[Debatte-Grundeinkommen] Götz Werners Unternimm die Zukunft als Agentur der Steuerfreiheit fürs Kapital?; älteres Mail-Relikt zum Arbeitsfetischismus von Paulus

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Mo Okt 27 09:48:56 CET 2014


Hallo Arfst, hallo liebe Mitlesende,

[Editorische Notiz: Reimund hat mir ein Rudiment dieser Mail als 
unveröffentlichbar zurückgesendet, weil in meiner ursprünglichen Mail 
ein kleiner Absatz zu einer Debatte enthalten war, die sich als 
Abspaltungsprodukt dieses Verteilers als bloßes Bruchstück der 
Öffentlichkeit des Gesamtverteilers ergeben hat. Diese behandelt 
thematisch das Für und Wider von Zensur im Verteiler hinsichtlich der 
Anwendung des Parasiten-Begriffs auf Menschen. Ich habe die von Reimund 
rückgeschickte Mail daher nochmal gelesen, Ergänzungsbedürfnisse 
verspürt und sie daher erweitert. Abgesehen von der Kürzung um den 
Abspaltungs-Absatz zum Parasiten-Begriff und kleineren Eingriffen in den 
verbliebenen Text der ursprünglichen Mail, markiere ich mal die 
nachträglichen inhaltlichen Hinzufügungen mit geschwungener Klammer auf 
{ und zu}. Dies hat eigentlich nur die Motivation, dass ich einerseits 
in diesem Kalenderjahr über editorische Fragen dann und wann etwas 
intensiver meditiere und andererseits an so etwas wie den Zeitkern von 
Wahrheit im panta rhei glaube.]
ich hatte nie persönlichen Kontakt zu Götz Werner oder irgendeiner 
Person, die vage mit der Initiative Unternimm die Zukunft verbunden ist 
(zumindest nicht, soweit ich weiß). Ich habe mich auch nicht mit allen 
Papers befasst, die von diesen Menschen veröffentlicht worden sind. Ich 
schließe also aufgrund der beschränkten Infos, die ich habe.

Du, lieber Arfst, schriebst:

"Aber meine Frage, weshalb ich mich hier einmische ist nochmal: What 
Götz Werner gesagt oder geschrieben, er sei für Steuerfreiheit für alle 
Kapitalanlagen?
Er hat als IDEE vorgeschlagen, überhaupt nur noch eine einzige Steuer, 
nämlich die Konsumsteuer einzuführen. Daraus könnte man das natürlich 
konstruieren. Das wäre allerdings eine ziemlich platte Vereinfachung. 
Denn eine Konsumsteuer würde natürlich auch bei Erwerb von Kapital 
anfallen, was weit über die jetzige popelige Finanztransaktionssteuer 
hinausgehen würde."
1. Götz Werner und die Initiative Unternimm die Zukunft betonen m. W., 
dass sie eine Idee vorschlagen, kein fertiges Konzept für die Schubladen 
politischer Parteien formulieren, kein vollständig ausfbuchstabiertes 
Modell. Daher ist es in gewisser Weise immer spekulativ, etwas 
Bestimmtes in dieses Modell hineinzuinterpretieren, wenn es nicht klar 
irgendwo formuliert worden ist. Und selbst dann würde ich jeder/m stets 
