[Debatte-Grundeinkommen] WG: [Debatte.gewerkschaftsgruen] Attac-AG "Genugfueralle" gegen Bundestagspetition BGE

Michael Opielka michael.opielka at isoe.org
Di Feb 17 20:50:21 CET 2009


 

Lieber Werner, liebe GrundeinkommensfreundInnen,

 

die Stellungnahme der „AG Genug für alle“ gefällt mir nicht.

 

Entscheidend für mein Missfallen ist dieser Satz:

 

„Ein Grundeinkommen ist nur wünschenswert, wenn es die sozialen 

Lebensumstände der ärmsten Bevölkerungsteile verbessert. Bei heutigen 

Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag ist das ausgeschlossen.“

 

Was „verbessert“ aber die Lebensumstände der Ärmsten? Was sind überhaupt die „Ärmsten“? Sind damit die behinderten und psychisch kranken BürgerInnen gemeint? Die Alleinerziehenden mit vielen Kindern und ohne Ausbildung? Die Migranten ohne Zukunftsorientierung und Integrationsmotivation? Geht es um mehr Geld oder um eine bessere Rechtsposition?

 

Natürlich ist die Petition ziemlich naiv und der Fokus auf die Konsumsteuer vereinseitigt. Aber die Petition war die Idee einer Person, einer Frau, ich kenne sie nicht, keiner, den ich kenne, kennt sie, eine persönliche Initiative und die erste, längst überfällig.

 

Petitionen zu solchen Themen macht man nicht, um deren Inhalt genau im Parlament beschlossen zu finden. Sie dienen der Politisierung. Die Resonanz auf diese Petition zeigt, dass das Thema Grundeinkommen Potential hat in der Bevölkerung. Petitionen und andere Aktionen dienen dazu, die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag zu ändern.

 

Freilich ist das nicht gerade leicht. Außer der FDP hat sich bisher keine Partei für ein Grundeinkommen ausgesprochen und die FDP nur für ein Sparmodell, aber immerhin. Bei den Grünen sind die Eliten dagegen und setzen sich noch durch. In der SPD ist das Thema fast noch ein Tabu, in der Linkspartei dominieren die Recht-auf-Arbeit-Redner. Bei der CDU gibt es immerhin eine Kommission „Solidarisches Bürgergeld“, aber das wird den Linken nicht genug gefallen, weil der Preis der Aufgabe der Arbeitspflicht für die CDU ein recht niedriges Niveau, jedenfalls nicht über Hartz IV sein wird.

 

Das sind die politischen Dilemmata. In ihnen wühlt die Petition und das ist gut so. 

 

Andere Petitionen werden gebraucht! Andere Anträge in den verschiedenen Parteien, Verbänden und Gewerkschaften! Andere Anträge für ein Grundeinkommen – die meisten werden den meisten von uns nicht passen. Aber das ist nicht schlimm. Solange die Richtung stimmt.

 

Schöne Grüße

Michael Opielka

 

 

________________________________________________

 

prof. dr. habil. michael opielka

institut für sozialökologie (isö)

pützbungert 21

d-53639 königswinter

fon +(49)-2244-871659

fax +(49)-2244-871664

michael.opielka at isoe.org

www.isoe.org

 

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: debatte.gewerkschaftsgruen-bounces at gruene.de [mailto:debatte.gewerkschaftsgruen-bounces at gruene.de] Im Auftrag von horstschiermeyer at aol.com
Gesendet: Dienstag, 17. Februar 2009 19:05
An: debatte.bag.sozialpolitik at gruene.de; debatte.gewerkschaftsgruen at gruene.de; debatte at gruene-linke.de
Betreff: [Debatte.gewerkschaftsgruen] Attac-AG "Genugfueralle" gegen Bundestagspetition BGE

 

Zur Information über die Diskussion in der Attac-AG "Genugfueralle" zu 

der Bundestagspetition zum BGE

 

 

-----Ursprüngliche Mitteilung-----

Von: Werner.Raetz at t-online.de <Werner.Raetz at t-online.de>

An: genugfueralle at listi.jpberlin.de>

Verschickt: Di., 17. Feb. 2009, 18:22

Thema: Re: [Genugfueralle] "[Attac-d] WG: Jetzt mitzeichnen: 

Bundestagspetition Bedingungsloses Grundeinkom

 

 

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Stellungnahme der AG Genug für alle von attac Deutschland

 

In einer Online-Petition an den Deutschen Bundestag fordern gegenwärtig 

über 40 000 Menschen die Einführung eines bedingungslosen 

Grundeinkommens. Mehrere Tausend beteiligen sich an einer lebhaften 

Debatte. Auch wenn die großen Unterschriftensammlungen erheblich mehr 

UnterzeichnerInnen gewinnen konnten, so ist dies doch ein 

beeindruckendes Ergebnis und bisher einmalig in der Geschichte der 

Bewegung für ein bge. Das zeigt, dass es ein weit verbreitetes 

Bedürfnis nach einem neuen, umfassenden und tatsächlich alle 

erfassenden sozialen Sicherungssystem in Deutschland gibt.

 

Dennoch unterstützt die AG genug für alle von attac Deutschland die 

Petition nicht. Wir anerkennen die Absicht der Initiatorin und der 

UnterzeichnerInnen, die Idee des bedingungslosen Grundeinkommen zu 

befördern, befürchten aber, dass sie ihr mit dem gewählten konkreten 

Mittel der Bittstellung an den Deutschen Bundestag letztlich eher 

schaden als nützen.

