[Debatte-Grundeinkommen] Leistungsprinzip auf der Grundeinkommensliste?

Andre Trecksel grundeinkommen at andre.trecksel.de
Do Jan 15 08:16:11 CET 2009


Hallo Manfred,


Am 14.01.2009 17:32, schrieb Manfred Bartl:
> Hallo, Andre!
>
> Dein Beispiel ist hervorragend - und zwar für falsches Denken.
Ich mag einen Denkfehler haben, ich mag aus einem flalschen Blickwinkel 
auf die Sache schauen, aber ich habe sicherlich kein falsches Denken. 
Das verbitte ich mir!

> Wie selbst Neoliberale ohne zu zögern regelmäßig zugeben, leben wir in
> einer total arbeitsteiligen Welt, und zwar globalisiert (i.e.S.d.W.)
> bis in den letzten Winkel der Welt. Keiner arbeitet auf diesem
> Planeten allein und ausschließlich für den eigenen Lebensunterhalt.
> Jeder wird irgendetwas in Anspruch nehmen, das andere erwirtschaftet
> haben.
Und ich habe etwas anderes behauptet? Wer deiner Aussage widerspricht 
ist kein Realist, als solcher sehe ich mich aber.

> Jede Arbeitstätigkeit ist also wenigstens dergestalt
> vergesellschaftet, dass wir sie nicht für uns selbst leisten. Damit
> ist auch der Lohn - also die Arbeitskosten - eine vergesellschaftete
> Größe. Die individuelle Kostendimension kann aber offensichtlich
> vernachlässigt werden, denn der Lohn ist in seiner Funktion als
> Kaufkraft offensichtlich viel wirkmächtiger als in der Funktion als
> Arbeitskosten: Die Arbeitgeber müssen sich bewusst werden, dass sie
> den Lohn nicht nach der individuellen Arbeitsleistung bezahlen,
> sondern dass sie in erster Linie Kaufkraft nach den Konsumbedürfnissen
> der Wirtschaft verteilen.
>    
Der (heutige) Lohn hat natürlich (auch) die Funktion Kaufkraft zu 
schaffen, aber ja nicht die Funktion Arbeitskosten zu generieren. Kosten 
sind ja eine Belastung und die wünscht sich niemand.

Ich wüsste auch nicht, dass die Wirtschaft Konsumbedürfnisse hat. 
Menschen haben Konsumbedürfnisse und die Wirtschaft hat das Bedürfnis, 
dass Menschen ihr Konsumbedürfnis befriedigen.

Sollte es nicht so sein, dass Löhne/Gehälter nach der individuellen 
Arbeitsleistung gezahlt werden? Alles andere empfinde ich als ungerecht!

> Und warum nun sollte Gesellschaft jemanden mit einem Plus an Kaufkraft
> belohnen, der mehr von Produkt X will und dafür in seinem
> Wirtschaftsunternehmen - das aber das Produkt Y herstellt! - sich
> doppelt so lange abrackert wie ein Kollege (der in Bezug auf Y oder
> meinetwegen Z seiner Meinung ausreichend Kaufkraft erhält)? Kann mir
> jemand das VWL-Gesetz nennen, mit dem der Arbeiter mehr Y produziert,
> dafür mehr Kaufkraft erhält und sich davon mehr X leisten kann? Das
> wird niemand können, weil es eine solche Gesetzmäßigkeit schlicht und
> ergreifend nicht gibt!
>    
Du hast doch eingangs geschrieben, dass wir in einer »total 
arbeitsteiligen Welt« leben. Das bedeutet doch dass einige X herstellen 
und viele andere X kaufen, während einige Y herstellen und viele andere 
Y kaufen.

> Wenn dieser Mensch länger in seinem Unternehmen arbeitet und allein
> aufgrund seiner längeren Arbeitszeit mehr Y produziert, dann nimmt er
> entweder seinem Kollegen Arbeit weg und reduziert damit dessen
> Kaufkraft ODER er sorgt für eine Überproduktion an Y und damit einen
> Preisverfall von Y.
Mein 10Std-100Std-Beispiel geht ja davon aus, dass der Eine nicht mehr 
als 10 Std arbeiten möchte und der Andere durchaus Lust hat 100 Std zu 
arbeiten. Der Andere nimmt dem Einen also nichts weg.

Beiden nun den selben (absoluten) Lohn zu zahlen, bedeutet, dass der 
Eine einen 10x so hohen StdLohn bekäme als der Andere und der Andere 
würde künftig auch nur 10 Std arbeiten. Das aber würde das Produkt 
verknappen und es teurer machen. Aus Sicht des Konsumenten ist die 
Überproduktion doch besser als eine Unterproduktion.