zugestehen, die Meinung auch nochmal wieder ändern zu dürfen. Von daher 
steht für mich nichts gänzlich klar fest. Daraus ziehe ich für mich 
persönlich übrigens Hoffnung. Ich formuliere nur das, was mir am 
plausibelsten erscheint.
2. In meinem ersten Beitrag in diesem Verteiler (vgl. 
https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/2014-August/003932.html 
) hatte ich im zweiten Punkt einen Aspekt aus André Presses Dissertation 
diskutiert. Diese Dissertation ist m. W. mehr oder weniger der 
ausführlichste und inhaltlich engagierteste Text auf der Website der 
Initiative Unternimm die Zukunft, nimmt also einen besonderen Rang ein. 
Durch meine Formulierung "Ich unterstelle mal keine ideologische 
Absicht, sondern eher Betriebsblindheit bei André Presse an dieser 
Stelle.", hatte ich zum Ausdruck gebracht, dass ich es bereits da für 
mindestens möglich gehalten habe, ideologische Absicht zu unterstellen. 
Das inhaltliche Problem ist einfach Folgendes: Wenn Einkünfte, die nicht 
in Konsum fließen, sondern in Investitionen (sprich: Wertverwertung), 
völlig unbesteuert bleiben, wird die Finanzierung des Staats (sprich 
gutmenschelnd: des Gemeinwesens) drastisch zuungunsten der mittleren und 
unteren Einkommensschichten verschoben. Nötig ist aber genau die 
umgekehrte Richtung. Und mit nötig meine ich: armuts-, kriegs-, krisen-, 
menschenvernichtungs-abwendend und demokratie-erhaltend. Mit Leuten zu 
diskutieren, die diesen Begriff von nötig nicht teilen, finde ich 
mindestens schwierig.
Man könnte sich zwar Mühe geben, auch in eine Konsumsteuer à la Werners 
Initiative eine Kapitalsteuer hineinzuinterpretieren. Aber dafür muss 
man sich echt sehr kreative interpretative Mühe geben, die ich bei Herrn 
Werner und seiner Initiative so erstmal gar nicht sehen kann: a) 
Jegliche Abschreibemöglichkeiten müssten verboten werden, b) ebenso der 
Vorsteuerabzug, c) irgendwie müsste man die Rendite gegen Null tendieren 
lassen und bloß noch einen halbwegs angemessenen Unternehmerlohn gelten 
lassen. {Auch wenn (a) und (b) durch eine Konsumsteuer ziemlich 
vollautomatisch erfüllt wären, ist an (c) mit dem bGE-Modell à la 
Initiative Unternimm die Zukunft gar nicht gedacht, also selbst im 
Vergleich zu heute noch weniger, weil es dann nämlich nicht mal mehr ein 
steuerpolitisches Instrumentarium in diese Richtung gäbe, das es heute 
durchaus gibt. Alle nicht perfekt freien Märkte (also bekanntlicher 
Weise: einfach alle Märkte) würden das Ungleichgewicht noch weiter 
Richtung Verkäufermärkte in Sachen Waren und Dienstleistungen bzw. noch 
weiter Richtung Käufermärkte in Sachen Ware Arbeitskraft verschieben. 
Das erscheint mir nur logisch unter den Prämissen, mit denen Herr Presse 
arbeitet.