 

Es ist zu erwarten, dass der Petitions

ausschuss des Bundestages die 

Petition abweisen wird. Sollte sie aber im Plenum zur Abstimmung 

kommen, so kann mit Gewissheit davon ausgegangen werden, dass sie 

spätestens dort abgelehnt wird. Das könnte sich nicht nur negativ auf 

das Vertrauen der PetentInnen in die politischen Entscheidungsträger 

und die Demokratie allgemein auswirken. Das macht uns zwar nicht die 

allergrößte Sorge, reflektiert es doch lediglich die Tatsache, dass 

sich die VolksvertreterInnen ohnehin recht weit von der Meinung der 

WählerInnen entfernt haben, dennoch kann ein solcher Effekt dazu 

führen, dass die Motivation, sich für die eigenen Interesse und Ideen 

einzusetzen, nachlässt. So würde aus einer großen Bewegung für ein bge 

eine große Frustration. Wir halten es nicht für sinnvoll, Abstimmungen 

zu erzwingen, wenn man weiß, dass man sie verlieren wird. Besser ist 

es, so lange für eine Idee zu werben, bis sie mehrheitsfähig ist.

 

Aber selbst wenn wir uns irren sollten und der Bundestag der Petition 

zustimmen sollte, ist diese Perspektive nicht besser als die einer 

Ablehnung. Es gibt augenblicklich im Parlament keine Mehrheit für ein 

Grundeinkommen, das den Namen bedingungslos verdient. Die vorliegenden 

Modelle aus den Bundestagsparteien sind in vielen Fällen mit 

erheblichen Einschränkungen verbunden. Besonders bezüglich der Höhe 

gehen alle Vorschläge außer der der BAG Grundeinkommen der Linkspartei 0D

(die in der Fraktion nur von einer kleinen Zahl Abgeordneter Zustimmung 

erhält) von Beträgen aus, die für Singles deutlich unter den aktuellen 

Sätzen der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ (Hartz IV) liegen. Es 

kann nicht Aufgabe einer sozialen Bewegung sein, einer Absenkung der 

Transfereinkommen den Weg zu bereiten. Wenn die BefürworterInnen diese 

Gefahr nicht sehen, dann können wir diesbezüglich nur der Kritik von 

gewerkschaftlichen und anderen SkeptikerInnen eines bge zustimmen:

 

Ein Grundeinkommen ist nur wünschenswert, wenn es die sozialen 

Lebensumstände der ärmsten Bevölkerungsteile verbessert. Bei heutigen 

Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag ist das ausgeschlossen, 

deshalb ist jetzt nicht der Zeitpunkt für Abstimmungen im Parlament, 

sondern für Aufklärung und Werbung für die Idee in der Bevölkerung und 

für Aktion und Protest gegen die unsozialen Vorstellungen zur 

Bewältigung der Krise auf der Straße. In diese Auseinandersetzung 

gehört die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen 

unbedingt hinein, aber genau da ist von ihren BefürworterInnen nichts 

zu sehen und zu hören. So orientiert die Petition nicht nur auf eine 

Niederlage im Parlament, sondern behindert auch ganz unmittelbar die 

Beteiligung an den wirklich zentralen gesellschaftlichen 

Auseinandersetzungen. Denn wenn die bisherige Politik zu 

Krisenbewältigung fortgesetzt wird, dann sind auf viele20Jahre alle 

finanziellen Mittel verplant, die für eine anständige soziale Sicherung 

erforderlich wären. Und die Grundeinkommensbewegung hat’s verschlafen.

 

Ein weiterer gewichtiger Kritikpunkt liegt im Inhalt der Petition 

selbst. Ohne jede Not hat die Initiatorin ein Finanzierungsmodell – 

über Konsumsteuern – hineingeschrieben, das innerhalb der Bewegung 

höchst umstritten und nicht dazu angetan ist die verschiedenen 

Strömungen der BefürworterInnen zusammenzuführen. Eine Konsumsteuer in 

der Art der heutigen Mehrwertsteuer belastet niedrige Einkommen in 

deutlich höherem Maße als hohe. Zwar könnte dieser Schaden behoben 

werden, indem die Steuersätze deutlicher gespreizt, also z. B. 

Grundbedarfsartikel steuerfrei gestellt und Luxusgüter mit einem 

deutlich höheren Satz belastet würden. Aber auch dann bleibt das 

Problem bestehen, dass der Staat jedes Instrument verliert, um die 

großen Vermögensunterschiede zu bearbeiten. Wenn es keine Möglichkeit 

mehr gibt, auf die hohen Vermögen mit Steuern zuzugreifen, dann werden 

die Unterschiede noch schneller wachsen als bisher. Dabei sind es jetzt 

schon die großen Finanzvermögen, die wesentlich zur Entstehung der 

kapitalistischen Krise beigetragen haben und die zu ihrer sozialen 

Lösung dramatisch verringert werden müssen. Auch diesbezüglich 

orientiert die Petition also nicht nur auf ein für soziale 

Gerechtigkeit untaugliches Modell, sondern si

e trägt direkt dazu bei, 

eine unsoziale, krisenhafte Politik aus der Verantwortung und aus der 

Kritik zu nehmen.

 

Daran wird sich attac Deutschland und die AG genug für alle nicht 

beteiligen.

 

 

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