[Debatte-Grundeinkommen] there's gonna be some trouble ... (vgl. http://youtu.be/1MIbzjMqoVc )

Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
So Nov 16 15:06:06 CET 2014


Lieber Bert, vielen Dank für Deine Ausführungen zur Philosophie, die ich 
gern mehrmals gelesen habe und mit Gewinn.
Es gibt viele spannende Fragen.
Zum Beispiel zu Adorno: "Kein Identisches ist letztlich mit sich selbst 
identisch, jede Immanenz ragt über ihre eigenen Grenzen hinaus." 
Vielleicht liegt der kern des identischen eben nicht in seiner 
Erscheining, also in dem, wo etwas darüber hinausragen kann, sondern die 
Kraft, die Etwas dazu bringt, über sich hinauszuragen stammt aus einem 
Kern, der sich im Ziel dieses Hinausragens befindet.
Das führt dazu anzunehmen, dass eine Ursache sich durchaus in der 
Zukunft eines Vorganges befindet, sozusagen im Noch-Nicht-Gewordenen.
Kurzum könnte man annehmen, dass Etwas nicht Existiert, sondern 
Subsistiert, also gleichzeitig das Zentrum von Etwas ist, sich aber 
nicht im räumlichen Zentrum befindet sondern als Zentrum außerhalb 
dieses Vorganges oder der Sache befindet.
Ich meine sogar, dass die menschliche Identität auf diesem Wege erfasst 
werden kann 8und dass wir etwas tun müssen, damit der mensch nicht 
ausschliesslich als statistische oder ökonomische Einheit betrachtet und 
behandelt wird, sondern in seinem Noch-Nicht-Gewordenen gefördert bin, 
engagiere ich mich für das bGE.

Dass sich nebenbei herausstellt, dass die Frage von Hans Küng "Existiert 
Gott" ganz einfach falsch gestellt ist und eigentlich die Antwort lauten 
müsste, er exisiert nicht, sondern er (oder sie oder was auch immer man 
darunter versteht) SUBsistiert, ist ein interessanter Nebenaspekt.

Über den Energiebegriff von Einstein können wir auch nachdenken und Bohr 
und Heisenberg hinzunehmen, die da meinten, Atome udn was damit 
zusammenhängt, seien gar nicht innerhalb uinseres Raumes und in keiner 
Weise materiell zu denken. ("Der Teil und das Ganze"). Dennioch musste 
ich in der Schule die "§Haken- und Ösentheorie lernen.

Dass alle drei ein ganz neues Denken, ja eine ganz neue Sprache 
forderten, um diese neue Welt zu begreifen ist auch noch ein anderer 
Aspekt. Eventuell eine Sprache, die sich auf Werdendes statt auf 
Gewordenes bezieht?
Aber da wir ja so unglaublich weit fortgeschritten sind, haben wir 
dieses neue Denken und diese neue Sprache vermutlich bereits entwickelt 
und ich habe hier auf meinem Dörfchen nur nicht davon mitbekommen.
Oder vermutlich gibt es viele, die meinen wie Rainer Langhans, dieses in 
eine neue Sprache eingeflossene Denken heisse HTML und das Internet sei 
die neue Kommune.
Auf meiner Frage an ihn, was denn erfüllender sei: der Sex mit Uschi 
Obermaier vor 45 Jahren oder dasselbe heute in Digital hat er mir leider 
nicht mehr geantwortet.

Wir beide scheinen uns jedenfalls in der Mitte zwischen unseren beiden 
Ausgangspunkten zu treffen, beide Standpunkte umschliessend, aber nicht 
wie Artus und Mordred sich gegenseitig das Schwert in das Herz rammend, 
sondern in gegenseitigem Interesse: ein Element, das einer neuen 
politischen Qualität auch recht gut zu Gesicht stünde. Und unser 
Kompromiss scheint sich in der Richtung von "PÜber-Sich-Hinaus" zu 
bewegebn und bleibt nicht platt einfach auf der Ebene beider 
Ausgangspunkte (der beste Fall bei heutigen politischen Kompromissen) 
oder noch schlimmer: befindet sich gar darunter, was immer tragisch ist.
Die meisten politischen entscheidungen die ich derzeit verfolge, 
bedienen fast ausschliesslich die unteren beiden Ebenen.

Viele Grüße!
Arfst

Viele Grüße und bis bald mal wieder°!