Unmittelbar stört in Herrn Presses Dissertation erstmal die 
wissenschaftliche Unwahrheit, dass Einkommen = Ausgaben für Konsum 
seien, wo er eine Steuerprogression aus Konsumsteuer plus bGE fälschlich 
abzuleiten gedenkt. Wäre ich sein Doktorvater gewesen, hätte ich seine 
Arbeit wegen dieser Unwahrheit nicht als Dissertation durchgehen lassen.
Politisch scheint das aber gegenüber heute unerheblich zu sein. Ich 
hab's nicht eigenständig denkerisch überprüft und noch so meine leichten 
Zweifel, aber grundsätzlich scheint mir Verena Neddens Herleitung 
plausibel, dass es auch heute eher Steuerdegression als -progression 
gibt. Von daher ist der ganze argumentative Aufwand bei Herrn Presse 
auch im Vergleich zu heute eigentlich völlig für die Katz. Wichtiger 
aber: Er ist falsch. Einkommen können auch für Investitionen verwendet 
werden und fallen dann einfach überhaupt nicht unter irgendeine Steuer 
in seiner für die Zukunft ausklamüsierten Vorstellung. Steuerfreiheit 
für unternehmerische Initiative? Hm, bei absolut gleichen 
Vermögensverhältnissen der Gesellschaftsmitglieder fände ich das 
vielleicht mal eine fünfjährige Experimentalphase lang zu 
sozialwissenschaftlichen Forschungszwecken in Ordnung. Angesichts der 
extrem ungleichen Vermögensverteilung in den realen Gesellschaften heute 
wäre das ein so radikales neoliberales Projekt, dass ich mich nicht 
entsinnen kann, mal von einem radikaleren gehört zu haben.}
3. Ich hatte mir zwar eigentlich vorgenommen, Herrn Hardorps Beiträge 
zur Konsumsteuer zur Kenntnis zu nehmen, bin davon aber irgendwie 
abgekommen und auch nicht im Ernst interessiert. Ich habe den Eindruck, 
dass das bGE aus Herrn Werners Sicht eigentlich nur ein Korrektiv 
darstellt. Primärzweck scheint eher Hardorps Umstellung auf Konsumsteuer 
zu sein, die fürs Kapital echt lecker und sexy wäre. Korrektiv wäre dann 
das bGE, um's dem Pöbel irgendwie schmackhaft zu machen, 
Bürokratiekosten des Staats einzusparen und vielleicht auch das eigene 
soziale Gewissen zu beruhigen. Das scheint mir im Angesicht meines 
zugegebenermaßen nur eingeschränkten Sichtfelds auf diesen Teil der 
Debatte zumindest des Pudels ökonomischer Kern zu sein. Inwiefern da 
gutmenschelnde anthroposophische Überbau-Ideen bei Herrn Werner und 
seiner Initiative eine wirklich echte Rolle in ihren Herzen spielen 
mögen, kann ich nicht beurteilen. Die argumentative Kraft der 
gutmenschelnden Reflexionen zum Miteinander füreinander bei Herrn Werner 
und seiner Initiative finde ich wie gesagt mit das Beste, was die 
Debatte hergibt. Nur ist das halt alles komplett pillepalle, wenn's 
politökonomisch in Richtung hardcore-kapitalistischer Volksgemeinschaft 
geht. Und so sieht's halt für mich derzeit aus.
4. Unstrittig schien hier in der Debatte für einige Aktive im Verteiler 
zu sein, dass Werners Vorstellungen exportimperialistisch sind. Ich 
erinnere mich gerade nicht mehr daran, wie sich das genau für mich 
klargestellt hat. Gibt da so einige Indizien für. Vermutlich einfach 
dadurch, dass Exportgüter komplett steuerfrei wären. Konsumsteuer fällt 
halt innerhalb der Grenzen an, nicht außerhalb. Steuerfreier Export? 
Dafür mag doch jede Kapitalisten-Charaktermaske noch das eine oder 
andere Himmelreich derer geben, die ihr per Arbeitsvertrag die eigene 
Lebenszeit verticken. Der Exportweltmeister würde in seinem 
Hase-Igel-Lauf als ewiger Hase noch ein paar Nasenlängen weiter nach 
vorne rennen - auf Kosten von Mittel- und Unterschichten bzw. 
sozialstaatlichem Halt in Krisen- und Risikolebenslagen bzw. auf Kosten 
ausländischer Menschen, denn: auf wessen Kosten sonst? Finde ich 
scheiße. Wäre ich in Willis Position und deutscher Rentner in 
Lateinamerika, könnte ich dem Exportimperialismus Deutschlands 
vielleicht zumindest einen persönlichen Vorteil abgewinnen: 
Wechselkursvorteile. So aber finde ich das einfach nur widerwärtig und 
brutal, obszön und menschenschindend. Die Rolle Deutschlands für die 
Krisen in Südeuropa ist ja aber auch durch die Ideologiemaschinerie 
verschleiert. Mag also sein, dass du mich da nicht verstehst. Dann 
versuch's bitte zu recherchieren. Innerhalb des 
kapital-nationalistischen Unfugs würde ich politisch allemal fordern 
wollen: Ausgeglichene Handelsbilanzen mindestens mittelfristig, 
ansonsten Exportstopp (bzw. bspw. aus US-Sicht: Importstopp) oder 
alternativ: Wirtschaftshilfe aus rein humanistischen Gründen bzw. deren 
Annahme.

