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Do Nov 6 20:21:50 CET 2014


Hallo,

ein paar Kommentare zu diesem und jenem Beitrag im Verteiler.

Überblick nach dem Muster "@Person - angesprochene Themenkreise":

@Ernst Ullrich - Steuernder Eingriff von Steuern
@Friedrich - Sachlichkeit, konstruktives Menschenbild, lebenswerte Zukunft
@Nina - Presses Dissertation (nicht über Verteiler gelaufen)
@Arfst - Reichenhetze
@Sven und Egge - kleine Danksagung
@Dietmar - Werner und Antroposophie
@Moderatoren - Ausdruck von Bedauern
und dann noch allgemein:
zum Klassenbegriff
zum Kapitalbegriff



@Ernst Ullrich:

"*Es ist ein Irrglaube, dass Steuern etwas steuern!*

Ob Mehrwert-, Einkommens-, Kapital-,- Körperschafts-, Hunde- oder 
Sonstwie Steuer, alle diese Steuern bezahlt  letztlich der Konsument. 
Und der entscheidet sich für etwas, dass er braucht oder meint zu 
brauchen und nicht danach, was für Steuern da drauf sind." (25.10.)

Lieber Ernst Ullrich, ich verstehe nicht so recht, was das heißen soll. 
Wenn gemeint ist, dass Steuern nicht immer exakt den Effekt zeitigen, 
der politisch angestrebt wird, kann ich beim "Steuern steuern nicht" 
noch mitgehen. Aber dass die 50 % Staatsquote sowohl auf der Seite der 
Steuererhebung als auch auf der Seite der öffentlichen Ausgaben einen 
massiven Eingriff in das gesamtgesellschaftliche und somit auch 
individuelle Leben darstellen, lässt sich doch wohl kaum wegdiskutieren. 
Ein eher triviales Beispiel aus meinem persönlichen Leben: Noch vor 
meiner Arbeitslosigkeit hat mich die ständige Erhöhung der Tabaksteuer 
dazu gebracht, von den teureren Filterkippen auf selbstgedrehten Tabak 
ohne Filter umzusteigen. Sicherlich zur Freude meines Lungenkrebses. Das 
war ein steuernder Eingriff des Staates auf mein Verhalten, wenn auch 
vielleicht nicht auf die Weise steuernd wie die Gesundheitsapostel sich 
das wünschen.
Da Konsument nicht gleich Konsument ist, also beispielsweise der 
Hartz4-Konsument beim Kauf seines knappen Warenkorbs nicht gleich der 
High-Society-Konsumentin beim Kauf ihres Privatjets, ihres 
Diamantencolliers oder ihrer Privatinsel in der Südsee, finde ich es 
auch problematisch, einfach alle Staatseinnahmen als Belastung der 
Konsumenten anzusehen. Noch augenfälliger dürfte das sein, wo 
Unternehmenssteuern hier einerseits den Steuervermeidungsstrategien, 
andererseits den Subventionen dort gegenüber stehen.


... @Friedrich:

„das alles finde ich sehr unsachlich, so dass ich hierauf nichts 
erwidern möchte. Wo ist das konstruktive und positive Menschenbild, wo 
eine lebenswerte Zukunft?“ (28.10.)

Lieber Friedrich, gibst du bitte einen Hinweis darauf, was du unsachlich 
findest? Wenn du wirklich „alles“ meinst, fühle ich mich ziemlich 
missverstanden. Meine Eso-Flows sind zugegebnermaßen nicht im 
klassischen Sinne sachlich. Aber ansonsten bemühe ich mich ja doch recht 
stark um klärende Argumentation. Als Adorno-Fan ergibt sich m. E. das 
Problem, dass es nicht ganz leicht ist, einen Bezug zum Sachbegriff des 
common sense zu behalten. Eine der besseren Bemerkungen in der nicht 
ausreichend guten Einleitung zum Positivismusstreit erscheint mir diese 
zu sein: „Alles mathematische Raffinement der vorangetriebenen 
wissenschaftlichen Methodik zerstreut nicht den Verdacht, daß die 
Zurüstung von Wissenschaft zu einer Technik neben den anderen ihren 
eigenen Begriff unterhöhle. Das stärkste Argument dafür wäre, daß, was 
der szientivistischen Interpretation als Ziel erscheint, das fact 
finding, für emphatische Wissenschaft nur Mittel der Theorie ist; ohne 
sie unterbleibt, warum das Ganze veranstaltet wird.“ (Adorno, GS 8, S. 
299) Wenn's dem Herzen nicht in erster Linie ums Auffinden der Sachen 
geht, kann der Kopf ein ziemlich kompliziertes Verhältnis zu diesen 
einnehmen. So knapp, wie du es schreibst, erschließt sich mir jedenfalls 
nicht, was du unsachlich findest.

