[Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht, Mensch zu sein...

Norbert Maack nofrima at t-online.de
Sa Sep 25 01:06:38 CEST 2010


  Hallo zusammen,
hier der Art 29 der Allgemeinen Erlärung der Menschenrechte:


    /Artikel 29 [Pflichten]/

   1.

      /Jeder Mensch hat Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, in der
      allein die freie und volle Entwicklung seiner Persönlichkeit
      möglich ist. /

   2.

      /Jeder Mensch ist in Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den
      Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem
      Zwecke vorsieht, um die Anerkennung und Achtung der Rechte und
      Freiheiten der anderen zu gewährleisten und den gerechten
      Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und der
      allgemeinen Wohlfahrt in einer demokratischen Gesellschaft zu
      genügen. /

   3.

      /Rechte und Freiheiten dürfen in keinem Fall im Widerspruch zu den
      Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen ausgeübt werden./

Das müsste jetzt allerdings konkretisiert werden.

Ich meine z. B. dass auch der Satz aus dem GG "Eigentum verpflichtet" 
viel ernster genommen werden müsste. Auch in der Allmende und in den 
ursprünglichen Kulturen (M. Mauss) scheinen  Pflichten bzw. 
Verpflichtungen eine wesentliche Rolle für den gesellschaftlichen 
Zusammenhalt zu spielen. Mit dem Empfang von Gaben gehen Verpflichtungen 
einher, z. B. diese nicht zu horten sondern zu nutzen und mit einer 
Rück-, Gegen- oder Weitergabe zu einem späteren Zeitpunkt zu 
beantworten. Ob die Begriffe Pflicht und Verpflichtung einer stimmigen 
Übersetzung entsprechen lässt sich allerdings bezweifeln.
Eine weitere Frage wäre, ob es in Eurem Verständnis auch 
"selbstverständliche Pflichten" gibt, oder ob Pflicht mit Zwang 
gekoppelt sein muss.
Ein interessantes und  wichtiges Thema, wie ich finde.
Mit sonnigen Grüßen
     Norbert Maack




