bGE-Befürworter wie dir, für dich aber anscheinend nicht.

Gut, wenn die bGE-Partei jetzt ein konkretes Modell einfach so 
favorisieren würde, dann könntest du vielleicht sagen, dass sie die 
Bewegung zu spalten versucht. Aber sie scheint ja genau das Gegenteil zu 
beabsichtigen: Die vier Kriterien als großer Konsens, um eine 
gesellschaftliche Debatte stärker zu forcieren, wie wir das konkret 
gestaltet bekommen. Oder wenn die bGE-Partei systematisch andere 
Parteien ausschließen würde, dann könntest du selbstverständlich fragen, 
warum du denn nicht bei deinen geliebten Grünen weiterspielen können 
dürfen sollst, sondern dich unbedingt für die bGE-Partei entscheiden. 
Aber nein, das ist ja ok für die bGE-Partei, tritt da ruhig ein und 
bleib zugleich bei den Panzergrünen. Keinerlei Spaltertum also dort zu 
beobachten, sondern im Gegenteil der Versuch einer großen Vereinigung. 
Nichts hindert dich, dich bei der bGE-Partei einzubringen und dennoch 
aktiv und passiv grün zu wählen und auch dort die bGE-Modelle zu 
schärfen. Könnte doch eigentlich irgendwie ein Grund zu Freude und 
Aufbruchstimmung sein, wo dir ein bedingungsloses Grundeinkommen doch am 
Herzen liegt. Aber nein, es macht dich skeptisch und traurig. Sonderbar.

Oder bist du vielleicht skeptisch und traurig, weil du das Spaltertum so 
sehr liebst, du zwar aus mir unklaren Gründen mit der bGE-Partei eine 
zunehmende Spaltung witterst, die dir aber noch nicht ausreichend an 
Fahrt aufgenommen hat? So etwas wie die traurige Ruhe vor dem Sturm, 
gepaart mit der Skepsis, ob der Sturm jemals kommen werde? Oberflächlich 
gelesen, klingen deine Beiträge irgendwie so ganz anders. Aber dennoch 
scheint mir das gerade am meisten Sinn zu machen. Klär mich doch bitte 
auf. Es herauszulassen, kann hilfreich sein.

Schon vor Joachims Offenlegung quer laufender Kommunikationsstränge 
hatte ich zunehmend den Eindruck, dass du gemeinsam mit Thorsten seit 
November hier so eine Art guter-grüp-böser-grüp-Nummer abzuziehen 
versucht hast (grüp hier als Mischwort aus Grüner und cop). Joachims 
Offenlegung verstärkte bei mir diesen Eindruck. Bist du vielleicht 
einfach bloß skeptisch und traurig, weil Thorsten sich in seiner Rolle 
als böser grüp ein wenig vergallopiert hat, mich (ich erinnere mich 
gerade nicht mehr des genauen Wortlauts, sinngemäß aber ungefähr:) 
lebensunwertes Leben genannt hat und du jetzt als guter grüp irgendwie 
nicht so recht siehst, wie du das allein geklärt bekommen kannst? Wobei 
nach wie vor die Frage bleibt: Was eigentlich geklärt? Dass alle 
bGE-Verfechter gefälligst grün wählen sollen und sonst nix? Dass 
Spaltertum rockt und sonst nix? Ich bin da nach wie vor ratlos, weil 
deine Worte nicht recht zu Kontext und Logik passen wollen. Bist du 
vielleicht einfach nur skeptisch und traurig über die große Verwirrung 
unserer Zeit oder zumindest deine eigene? Sprich dich aus.