5. Ein Milliardär tingelt jahrelang durch Talkshows für ein politisches 
Projekt, zieht eine Initiative auf, die offenbar Personal beschäfftigt 
und Kohle für Dissertationen raushaut. Er hat Sendungsbewusstsein, will 
wirken und Leute überzeugen. Und diese Initiative ist nicht in der Lage, 
mir auf meine einigermaßen engagierte Mail innerhalb von gut zwei 
Monaten wenigstens eine Höflichkeitsantwort zu schicken? Das halte ich 
nicht für wahrscheinlich. Für wahrscheinlicher halte ich die 
Einschätzung bei denen, dass ich das angesprochen habe, was die als ihre 
Achillesferse zu Recht betrachten können. Wozu jemandem antworten, der 
klar hat, was die ideologisch verschleiern wollen? Was kann man als 
Ideologe gewinnen, wenn man die eigenen ideologischen Lügen zu 
debattieren anfängt? Nichts. Verlieren aber eine Menge. Also lässt man's 
lieber, spart sich den Aufwand und nutzt stattdessen Kanäle, die dem 
eigenen Interesse gerechter zu werden scheinen.
Klar, das ist nur eine Interpretation von mir, aber zumindest eine, die 
mir sehr plausibel erscheint.
6. Eckhard hat klar gesagt, dass Herr Werner giftig wurde, als das 
Problem offenbar in einer öffentlichen Diskussion live und mit echten 
Personen angesprochen wurde. Aus den obigen Gründen 2 bis 5 folgt für 
mich unmittelbar, dass ich Eckhards Aussage sehr glaubwürdig finde. 
Macht alles einfach Sinn, passt zusammen, ist stimmig.
Nun mal umgekehrt: Was lässt dich, lieber Arfst, glauben, dass Herr 
Werner und seine Initiative innerhalb der bGE-Idee 1a) eine Umverteilung 
von oben nach unten organisieren möchte, 1b) womöglich gar ein 
liebevolles Miteinander füreinander mit gleichen Einfluss- und 
Schutzmöglichkeiten für jedes Individuum anstrebt, 2a) ein faireres 
Verhältnis der reicheren zu den ärmeren Gesellschaften erreichen möchte, 
2b) womöglich gar kosmopolitisch tätige Nächstenliebe jedes Menschen für 
jeden anderen Menschen als handlungsleitende Utopie in den Herzen trägt? 
Überzeuge mich doch bitte. Vielleicht am besten mit einer klaren, als 
Quelle nachweisbaren Aussage von Herrn Werner à la "Nein, wir wollen 
Wohlfahrtswirtschaften und sehen daher überhaupt kein Problem in einer 
Steuer auf Investitionen. Das ist ja völlig selbstverständlich. 
Schließlich müssen wir den Reichtum so umverteilen, dass wir uns 
wirklich im Miteinander füreinander glaubwürdig beieinander fühlen 
können. Ich weiß wirklich nicht, wie irgendjemand glauben konnte, dass 
ich eine Konsumsteuer ohne Steuer auf Investitionen und Exporte 
überhaupt nur für denkbar gefunden hätte. Diese Vorstellung ekelt mich 
ganz ehrlich einfach nur an."
Fände ich schön. Ich würde weit lieber glauben, dass die Anthroposophen 
und insbesondere Götz Werner und die Leute in seinem Umkreis wirklich 
Gutes im Schilde führen, als das zu glauben, was ich gerade glaube. 
Nämlich, dass die ein mir unverständliches Dämonen-Spiel spielen wollen, 
bei dem ich nicht erkennen kann, was dabei für irgendwen wirklich 
gewonnen werden könnte. Außer halt Kohle und Macht bei denen, die schon 
jetzt davon mehr haben als irgendjemandem guttun würde, jene Leute 
eingeschlossen.
Ich bin übrigens ein paar Wochen in ländlichen und leiblich-tätigeren 
Emanationen unterwegs. Hab zwar Internet, aber hier noch weniger Lust, 
Mails zu verfassen. Wollte mich ja eh rausziehen. Aber diese Mail musste 
wohl an Klarstellung sein, nachdem ich immerhin mal eben nebenbei den 
Godfather des deutschen bGE vatermordernd meuchelte. Ach, ey, 
igittigitt, wie mich dieser ganze Junk anekelt. Bitte mal ein bisschen 
nicht so gänzlich völlig falsches Leben im ganzen Unwahren hier und 
dort, bitte. Wenigstens ein Schlückchen davon, wenigstens a bissl, 
please, please, please. Z. B. vielleicht von der Buddhisten-Fraktion 
eine große Portion Kurt Cobain-Mucke mit Lyric&Translations-Handbuch für 
den Herrn Werner. So drei bis 72 Stunden am Stück bei mindestens 133 
Dezibel im familieneigenen Hobbykeller? Liest vielleicht eines seiner 
enterbten Kinder mit und kann meinen kleinen Horror-Traum wahrmachen? 
Na, nee, lass mal lieber, falls. Als wenn je aus Gewalt irgendetwas 
wirklich Gutes erwachsen wäre. Die Vorstellung reicht mir schon völlig. ;o)