Der Sachzwang-Begriff in politischen Diskursen gehört m. E. mit zu dem 
Widerwärtigsten, was unsere Kultur hervorgebracht hat: Die Lüge, 
irgendein Verhalten würde sich rein aus den Sachen aufnötigen. Und mit 
diesen Sachen ist dann meist bloß das Verwertungsinteresse des Kapitals 
gemeint, das nun wirklich keine Sache ist, sondern ein 
gesellschaftliches Verhältnis und eine individuelle Neigung von 
Charaktermasken.

Ansonsten halte ich die knappe Feststellung, dass das Private politisch 
sei et vice versa, für eines der besten Relikte, das von der 
68er-Bewegung tradiert wird. Ich habe eine Reihe von Gründen, mich auch 
im politischen Schreiben als atmender Mensch, als geschichtliches Wesen, 
als Fleischpuppe spürbar machen zu wollen. Einer dieser Gründe ist 
schlicht, dass ich nicht an die Fiktion von nüchterner Sachlichkeit 
glauben kann. Kann ich nicht einmal in der Physik. In der Politik aber 
nun wirklich überhaupt nicht. Daraus folgt für mich ziemlich 
unmittelbar, dass der Vorwurf der Unsachlichkeit Totschlargument, 
Immunisierungsstrategie, ein „ach, halt er doch sein Maul“ ist.

Solltest du meine Überlegungen zu Götz Werner und seiner Initiative 
unsachlich gefunden haben, dann verstehe ich wirklich nicht, wie dein 
Begriff von Sachlichkeit aussieht.


Zum konstruktiven, positiven Menschenbild: Meine „Planwirtschaft 
2.0“-Idee scheint mir im Kontext dieses Verteilers noch am ehesten ein 
solches von meiner Seite aus zu zeichnen. Das mehrfach schon gebrachte 
Adorno-Zitat, dass die Menschen noch immer besser als ihre Kultur seien, 
noch am ehesten im Angesicht der miserablen menschlichen Realität ein 
solches zu begründen. Zwischen den Zeilen habe ich dazu auch eine Menge 
andere Sachen gesagt. Ansonsten habe ich's nicht so mit Fixierungen und 
mag daher auch nicht klare Bilder malen, kann mich aber A. S.' Statement 
anschließen: „Das andere ist das von Freiheit und Gerechtigkeit, ohne 
Mächtige und ohne Machtlose.“


Wo die lebenswerte Zukunft bleibt? Wow, gute Frage. Hast du eine 
Antwort? Ich wünschte ja, sie wäre schon da. Mindestens seit den 150 
Jahren nach Marx scheint sie irgendwo rumzulungern und jeden Zug zu 
verpassen, der sie herbringen könnte. :o)

Zumindest schickt sie dann und wann mal eine Ansichtskarte in die 
Gegenwart meines persönlichen Lebens. Gesamtgesellschaftlich bleibt da 
aber echt eine Menge zu tun. Meine Frau ist am 30.09. irgendwie völlig 
unvermittelt durch einen Fehler beim Surfen auf dies hier gestoßen: 
http://youtu.be/Sj00vO48MTk . War uns beiden bis dahin unbekannt und der 
30.09. der 35. Geburtstag von Severn Cullis-Suzuki. Die Wege der Links 
sind unergründlich, ein Happy Birthday an einen fernen und unbekannten 
Menschen ging heraus … Die Frau ist knapp drei Jahre jünger als ich, 
also noch so ziemlich meine Generation. Jede Silbe ihres Vortrags von 
1992 schien uns gestern nicht weniger aktuell als damals, eher mehr. Und 
auch wenn ich mit 13 sicherlich niemals so einen Vortrag hätte halten 
können, bin ich mir ziemlich sicher, dass mir das alles in ihrem Alter 
nicht weniger vor den Augen stand als Severn.