Vielleicht bist du auch traurig und skeptisch, weil Arnold deinen 
Mail-Account im bGE-Parteiverteiler auf 'moderiert' gesetzt und dich 
einen Troll genannt hat. Das könnte ich verstehen, das war nicht nett 
von ihm, wenn auch irgendwie aus dem Kontext heraus verständlich. 
Vielleicht willst du ja hier nochmal die Gelegenheit ergreifen, zu 
erklären, was du präzise an Jebsen und Ganser unseriös findest und wie 
in dem Zusammenhang deine Definition von Seriösität aussieht. Ohne dass 
ich jetzt Fan von den beiden wäre oder mich überhaupt in der Lage sehe, 
deren Lebenswerke zu beurteilen, habe ich doch sehr stark den Eindruck, 
dass es ihr ausdrücklicher Pazifismus und Humanismus ist, für den sie 
gebrandmarkt werden. Sind Pazifismus und Humanismus unterdessen selbst 
bei den Grünen gänzlich unseriöse Haltungen? Ist es vielleicht das, was 
dich skeptisch und traurig macht, dass da noch immer so viel Pazifismus 
und Humanismus in den Köpfen und Herzen der einfachen Wähler haust?

Soweit ich weiß, hat Jebsen sich für seine antisemitischen Ausfälle vor 
langer Zeit auch bereits vor langer Zeit entschuldigt und daraus eine 
Menge gelernt. Darauf wird aber dennoch gerne weiter rumgeritten. Stefan 
hatte sich ja auch dafür entschuldigt, dich einen bGE-Gegner geheißen zu 
haben, ich hatte dich gerade nochmal an diese Entschuldigung erinnert. 
Aber du jammerst immer und immer wieder darüber rum, dass das passiert 
ist. Sind es vielleicht die Entschuldigungen in dieser Welt, die dich 
skeptisch und traurig werden lassen? Da baut jemand Scheiße und man 
könnte so richtig schön auf ihn drufschlagen, aber nein, dann kommt da 
so eine blöde Entschuldigung und man soll nur deshalb so tun, als wäre 
nix gewesen? Jaja, das kann frustrierend sein, allemal ein Grund für 
Skepsis und Trauer. Ist's also das?

Wie gesagt: Ich bin ratlos. Es bleibt mir ein Mysterium. Wie passen 
deine Worte in deiner Weltsicht irgendwie zueinander? Komm, sprich 
darüber, vielleicht erleichtert es dein Herz.

Liebe Grüße,

Bert



Am 29.12.2016 um 10:29 schrieb Arfst Wagner:
>
> Lieber NetzwerkerInnen,
>
> nochmal zur bGE-Partei:
>
> das faszinierende der bGE-Idee war für mich bisher, dass sie 
> gesamtgesellschaftlich und Parteiübergreifend gedacht werden konnte. 
> Sie trug die Überwindung des Parteimäßigen in sich, für das ich 
> jedenfalls, selbst als Parteivorsitzender, stehe. Jetzt schlüpft das 
> bGE in EINE Partei oder es wird versucht. Damit verliert die 
> bGE-Bewegung in Deutschland ihre politische Unschuld, was auch die 
> irreale Aufstellung als Ein-Themen-Partei nicht kaschieren kann. Das 
> war bei der Gründung der Grünen so: sie sog die Friedens- und 
> Ökobewegung auf, die als Bewegung dadurch schwächer wurden oder 
> aufhörten zu existieren. Die Linke Bewegung ist in der Linkspartei 
> aufgegangen - eine linke bewegung gibt es in Deutschland nicht mehr. 
> Das war mit der Occupy-Bewegung so, aus der die Piraten hervorgingen. 
> - Vielleicht ist das ein notwendiger Schritt. Aber ich bezweifle, dass 
> das zu etwas Gutem führt, das sich die neue Partei in eine sehr 
> gespaltene politische Situation hineingründet und durch das Ausblenden 
> anderer Themen die Zerspaltung der bGE-Bewegung geradezu 
> vorprogrammiert. Die weitere Zerspaltung. Deswegen bleibe ich ziemlich 
> skeptisch. Sehr skeptisch. Und sogar ein wenig traurig.
>
> Einen guten Rutsch ins sicher nicht einfach werdende Jahr 2017
>
> wünscht Euch
>
> Arfst aus SH
>

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