Am 24.09.2010 05:49, schrieb Joerg Drescher:
> Hallo Dagmar,
> danke auch für Deine Antwort...
> Die Geschichten aus Afrika zeigen ein Ergebnis auf Basis einer 
> bestimmten Kultur... Jene Menschen fühlen sich vielleicht eher 
> selbstverpflichtet, mit ihren Möglichkeiten etwas anzustellen. Daraus 
> zu schließen, das wäre eine allgemeine menschliche Eigenschaft führt 
> mich zu der Frage, weshalb wir dann nicht in einer "guten Welt" leben. 
> Kollidieren nicht genau diese unterschiedlichen Vorstellungen einer 
> "guten Welt", weshalb es nicht so ist? Oder will mir jemand sagen, daß 
> die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht für eine "gute Welt" gedacht sind?
> Wir haben ein Recht zu leben - Zustimmung! - Wir haben ein Recht, ein 
> gutes Leben führen zu können - Zustimmung! - Aber dürfen wir das auch? 
> Wer hält uns davon ab? Die Behauptung, die "Pflicht zur Arbeit" 
> empfinde ich als Entschuldigung...
> Es ist übrigens nicht richtig, daß man sich diese Rechte nicht 
> erarbeiten muß und auch nicht dazu gezwungen wird. Das geht sogar aus 
> der "Natur des Menschen" hervor, was wir aber offensichtlich vergessen 
> haben (weil wir in einer solchen Kultur leben). Man braucht sich nur 
> allein auf eine einsame Insel versetzen und ganz schnell wird man 
> merken, daß man durch den natürlichen Stoffwechsel "gezwungen" wird, 
> etwas zu unternehmen.
> Hannah Arendt meinte auch, daß die Menschenrechte eine 
> allgemeingültige, bedingungslose Angelegenheit wäre - mußte aber 
> feststellen, daß dem nicht so ist. Sie wollte aus diesem Grund ein 
> Recht, Rechte zu haben (was es übrigens nach Art. 6 der 
> UN-Menschenrechte gibt). Nur, damit wiederhole ich mich, was nützt mir 
> jeder Recht, wenn ich es einerseits nicht einklagen kann, was zwei 
> Dinge voraussetzt: Jemand fühlt sich verpflichtet und jemand hat das 
> Recht, diese (seine) Pflicht umzusetzen.
> Wer genug Geld hat, könnte ja mal versuchen, ein BGE-Pilotprojekt in 
> einem ukrainischen Dörfchen zu machen. Einerseits dürfte das mit den 
> rechtlichen Vorbedingungen schwierig werden, andererseits könnten die 
> Ergebnisse (im Vergleich zu Afrika) sehr überraschen. Aber das sind 
> Spekulationen...
> Viele Grüße aus Kiew,
> Jörg (Drescher)
> Projekt Jovialismus
>
>     ----- Original Message -----
>     *From:* Dagmar Paternoga <mailto:paternoga2000 at yahoo.de>
>     *To:* debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
>     <mailto:debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de> ; Martina
>     Steinheuer <mailto:m3stein at yahoo.de>
>     *Sent:* Thursday, September 23, 2010 10:44 AM
>     *Subject:* Re: [Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf
>     Pflicht,Mensch zu sein...
>
>     Hier eine kurze Rückmeldung:
>     Ich kann mich den Ausführungen von Martina nur anschließen und
>     möchte darauf hinweisen, dass  sowohl beim basic income Projekt in
>     Nambia und auch bei ähnlichen Projekten im südlichen Afrika, z.B.
>     Sambia, die Ergebnisse zeigen, dass die Menschen auch ohne
>     Bedingungen und Vorschriften genau wissen, wie sie sinnvoll mit
>     dem Einkommen umgehen (siehe auch bignam.org).
>     Abgesehen davon bin ich der Meinung, dass Menschenrechte ein Recht
>     sind für jeden Menschen auf Welt gültig, ohne dass zuerst
>     Bedingungen daran geknüpft werden. Wir haben das Recht zu leben
>     und ein gutes Leben führen zu können, das muss sich niemand
>     erarbeiten oder dazu gezwungen werden.
>     Viele Grüße
>     Dagmar
>
>     --- Martina Steinheuer /<m3stein at yahoo.de>/ schrieb am *Mi, 22.9.2010:
>     *
>
>         *
>         Von: Martina Steinheuer <m3stein at yahoo.de>
>         Betreff: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Vom Recht auf Pflicht,
>         Mensch zu sein...
>         An: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
>         Datum: Mittwoch, 22. September, 2010 22:52 Uhr
>
>         *
>         *Der Versuch einer Antwort:
>
>         MIR gefällt der Text zu den "Menschenpflichten" überhaupt
>         nicht. Nicht, dass ich inhaltlich großartig etwas daran
>         auszusetzen hätte; im Großen und Ganzen steht ja nichts
>         umwerfend Neues darin.
>
>         Doch was für ein Menschenbild steckt denn eigentlich hinter
>         solch einem "Pflichtenkatalog"?
>
>         Soll ich mir das so vorstellen, dass ein Mensch geboren wird
>         und dann irgendwann, mit Erlangung der nötigen Reife quasi
>         zwei Entscheidungsmöglichkeiten zur Auswahl hat: "Gut" zu
>         werden und sich diesen ganzen Pflichten zu beugen oder eben