Arfst



Am 15.11.2014 16:13, schrieb Debattenliste des Netzwerks Grundeinkommen:
>
> Hallo,
>
> mir ist gestern ein Fehler unterlaufen. Mein Fokus lag woanders, 
> deshalb habe ich's selbst beim Erbasteln der Tabelle komplett 
> übersehen. Es dämmerte mir erst später abends. Verena schlägt ja nicht 
> nur ein bGE vor, das quantitativ nicht den Essentials des Netzwerks 
> entspricht, sondern auch eine Konsumsteuer, die eigentlich gar keine 
> ist, sondern bloß die Unternehmensbesteuerung ersetzen soll. In der 
> gestern angehängt verschickten Tabelle wird das in Zeile 12 
> offenkundig: Es gibt weiterhin Einkommensteuer und 
> Sozialversicherungen. Von daher nehme ich die Bemerkungen aus meiner 
> vorletzten Mail komplett zurück, die vermuteten, dass in Verenas 
> Konsumsteuersystem Wareneinsatzkosten und Arbeitskosten wegen dem 
> Wegfall von Einkommensteuer und Sozialversicherungen erstmal formell 
> identisch wären. Das war quatsch.
>
> @Arfst:
> "Unterschiedliche Dinge KANN man vergleichen, man kommt dann auf 
> Unterschiede. Gleiche Dinge kann man zwar auch vergleichen, man kommt 
> jedoch zu keinen Resultaten, da ja beides gleich ist."
>
> Lieber Arfst, ich bin da ganz bei dir und möchte nur zwei Dinge 
> anmerken. Erstens: Ich habe ja länger darüber meditiert, inwiefern ich 
> es problematisch finde, das Pferd von den gleichen Endpreisen statt 
> von dem gleichen Investitionsvolumen z. B. für Wareneinsatz 
> aufzuziehen. Insofern fand ich den Vergleich von Äpfeln und Birnen 
> durchaus interessant und erhellend. Er hat mich immerhin dazu 
> gebracht, über das Verhältnis von Vorsteuer und Liquidität 
> nachzudenken. Zweitens: Ich habe mich zu viel mit 
> Reflexionsphilosophie beschäftigt, um mit dir einer Meinung zu sein, 
> dass der Vergleich von Gleichem zu keinen Resultaten führt. Die 
> klassischen Idealisten aus der Hegel-Ära hätten etwa darauf hinweisen 
> können, dass jeder Denkgegenstand als solcher jedem anderen gleicht. 
> Sind halt Denkgegenstände, aber viele, insofern auch verschiedene. 
> Identität von Identität und Nichtidentität heißt das großkotzig bei 
> Hegel und er unternimmt in seiner Wissenschaft der Logik den Versuch, 
> aus dieser abstrakten Konstellation die Gesamtheit des menschlichen 
> Kategoriensystems zu deduzieren. Adornos Nichtidentität von Identität 
> und Nichtidentität finde ich persönlich spannender. Als 
> naturalistischer Materialist kann man sich sagen wir mal mit Einstein 
> auf den Standpunkt stellen, dass alle bekannte Stofflichkeit eine 
> Formation von Energie ist und sich insofern gleicht. Das macht die 
> Detailunterschiede aber nicht wett. Und noch weniger das permanente 
> Oszilieren, Werden, Vergehen, den Übergang von eben zu gleich. 
> Interessanter wird es m. E., wenn man von der Gleichheit zu echter 
> Identität übergeht. Die gibt's m. E. material höchstens als AllEines, 
> formell daher nur in Logik und Mathematik. Ich nehme mal ein konkretes 
> Beispiel, um's zu illustrieren. Ein mir flüchtig persönlich bekannter 
> und sympathischer Marxologe der Jetztzeit mit einiger Strahlkraft ist 
> Michael Heinrich. Er studierte Mathematik und nahm eine déformation 
> professionnelle mit in die Marxologie: In seiner Wissenschaft vom Wert 
> gibt es eine Fußnote, die für den gesamten argumentativen Zusammenhang 
> des Buchs völlig bedeutungslos ist und ersichtlich falsch. Er wollte 
> das aber auch im persönlichen Gespräch nicht ernsthaft einsehen. Er 
> behauptet in dieser Fußnote, dass Marx' Wertbegriff eine 
> Äquivalenzrelation sei. Die ist streng und schlicht von den 
> Mathematikern definiert: Reflexivität, Symmetrie und Transititvität 
> muss gelten. Allen bekannt aus der Schulmathematik ist die 
> Äquivalenzrelation "=": Reflexivität: Wenn a = b, dann auch b = a. 
