[Debatte-Grundeinkommen] WG: [Debatte.gewerkschaftsgruen] Attac-AG"Genugfueralle" gegen Bundestagspetition BGE

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Di Feb 17 22:20:05 CET 2009


Sehr geehrter Herr Opielka,
Hallo Interessierte,

die Frage, was "Armut" für den Einzelnen bedeutet, finde ich in diesem Zusammenhang zwar interessant, aber.das Grundeinkommen ist eigentlich nicht dazu da, "Armut" zu bekämpfen. Vielmehr soll es Möglichkeiten schaffen, aus der "selbst definierten Armut" herauszukommen. Wahrscheinlich bedarf es in einem BGE-Land unzähliger "Sozialarbeiter", die den Menschen beibringen, mit ihrer neugewonnenen Freiheit umzugehen (daher der Name "emanzipatorisches BGE" und mein Verständnis eines "jovialen Staats").

Das Grundeinkommen (in welcher Form auch immer) erweitert nämlich den Freiheitsgrad des jeweiligen Empfängers. Entsprechend würde ich die "Freiheit einer Person" als "Summe der Möglichkeiten" dieser Person bezeichnen, die in einer monetären Welt wesentlich durch die Verfügbarkeit von Kapital (in Form von Geld) beschränkt ist.

Ein weiterer Punkt, auf den ich hier eingehen möchte, ist die Konsumsteuer, die im Fall der Petition zur Ablehnung mancher Organisationen (z.B. Die Linke, aber auch Attac) führte. Leider ist es einfacher, etwas abzulehnen und Kritik zu üben, als selbst etwas vorzuschlagen und sich der aufkommenden Kritik zu stellen.

So hebt z.B. das Dilthey-Modell die genannte Konsumsteuerkritik auf, indem es daneben eine "Produktionssteuer" vorschlägt. Dadurch wird nicht mehr alleinig die Arbeit von Menschen besteuert, sondern auch die "Arbeit" von Maschinen - eben die "Produktion" (Herstellung von "Wert"). Herr Götz Werner meint, daß "Wert" erst durch den Konsum entsteht, was prinzipiell auch richtig ist. Doch ist ein "Wert" vor dem Konsum nichts "wert"? Auch die "Reichtumsförderung" der reinen (werner'schen) Konsumbesteuerung wird im Dilthey-Modell Rechnung getragen, indem ein Einkommensbereich besteht, der "steuerfrei" ist und über einer bestimmten Einkommensobergrenze besteuert wird. Zudem ist das Dilthey-Modell dynamisch und selbstregulierend. Es behandelt auch die zwischenstaatliche Funktionsweise der Besteuerung und ließe sich problemlos in das heutige globale Gefüge integrieren. Doch leider wird dieses Modell und seine dahinterliegenden Gedanken nicht beachtet, ja sogar gerne verschwiegen.

Zum Thema "Politik" möchte ich sagen, daß ich "Politik" als "Strategie" verstehe, bestimmte Ziele zu erreichen (damit wäre jeder, der Ziele hat, Politiker). Hier fängt aber das Problem an: welches Ziel wird eigentlich anvisiert? Was ist die Aufgabe der "Politik"? Die von Herrn Opielka aufgeführten Parteien handeln hauptsächlich nach der Idee von Machiavelli in "Der Fürst": sie sind damit beschäftigt, Macht zu erlangen und zu festigen, ohne ihre Macht für die eigentliche Aufgabe zu benutzen. Entweder sind sie sich der eigentlichen Aufgabe nicht bewußt, oder sie unterliegen dem Irrglauben, das wäre ihre Aufgabe (Macht zu erlangen und zu erhalten).