{Dabei fällt mir ein: Ich habe in meinem Entwürfe-Ordner etwa ein halbes 
Dutzend angefangener Mail-Schnipsel für diesen Verteiler, die ich 
irgendwie verworfen und nicht weiter bearbeitet hatte. Aus einem dieser 
Schnipsel, der in meinem Entwürfe-Ordner vom 15.09. datiert, ist ein 
kleiner Schnipsel der folgende. Der sich ins Nirvana fokussierende 
Gedanke möchte mindestens in mir wohl vertieft werden, weil die 
Keller-Idee oben offenbar nur eine Variation von ihm darstellt. Und über 
das "Buddha bei die Fische" hatte ich mich damals schon ein paar Tage 
lang noch hin und wieder wirklich beömmelt. Scheint mir ein ziemlich 
gelungenes Mathematiker-Witzchen zu sein. :o) Google-Recherche ergibt 
allerdings, dass ich nun wirklich nicht der erste bin, der auf dieses 
Wortspielchen verfallen ist. Also, Zitat aus Entwurfs-Mail vom 15.09.:

"Mal in dem nicht-essen-Zusammenhang eine Frage an die Buddhisten hier 
im Verteiler: Mir reicht ja schon Curt Kobains Lebenswerk und meine 
Sehnsucht nach Ich-Auflösung und All-Einem, um das Nirvana als d'accord 
durchzuwinken. Wozu sich noch inhaltlich damit befassen? Ist ja eh schon 
wieder und wieder und wieder und ... verweht. Aber die Neugier packt 
mich dann ja doch, weil kein Buddha einsam bis in alle Ewigkeit 
ausharrend im Nirvana auf den Rest des All-Einen warten mag, sondern 
immer mal wieder Buddha bei die Fische geben möchte: Meint ihr 
angesichts der Wohlbeleibtheit der klassischen Budda-Statuen, dass die 
Hungerstreiktaktiken Mahatma Gandhis dann doch noch zu verhaftet in 
realgeschichtlichen Freiheitskämpfen geblieben sind, um ihm den 
Überfluss des Verwehens im scheinbar Unverwehten ausreichend schmackhaft 
zu machen? Könnte als Witz verstanden werden. Ist aber eine ernste Frage 
in aller Heiterkeit."

Ok, der "nicht-essen-Zusammenhang" im ersten Satz des Zitats ist 
kontextfrei, daher unten einfach nochmal die gesamte Mail aus meinem 
Entwürfe-Ordner bis zur eben zitierten Stelle. Ich erkenne Prekarien, 
Prekarisierungen, Prekarisierende und Prekatisierte, halt das ganze 
Spektrum des Prekären nicht nur als Realität, insbesondere in Darwins 
survival of the fittest und Marx' ewiger Naturnotwendikgeit, als 
Wirklichkeit, etwa in gewichtigen Dynamiken auf dem Arbeitsmarkt, als 
Möglichkeit, etwa in den Herausforderungen an eine dereinst vielleicht 
befreite Menschheit, einen in potentiellen Vorstellungs-Energien 
irgendwann freien Verein von Menschen, sondern auch als Aufgabe an: Mein 
Mut zur Brüchigkeit erscheint mir kleinmütig, nämlich als Gewissheit von 
etwas Nichtidentischem in meinem Seelen- oder meinetwegen auch 
behavioristisch konditioniertem Triebhaushalt, das sich als reiner 
logischer Repräsentant anfühlt wie Sokrates' je sais que je ne sais 
rien, wie Adornos Begriff vom Leiden als eines Flows, der sein Verwehen 
schillernd schön und erfüllend finden wird wie ein potenziertes 
Nachlassen des Schmerzes beim Aua in der 
Daumen-Hammer-Newbie-Konstellation oder als so etwas mir höchst Vages, 
wie sich mit meinen tippenden Fingern in spirituellen Mustern ausdrücken 
möchte durch: "Verbindung mit höheren Energien", "Kontakt zu dem Meer 
des whatever: subquantisch aktiven Gestrüpps heiligen und sich in 
unheilig-emanierend Teilendem verspiegelnden Geistes", "in den 
trocknenden Böden des Weinens ein Wasser des Lebens zum Trinken 
angeboten findendes broken aleludja" (vgl. bspw. 
http://youtu.be/0cg9d1D8afE , http://youtu.be/LTx8IGPwrIk sowie 
http://youtu.be/2FpwjQLZTTs ) oder schlicht Lennard Cohen zum trinitären 
Zitate-Dropen noch einaml doppelt zitierend mit "crack in everyting - 
that's how the light gets in" (vgl. http://youtu.be/_e39UmEnqY8 ) und 
"but he does say what I tell him - even though it isn’t welcome ..." 
(vgl. http://youtu.be/qKrbOYa2NQA ). Auch wenn's in Bert so einige 
Persönlichkeitsfragmentchen gibt, die "he just doesn't have the freedom 
to refuse" als Zumutung, zumindest als schmerzlich vehementes 
auf-die-Probe-Stellen seiner Geduld und als Qual falscher Zustände zu 
empfinden manchmal sich so müde fühlen wie die uralte Morla in ihren 
Sümpfen der unendlichen Geschichten.
Soll inhaltlich nur soviel heißen wie: Ich stelle das Mailfragment vom 
19.09. ein, ohne mich der Mühe auf Vollendung jenes alten Flows zu 
unterwerfen.

Anmerken möchte ich aber zumindest, dass ich's damals schade fand, dass 
meine Diskussion der arbeitsfetischistischen Bibel-Passage in einer 
damals intendierten Anwort an Jochen irgendwie einfach auf Ewigkeit im 
Entwürfe-Order verloren gegangen zu sein schien. Ewigkeiten haben aber 
auch so ihre Zeitkerne ...

