[Debatte-Grundeinkommen] Leistungsprinzip auf der Grundeinkommensliste?

Manfred Bartl sozial at gmail.com
Mi Jan 14 17:32:00 CET 2009


Hallo, Andre!

Dein Beispiel ist hervorragend - und zwar für falsches Denken.

Wie selbst Neoliberale ohne zu zögern regelmäßig zugeben, leben wir in
einer total arbeitsteiligen Welt, und zwar globalisiert (i.e.S.d.W.)
bis in den letzten Winkel der Welt. Keiner arbeitet auf diesem
Planeten allein und ausschließlich für den eigenen Lebensunterhalt.
Jeder wird irgendetwas in Anspruch nehmen, das andere erwirtschaftet
haben.

Jede Arbeitstätigkeit ist also wenigstens dergestalt
vergesellschaftet, dass wir sie nicht für uns selbst leisten. Damit
ist auch der Lohn - also die Arbeitskosten - eine vergesellschaftete
Größe. Die individuelle Kostendimension kann aber offensichtlich
vernachlässigt werden, denn der Lohn ist in seiner Funktion als
Kaufkraft offensichtlich viel wirkmächtiger als in der Funktion als
Arbeitskosten: Die Arbeitgeber müssen sich bewusst werden, dass sie
den Lohn nicht nach der individuellen Arbeitsleistung bezahlen,
sondern dass sie in erster Linie Kaufkraft nach den Konsumbedürfnissen
der Wirtschaft verteilen.

Und warum nun sollte Gesellschaft jemanden mit einem Plus an Kaufkraft
belohnen, der mehr von Produkt X will und dafür in seinem
Wirtschaftsunternehmen - das aber das Produkt Y herstellt! - sich
doppelt so lange abrackert wie ein Kollege (der in Bezug auf Y oder
meinetwegen Z seiner Meinung ausreichend Kaufkraft erhält)? Kann mir
jemand das VWL-Gesetz nennen, mit dem der Arbeiter mehr Y produziert,
dafür mehr Kaufkraft erhält und sich davon mehr X leisten kann? Das
wird niemand können, weil es eine solche Gesetzmäßigkeit schlicht und
ergreifend nicht gibt!

Wenn dieser Mensch länger in seinem Unternehmen arbeitet und allein
aufgrund seiner längeren Arbeitszeit mehr Y produziert, dann nimmt er
entweder seinem Kollegen Arbeit weg und reduziert damit dessen
Kaufkraft ODER er sorgt für eine Überproduktion an Y und damit einen
Preisverfall von Y. Gerechtigkeitsmaßstab bei ersterer Konsequenz ist
übrigens eine Vollbeschäftigung in dem Sinne, dass niemand mehr
erwerbsarbeiten muss, als es seinen persönlichen Vorstellungen
entspricht.

Zusammenfassung: In der Marktwirtschaft - wie in jeder Wirtschaftsform
- arbeiten wir nicht, um Geld zu verdienen, sondern wir arbeiten zur
Erledigung der Arbeit, d.h. zur Befriedigung der gesellschaftlichen
Nachfrage. Der Lohn - und etwa auch die Lohnnebenkosten - sind nichts
als gedankliche, virtuelle Konstruktionen einer - für die
Gesamtgesellschaft irrelevanten!!! - Arbeitgeberperspektive. Wir
sollten immer nur von Kaufkraft sprechen.

Eine Anmerkung zum Schluss: Der Adel wurde einst nicht etwa
abgeschafft, weil er zu mächtig (i.e.S.d.W.) und zu herrschsüchtig
war, sondern schlicht und ergreifend weil er zuviel Kaufkraft für sich
beanspruchte (teilweise ohne etwas davon kaufen zu können, also
Schätze zu horten, teilweise um es mit sinnloser
Ressourcenverschwendung wie Krieg wieder zu verpulvern). Wenn heute
Ackermänner und Konsorten wieder die Millionen abgreifen, ohne dafür
wesentlich mehr zu tun als Unterschriften zu leisten, dann heißt das
nichts anderes, als dass wir den Adel reinstallieren, freilich ohne
ihn so zu nennen. Nichtsdestotrotz, und das darf Euch allen zu denken
geben, sprechen viele schon wieder vom Feudalismus oder vom
Meudalismus (also dem Modernen Feudalismus oder Neofeudalismus).

Also, ICH will diese Gesellschaft NICHT! Und ich bin bereit, mit allem
was ich habe dagegen zu kämpfen!

Gruß
Manfred



2009/1/13 Andre Trecksel <grundeinkommen at andre.trecksel.de>:
>
>
> Aua! Also ich profitiere sicher nicht von der derzeitigen Situation und ich
> möchte sie auch gerne verändern.
>
> Aber objektive »völlige Gerechtigkeit« wird es nicht geben, solange der
> Begriff »völlige Gerechtigkeit« nicht allgemein gültig definiert wurde.
>
> Auf der einen Seite scheint es ungerecht wenn einer mehr hat als 100 andere
> zusammen, aber auch nur wenn der eine diese Summe durch Ausbeutung der
> anderen erworben hat.
>
> Wenn (theoretisch!) einer 10 Std in der Woche arbeitet und ein anderer 100
> Std und beide der gleichen Tätigkeit nachgehen und den gleichen StdLohn
> bekommen, dann sollte der andere doch 10mal so viel bekommen dürfen wie der
> eine. Oder nicht?
> Dem nun einen höheren Prozentsatz abzuziehen nur weil der ja mehr hat ist
> doch auch ungerecht.
>
> Es wird immer Menschen geben die mehr Leisten wollen als andere.
>
> Ich sehe es ja auch als ungerecht an, wenn Einzelne mehrere Millionen
> bekommen nur weil sie am Tag ein paar Unterschriften setzen. Aber Geld
> bedeutet nun mal Macht, und wir werden unsere Ziele nicht erreichen können,
> wenn wir uns gegen diese Mächtigen nur mit Gejammer statt Argumenten
> stellen. Wir müssen diese Leute »ins Boot holen« und sie davon überzeugen,
> dass sie von unseren Ideen profitieren. Nur dann können wir etwas bewegen.
>
> Ich hoffe du verstehst, dass jeder eine andere Auffassung von Gerechtigkeit
> hat, und so kann es eben keine objektive Gerechtigkeit geben.




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