[Debatte-Grundeinkommen] Vorschlag

Joerg Drescher iovialis at gmx.de
Di Aug 26 09:31:49 CEST 2008


Hallo Norbert und alle interessierten,

leider kann ich aus Deinen Aussagen nicht herauslesen, ob Du "Spannung" als etwas positives siehst (im Sinne von interessant, immer etwas neues zu erleben/erfahren), oder als etwas negatives (im Sinne von Anstrengung und Gegenteil von "Sicherheit"). Für beide Arten der "Spannung" braucht man kein Grundeinkommen - im Gegenteil, bei der positiven Sicht (so wird auch von manchen GE-Gegnern argumentiert) nimmt man eben diese "Spannung" aus dem Leben.

Vor langer, langer Zeit erfanden Menschen z.B. den Kalender (besser: die "Zeit"), um Prgnosen und Vorhersagen machen zu können (wann kommt die nächste Nil-Überschwemmung?). Leben benötigt gewisse Erwartungen, um existieren zu können (wenn in den letzten 5 Jahren die Nil-Überschwemmung dann und dann kam, muss sie auch nächstes Jahr um diese Zeit kommen). Manche Erwartungen wurden und werden auch an Kausalzusammenhänge geknüpft (In Mexiko glaubte man, daß man den Sonnengott durch Menschenopfer stärken muß, damit die Sonne auch am nächsten Tag aufgehen kann). Hier gebe ich Dir Recht, daß die Erwartung des Kausalzusammenhangs eines bösen, dummen, eigensüchtigen... Menschens nicht dazu dient, die Welt besser zu machen. Der "Homo Ökonomicus" ist auch ein Modell, das immer mehr in Zweifel gezogen wird - nur umgekehrt glauben viele, sie seien nur Menschen, wenn sie dem Modell entsprechen ;-)

Hintergrund (des "Homo Ökonomicus): Menschen, die Kapital haben, können sich die "negative Spannung" aus ihrem Leben nehmen, indem sie andere damit beauftragen, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, daß das Risiko des Verlusts (ihres Kapitals) minimiert wird. Sie fühlen sich "sicherer", indem sie "Sicherheit" in Relation von "Haben" setzen. Doch "Sicherheit" ist, wie Du scheinbar auch meinst, eine Illusion.

Das Denken in den Kategorien "positiv" und "negativ" hindert uns, etwas sinnvolles zu machen; vielmehr wäre eine "neutrale Sicht" besser, die eng an (positives) Vertrauen geknüpft ist. Es wäre fatal, alle Menschen als "nur gut" einzustufen und ihnen "blind" zu vertrauen. Das tat man auch im 3. Reich - und nicht nur in Deutschland:
http://www.zeitenschrift.com/magazin/46-hitler.ihtml

Dieses (positive) Vertrauen scheint mir mit Deiner Vorstellung eines "gesunden Risikos" einherzugehen. Und bei der "Gewinnerwartung" gehe ich konform, sie folgendermaßen zu definieren (in Zusammenarbeit mit Matthias Dilthey):
"Wir sollten darauf hinarbeiten, daß das Gewinnverständnis weg vom rein monetären Gedanken hin zu einer ausreichenden, ökologisch nachhaltigen, positiven Versorgung der Menschen mit notwendigen Gütern und Dienstleistungen gesichert ist. Dafür ist eine Entkopplung von Einkommen und Erwerbsarbeit Voraussetzung."

Viele Grüße aus Kiew,

Jörg (Drescher)

  ----- Original Message ----- 
  From: Norbert Maack 
  To: Joerg Drescher 
  Cc: Debatte-grundeinkommen at listi.jpberlin.de ; Ernst Ullrich Schultz 
  Sent: Tuesday, August 26, 2008 12:22 AM
  Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Vorschlag


  Hallo Jörg,
  die Spannung in dem vorgeschlagenen Spiel und dem realen Leben entsteht in erster Linie daraus, dass niemand weiss, was er/sie selbst und die lieben Mitmenschen morgen tun werden. :-)     Es gibt zwar viele Prognosen, Vorhersagen, Kaffeesatzlesereien etc. und selbstverständlich auch Wahrscheinlichkeiten und Risiken. Und es gibt sooo viele Menschen, die meinen das Verhalten der anderen vorhersagen zu können und es gibt so was wie "selffulfilling prophecy".  Wenn wir eine positive Lösung für die Zukunft suchen, müssen wir uns von den negativen Erwartungen lösen. "Think positive!" Wer die Erwartung hat, dass die Menschen von Geburt an böse, dumm, eigensüchtig, ... sind und immer bleiben werden (H.Ö.), der wird auch mit einem BGE die Welt nicht verbessern können. 

  Wer ein Risiko eingeht, kann interessante neue Erfahrungen machen. Das muss nicht monetärer, sondern darf auch gerne mal humanitärer Profit sein. ;-) 

  Ciao
      Norbert



  Joerg Drescher schrieb: 
    Hallo Norbert und alle Interessierten,

    es ist richtig, daß es beim BGE nicht um eine Finanzierung, sondern um eine Umverteilung geht. Nun kommt es auf die "Einsicht in die Notwendigkeit" an, ob ich von dem, was ich zuviel habe, auch anderen etwas zukommen lassen will. Dabei kommt es auch darauf an, ob ich überhaupt die Möglichkeit dazu habe.

