[Debatte-Grundeinkommen] Beitrag zur Debatte: die drei Säulen des BGE

tobego tobego at web.de
Fr Mai 9 16:13:02 CEST 2014


etwas lang aber guteMail, ich bin froh so gutherzige Menschen hier zu lesen
liebe Grüße
Sathya Felix Proemm

Am 03.05.14 17:55, schrieb Jochen Tittel:
>
> Mit einem herzlichen Gruß an Udo Rohner, Willi Uebelherr, Jens Kasten 
> und alle, die sich an dieser Debatte beteiligen oder still mitlesen, 
> will ich mich nun zu Wort melden.
>
> Ich denke oder hoffe, daß es viel Mitleser gibt und ich finde es 
> richtig, daß nicht jeder immer und sofort seine Meinung dazu beiträgt, 
> denn das kann auch eine Auseinandersetzung zerfasern. So ist mein 
> Eindruck, daß der mehrfache Wortwechsel zwischen Jens und Willi sich 
> in dem Sinne positiv entwickelt, daß sich die wirklichen Knackpunkte 
> der Debatte langsam deutlicher herausschälen.
>
> Mir zeigt sich immer wieder - also nicht nur in dieser 
> Auseinandersetzung - daß wir Menschen die gleichen Worte benutzen, 
> scheinbar das Gleich sagen, aber doch etwas anderes meinen, 
> gleichzeitig aber diesen Unterschied verdrängen. Wir verwenden die 
> gleichen Worte, haben aber unterschiedliche Begriffe davon. Das macht 
> die Welt bzw. die Verständigung darüber kompliziert. Wenn wir Angst 
> haben, die Übersicht zu verlieren, versuchen wir zu vereinfachen - im 
> Grunde ist unser ganzer Wahrnehmungsapparat so konstituiert - und 
> übersehen geflissentlich "kleine" Unterschiede. Wenn wir dabei Fehler 
> machen, holt uns die Kompliziertheit auf einer "höheren" Ebene wieder 
> ein. In diesem Sinne ist die gegenwärtige Kompliziertheit der Welt 
> selbsterzeugt. Ich denke, es gibt eine wirklich einfache Basis, von 
> der ausgehend wir uns in der Welt gut einrichten können und diese 
> Basis - das sehe ich auch so wie Jens und Willi - mag bei unseren 
> (sehr frühen) Vorfahren noch wirksam gewesen und im Laufe der 
> Geschichte verloren gegangen sein.
>
> Aber egal, wie diese Vorfahren damit umgegangen sind, wir können 
> sicher die Geschichte nicht einfach zurückdrehen und müssen also einen 
> neuen Zugang dazu finden.
>
> Worin besteht nun diese einfache Wahrheit? Ich denke, es ist die 
> Anerkennung der Ebenbürtigkeit oder Gleichrangigkeit aller Lebewesen. 
> Etwa im Buddhismus ist diese Anerkennung noch gegenwärtig und auch in 
> anderen alten Überlieferungen, wo sie noch lebendig sind. Aber in der 
> sogenannten modernen Welt herrscht die Wahnvorstellung, der Mensch sei 
> der Herr der Schöpfung (christlich gesprochen). Die Krone der 
> Schöpfung mögen wir tatsächlich sein, aber ihre Herren sind wir nicht.
>
> Wie diese Wahnvorstellung entstehen konnte und sich durch die 
> Menschheitsgeschichte hindurch ausgebreitet hat, das ist die 
> Geschichte des Patriarchats. Das stelle ich hier nur als Anmerkung 
> hin, weil es nicht nebenbei abzuhandeln ist.
>
> Wenn wir uns heute von diesem Wahn befreien wollen, müssen wir nicht 
> diese ganze Geschichte aufarbeiten, obwohl das hilfreich sein kann, 
> wir brauchen uns /nur/auf unsere wirkliche Ebenbürtigkeit besinnen. 
> Das fällt uns schwer, weil wir damit viele alte (und schlechte) 
> Gewohnheiten aufgeben müssen. Eine solche schlechte Gewohnheit - eine 
> der verheerendsten - ist die, zu glauben wir hätten die Fähigkeit und 
> die Macht (oder das Recht) zu definieren, wie andere Menschen sind.
>
> Wir tun so etwas ständig, ohne schlechtes Gewissen, weil es eben eine 
> weit verbreitete Gewohnheit ist; doch es ist eine Anmaßung und es hat 
> verheerende Auswirkungen (oder kann solche haben).
>
> Willi tut es, wenn er an Jens gerichtet schreibt: "Du hast kein 
> vertrauen zu den Menschen", oder: "Du hast kein Gemeinschaftsgefühl" etc.
>
> Dabei hat Willi sicher kein schlechtes Gewissen, er meint es ja gut. 
> Wie wir wohl alle, hält sich auch Willi für einen guten Menschen, oder 
> wenigstens bemüht er sich darum, wie wir alle. Dennoch maßen wir 
> (nahezu) alle uns solche Urteile, solche Verurteilungen an, einfach 
> aus dieser alten und schlechten Gewohnheit heraus. Einige Menschen, 
> die sich als Experten für derartige Sachverhalte als Psychologen 
> bezeichnen, haben diese verderblichen Elemente in unserer 
> Kommunikation erkannt und Methoden der gewaltfreien Kommunikation 
> entwickelt. Die Literatur dazu kann ich allen empfehlen, die ihren 