Ich habe ja so meine kategorischen Imperative im Hinterkopf, deren 
Realisierung aus der Negativität menschlicher Geschichte ein positives 
Menschenbild ausdünsten könnte. Neben ein paar Sachen von Jesus, die ich 
hübsch finde, sind das vor allem von Kalle:

„Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der /Mensch das 
höchste Wesen für den Menschen/ sei, also mit dem /kategorischen 
Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen/, in denen der Mensch ein 
erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen 
ist, Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann als durch den 
Ausruf eines Franzosen bei einer projektierten Hundesteuer: Arme Hunde! 
Man will euch wie Menschen behandeln!“ (MEW1, S. 385)

Und von Teddy die nähere Spezifizierung, wie man das wohl nach den 
militärischen Innovationen des 20. Jahrhunderts angehen könnte:

„Zart wäre einzig das Gröbste: daß keiner mehr hungern soll. Alles 
andere setzt für einen Zustand, der nach menschlichen Bedürfnissen zu 
bestimmen wäre, ein menschliches Verhalten an, das am Modell der 
Produktion als Selbstzweck gebildet ist. In das Wunschbild des 
ungehemmten, kraftstrotzenden, schöpferischen Menschen ist eben der 
Fetischismus der Ware eingesickert, der in der bürgerlichen Gesellschaft 
Hemmung, Ohnmacht, die Sterilität des Immergleichen mit sich führt.“ 
(Adorno, Minima Moralia, GS4, S. 178)

Ein griffiger Imperativ für den menschlichen Umgang mit dem globalen 
Ökosystem fehlt mir irgendwie noch. Ad hoc fällt mir da am ehesten die 
Weissagung der Cree ein, die aber nur implizit als Handlungsanweisung 
formuliert ist: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss 
vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man 
Geld nicht essen kann.“ Ach, klar, Michael, der King of Pop, sagt's ja 
prägnant: Heal the world (vgl. http://youtu.be/kka6zUtE3h8 ). Sollte man 
sich m. E. in diesem Kontext zusammen mit dem Earth Song reinziehen 
(vgl. http://youtu.be/ASbug4J4kIg ). [Und nebenbei gesagt, falls 
irgendwer im Verteiler Einfluss auf die Musikbranche hat: Ich hätte gern 
ein Remake von We are the world mit den heutigen A-, B-, C-, meinetwegen 
auch Y- und Z-Promis der Musikbranche. Der Titel ist unterdessen etwas 
in die Jahre gekommen, aber deshalb nicht weniger aktuell.]

Insofern die Menschen fähig sind, solche Imperative zu formulieren und 
zumindest dann und wann in ihren kleinen oder größeren Alltagen zu 
beherzigen, habe ich durchaus ein sehr positives Menschenbild. 
Schlichter gesagt: Die Menschen sind zu einem liebevollen Umgang 
miteinander und mit ihrer Welt fähig. Nur weist im Großen und Ganzen 
darauf leider stets zu wenig hin. Unter Wertverwertungsbedingungen 
bleibt daher wohl Nick Caves Misanthropie wahr: „ah, but that's all 
bullshit: people just ain't no good“ (vgl. http://youtu.be/jZ0xxHOzmzI )

Nichtsdestotrotz: Das Interesse am bGE entstammt zumindest bei mir der 
Hoffnung, dass meine Generation und die kommenden echt nicht mehr die 
ganze Scheiße der vergangenen Generationen immer und immer wieder neu 
und auf erweiterter Stufenleiter durchleben müssen. Die Gerontokraten 
sollten sich vielleicht mal klar machen, dass mir zumindest der erste 
Geistesblitz der Idee zur „Planwirtschaft 2.0“ bereits etwa 1990 kam, 
als ich ungefähr in dem Alter war, in dem Severn den Vortrag auf der 
Klimakonferenz in Rio hielt. Ich glaube nicht, dass die alten 
bürgerlichen Verfahrensweisen zur Etablierung einer immer auch bloß 
erlogenen Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit noch auch nur als 
historischer Dreck unter den Fingernägeln taugen für eine Welt, in der 
die Kinder im Bewusstsein globaler Vernetztheit heranwachsen.


@Nina:

"mir würde es helften, wenn ihr kurze Passagen z.B. von der 
"Presse-Dissertation" anführen und in einfachen klaren Worten besprechen 
würdet." (29.10., nicht über Verteiler gelaufen)

Liebe Nina, ich bin mir nicht sicher, wie ich dir da noch weiter helfen 
könnte. Ich hatte meinen eigenen Beitrag verlinkt (vgl. 2. Punkt von 
https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/2014-August/003932.html 
, dort vor allem der Absatz beginnend mit "Glasklar ist mir ..."), dort 
findet sich auch ein Link auf die Dissertation inklusive Seitenangaben. 
Inhaltlich in einfachen und klaren Worten: Presse sagt in etwa, dass 
eine einheitliche Konsumsteuer und ein bGE zu einer Steuerprogression 
führen würde, also dazu, dass reichere Leute nicht nur absolut, sondern 
auch relativ sich stärker an den Kosten des Staates beteiligen würden. 
Starke Schultern würden mehr tragen als schwache. Das stimmt nur unter 
der Voraussetzung, dass alles Einkommen für besteuerten Konsum 
ausgegeben wird. Falls aber Investitionen steuerfrei verbleiben würden, 
dann würden reichere Leute ziemlich selbstverständlich weniger Steuern 
bezahlen, da sie nicht ihr komplettes Einkommen im Konsum verballern, 
sondern zumindest einen Teil investieren würden.