> Symmetrie: a = a. Transitivität: Wenn a = b und b = c, dann auch a = 
> c. Wo solche Sachen gelten, liegt eine Äquivalenzrelation vor. Das ist 
> beim Wertbegriff von Marx allerdings keineswegs der Fall, weil die 
> Symmetrie nicht gegeben ist: " Wie Rock und Leinwand qualitativ 
> verschiedne Gebrauchswerte, so sind die ihr Dasein vermittelnden 
> Arbeiten qualitativ verschieden - Schneiderei und Weberei. Wären jene 
> Dinge nicht qualitativ verschiedne Gebrauchswerte und daher Produkte 
> qualitativ verschiedner nützlicher Arbeiten, so könnten sie sich 
> überhaupt nicht als Waren gegenübertreten. Rock tauscht sich nicht aus 
> gegen Rock, derselbe Gebrauchswert nicht gegen denselben 
> Gebrauchswert." (MEW 23, S. 56)
>
> Ein Ding tauscht sich nicht gegen sich selbst. Das könnte man zwar 
> machen, argumentierte Heinrich gegen meinen Einwand. Aber man tut's 
> nicht. Und selbst wenn: Daraus entstünde kein Wert als 
> gesellschaftlicher Fetisch des Abwiegens von Geben und Nehmen. Denn 
> Gegebenes und Genommenes wären genauso wie Gebender und Nehmender 
> derart identisch, dass der Prozess im Resultat wieder gänzlich 
> verschwunden wäre: Es hätte sich einfach nichts nirgends verändert.
>
> Aus diesem Vergleich eines Identischen mit sich selbst resultieren 
> also durchaus inhaltliche Resultate. Vor allem das Resultat, dass Wert 
> ein Vermittlungsbegriff des gesellschaftlichen Stoffwechselprozesses 
> ist. Auf einer ziemlich abstrakten Ebene motiviert das Adornos Begriff 
> der immanenten Kritik: Kein Identisches ist letztlich mit sich selbst 
> identisch, jede Immanenz ragt über ihre eigenen Grenzen hinaus. Alles 
> Einzelne verweist auf den Gesamtzusammenhang. Das ist ein schlichtes 
> logisches Essential: Was immer Denk- oder Erfahrungsgegenstand ist, 
> ist als solcher Teil der Gesamtheit von Denk- und 
> Erfahrungsgegenständen. "you are not alone" lässt sich nicht nur den 
> einzelnen Menschen, sondern auch der Gattung und aller sie umgebenden 
> Energie zurufen. Das ist so ein abstraktes dialektisches Essential, 
> das häufig schlicht Vermittlung genannt wird.
>
> @soweit ich sehe: namenloser Bier- und Weintrinker
> "BGE könnte die Personlkosten senken oder Arbeitgeber kann Lohnanteil 
> senken. Das BGE als Sozialabgaben- und Steuerersatzleistung wäre also 
> Kostensenkend."
>
> Lieber Namenloser, danke für die Blumen. Ich habe ja 13 Jahre 
> individuelle Schwerstbehindertenbetreuung gemacht und bin der Meinung, 
> dass der hippokrateische Eid noch der beste Ethos ist, den die 
> Menschheit hervorgebracht hat. Die Bezahlung mindestens im 
> Pflegesegment ist verglichen mit den Tarifabschlüssen der IG Metall 
> und freilich erst recht im Vergleich mit den Kapitalrenditen so 
> gnadenlos unterirdisch, dass ich nicht deiner Meinung bin, dass ein 
> bGE in diesem Segment Kosten senken sollte. Könnte, ja klar. Aber 
> nicht sollte.
>
> Ich bin wiederum kein Experte für die Sozialversicherungen, 
> grundsätzlich aber der Meinung, dass ein bGE nur mit einer Umstellung 
> sozialer und medizinischer Absicherung auf Steuerbasis funktionieren 
> kann. bGE und gleichzeitig private Krankenversicherungen fände ich 
> extrem absurd. Für mich ist das gerade eher so eine Hinterkopf-Sache: 
> Die Kosten eines bGEs wären nicht nur die unmittelbaren der 
> Geldausschüttung, sondern auch die des Umbaus der sozialstaatlichen 
> Existenzsicherungssysteme. Klar ist beispielsweise, dass kein 
> Schwerstbehinderter von einem Durchschnitts-bGE leben könnte. Die 
> Leute, die ich betreut habe, haben im System bestimmt locker 10 oder 
> 20 tausend Euro Kosten im Monat produziert. So hoch könnte man ein bGE 
> überhaupt nicht schrauben. Niemand will von seinem bGE eine Herz-OP 
> bezahlen müssen, oder? bGE und soziale Sicherungsinstrumente schließen 
> sich m. E. nicht gegenseitig aus, sondern verweisen im Gegenteil sehr 
> intensiv aufeinander.