Im deutschen Grundgesetz (sowie einigen anderen Verfassungen) findet sich die Aufgabenbeschreibung, dem Wohle des Volkes zu dienen. Wie im Interview des Journals "SMI²LE - Blick in die Zukunft" schon gesagt, wissen die politischen Parteien (besser deren Vertreter) nicht so richtig, was das "Wohl des Volkes" ist. Man erliegt dem Glaube, wenn es der Wirtschaft gut gehe, so gehe es auch dem Volk gut. Allerdings wird vergessen, daß es der Wirtschaft nur so gut gehen kann, wie es dem Volk gut geht - nicht (mehr) umgekehrt. Früher produzierte die Wirtschaft aufgrund der Nachfrage das Angebot; heute hat die Wirtschaft ein riesiges Angebot, wofür sie die Nachfrage generieren muß - aber immer weniger Nachfragende haben aufgrund der Produktionsoptimierung (bei gleichzeitiger Produktionssteigerung) die monetären Möglichkeiten, sich das Produzierte zu leisten (vgl. obige Überlegung der Unterschiede zwischen Werner und Dilthey).

Wir brauchen mMn. weniger weitere Petitionen oder andere Anträge, wie Herr Opielka vorschlägt, sondern eine "neue Aufklärung", die von Medien, Politik und "Aktivisten" getragen wird. Was wir nicht brauchen, sind stetige "Nein-Sager", die alles und jeden kritisieren, ohne eigene Lösungsvorschläge als Alternative anzubieten. Wir können auch weiter "das Jetzt" analysieren, aber während wir das tun, holt uns die Zukunft längst ein, die wir zwischenzeitlich hätten gestalten können, ja sogar sollen. Es liegt an allein an uns, aber eben an jedem Einzelnen...

Herzliche Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)
Projekt Jovialismus
http://www.iovialis.org
http://www.smi2le.org



  ----- Original Message ----- 
  From: Michael Opielka 
  To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de 
  Sent: Tuesday, February 17, 2009 9:50 PM
  Subject: [Debatte-Grundeinkommen] WG: [Debatte.gewerkschaftsgruen] Attac-AG"Genugfueralle" gegen Bundestagspetition BGE


   

  Lieber Werner, liebe GrundeinkommensfreundInnen,

   

  die Stellungnahme der „AG Genug für alle“ gefällt mir nicht.

   

  Entscheidend für mein Missfallen ist dieser Satz:

   

  „Ein Grundeinkommen ist nur wünschenswert, wenn es die sozialen 

  Lebensumstände der ärmsten Bevölkerungsteile verbessert. Bei heutigen 

  Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag ist das ausgeschlossen.“

   

  Was „verbessert“ aber die Lebensumstände der Ärmsten? Was sind überhaupt die „Ärmsten“? Sind damit die behinderten und psychisch kranken BürgerInnen gemeint? Die Alleinerziehenden mit vielen Kindern und ohne Ausbildung? Die Migranten ohne Zukunftsorientierung und Integrationsmotivation? Geht es um mehr Geld oder um eine bessere Rechtsposition?

   

  Natürlich ist die Petition ziemlich naiv und der Fokus auf die Konsumsteuer vereinseitigt. Aber die Petition war die Idee einer Person, einer Frau, ich kenne sie nicht, keiner, den ich kenne, kennt sie, eine persönliche Initiative und die erste, längst überfällig.

   

  Petitionen zu solchen Themen macht man nicht, um deren Inhalt genau im Parlament beschlossen zu finden. Sie dienen der Politisierung. Die Resonanz auf diese Petition zeigt, dass das Thema Grundeinkommen Potential hat in der Bevölkerung. Petitionen und andere Aktionen dienen dazu, die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag zu ändern.

   

  Freilich ist das nicht gerade leicht. Außer der FDP hat sich bisher keine Partei für ein Grundeinkommen ausgesprochen und die FDP nur für ein Sparmodell, aber immerhin. Bei den Grünen sind die Eliten dagegen und setzen sich noch durch. In der SPD ist das Thema fast noch ein Tabu, in der Linkspartei dominieren die Recht-auf-Arbeit-Redner. Bei der CDU gibt es immerhin eine Kommission „Solidarisches Bürgergeld“, aber das wird den Linken nicht genug gefallen, weil der Preis der Aufgabe der Arbeitspflicht für die CDU ein recht niedriges Niveau, jedenfalls nicht über Hartz IV sein wird.

   

  Das sind die politischen Dilemmata. In ihnen wühlt die Petition und das ist gut so. 

   

  Andere Petitionen werden gebraucht! Andere Anträge in den verschiedenen Parteien, Verbänden und Gewerkschaften! Andere Anträge für ein Grundeinkommen – die meisten werden den meisten von uns nicht passen. Aber das ist nicht schlimm. Solange die Richtung stimmt.