    Angenommen, ich klappere mir die 10 Euro mühsam zusammen, daß ich überhaupt in den Genuß kommen kann, mich am Spiel zu beteiligen und erhalte 50 Euro; dann kann ich mich lange schämen und auch mehr einzahlen wollen; doch wenn ich auf die 40 Euro angewiesen bin, zahle ich beim nächsten mal eben wieder 40 Euro ein. Solidarität hin oder her.

    Deshalb bin ich auch gegen jedwedes Derivat von Negativen Einkommenssteuern oder Transfergrenzen-Modellen: ich muß mich schämen, wenn ich keine Möglichkeit habe (weil niemand meine Arbeitsleistung bezahlen möchte, obwohl ich gerne meinen Beitrag leisten wollte), mich mit am Gesamttopf zu beteiligen - ich liege anderen mit Einkommen auf der Tasche. Der (solidarische) Schamgedanke "zwingt" mich also, irgendeine Arbeit jemandem anderen "wegzunehmen"; profitieren tun jene, die sich nicht schämen, von Leistungen anderer zu leben.

    Da sind die "konsumumverteilenden Modelle" überlegen, denn da bin ich mir sicher, daß jeder nach seinen Möglichkeiten in den Gesamttopf einzahlt. Leider denkt nicht jeder so, wie Du oder ich, und versucht für sich sein Maximum herauszubekommen (die vielen "Homo Ökonomicuse" - ein Menschenbild des immer rational handelnden Menschen: wer dem nicht entspricht, darf sich nicht "Mensch" nennen).

    Ich kenne viele Projekte, Initiativen und Organisationen (BIEN, TFSR, SCI, Megacities Project, Hospitalityclub, sonstige Hilfsorganisationen), denen ich liebend gerne regelmäßig Geld spenden wollte, wenn ich nur könnte. Von ihren (nichtstaatlichen) Tätigkeiten profitiere ich allerdings nur indirekt. Das diskutierte Spiel dreht sich allerdings um direkten persönlichen Profit. Was heißt dann "Solidarität"?

    Der eine ist auf einem Selbstverwirklichungstripp, der sich auf Basis der Gemeinschaft selbst verwirklichen will. Müßte es (aus Solidarität) nicht eher so sein, daß er sich auf einen Selbstentfaltungstripp begibt, bei dem die Gemeinschaft sogar durch das profitiert, was er tut? Zum Beispiel lag Van Gogh anderen durch seine Malerei auf der Tasche, um sich selbst zu entfalten. Seine Kunst (durch damalige Selbstverwirklichung) gibt heute allerdings Teilen der Gemeinschaft etwas wieder und man muß sich eigentlich schämen, daß man diesen (von einigen als großartigen gesehenen) Maler Selbstmord begehen ließ.

    Wenn die Spannung des Spiels darin besteht, das eigene Überleben bestmöglichst zu sichern, darf man kein BGE bezahlen, denn dann nimmt man die Spannung aus dem Spiel; besteht die Spannung allerdings darin, das Überleben aller (der Menschheit) zu sichern, wird's richtig spannend - Probleme gibt's nämlich genug ;-)

    Viele Grüße aus Kiew,

    Jörg (Drescher)



      ----- Original Message ----- 
      From: Norbert Maack 
      To: Joerg Drescher 
      Cc: Debatte-grundeinkommen at listi.jpberlin.de ; Ernst Ullrich Schultz 
      Sent: Monday, August 25, 2008 1:38 AM
      Subject: Re: [Debatte-Grundeinkommen] Vorschlag


      Hallo Jörg und @lle,

      es dürfte doch wohl allen klar sein, dass auch durch ein (wie geartetes auch immer) BGE kein "Goldesel" oder "Dukatenscheißer" geboren wird. 
      Insofern wird es immer um eine Umverteilung gehen. Nur wird in diesem Spiel halt im Gegensatz zur rauen Wirklichkeit die Umverteilung nicht von arm zu reich erfolgen, es sei denn die Albrechts beteiligen sich mit 10 Euro.;)

      Es funzt natürlich nur, wenn es so etwas wie Solidarität geben würde. Ich gebe 20 Euro und hoffe, dass meine "Spende" angenommen wird. Wenn ich dann jedoch 50 Euro zurück bekomme, würde ich beschämt ob meiner Fehleinschätzung im nächsten Monat mindestens die 50 Euro wieder einsetzen. Das Spiel soll ja schließlich etwas Spannung verursachen - sonst kann man es doch vergessen.

      Gruß
          Norbert





      Joerg Drescher schrieb: 
        Hallo Ernst Ullrich Schultz und alle, die es interessiert!