Selbst wenn dein Beispiel stimmen würde, würde es nicht zu einer 
Überproduktion kommen, denn die Produktion richtet sich nach der 
vermuteten Nachfrage in der Zukunft auf Basis der Nachfrage in der 
Vergangenheit oder durch Umfragen bei neuen Produkten. Niemand lässt 
mehr produzieren als er vermutet verkaufen zu können, weil das sonst zu 
Preisverfall führt!

Wenn Du anderer Meinung bist, nenne Beispiele.

> Gerechtigkeitsmaßstab bei ersterer Konsequenz ist
> übrigens eine Vollbeschäftigung in dem Sinne, dass niemand mehr
> erwerbsarbeiten muss, als es seinen persönlichen Vorstellungen
> entspricht.
>    
Heute ist es ja so, dass man so viel arbeiten muss wie es der 
Arbeitgeber für richtig hält, unter Berücksichtigung der 
Leistungsfähigkeit und der sozialen Richtlinien.
In einer Arbeitswelt mit GE kann ja endlich jeder so viel oder wenig 
arbeiten wie man lustig ist. Und da dann niemand mehr arbeiten muss 
(also keinen Bedarf an Arbeit hat) kann auch niemand jemand anderem 
Arbeit wegnehmen.

> Zusammenfassung: In der Marktwirtschaft - wie in jeder Wirtschaftsform
> - arbeiten wir nicht, um Geld zu verdienen, sondern wir arbeiten zur
> Erledigung der Arbeit, d.h. zur Befriedigung der gesellschaftlichen
> Nachfrage.
Wenn das stimmen würde, dann müssten die Arbeiter doch gar keine Löhne 
bekommen um sich etwas Kaufen zu können, sondern man könnte die Produkte 
die aus der Arbeit hervorgehen kostenlos verteilen, also ohne dafür Geld 
zu verlangen.

> Der Lohn - und etwa auch die Lohnnebenkosten - sind nichts
> als gedankliche, virtuelle Konstruktionen einer - für die
> Gesamtgesellschaft irrelevanten!!! - Arbeitgeberperspektive. Wir
> sollten immer nur von Kaufkraft sprechen.
>    
Natürlich ist es für die Gesamtgesellschaft relevant ob Kaufkraft 
(=Lohn) besteht oder nicht, besonders die Lohnnebenkosten kommen doch 
auch denen zugute die gar nicht arbeiten.

> Eine Anmerkung zum Schluss: Der Adel wurde einst nicht etwa
> abgeschafft, weil er zu mächtig (i.e.S.d.W.) und zu herrschsüchtig
> war, sondern schlicht und ergreifend weil er zuviel Kaufkraft für sich
> beanspruchte (teilweise ohne etwas davon kaufen zu können, also
> Schätze zu horten, teilweise um es mit sinnloser
> Ressourcenverschwendung wie Krieg wieder zu verpulvern).
Was soll »i.e.S.d.W.« heißen?

Der Adel hat doch nicht aus Langeweile kriege geführt, sondern weil sie 
entweder mehr Macht (= Ländereien, Ressourcen, monetäre Mittel) wollten 
oder weil sie durch die noch mächtigeren Finanzdynastien (bei denen sie 
Schulden hatten) dazu gezwungen wurden!

> Wenn heute Ackermänner und Konsorten wieder die Millionen abgreifen, ohne dafür wesentlich mehr zu tun als Unterschriften zu leisten, dann heißt das nichts anderes, als dass wir den Adel reinstallieren, freilich ohne ihn so zu nennen. Nichtsdestotrotz, und das darf Euch allen zu denken geben, sprechen viele schon wieder vom Feudalismus oder vom Meudalismus (also dem Modernen Feudalismus oder Neofeudalismus).
>    
»Ackermänner und Konsorten«, wie naiv. Wenn wir beim Vergleich Adel 
bleiben wollen, dann sind Ackermann und selbst Warren Buffet, der 
vermeintlich reichste Mann der Welt, sind doch nur Stadthalter im 
Vergleich zu wirklich gefährlichen, demokratie- und menschenfeindlichen 
Finanzdynastien, die die Fäden im Hintergrund ziehen und von denen 
keiner weiß wie reich die wirklich sind. Diese Leute profitieren z.B. 
von den Weltfinanzkrisen und man unterstellt ihnen gerne, dass sie sie 
bewusst herbeigeführt haben und auch weiterhin herbeiführen werden. 
Diese Leute wollen die ganze Welt und jedes einzelne Subjekt darin 
beherrschen. Und sie machen ihre Hausaufgaben!

> Also, ICH will diese Gesellschaft NICHT! Und ich bin bereit, mit allem
> was ich habe dagegen zu kämpfen!
Da stimme ich Ihnen/Dir zu. Wenn wir es nicht schaffen, auf 
demokratischem Wege, mit Mitteln des Verstandes, diesen NeoFeudalismus 
zu bekämpfen, dann werden wir eines Tages wieder gezwungen sein, eine 
bewaffnete Revolution anzugehen.

Viele Grüße
Andre
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