> inneren Schweinehund überwinden möchten.
>
> Mancher (manche) fragt sich jetzt vielleicht, ob man dann nicht mehr 
> sagen darf, was man in einer Auseinandersetzung für einen Eindruck von 
> seinem Gegenüber hat. Natürlich darf man das; aber es ist eben ein 
> wichtiger Unterschied, ob ich sage: Du bist so und so" oder ob ich 
> sage: "Deine Äußerung macht auf mich den und den Eindruck"; oder: "Das 
> verstehe ich so und so".
>
> Wenn wir also aus dem Bewußtsein der Ebenbürtigkeit miteinander 
> sprechen, finden keine Übergriffe statt, gegen die wir uns verteidigen 
> müssen; folglich wird es viel einfacher, sich über Sachverhalte zu 
> verständigen.
>
> Und wenn wir diese Ebenbürtigkeit nicht nur für Menschen, sondern für 
> alle Lebewesen gelten lassen, dann werden wir auch keine neuen 
> ökologischen Konflikte erzeugen. Unser Umgang mit der materiellen Welt 
> wird sich dann nicht mehr nur im Horizont der Ressourcenausbeutung 
> bewegen. Freie Verfügung über dies und das hat für mich diesen Geruch. 
> Ein gutes Buch zu diesen Aspekten unseres Daseins hat Charles 
> Eisenstein geschrieben: "Der Aufstieg der Menschheit"; das ist im 
> Internet in deutscher und amerikanischer Originalversion 
> herunterzuladen. Eisenstein gehört zu den geistigen Vätern der 
> occupy-Bewegung.
>
> Zwei Gegenstände, die in der hier geführten Debatte eine Rolle spielen 
> möchte ich noch aufgreifen, die zusammenhängen und die mitunter gern 
> abgeschafft werden sollen, das Privateigentum und das Geld. Beides 
> sind komplexe gesellschaftliche Verhältnisse, weshalb eine einfache 
> Abschaffung unmöglich ist, denn das würde eine - zumindest teilweise - 
> Abschaffung der Gesellschaft bedeuten, damit auch eine Abschaffung der 
> Menschen als Menschen. Auf keinen Fall bedeutet das allerdings, daß 
> Privateigentum und Geld unveränderlich bestehen müßten.
>
> Obwohl Geld in der Form, wie wir es heute verwenden, nicht ohne 
> Privateigentum zu denken ist, will ich jetzt nur noch einige 
> Bemerkungen zum Geld machen.
>
> Ich kann, wie Jens die Lektüre von Silvios Gesells "Natürlicher 
> Wirtschaftsordnung" empfehlen, um sich selbst eine Vorstellung davon 
> zu machen, wie eine mögliche alternative Geldverwendung aussehen 
> könnte. Aber ich sage auch, daß Gesells (und der meisten 
> Gesellanhänger) Vorstellungen vom Geld unvollkommen sind. Sie teilen 
> mit der bürgerlicher Mainstreamökonomie zum Beispiel die irrigen 
> Ansichten von der Entstehung der Geldwirtschaft aus einer vorgängigen 
> Tauschwirtschaft, was mittlerweile als falsch nachgewiesen ist. Und 
> sie hängen einer Reihe anderer typisch bürgerlicher Vorurteile an. 
> Aber, wenn "bürgerlich" auch bedeuten mag "unvollkommen", so bedeutet 
> es doch auch nicht zwangsläufig rundherum "Falsch".
>
> Wenn wir klären wollen, ob oder wie wir künftig mit Geld umgehen 
> wollen, müssen wir uns zunächst auf eine gründliche Beschäftigung mit 
> diesem Gegenstand einlassen. Ich bin mir nicht sicher, ob diese 
> Auseinandersetzung den Rahmen sprengt, in dem wir uns hier bewegen. 
> Für mich gehört das zwar unverzichtbar zur Debatte über das 
> bedingungslose Grundeinkommen, gerade weil ich das auch nicht nur ans 
> Geld gebunden verstehen will, aber entscheiden muß das die 
> BGE-Gemeinschaft.
>
> Was Geld, was Wirtschaft wirklich ist, darüber sind sich die 
> "Experten" bis heute uneinig und es werden teilweise haarsträubende 
> Theorien aufgestellt. Aber ich habe den Eindruck, daß in den letzten 
> vielleicht zehn Jahren auch wirkliche Fortschritte der Erkenntnis 
> gemacht worden sind, über die ich gern diskutieren möchte. Falls es zu 
> einer solchen Debatte hier kommen sollte, empfehle ich für 
> Interessenten einige Bücher, auf die ich mich bei meiner Argumentation 
> stütze. Natürlich sind diese Werke auch unabhängig von der 
> Auseinandersetzung hier sehr lesenswert. Neben den schon im Text 
> erwähnten (und einigen, die ich jetzt erstmal nicht anführe):
>
> Karl-Heinz Brodbeck : "Die Herrschaft des Geldes"
>
> David Graeber: "Schulden - Die ersten 5000 Jahre"
>
> Robert Kurz: "Geld ohne Wert"
>
> Auf den ersten Blick kommen diese Autoren zu teilweise scheinbar 
> gegensätzlichen Resultaten, aber das scheint mir ein Irrtum, den man 
> ausräumen kann.
>
>
>
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