>         "schlecht" zu werden um den Preis von Sanktionen.
>
>         Sind wir Menschen denn tatsächlich bloß eine Art leeres Gefäß,
>         dass man erst mit einem Katalog von ethischen Werten füllen muss?
>
>         Ich finde das einigermaßen lächerlich. Wenn ich ein solches
>         Menschenbild hätte, würde ich mich wohl kaum für ein
>         Grundeinkommen einsetzten und schon gar nicht für ein
>         "bedingungsloses" in dem Sinne, dass ich eben NICHT das
>         Akzeptieren eines "Pflichtenhefts der Menschlichkeit" fordere,
>         sondern schlichtweg davon ausgehe, dass der Mensch, wenn man
>         ihm denn die Muße und die Freiheit gibt, sein Leben -
>         materiell grundgesichtert durch ein BGE - SELBST zu gestalten,
>         aus sich selbst heraus bestrebt ist, es nicht nur sich selbst,
>         sondern auch seinen Mitmenschen gut gehen zu lassen.
>
>         Was ist mit matriachalen Gesellschaftsentwürfen? Was mit
>         Allmende, an vielen Orten der Welt lange und erfolgreich im
>         Sinne des Gemeinwohls praktiziert? Auch ohne Pflichtenheft
>         haben Menschen schon vor langer Zeit gemerkt, dass Kooperation
>         und Gemeinsinn für ein friedliches Miteinander zuträglicher
>         sind, als Habgier und Egoismus.
>
>         Die Tatsache, DASS es aber all die negativen Auswüchse unseres
>         menschlichen Daseins gibt, ist kaum ein Beweis dafür, dass wir
>         nicht irgendwo tief drinnen eine Ahnung davon hätten, was uns
>         eigentlich wichtig ist.
>
>         ...und mit den paar untherapierbaren Soziopathen, die es
>         sicher - aus den unterschiedlichsten Gründen - geben mag (1
>         bis 4 pro 100, habe ich mal gelesen), werden wir als
>         menschliche Gemeinschaft sicher fertig, wenn wir nur aufhören,
>         deren Eigenschaften für besonders ehrenvollen Handlungsweisen
>         zu halten und sie auch noch belohnen.
>
>         Nein, auch ich bin der Meinung, es braucht KEIN "Recht zur
>         Pflicht". Damit verbiegen wir nämlich gleich schon wieder -
>         kleingeistig und ängslich; Thomas Hobbes im Hinterkopf, der
>         Mensch sei dem Menschen doch bloß ein Wolf...
>
>         Gruß,
>         Martina Steinheuer
>
>
>         Am 17.09.2010 16:56, schrieb Joerg Drescher: *
>>         *Hallo zusammen,
>>
>>         offenbar ist diese Diskussionsliste etwas eingeschlafen, was
>>         hoffentlich nicht heißt, daß es keine Diskussion mehr über
>>         das Grundeinkommen gibt. Ich möchte hiermit einen Austausch
>>         anstoßen, der sich auf das "Grundeinkommen als Recht" bezieht.
>>
>>         Wer sich ein bisschen mit Recht beschäftigt, sollte
>>         prinzipiell darauf kommen, daß es jemanden geben sollte, bei
>>         dem dieses Recht "einklagbar" ist. Dies ist in Bezug auf
>>         Nichtstaatsbürger interessant, wenn es um das "Grundeinkommen
>>         als Recht" geht. Hannah Arendt forderte zum Beispiel in Bezug
>>         auf die Menschenrechte ein "Recht, Rechte zu haben".
>>
>>         Wer den Film von Häni/Schmidt gesehen hat, dürfte die Aussage
>>         kennen (die im Beiheft auf Seite 18 zu finden ist), daß es
>>         kein "Recht auf Pflicht" gäbe. Seit ich den Film zum ersten
>>         Mal sah, stieß mir diese Aussage sauer auf, da für mich
>>         dieses "Recht auf Pflicht" eine zentrale Bedeutung hat und
>>         ich es sogar als fundamentales Naturrecht betrachte. Nun ist
>>         leider (wie so vieles in dem Film) unklar, was damit
>>         eigentlich gemeint ist.
>>
>>         Welche Folgen allerdings die Aussage "Es gibt kein Recht auf
>>         Pflicht" haben würde, kann man sich an der "Allgemeine
>>         Erklärung der Menschenpflichten" vom 1. Sept. 1997 ausmalen,
>>         die ich im Zusammenhang mit der Einführung eines
>>         Grundeinkommens für essentiell sehe:
>>         http://www.interactioncouncil.org/udhr/de_udhr.html
>>
>>         Vor allem Art. 9 ist Voraussetzung für ein Grundeinkommen...
>>         Aber wenn es niemand mehr als sein Recht ansieht, solche
>>         Pflichten zu erfüllen (weil es ja laut Häni/Schmidt kein
>>         "Recht auf Pflicht" gibt), möchte ich nicht wissen, was mit
>>         der Menschheit passieren würde...
>>
>>         Ich hoffe, auf der Liste sind noch ein paar Leute, die an
>>         einem Austausch über das Thema "Grundeinkommen als Recht"
>>         interessiert sind.
>>
>>         Viele Grüße aus Kiew,
>>
>>         Jörg (Drescher)
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