        Die Idee finde ich genial, wobei ich sie eher als theoretische Überlegung sehen möchte. Anhand dieses Vorschlags lassen sich nämlich einige Grundlagen des Wirtschaftssystems verdeutlichen. Diese wären:

        Angenommen, ich hätte eine Tocher, die unter 6 Jahren ist (das Alter wähle ich, weil ich bei meinem letzten Deutschland-Besuch erfahren habe, daß ab diesem Alter der Umgang mit Geld durch die Schule gelehrt wird und die Kinder Taschengeld bekommen). Wenn ich nun meine Tochter an dem "Spiel" beteiligen möchte, damit sie profitieren kann, muß ich für sie die Entscheidung fällen. Da sie (im ersten Spieldurchlauf) über kein Einkommen verfügt (im weiteren Verlauf bekommt sie ihren Anteil), muß sie über (freies) Kapital verfügen (über das ich dann die Entscheidungsgewalt haben muß oder ich zahle es durch mein Eigenkapital).

        Daraus soll deutlich werden:
        1.) Nur wer (bei diesem Spiel im ersten Durchgang) über (freies) Kapital verfügt, kann auch davon profitieren
        2.) Spielteilnehmer müssen die freie Entscheidung treffen, ob sie am Spiel teilnehmen - wer dies nicht kann (die gedachte Tochter) braucht entweder einen Vormund, der die Entscheidung fällt oder profitiert nicht am Spiel

        Eine weitere Überlegung beziehe ich aus der Spieltheorie: Wenn ich den Mindestbetrag (10 Euro) einzahle, bekomme ich mindestens 10 Euro heraus; bezahle ich mehr, bekomme ich (mit hoher Wahrscheinlichkeit) weniger heraus, da jeder Spielteilnehmer (wenn er rational denkt) darauf hofft, daß andere mehr einzahlen und er durch den Mindestbetrag mehr herausbekommt. Diese Überlegung funktioniert, wenn die Einzahlbeträge "geheim" bleiben; werden sie offen gelegt, gibt's erst richtig streit ;-)

        Mal abgesehen, was die BaFin dazu sagt, wäre es auf jedem Fall interessant, was wirklich passiert - Vertrauen gegenüber Herrn Schultz vorausgesetzt ;-). 

        Ich denke aber, daß jemand, der 100 Euro einzahlt und "nur" 12 Euro (wie alle anderen) herausbekommt (Personenanzahl und Beträge mal außen vor), diese Person im nächsten Spielverlauf ungern nochmals 100 Euro reinsteckt. Umgekehrt wird sich jeder freuen, der "nur" den Mindestbetrag bezahlt hat und dann auf einmal mehr bekommt: er wird es gerne (mit dem Mindestbetrag) wiederholen - ein Plus von 2 Euro. 

        Wenn der "gutmütige Dumme" weiterhin Geld reinsteckt, muß er es irgendwo her haben; jeder andere bekommt mindestens seinen Mindesbetrag und kann somit (im weiteren Spielverlauf) diesen auch wieder für den nächsten Spielverlauf verwenden. Entsprechend dürfte es sich über mehrere Runden so ergeben, daß jeder nur noch den Mindestbetrag einzahlt und das ganze zu einem Nullsummenspiel wird. Vorausgesetzt, daß nicht irgendwelche "gutgläubigen Dummen" über den Mindestbetrag bezahlen. Die Bank wird sich in jedem Fall freuen ;-)

        Danke für dieses Beispiel! Die Darstellung sollte keine Geringschätzung sein, sondern meine rationalen Überlegungen (Homo Ökonomicus) verdeutlichen.

        Viele Grüße aus Kiew,

        Jörg (Drescher)





          ----- Original Message ----- 
          From: Ernst Ullrich Schultz 
          To: Debatte-grundeinkommen at listi.jpberlin.de 
          Sent: Friday, August 22, 2008 11:20 PM
          Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Vorschlag


          Liebe MitstreiterInnen,

          die vielen Diskussionen in letzter Zeit über Details der Finanzierung des BGE haben mich nachdenklich gemacht. Meine Ansicht ist, dass es zuerst einmal um einen radikalen Bewusstseinswandel geht. Um zu sehen, wie weit sich dieser Wandel bei den Verfechtern des BGE schon vollzogen hat, mache ich folgenden, ernst gemeinten Vorschlag:

          Es wird ein Sammelkonto eröffnet - ich wäre bereit, bei der GLS-Bank (die ausschließlich ökologische und sinnvolle soziale Projekte fördert) ein solches Konto einzurichten.

          Jeder, der sich beteiligen möchte, überweist am Anfang des Monats einen frei gewählten Geldbetrag ab 10 Euro (damit sich die Abwicklung überhaupt lohnt) - nach oben hin natürlich unbegrenzt (auch Ackermann darf sich beteiligen!).

          Mitte des Monats wird der eingegangene Gesamtbetrag durch die Zahl der Teilnehmer geteilt und dieser Teil wird an jeden Teilnehmer zurücküberwiesen. 
          Ist doch ganz einfach, oder?

          Wenn sich mindestens 10 Teilnehmer melden, fange ich damit an.

          Ich freue mich auf rege Beteiligung,
          Ernst Ullrich Schultz

          PS: Aus aktuellem Anlass: Diskretion, was die Bankdaten angeht, wird auf jeden Fall zugesichert. 
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