   

  Schöne Grüße

  Michael Opielka

   

   

  ________________________________________________

   

  prof. dr. habil. michael opielka

  institut für sozialökologie (isö)

  pützbungert 21

  d-53639 königswinter

  fon +(49)-2244-871659

  fax +(49)-2244-871664

  michael.opielka at isoe.org

  www.isoe.org

   

  -----Ursprüngliche Nachricht-----
  Von: debatte.gewerkschaftsgruen-bounces at gruene.de [mailto:debatte.gewerkschaftsgruen-bounces at gruene.de] Im Auftrag von horstschiermeyer at aol.com
  Gesendet: Dienstag, 17. Februar 2009 19:05
  An: debatte.bag.sozialpolitik at gruene.de; debatte.gewerkschaftsgruen at gruene.de; debatte at gruene-linke.de
  Betreff: [Debatte.gewerkschaftsgruen] Attac-AG "Genugfueralle" gegen Bundestagspetition BGE

   

  Zur Information über die Diskussion in der Attac-AG "Genugfueralle" zu 

  der Bundestagspetition zum BGE

   

   

  -----Ursprüngliche Mitteilung-----

  Von: Werner.Raetz at t-online.de <Werner.Raetz at t-online.de>

  An: genugfueralle at listi.jpberlin.de>

  Verschickt: Di., 17. Feb. 2009, 18:22

  Thema: Re: [Genugfueralle] "[Attac-d] WG: Jetzt mitzeichnen: 

  Bundestagspetition Bedingungsloses Grundeinkom

   

   

  ---------------------------

   

   

  Stellungnahme der AG Genug für alle von attac Deutschland

   

  In einer Online-Petition an den Deutschen Bundestag fordern gegenwärtig 

  über 40 000 Menschen die Einführung eines bedingungslosen 

  Grundeinkommens. Mehrere Tausend beteiligen sich an einer lebhaften 

  Debatte. Auch wenn die großen Unterschriftensammlungen erheblich mehr 

  UnterzeichnerInnen gewinnen konnten, so ist dies doch ein 

  beeindruckendes Ergebnis und bisher einmalig in der Geschichte der 

  Bewegung für ein bge. Das zeigt, dass es ein weit verbreitetes 

  Bedürfnis nach einem neuen, umfassenden und tatsächlich alle 

  erfassenden sozialen Sicherungssystem in Deutschland gibt.

   

  Dennoch unterstützt die AG genug für alle von attac Deutschland die 

  Petition nicht. Wir anerkennen die Absicht der Initiatorin und der 

  UnterzeichnerInnen, die Idee des bedingungslosen Grundeinkommen zu 

  befördern, befürchten aber, dass sie ihr mit dem gewählten konkreten 

  Mittel der Bittstellung an den Deutschen Bundestag letztlich eher 

  schaden als nützen.

   

  Es ist zu erwarten, dass der Petitions

  ausschuss des Bundestages die 

  Petition abweisen wird. Sollte sie aber im Plenum zur Abstimmung 

  kommen, so kann mit Gewissheit davon ausgegangen werden, dass sie 

  spätestens dort abgelehnt wird. Das könnte sich nicht nur negativ auf 

  das Vertrauen der PetentInnen in die politischen Entscheidungsträger 

  und die Demokratie allgemein auswirken. Das macht uns zwar nicht die 

  allergrößte Sorge, reflektiert es doch lediglich die Tatsache, dass 

  sich die VolksvertreterInnen ohnehin recht weit von der Meinung der 

  WählerInnen entfernt haben, dennoch kann ein solcher Effekt dazu 

  führen, dass die Motivation, sich für die eigenen Interesse und Ideen 

  einzusetzen, nachlässt. So würde aus einer großen Bewegung für ein bge 

  eine große Frustration. Wir halten es nicht für sinnvoll, Abstimmungen 

  zu erzwingen, wenn man weiß, dass man sie verlieren wird. Besser ist 

  es, so lange für eine Idee zu werben, bis sie mehrheitsfähig ist.