@Arfst:

„Ohne auf Hertz IV-EmpfängerInnen oder aus Reichen rumzuhacken.“ (29.10.)

Lieber Arfst, falls das eine Bemerkung auf meine Ausführungen zu Götz 
Werner sein soll, möchte ich klarstellen, dass es mir mehr um politische 
Analyse ging. Persönlich habe ich überhaupt nichts gegen Reiche, 
insbesondere schon deshalb, weil ich persönlich überhaupt keinen Reichen 
kenne. Ich hacke auf Werner rum, weil er eine problematische Position 
vertritt, die eine ziemlich charmante Reformidee, nämlich das bGE, in 
ein ziemlich gruseliges Konzept verwandelt. Jedenfalls scheint mir das 
so zu sein. Letztlich ist das schwer zu beurteilen, weil auch ein bGE à 
la Werner eine Kulturrevolution darstellen würde, die unabsehbare Folgen 
entfesseln würde. Wenn dieses Konzept auf die gänzliche 
Steuerfreistellung von Investitionen hinausläuft, könnte es aber auch 
bloß dazu führen, dass die Zentralisierung des Vermögens noch schneller 
als ohnehin abläuft und die allermeisten Menschen auf relativem 
bGE-Armutsniveau ohne nennenswerte Integration in die 
Wirtschaftsprozesse dahin vegetieren. Das bGE wäre dann vielleicht nicht 
so sehr Maschinensteuer oder gar Basis eines Heititei-Miteinanders 
füreinander, sondern eher Stillhalteprämie für die nicht länger 
benötigten Menschenmassen.


@Sven und Egge:

Lieber Sven, lieber Egge, danke für eure Statements vom 29.09. Sie 
ließen mich mich etwas weniger einsam in diesem Verteiler fühlen. :o)


@Dietmar:

"Götz Werner ist zwar Unternehmer und hatte die DM-Kette gegründet und 
aufgebaut. Er ist auch bekennender Anthroposoph. Von daher ist diese 
Bemerkung falsch und überflüssig."

Lieber Dietmar, weder ist mir klar, welche Bemerkung du genau meinst, 
noch wie die Logik deines Arguments funktioniert. Ich hab's mir so 
zusammengereimt: Nur weil Götz Werner bekennender Antroposoph ist, hat 
die Antroposophie nix mit dem zu tun, was Werner so tut.
Ich hatte vor allem zwei Gründe, den Zusammenhang zwischen Werner und 
den Anthroposophen herauszustellen. Einige der im persönlichen Kontakt 
symphathischten Menschen, die ich kennenlernte, fühlten sich der 
Anthroposophie nahe. Soweit ich das verstehe, gibt es keinen echten Zug 
zu Hierarchien in der Anthroposophie, jede und jeder ist sich erstmal 
selbst verantwortlich und kann daher auch sehr selbstverständlich ein 
kritisches Verhältnis zu anderen Anthroposophen einnehmen. 
Nichtsdestotrotz sind einem Menschen, der sich der Anthroposophie nahe 
fühlt, die politischen Aussagen eines Götz Werner vielleicht schon 
einfach deshalb sympathisch, weil Götz Werner halt zum Klüngel gehört. 
Das ist ein ziemlich typisches Insider-Outsider-Verhalten von Menschen. 
Kritisiere ich Werner, scheint es mir daher eben aus zwei Gründen 
sinnig, auf den Kontext der Anthroposophie hinzuweisen: 1. Wenn sich 
Anthroposophen schon einfach deshalb mit Werners Meinungen 
identifizieren, weil er halt einer der ihren ist, sollen sie klar haben, 
dass meine Kritik an ihm auch eine an ihnen ist. 2. Da ich meine, dass 
man aus einer humanistischen Position sehr leicht einsehen kann, dass 
Steuerfreiheit auf Exporte einerseits, auf Investitionen andererseits 
überhaupt nix Humanistisches an sich hat, hoffe ich auch, dass viele 
Anthroposophen das einsehen können. Und solche befinden sich ja 
vielleicht durchaus zahlreich in diesem Verteiler. Diese wiederum können 
wohl wesentlich leichter als ich wiederum auf Werner einwirken. Würde 
Werner tatsächlich ein humanistisches bGE vertreten, wäre er mir wegen 
seiner Medienwirksamkeit ein sehr lieber Bündnispartner. Also ist es 
durchaus lohnenswert, sein Rudel ein wenig so aufzumischen, dass es ihn 
vielleicht in eine vernünftigere Richtung drängt als er mir gerade zu 
vertreten scheint. Ob mir das freilich gelingt, steht ohnehin immer auf 
einem völlig anderen Blatt ...