>
>
> Zur Bodenlosigkeit:
>
> Ich hatte ja gelegentlich klar gesagt, dass ich ein bGE nur als 
> Transformationsperspektive interessant finde, nicht als vollendete 
> Utopie. Mich dabei zu ertappen, wie ich Steuermodelle konstruiere, 
> hätte ich vor einem Jahrzehnt völlig gaga gefunden. Weg mit der 
> Eigentumskategorie, bleibt eher meine Losung. Jeder nach seinen 
> Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. Bleibt aber die Frage, 
> wie das erreicht werden kann, solange es nicht bereits da ist. 
> Abstimmung und Organisation bleiben bis zu einem gewissen Grad in 
> arbeitsteiliger Gesellschaft mit einer Fülle von täglichen 
> Notwendigkeiten unumgänglich. Das bGE könnte vielleicht einen Weg 
> bahnen, der tatsächlich den Individuen die Entscheidungshoheit über 
> Abstimmung und Organisation in die Hände gibt. Unmittelbar aber 
> bleiben wir im ganzen Unwahren und daher in Absurditäten.
>
> Mir sind gestern z. B. zwei verschiedene Strudel in den Sinn gekommen, 
> die mich in Bodenloses zogen. Erstens: Die Frage der Liquidität für 
> die Vorsteuer hat mich auf die Frage gestoßen, wo eigentlich überhaupt 
> der gesellschaftliche Nutzen von Privatbanken liegen soll. Ich kenne 
> da nur ein abstraktes Argument à la "Der Markt kann's einfach besser, 
> ist weniger autoritär, flexibler, kreativer." Ich will nicht 
> behaupten, dass das völlig falsch wäre, mir fällt aber zumindest kein 
> einziges konkretes Beispiel ein, wo ich das in Bezug auf Privatbanken 
> nachgewiesen finde. Mag an meiner Unwissenheit liegen. Selbst wenn man 
> aber haufenweise Beispiele bringen könnte, bliebe Brechts Frage, was 
> der Überfall auf eine Bank gegen ihre Eröffnung sei, mir vermutlich 
> ohnehin bedeutsamer. Kernpunkt des Ganzen ist ja stets einfach nur 
> dieser: Mangel wird verwaltet, Hyperinflation muss vermieden werden, 
> es können nicht alle einfach machen, was sie wollen, sondern es gibt 
> auch ein gewisses notwendiges Sollen. Das ist nicht bloß dem 
> Bereicherungsstreben der anderen Klasse geschuldet, sondern viel 
> unabänderlicher den Notwendigkeiten des Stoffwechselprozesses mit der 
> Natur. Deshalb sind Kreditvergaberichtlinien bei den Banken nicht nur 
> böses Kapitalistenreich, sondern teilweise schlicht vom 
> Naturzusammenhang der Menschheit aufgenötigt. Die Unternehmertugenden 
> spiegeln diese Not. Und die berechtigte Frage der Unterworfenen 
> bleibt: Wieso bestimmt Sachbearbeiter X in Bank Y, Politiker V in 
> Funktion W oder Beamter T in Stellung U, wem was zu welchem Zweck zur 
> Verfügung gestellt wird?
>
> Wozu also beispielsweise dieser ganze EZB-Krempel? Wieso schaffen wir 
> nicht meinetwegen in der Struktur von Kommunen, Ländern, Bund, EU, 
> internationalen Verpflichtungen internetgestützte, basisdemokratische 
> Gremien, die über die Liquiditätsvergabe an Unternehmen und 
> Privatpersonen flexibler bestimmen. Warum brauchen wir mehr als die 
> Finanzämter, um Liquidität zu generieren und einzuziehen? Verstehe ich 
> unmittelbar erstmal nicht.