   

  Aber selbst wenn wir uns irren sollten und der Bundestag der Petition 

  zustimmen sollte, ist diese Perspektive nicht besser als die einer 

  Ablehnung. Es gibt augenblicklich im Parlament keine Mehrheit für ein 

  Grundeinkommen, das den Namen bedingungslos verdient. Die vorliegenden 

  Modelle aus den Bundestagsparteien sind in vielen Fällen mit 

  erheblichen Einschränkungen verbunden. Besonders bezüglich der Höhe 

  gehen alle Vorschläge außer der der BAG Grundeinkommen der Linkspartei 0D

  (die in der Fraktion nur von einer kleinen Zahl Abgeordneter Zustimmung 

  erhält) von Beträgen aus, die für Singles deutlich unter den aktuellen 

  Sätzen der „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ (Hartz IV) liegen. Es 

  kann nicht Aufgabe einer sozialen Bewegung sein, einer Absenkung der 

  Transfereinkommen den Weg zu bereiten. Wenn die BefürworterInnen diese 

  Gefahr nicht sehen, dann können wir diesbezüglich nur der Kritik von 

  gewerkschaftlichen und anderen SkeptikerInnen eines bge zustimmen:

   

  Ein Grundeinkommen ist nur wünschenswert, wenn es die sozialen 

  Lebensumstände der ärmsten Bevölkerungsteile verbessert. Bei heutigen 

  Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag ist das ausgeschlossen, 

  deshalb ist jetzt nicht der Zeitpunkt für Abstimmungen im Parlament, 

  sondern für Aufklärung und Werbung für die Idee in der Bevölkerung und 

  für Aktion und Protest gegen die unsozialen Vorstellungen zur 

  Bewältigung der Krise auf der Straße. In diese Auseinandersetzung 

  gehört die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen 

  unbedingt hinein, aber genau da ist von ihren BefürworterInnen nichts 

  zu sehen und zu hören. So orientiert die Petition nicht nur auf eine 

  Niederlage im Parlament, sondern behindert auch ganz unmittelbar die 

  Beteiligung an den wirklich zentralen gesellschaftlichen 

  Auseinandersetzungen. Denn wenn die bisherige Politik zu 

  Krisenbewältigung fortgesetzt wird, dann sind auf viele20Jahre alle 

  finanziellen Mittel verplant, die für eine anständige soziale Sicherung 

  erforderlich wären. Und die Grundeinkommensbewegung hat’s verschlafen.

   

  Ein weiterer gewichtiger Kritikpunkt liegt im Inhalt der Petition 

  selbst. Ohne jede Not hat die Initiatorin ein Finanzierungsmodell – 

  über Konsumsteuern – hineingeschrieben, das innerhalb der Bewegung 

  höchst umstritten und nicht dazu angetan ist die verschiedenen 

  Strömungen der BefürworterInnen zusammenzuführen. Eine Konsumsteuer in 

  der Art der heutigen Mehrwertsteuer belastet niedrige Einkommen in 

  deutlich höherem Maße als hohe. Zwar könnte dieser Schaden behoben 

  werden, indem die Steuersätze deutlicher gespreizt, also z. B. 

  Grundbedarfsartikel steuerfrei gestellt und Luxusgüter mit einem 

  deutlich höheren Satz belastet würden. Aber auch dann bleibt das 

  Problem bestehen, dass der Staat jedes Instrument verliert, um die 

  großen Vermögensunterschiede zu bearbeiten. Wenn es keine Möglichkeit 

  mehr gibt, auf die hohen Vermögen mit Steuern zuzugreifen, dann werden 

  die Unterschiede noch schneller wachsen als bisher. Dabei sind es jetzt 

  schon die großen Finanzvermögen, die wesentlich zur Entstehung der 

  kapitalistischen Krise beigetragen haben und die zu ihrer sozialen 

  Lösung dramatisch verringert werden müssen. Auch diesbezüglich 

  orientiert die Petition also nicht nur auf ein für soziale 

  Gerechtigkeit untaugliches Modell, sondern si

  e trägt direkt dazu bei, 

  eine unsoziale, krisenhafte Politik aus der Verantwortung und aus der 

  Kritik zu nehmen.

   

  Daran wird sich attac Deutschland und die AG genug für alle nicht 

  beteiligen.

   

   

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