@Moderatoren:

Liebe Moderatoren, ich finde es sehr schade, dass z. B. Jochens Mail 
wegen dem Geheckmecke mit Willi nicht über den Verteiler laufen konnte. 
Ich finde Jochens Standpunkt verständlich, dass er sich nur so äußern 
möchte, wie er es halt möchte. Mir scheint, dass es vor allem erstmal 
für alle Beteiligten unübersichtlicher, umständlicher und 
unbefriedigender ist, wenn Debatten-Beiträge wegen m. E. relativer 
Kleinigkeiten vom Hauptverteiler ausgeschlossen werden und dann in 
Teilverteilern zirkulieren. Die Abgrenzung von inhaltlicher 
Debatten-Liste und formeller Transparenz-Liste leuchtet mir auch nicht 
ein. Wobei ich bei letzterer auch nicht im Verteiler bin. Ich kann euren 
Standpunkt zur Zurückweisung von Beiträgen zwar auch wiederum verstehen, 
finde aber zumindest bei dem, was ich in den vergangenen Wochen 
mitbekommen habe, doch, dass der Nutzen in keinem Verhältnis zum Aufwand 
steht.


Allgemein dann noch:

Zum Klassenbegriff: Ich bin es auch echt Leid, immer wieder diesen 
Klassen-Scheiß durch-x-en zu müssen. Aber halt mit Egge auch der 
Auffassung, dass der Klassenbegriff sich nicht einfach wegignorieren 
lässt, solange er eine gesellschaftliche Tatsache bleibt. Will man ein 
bGE als Beruhigungspille für die unterliegende Klasse und ansonsten als 
erweiterten Freifahrtschein für die obsiegende Klasse, dann bin ich 
dagegen und finde das bGE ein reaktionäres Konzept. Selbst wenn es 
vielleicht die eine oder andere Not lindern und hier und da ein paar 
Freiräume öffnen würde. Insofern muss ein bGE m. E. so gestrickt werden, 
dass es wenigstens eine Tendenz zur Abschaffung von Klassen aufweist. 
Wenigstens eine Tendenz. Ansonsten sehe ich auch nicht, wie man dafür 
politische Mehrheiten organisieren sollte. Die scheinen mir ohnehin 
nicht so selbstverständlich wie anscheinend andere Leute hier im 
Verteiler meinen.

Zum Kapitalbegriff: Verena hatte im August mal darauf hingewiesen, dass 
Kapital nicht gleich Kapital ist. Eine GbR mit einer Bilanzsumme von 
10.000 Euro ist formell nicht weniger Kapital als Werners dm-Kette oder 
als Walmart. Die quantitativen Unterschiede machen eine Menge aus. 
Werners dm ist mit einem Jahresumsatz von gut 8 Mrd. Euro noch ziemlich 
weit davon entfernt, mal hierdrin aufzutauchen: 
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_größten_Unternehmen_der_Welt
Selbst wenn Werner formell Milliardär sein mag, dürfte der Abstand 
zwischen ihm und den wirklich Reichen qualitativ noch größer sein als 
der Unterschied zwischen ihm und uns armen Schluckern.
Marx etwa macht mit einer seiner Unterscheidungen zum Kapitalbegriff 
etwas sehr Grundsätzliches klar: Während das konstante Kapital bloß das 
in materiellen Reichtümern eingefrorene Betriebsvermögen darstellt, ist 
das variable Kapital die lebendige Arbeit, die Prolls, die ihre 
Lebenszeit an die Maschine verticken. M. E. ist dieser Aspekt des 
Kapitalbegriffs der Wesentlichste: Wir alle sind es. Als Investoren, als 
Verkäufer von Ware Arbeitskraft, als Konsumenten. Gut, ein paar 
Milliarden Menschen haben mit all dem nichts zu tun und kämpfen bloß 
subsidiär ums Überleben. Aber zumindest in Europa lässt sich wohl kaum 
auch nur von irgendeinem Menschen behaupten, dass dieser Mensch nicht 
auch und sehr wesentlich Kapital wäre, ein Durchlaufsstadium der 
Wertverwertung. Ich finde, dass man das immer im Hinterkopf behalten 
sollte.

Liebe Grüße,

Bert


-------------- nächster Teil --------------
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