>
> Solange wir meinen, dass wir auf Geld als Vermittlungsfetisch nicht 
> verzichten können (und das meinen wir leider noch immer, oder?), 
> sollten wir uns wenigstens darauf einigen, diesen Vermittlungsfetisch 
> als solchen nicht in Privathände zu geben, seien es nun die von 
> Finanzsphärenzockern oder die von Staatsbürokraten. Jedenfalls nicht 
> in einem absoluten Sinne. Minderheitenschutz bei der 
> Liquiditätsvergabe fände ich z. B. wichtiger als demokratische 
> Mehrheiten, das Verhältnis von Polis und Privatem daher nicht so 
> unmittelbar einfach wie es die Mehrheitsregeln des Parlamentarismus 
> vorgaukeln, Schutzrechte für das Individuum und insofern auch für die 
> Privathände unumgänglich ...
>
> Stürzt mich der Studel dieses Gedankens letztlich wieder in ein "ach, 
> Eigentumsformen bleiben so oder so bähbäh" und auf die Gewissheit, 
> dass Vermögen in privater Sach- und Geldform die Barrikade ist, die 
> wirklich weggeräumt werden muss, so herrscht im Auge des Strudels ja 
> auch stets himmlische Ruhe: Die immanente Fortschrittlichkeit der 
> bürgerlichen Gesellschaften bestand neben einigen zivilisierenden 
> Effekten, die brüchig genug blieben, in der Dynamisierung aller 
> Verhältnisse, im technologischen und sozialen Aufbruchscharakter jedes 
> Unternehmens. Worum es heute m. E. überhaupt nicht geht, ist 
> Stillstand. Der gebannte Blick aufs empfindliche BIP-Wachstum ist der 
> Angst geschuldet, die Wertverwertung könnte lahmen. Das tut sie wegen 
> der Diskrepanz von Reichtum hier und Armut dort aber aus ihrer inneren 
> Logik weit mehr als sie müsste. Würden die Märkte wirklich freigegeben 
> werden für die Massen an Prolls, wäre heutige Prosperität bloßes 
> Armutszeugnis einer erbärmlichen Vergangenheit. Fürchten müssen 
> bGE-Vertreter sicherlich Inflation am allerwenigsten. Vielmehr geht's 
> uns ja gerade darum, die Liquidität dahin fließen zu lassen, wo sie 
> gebraucht wird: zu den Menschen. Und das möglichst im Überfluss. Die 
> Überflüssigen werden mit dem Überfluss schon das Richtige anzufangen 
> wissen. Zumindest dann, wenn sie sich auf ein paar 
> Abstimmungsmodalitäten einigen können und ihr Eingebundensein ins 
> Ökosystem nicht völlig aus dem Blick verlieren.
>
> Arfst schreibt: "Nach meinem Verständnis eines neuen Arbeitsbegriffs 
> KANN Arbeit übrigens überhaupt nicht eingekauft werden, sondern kann 
> letztlich nur aus der freien Entscheidung der Arbeitnehmer fließen. 
> Dafür braucht es allerdings ein bGE, dass diese Entscheidung überhaupt 
> erst ermöglicht."
>
> Insofern wir beim bGE ja stets erstmal nur vom Existenzminmum ausgehen 
> und nicht von den produktiven Entfaltungspotentialen der Einzelnen, 
> von ihrem Zugriff auf die gesellschaftlichen Produktivkapazitäten, 
> finde ich die ganze Diskussion zur Liquidität über das bGE hinaus 
> ziemlich spannend: Wie wär's beispielsweise mit einem meinetwegen 
> gleichhohen bWE (bedingungsloses Wirtschaftseinkommen), das jedem 
> Gesellschaftsmitglied monatlich einen Tausender zweckgebunden für 
> wohlfahrtswirtschaftliche Aktivitäten (also nicht für die private 
> Verknusperung) zur Verfügung stellt?
>
> Der zweite Strudel war tiefgreifender. Er fing an mit dem Wabern an 
> den Rändern von Verenas beschränktem bGE und Konsumsteuermodell. Ist 
> mir einfach zu popelig in seiner Gesamtstruktur. Aber das gilt ja auch 
> schon für ein bGE, das seinem Namen gerecht würde: Es bleibt gebunden 
> an Wertfetische, an nationale Fetische und selbstverständlich an 
> Naturnotwendigkeiten. Aus diesen Bindungen werden neue Probleme 
> erwachsen, wo wir uns heute gerade Lösungen erträumen. Quer kommt 
> hinzu, dass ich das bGE auch als Brecheisen an den Hierarchie-Begriff 
> anlegen möchte: Schluss mit Weisungsbefugnissen und -gebundenheiten. 