Also: Mailtext vom 15.09. komplett bis zur bereits zitierten Passage.

"Lieber Jochen, liebe Mitlesende,

ich fürchte, dieser Beitrag wird insgesamt ziemlich offtopic. Geht mehr 
wieder ins Eingemachte, wo das bGE vielleicht herkommt, aber sicherlich 
nicht wohnhaft ist ... Und ist zudem ziemlich assoziativ freizügig, 
sozusagen im Treibsand der blassen und blitzenden Gedanken ...

Zum Christentum:
Jochen: "Eigentlich ist das ein Wunder."
:o) Das "eigentlich" musst du mir in dem Kontext echt erklären. Für 
Gläubige dürfte es eine verkehrte Relativierung sein, für Atheisten 
wegen mangelnder Sachhaltigkeit unerheblich. Sinn macht's eigentlich nur 
aus der Perspektive der kirchlichen Apparatschiks à la "was haben wir 
nicht alles unternommen, um's zu unterbinden, aber, aber ..." und aus 
der Perspektive von Konkurrenzreligionen, also von je nach Perspektive 
bestimmten Heiden. Adorno könnte es retten: Die Menschen sind noch immer 
besser als ihre Kultur. Das lässt sich kaum glauben, und erscheint doch 
wahr. Ergo: ein Wunder. Eigentlich.

Jochen: "Die Paulus-Aussage von Essen und Arbeiten wird, so glaube ich, 
fast immer mißverstanden. Soweit ich weiß, hat Paulus das in dem 
Zusammenhang geäußert, daß einige Mitglieder der Gemeinde 
argumentierten, daß ohnehin in kürze das jüngste Gericht eintreten 
werde, weshalb es sich nicht mehr lohne, zu arbeiten. Darauf hat Paulus 
geantwortet. "
Lustige Idee: Wozu noch essen, wenn das jüngste Gericht eh nah ist? Das 
würde mir einleuchten und dem ganzen Zusammenhang einen völlig anderen 
Sinn geben: Wenn ihr euch eh schon kurz vorm jüngsten Gericht seht und 
das Arbeiten einstellt, warum bloß wollt ihr eure Leiblichkeit noch 
länger mästen? :o)
Das scheint mir aber nicht der Kontext des zweiten Paulusbriefs an die 
Thessalonicher zu sein. Da stehen nämlich sonst so Dinge drin wie:

"6Denn es ist gerecht bei Gott, mit Bedrängnis zu vergelten denen, die 
euch bedrängen, 7euch aber, die ihr Bedrängnis leidet, Ruhe zu geben mit 
uns, wenn der Herr Jesus sich offenbaren wird vom Himmel her mit den 
Engeln seiner Macht 8in Feuerflammen, Vergeltung zu üben an denen, die 
Gott nicht kennen und die nicht gehorsam sind dem Evangelium unseres 
Herrn Jesus. 9Die werden Strafe erleiden, das ewige Verderben, vom 
Angesicht des Herrn her und von seiner herrlichen Macht, 10wenn er 
kommen wird, dass er verherrlicht werde bei seinen Heiligen und 
wunderbar erscheine bei allen Gläubigen an jenem Tage; denn was wir euch 
bezeugt haben, das habt ihr geglaubt." (2. Thessalonicher 1)
Es gibt glaube ich tatsächlich die eine oder andere Passage im Neuen 
Testament, wo Jesu Nächsten- und Feindesliebe aus seiner eigenen 
Perspektive relativiert wird mit Aussagen, die darauf hinauslaufen, dass 
die Spreu vom Weizen mit Feuerflammenschwert getrennt und in ewige 
Verderbnis fallengelassen wird. Ich finde das nicht kohärent. Wenn er 
seine Nächsten- und Feindesliebe als zweites Kleid göttlicher Trinität 
ernst meint, dann wird schlichtweg niemand und nichts in die Verderbnis 
fallen, sondern die Liebe noch das Böse selbst erreten. Das folgt für 
mich logisch ohnehin schon aus dem Absolutheitsanspruch des 
Gottesbegriffs: Wie soll irgendetwas Absolutes irgendetwas aus sich 
selbst ausschließen? Das geht gedanklich nicht. Und für Götter ohne 
Absolutheitsanspruch interessiert sich die zur Gattung strebende 
Menschheit ja nur in den kitzelnden Details, nicht aber in den 
Kernkonzepten der Eschatologien. Bleiben daher aus der Perspektive eines 
Gläubigen nur solche Interpretationen über wie: Damals war die Zeit noch 
nicht reif, um's klarer zu sagen. Oder: Die Bibel wurde ja über so viele 
Jahrhunderte von so vielen Leuten so sehr umgeschrieben, dass man im 
Zweifelsfall nicht mal den Silben zwischen den Zeilen Glauben schenken 
kann. Oder: Das jüngste Gericht ist nicht das jüngste, sondern nur so 
ein Etappenziel und danach wird die ganze Chose auf einer anderen Ebene 
wieder neu durchagiert, damit die Liebe irgendwann und endlich auch 
Luzifer mal wieder so fest in die Arme schließen kann, wie er's 
vermutlich mehr als irgendjemand braucht und sie sowieso. So oder so 
lässt sich festhalten: Paulus brabbelt hier von Vergeltung, Bedrängnis 
und Strafe.

