[Debatte-Grundeinkommen] Katja Kipping erwähnt das BGE in einem Sterninterview

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Do Mär 13 10:59:00 CET 2008


Hallo Roland und alle andern der Liste,

was Du schreibst ist bestimmt richtig und ich wollte mit Sicherheit 
niemandem unterstellen, daß er nicht das "Beste" wollte. Die Frage ist nur, 
was man unter das "Beste" versteht und wie man es erreichen will. Die 
Wortwahl mag da eine Rolle spielen und "kleine Leute" hört sich weitaus 
besser an, als "Unterschicht", "bildungsferne Schicht", "Prekariat", 
"Sozialtransferempfänger mit Migrationshintergrund" oder welche 
"Nettikeiten" sonst noch existieren. Allein die Unterscheidung liegt mir 
allerdings im Magen - wer sind die "kleinen Leute"? Wer entscheidet, wer zu 
diesen "kleinen Leuten" gehört?

Seit 1993 beschäftigt mich die Frage, was unter das "Beste" zu verstehen 
ist. Schließlich taucht das Streben danach in fast allen Verfassungen 
demokratischer Staaten auf (siehe WikiPedia: 
http://de.wikipedia.org/wiki/Amtseid - inhaltlich von mir eingestellt). 
Hängt das von Dir genannte eingeschränkte Streikrecht nicht von einer 
Vorstellung ab, was das "Beste" sei? Schaut das BVG darum, daß auch andere 
Vorstellungen (von Freiheit und Menschenwürde) bewahrt werden?

Anbei ein Text als TXT-File, der 1919 geschrieben wurde. Da wollte auch 
jemand das "Beste". Wenn ich manche Texte von Katja Kipping anschaue und mit 
diesem vergleiche, fällt (zumindest mir) eine gewisse Ähnlichkeit auf. Nun 
ratet mal, von wem dieser Text stammt...

Dieses Netzwerk ist so offen, wie es manche (nicht wir, sondern ein Teil 
davon) offen haben wollen. Wieso werden sonst meine Texte nicht 
veröffentlicht? Warum bekomme ich keine Begründung dafür? Vielleicht, weil 
ich davor warnte, blind hinter etwas her zu laufen? Vielleicht, weil ich die 
Wirtschaftswissenschaft als maßgebliche Komponente der BGE-Verwirklichung 
fordere? Diese "Unoffenheit" führt zu Spekulationen - und wenn Katja Kipping 
als Sprecherin dieses Netzwerks dann vom Stapel läßt, daß sie zwischen 
"kleinen Leuten" und dem Rest unterscheidet, wird (mir) klar, daß diese 
Aussage manche ausschließt und andere (Priveligierte) nicht.

In Deiner Antwort hast Du (leider) einen kleinen Denkfehler: nicht jeder 
Mensch strebt nach persönlicher Freiheit. Das ist eine (positive) 
Unterstellung, die nicht mit der Realität übereinstimmt. Manche wollen 
Befehle empfangen, wollen hören, was sie zu tun haben und brauchen die 
Unfreiheit, um leben zu können. Und hier fängt der Gedanke der Emanzipation 
an, daß solchen Leuten geholfen wird, mit ihrer Freiheit umzugehen - der 
Lehrauftrag ist nicht Freiheit zu proklamieren, sondern zur Freiheit zu 
erziehen - manche verstehen darunter auch: zur Freiheit zu verführen...

Aber Katja Kipping möchte lieber Freiräume schaffen, die wie heute schon, 
als Gummizelle ausgestattet sind - die Grenzen der Freiheit wurden (von 
jemandem) definiert, ohne zu sagen, wie. Auch heute sind wir frei - freier 
sogar, als je zuvor! Wir haben Möglichkeiten ohne Ende, unser Leben frei zu 
gestalten; wir dürfen alles sagen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen 
und selbst verhungern müssen wir nicht wirklich. Freiheit ist eine 
langweilige Selbstverständlichkeit... so selbstverständlich, daß wir immer 
gegen Gummiwände laufen - es tut weniger weh, als gegen Betonmauern zu 
rennen - aber es macht die Sache unheimlich schwieriger.

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)




----- Original Message ----- 
From: "Roland Müller" <webmaster at muendiger-buerger.de>
To: "'Joerg Drescher'" <iovialis at gmx.de>; 
<debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de>
Sent: Thursday, March 13, 2008 1:54 AM
Subject: AW: [Debatte-Grundeinkommen] Katja Kipping erwähnt das BGE in einem 
Sterninterview


Hallo Jörg, hallo zusammen,

als Ehemann einer Germanistin habe ich begriffen, dass zwei nicht unbedingt
das Gleiche meinen, wenn sie das Gleiche sagen. Da ich mir über die
Absichten eines Anderen nie ganz sicher sein kann, unterstelle ich ihm
vorsichtshalber erst mal das Beste. MIR sind die "kleinen Leute" immer noch
lieber als die "Unterschicht", die "bildungsferne Schicht", das "Prekariat",
oder die "Sozialtransferempfänger" mit "Migrationshintergrund". Ja, wie
politisch korrekt darf es denn noch sein? Bei den "kleinen Leuten" fällt es
mir immer noch am leichtesten Katja Kipping das Beste zu unterstellen. (Ich
bin nicht sicher ob mir etwas angemesseneres eingefallen wäre, wenn ich die
Frage spontan hätte beantworten müssen. Vielleicht "sozial Benachteiligte"?)
Ich glaube tatsächlich, dass wir zum Aufbegehren nur den Raum zur Verfügung
haben, den die, durch die Parteien gebildeten, Regierungen uns lassen.
Politische Streiks, in Frankreich und in Italien an der Tagesordnung, sind
bei uns verboten. Also demonstrieren wir bestenfalls dann, wenn die mächtige
Gewerkschaft uns ruft. Oder dann, wenn unser eigener Arbeitsplatz bedroht
ist, vor dem eigenen Werkstor. Im Moment ist es leider sogar so extrem, dass
wir nur noch das Bundesverfassungsgericht haben, dass uns einen Rest von
Freiheit und Menschenwürde bewahrt.

Diesen tapferern, letzten, aufrechten Streitern für unsere Grundrechte als
Menschen, möchte ich an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank bezeugen.

Dieses Netzwerk ist, was die Menschen daraus machen. Führt es kleinliche
Diskussionen um den Euro fuffzich über die Höhe des BGE oder um die zweite
Stelle hinter dem Komma bei der Inflationsrate, dann wird es irgendwann
beginnen sich nur noch um sich selbst zu drehen. Die vier Grundsätze sind
doch klar! Wir sollten darüber reden, wie wir die Menschen erreichen. Der
Mensch kann der Erfüllung seines Traums von der persönlichen Freiheit ein
Stück näher kommen! Darüber sollten wir reden! Wenn wir das tun, dann ist,
glaube ich, auch klar, was das für ein Projekt wird. Und dann schuldet die
Menscheit uns Dank ;o)

Liebe Grüße,
Roland (Müller) 
-------------- nächster Teil --------------
Ein eingebundener Text mit undefiniertem Zeichensatz wurde abgetrennt.
Name: 1919.txt
URL: <https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/attachments/20080313/4409fd39/attachment.txt>


Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen