[Debatte-Grundeinkommen] Eine Idee der Einführung von BGE ohne ein spezielles Modell

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Mi Mär 5 22:43:02 CET 2008


Hallo Ronald, hallo alle,

wieso rollen wir das Pferd eigentlich nicht von hinten auf? Man kann nur das verteilen, was man hat. Hier plant man allerdings Geldausgaben, bevor man im Lotto gewonnen hat. Ist das ein "wissenschaftliches Herangehen"? Ob dann je nach Finanzierungsmodell die Netzwerk-Kriterien erfüllt werden, steht auf einem anderen Papier. BGE als "bedingungsloses Grundeinkommen" kann den Netzwerk-Kriterien entsprechen - muß es aber nicht. Die vier Netzwerk-Kriterien sind schön und recht - aber:

Was heißt "Teilhabe" und wie hoch ist diese "in Geld zu bemessen"? Verschärft dieses BGE-Kriterium nicht zusätzlich die Dominanz der monetären Bewertung?

Ein Bewohner auf dem Land hat einen anderen (Geld)Bedarf, als ein Mensch in der Stadt (in der Ukraine ist das sehr extrem). Was soll ein Bauer mit 800USD, die ein Einwohner in Kiew zum Leben braucht? Der Bauer hat eine überdimensionierte Teilhabe (er kann jeden Monat nach Ägypten fliegen), während der Kiewer für diesen "Luxus" arbeiten muß.

Was soll einem eigentlich individuell garantiert werden? Eine Geldzahlung in Form eines (monetären) BGEs? Das ist nur sinnvoll, wenn man an uns bekannte Tauschsystemgesellschaften denkt. Doch was ist mit einem Indianerstamm in Brasilien, der gar kein solches Tauschsystem wie unseres kennt?

Den Arbeitszwang haben wir je nach Arbeitsauffassung. So kann in einer Gesellschaft, die Arbeit als Selbsterfüllung ansieht, durchaus kein BGE benötigt werden. Zwang ist ein individuelles Gefühl, das keine wissenschaftliche und objektive Grundlage hat. Selbst heute hat man keinen Zwang (zur Arbeit), nur muß man mit den Konsequenzen leben (kein Einkommen). Manche empfinden ihre Arbeit auch nicht als Zwang, sondern als Erfüllung. "Kein Arbeitszwang" kann hier also nur heißen, daß es keine Konsequenzen auf die Überlebensfähigkeit des einzelnen haben darf.

Insgesamt bleibt festzustellen, was ein BGE (in meinen Augen) sein soll und sich jeweils an relativen Kriterien messen lassen muß:
Eine Gemeinschaft soll die Möglichkeit (in einer Tauschgesellschaft: in Form eines monetären BGEs) bieten, um die Überlebensfähigkeit des Einzelnen zu sichern, indem der einzelne seine Möglichkeiten für die Gemeinschaft zu deren Erhalt einsetzt.
(umgekehrtes Musketier-Prinzip: "Alle für einen, einer für alle")

Wie dies zu verwirklichen ist, hängt nicht von Kriterien ab, sondern den Modellen. Dazu in der Anlage ein Text, den ich an am 25.02.2008 an die Redaktion der Netzwerk-HP schickte und der noch auf eine Entscheidung der Redaktion wartet (Stand: 05.03.2008, 23:45 Uhr in der Ukraine).

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)


  ----- Original Message ----- 
  From: rblaschke at aol.com 
  To: debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de 
  Sent: Wednesday, March 05, 2008 8:53 PM
  Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Eine Idee der Einführung von BGE ohne ein spezielles Modell


  1. Ein BGE auf Null-Niveau ist nicht mal ein Einkommen.

  2. Das Netzwerk Grundeinkommen hat vier Kriterien für das Grundeinkommen. 
  a) Existenz sichernd und Teilhabe ermöglichend, 
  b) ohne Bedürftigkeitsprüfung,  
  c) individuell garantiert, 
  d) es soll kein Arbeitszwang bedeuten .
  Siehe Gründungskonsens des Netzwerkes.

  Niedrige grundeinkommensähnliche Transfers erfüllen zwei Kriterien des Grundeinkommens nicht, a und d. 
  zu d) Sie zwingen aufgrund der Existenznot / Teilhabeausgrenzung zur Erwerbsarbeit. 

  Man kann nun über alle möglichen Einstiegskonzepte zum BGE diskutieren - im nationalen, europäischen und globalen Kontext, sollte dann aber nicht - wenn sie die Kriterien nicht erfüllen - von einem BGE sprechen, sondern von partiellen GE, von einer Grundsicherung usw. usf., wie in der Wissenschaft üblich. Allerdings sind dann bei diesen Einstiegskonzepten ganz andere Wirkungen zu erwarten als die mit dem BGE verbunden werden. Und diese Wirkungen sind von weiteren Rahmenbedingungen abhängig, daher die vielen Diskussionen um "weitere" Konzepte, denen man natürlich nicht zustimmen muss.  

  Beste Grüße, Ronald Blaschke
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