"3Lasst euch von niemandem verführen, in keinerlei Weise; denn zuvor 
muss der Abfall kommen und der Mensch der Bosheit offenbart werden, der 
Sohn des Verderbens. 4Er ist der Widersacher, der sich erhebt über 
alles, was Gott oder Gottesdienst heißt, sodass er sich in den Tempel 
Gottes setzt und vorgibt, er sei Gott. 5Erinnert ihr euch nicht daran, 
dass ich euch dies sagte, als ich noch bei euch war? 6Und ihr wisst, was 
ihn noch aufhält, bis er offenbart wird zu seiner Zeit. 7Denn es regt 
sich schon das Geheimnis der Bosheit; nur muss der, der es jetzt noch 
aufhält, weggetan werden, 8und dann wird der Böse offenbart werden. Ihn 
wird der Herr Jesus umbringen mit dem Hauch seines Mundes und wird ihm 
ein Ende machen durch seine Erscheinung, wenn er kommt. 9Der Böse aber 
wird in der Macht des Satans auftreten mit großer Kraft und lügenhaften 
Zeichen und Wundern 10und mit jeglicher Verführung zur Ungerechtigkeit 
bei denen, die verloren werden, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht 
angenommen haben, dass sie gerettet würden. 11Darum sendet ihnen Gott 
die Macht der Verführung, sodass sie der Lüge glauben, 12damit gerichtet 
werden alle, die der Wahrheit nicht glaubten, sondern Lust hatten an der 
Ungerechtigkeit." (2. Thessalonicher 2)
Geht sogar noch prägnanter in die Richtung der Trennung von Spreu und 
Weizen. Ich finde zwar ein paar kleinere Bemerkungen in dem Text 
durchaus stimmig, also z. B. die Problematisierung der Vergottung des 
Egos, der Bosheit und der Ungerechtigkeit. Das aber über einen 
universellen Widersacher zu konstruieren, den Jesus im Bruderkuss 
weghaucht, scheint mir in seinem metaphorischen Gehalt sehr falsch 
dargestellt. Zur Dialektik von Jesus und Luzifer werde ich unten ein 
paar Dinge sagen. Hier halte ich nur fest: Paulus befindet sich hier 
voll im finalen Kampf um die Seelen und spricht daher auch mit 
alttestamentarisch wütend klingender Stimme.