> Arfst hat recht: Entweder die Leute wollen sich einbringen oder sie 
> lassen es bleiben. Jeder Kompromiss in der Beziehung à la fördern und 
> fordern, ist so barbarisch im unwahren Ganzen verankert, dass ich mir 
> lieber Armageddon herbeisehne als jemals nach der Hartz4-Gesetzgebung 
> wieder auch nur darüber nachzudenken, ob rot oder grün wählbar sein 
> könnten. Das freilich auf der allgemeinen Ebene. Im konkreten 
> Einzelfall der kooperativen Alltagssituation würden wir ohne 
> Kompromisse, ohne Gegenseitigkeit unseren sozialen Charakter einbüßen. 
> Und das will ja nun wirklich so ziemlich niemand.
>
> Wenn aber selbst das bGE in Fetischstrukturen verhaftet bleibt und 
> höchstens zaghaft einen Pfad andeutet, wie diese Fetischstrukturen 
> verlassen werden könnten, dann ... tja, keine Ahnung, bin ich wohl 
> doch eher für eine spirituelle Revolution als für einen 
> staatsfixierten Masterplan à la bGE und Konsumsteuer.
>
> Aber das muss einander ja nicht unbedingt ausschließen.
>
>
> Zu deinem HI HO Let's go, lieber Peter, möchte ich Folgendes anmerken: 
> Ich glaube ja nicht, dass wir bereits annähernd in der Situation sind, 
> wo wir ein bGE von heute auf morgen einführen könnten. Die Mehrheiten 
> im Land sehen m. E. drastisch anders aus. Allerdings habe ich vor 
> einem guten Monat eine Doku zum bGE auf EinsPlus gesehen, wo Götz 
> Werner sinngemäß so etwas rausgehauen hat wie: Stell dir vor, du 
> wachst morgen auf und es ist bGE. Könnte schneller gehen als man denkt.
>
> Da ich bislang kein wirklich gut ausgearbeitetes 
> Gegenfinanzierungsmodell sehe (höchstens das der LINKEN, das ich aber 
> wegen Einkommensbesteuerung doof finde), bin ich weiterhin dafür, ein 
> bGE erstmal einfach über Geldmengenerhöhung zu finanzieren. Das würde 
> zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Diejenigen, die etwas gegen 
> Geldmengenerhöhung haben, würden ganz schön zu rotieren anfangen und 
> vielleicht wirklich gute Modelle ausarbeiten. Das sind ja schließlich 
> auch die Experten des Geldsystems. Man muss sie halt nur auch nötigen, 
> sich was Cleveres einfallen zu lassen. Geldmengenerhöhung, die 
> konsumtiv unters Volk gebracht wird, ist gleich Inflation. 
> Geldvermögen würde man stutzen. Das ist eh nötig: Umverteilung von 
> oben nach unten. Sachvermögen müsste man aber eigentlich auch angehen. 
> Das passiert aber durch die konsumtiven Impulse, die das bGE setzt. 
> bGE sollte freilich immun gegen die Inflation sein, also nach 
> Warenkorbmethode konzipiert. Einziges Problem: Geldmengenerhöhung zu 
> politischen Zwecken geht juristisch nicht. Also was? Verbrennen wir 
> den Muff von tausend Jahren und einer Nacht unter den Talaren? Naja, 
> keine Ahnung, wird nicht gehen. Wäre aber zumindest eine Forderung, 
> die Druck im Kessel aufbauen könnte.
>
>
> Ach und dann nochmal allgemein: Kann mir jemand erklären, warum ein 
> bGE für Kinder niedriger als für Erwachsene ausfallen soll? Ich 
> verstehe das nicht, nicht im Ansatz. bGE ist Existenzminimum, Kinder 
> brauchen wegen Wachstum, Lernen, Ungestümheit eher mehr Existenz als 
> Erwachsene, nicht weniger. Das einzige, was mir bislang eingefallen 
> ist beim Grübeln darüber, warum einige Leute so selbstverständlich 
> meinen, dass Kinder weniger als Erwachsene bekommen müssen, ist der 
> Sarrazin-Rotz: Der Pöbel hätte massiven Anreiz, sich wie die Karnickel 
> zu vermehren. So what? Soll er doch: Mit einem bGE wird der Pöbel 
> nicht bleiben, was er heute ist, nämlich kein Pöbel mehr.
>
> Liebe Grüße,
>
> Bert
>
>
>
>
>
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