[Debatte-Grundeinkommen] Status Oeconomicus

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Mo Jan 24 11:47:16 CET 2011


Hallo zusammen,

nachdem ich mich in den letzten Monaten intensiv mit der "Statuslehre" von Georg Jellinek beschäftigt habe, die inzwischen bei WikiPedia erklärt wird (http://de.wikipedia.org/wiki/Statuslehre_%28Recht%29), möchte ich fragen, wie man einen "Status Oeconomicus" in die staatsrechtliche Diskussion bringen kann. Ausgangspunkt ist die Aktuallisierung von Winfried Brugger (der zwischenzeitlich verstorben ist), der die Statuslehre von Jellinek auf die Situation im 20. Jahrhundert anpaßte. Darin fehlt ein "Status Oeconomicus". Außerdem herrscht und Staatsrechtlern immer noch Uneinigkeit über den "positiven Status" (vgl. http://www.juridicas.unam.mx/wccl/en/g10.htm)

Guy Standing, früherer ILO-Mitarbeiter und BIEN-Gründungsmitglied, schrieb in seinem Buch "Promoting income security as a right": Aus Sicht von T. H. Marshall war das 18. Jahrhundert die Zeit der Bürgerrechte, das 19. Jahrhundert das der politischen Rechte und das 20. Jahrhundert das der sozialen Rechte. Wenn das so ist, gibt es eine berechtigte Aussicht, dass das 21. Jahrhundert von Fortschritten bei den ökonomischen Rechten dominiert sein wird.

Hierbei ist zu fragen, an welchen "Status" diese "ökonomischen Rechte" geknüpfen sollen.

Wer sich etwas eingehender mit der Statuslehre beschäftigt, könnte der Meinung sein, daß der "Status positivus" ausreichen würde. Dazu meint Jellinek allerdings eindeutig: "Es läßt sich kein allgemeines 'Recht, an den Wohltaten des staatlichen Gemeinwesens teilzunehmen' konstruieren. Dieses angebliche Recht ist ausschließlich Reflex staatlicher Pflicht; es gibt nur einen positiven Rechtsanspruch des Einzelnen auf staatliche Leistungen im individuellen Interesse, die keinesfalls den Charakter einer Wohltat aufweisen."

Interessant an der "Statusgeschichte" ist, daß sie einerseits auf die Stellung des Individuums im antiken Rom zurückgeht (vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Status_in_Roman_legal_system) und prinzipiell mit "Menschenbild-Vorstellungen" übereinstimmt: Wer einem bestimmten Menschenbild entspricht, hat entsprechende Rechte und Pflichten. Verwundern muß das nicht, denn schließlich bindet der "Status" Rechte und Pflichten an die Persönlichkeit eines Individuums. Jellinek schreibt sogar, daß alle früheren sozialen und politischen Kämpfe prinzipiell dazu dienten, die Persönlichkeit des Individuums zu erweitern. Wer eine Ähnlichkeit zum "Klassenkampf" bei Marx sieht, dürfte richtig liegen: Die Zugehörigkeit zu einer "Gesellschaftsklasse" entspricht prinzipiell dem "gesellschaftlichen Status".

Über Ideen und Vorschläge, damit sich Juristen mit dem Thema herumschlagen, freue ich mich schon jetzt.

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg Drescher
Projekt Jovialismus
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