Und dann der unmittelbare Zitat-Zusammenhang:
"Wir gebieten euch aber, liebe Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus 
Christus, dass ihr euch zurückzieht von jedem Bruder, der unordentlich 
lebt und nicht nach der Lehre, die ihr von uns empfangen habt. 7Denn ihr 
wisst, wie ihr uns nachfolgen sollt. Denn wir haben nicht unordentlich 
bei euch gelebt, 8haben auch nicht umsonst Brot von jemandem genommen, 
sondern mit Mühe und Plage haben wir Tag und Nacht gearbeitet, um keinem 
von euch zur Last zu fallen. 9Nicht, dass wir dazu nicht das Recht 
hätten, sondern wir wollten uns selbst euch zum Vorbild geben, damit ihr 
uns nachfolgt. 10Denn schon als wir bei euch waren, geboten wir euch: 
Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen. 11Denn wir hören, 
dass einige unter euch unordentlich leben und nichts arbeiten, sondern 
unnütze Dinge treiben. 12Solchen aber gebieten wir und ermahnen sie in 
dem Herrn Jesus Christus, dass sie still ihrer Arbeit nachgehen und ihr 
eigenes Brot essen. 13Ihr aber, liebe Brüder, lasst's euch nicht 
verdrießen, Gutes zu tun. 14Wenn aber jemand unserm Wort in diesem Brief 
nicht gehorsam ist, den
merkt euch und habt nichts mit ihm zu schaffen, damit er schamrot werde. 
15Doch haltet ihn nicht für einen Feind, sondern weist ihn zurecht als 
einen Bruder." (2. Thessalonicher 3)
Der letzte Satz gibt dem ganzen Gehetze gegen den bösen Widersacher und 
gegen die der Verführung anheim Gefallenen einen rettenden Drive: 
Nehmt's ihnen nicht übel, sind ja doch eure Brüder. Errettet sie lieber 
mit eurer Liebe für alle Liebe. Das ist die Kernambivalenz dieses ganzen 
Konzepts des christlichen Bösen: Mit Jesu Nächsten- und Feindesliebe ist 
dieses Böse eigentlich gar nicht mehr als Realität. Gleichwohl ist es 
eine Erfahrungstatsache und bedarf daher der Erklärung. {Eine meiner 
Tanten hat im Selbstverlag in den 80ern mal ein Lyrik-Bändchen mit dem 
diese Widersprüchlichkeit hübsch auf den Punkt bringenden Titel "Wie 
lange wirst du noch am Kreuz hängen und schreien" publiziert.} Die 
{Erklärung} funktioniert über Abspaltung: Das Böse wird, wenn schon 
nicht heute, dann zumindest dereinst nach dem jüngsten Tag in ewige 
Verderbnis fallen und uns ein für alle Mal in Ruhe lassen. Abspaltung 
aber ist psychologisch, sozial und erst recht eschatologisch von Übel: 
Das in die Abspaltung Verdrängte pflegt irgendwann mit geballter Macht 
wieder zu kommen und sich für die Verdrängung zu rächen. Wer will so etwas?
Ansonsten ist der unmittelbare Kontext der 
nicht-arbeiten-nicht-essen-Message der universelle Aufruf aller Spießer 
gegen den verlotterten Faulpelz im Nachbargarten. Das ist einfach nur 
reaktionär und lohnt nicht der interpretativen Mühe. Interessant ist 
höchstens, dass Paulus klar festhält, dass er eigentlich das Recht 
gehabt hätte, seinen Mitmenschen zur Last zu fallen und ihr Brot 
aufzuknusern. Hat er nur nicht getan, weil er mit gutem Beispiel 
vorangehen wollte. Und konnte. Das ist ein ganz sympathischer Drive: Das 
Recht auf Essen ohne Arbeit wäre eigentlich auf Paulus Seite gewesen. 
Interpretiert man das nicht als das übliche Privileg der Kirchenoberen, 
alles Recht der Welt aus der Einbildung abzuleiten, dass Gottes Lächeln 
auf ihnen mehr ruhe als auf anderen, dann bietet sich folgende 
Interpretationsvariante an: Aus Nächsten- und Feindesliebe Jesu folgt 
unmittelbar, dass alle, also auch die Nicht-Arbeitenden ein Recht auf 
Essen haben. Und dennoch favorisiert Paulus hier ein Erziehungsregime 
gegen die Faulpelze in der Gemeinde. Ich will nicht sagen, dass das 
nicht vielleicht in der konkreten historischen Situation seinen 
verständlichen Sinn gehabt haben mag, aber als allgemeine theologische 
Aussage taugt die Favorisierung eines Erziehungsregimes sicherlich 
nicht. Insbesondere nicht heute, wo die Produktivität mit 
Siebenmeilenstiefeln gen Vollautomatisierung wandert."

Im Anschluß an dieses Zitat folgt dann in meiner Entwurfs-Mail das oben 
zitierte Buddha-bei-die-Fische-Zitat und dann die Reflexionen zu Marx' 
Naturgeschichtlichkeitsbegriff im dritten Punkt der bereits am 21.09. 
über den Verteiler gejagten Mail mit dem Betreff "nur ein bisschen zu 
diesem und jenem" (vgl. 
https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/2014-September/003985.html 
).

Aus privaten logistischen Gründen bin ich gerade für etwa 13 Stunden 
allein ohne meine Frau in unserer Bremer Wohnung, bevor ich wieder in 
ländlichere Regionen zu ihr reise. Da ich sie vermisse und gleichzeitig 
sturmfreien Triebhaushalt habe, schien mir die Auseinandersetzung mit 
einigen der bGE-Hausaufgaben gerade der beste Weg, meine Einsamkeit zu 
füllen. Ich hoffe, es ist beim Lesen nicht allzu anstrengend gewesen, 
dass ich dabei drei verschiedene Zeitkerne meines Schreibens in eine 
einzige Mail gepackt habe. Falls doch: sorry.}

Liebe Grüße,
Bert



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