[Debatte-Grundeinkommen] Interview FR-online

Robert Zion zion at robert-zion.de
Fr Nov 23 08:04:47 CET 2007


Interview


"Heimweh nach Zukunft"

Robert Zion, der Rebell von Göttingen, will wieder gegen die Spitze stimmen.




Herr Zion, Sie haben als Rebell von Göttingen Parteitagsgeschichte geschrieben. Sie fechten auch in Nürnberg gegen die grüne Führung. Sie wollen statt einer bedarfsabhängigen Grundsicherung, ein bedingungsloses Grundeinkommen. Warum? 

Wir haben drei Millionen Menschen, die trotz Arbeit arm sind, und mindestens 2,5 Millionen arme Kinder. Es geht nicht mehr nur um Hilfssysteme für Bedürftige, sondern um das soziale Fundament unserer Gesellschaft. Der aktivierende Sozialstaat, wie ihn New Labour definiert hat, ist eine Mär. Es ist unzeitgemäß, den Sozialstaat am alten Normarbeitsbegriff auszurichten. Wir Grüne müssen uns aus der Gefangenschaft sozialdemokratischer Programmatik befreien und das Soziale wieder zu einer unserer tragenden Säulen machen.

Und das wird mit der Grundsicherung nicht erreicht? 

Sie ist bloß ein freundliches Hartz IV. Dieses linksautoritäre Konzept ist etatistisch. Dort, wo alte Integrationsmechanismen versagen, soll der Staat einspringen. Den Grünen aber ging es immer um die Absicherung selbstbestimmter Lebens- und Arbeitsweisen. Diesen emanzipatorischen Ansatz müssen wir betonen.

Reicht nicht, was der Bundesvorstand in seinen Antrag zur Grundsicherung geschrieben hat?

Das Problem ist, dass in der Fraktion noch weitgehend andere Vorstellungen herrschen. Die Frage ist doch: Richten wir unsere Programmatik nur noch an der Anschlussfähigkeit bei den anderen Parteien aus? Oder wollen die Grünen eine eigenständige Sozialpolitik formulieren und gehen dann auf Partnersuche. Es ist doch klar, dass ein solcher Paradigmenwechsel nicht von heute auf morgen, sondern nur stufenweise zu packen wäre. Das ist Sache von Koalitionsverhandlungen. Aber wenn wir uns Regierungsfähigkeit nur noch von den anderen Parteien zugestehen lassen, sind die Grünen kulturell am Ende. Wir sind eine Konzeptpartei und nicht bloß Mehrheitsbeschaffer. Sonst enden wir als Öko-FDP.

Ist Macht für Sie zweitrangig?

Macht ist entscheidend. Als die Grünen das ökologische Denken einforderten, wurden sie als Spinner abgetan. Heute haben wir damit gesellschaftliche Hegemonie erreicht. Die ist ein erster Schritt, Macht zu gewinnen.

Sie stimmen also für das Grundeinkommen und gegen die Grundsicherung?

Ich muss sogar. Mein Kreisverband hat sich fürs Grundeinkommen ausgesprochen. Eine Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes, wie von der Parteiführung vorgeschlagen, sprengt das alte System. Jeder zweite Vier-Personen-Haushalt hätte plötzlich mindestens Anspruch auf ergänzende Hilfen.

Ihr Modell ist teuer. Wie wollen Sie es finanzieren?

Es geht mit einer Einkommensteuerreform, die sich selbst trägt. Der Grundfreibetrag würde sich verdoppeln, die höheren Einkommen würden stärker belastet, Steuerschlupflöcher geschlossen, Steuerausnahmen wie das Ehegattensplitting abgeschafft.

Nach Göttingen hat Daniel Cohn-Bendit gesagt, der grüne Bauch habe Rot-Grün abgetrieben. Folgt nun der Abtreibung zweiter Teil und werden auch Fischers Erben heimgeschickt?

Nein, das würde ich nicht wollen. Der Bundesvorstand ist nahe an der Basis. In der Fraktion müssten sich manche fragen, was zu tun ist, wenn sie grüne Programmatik nicht mehr vertreten können. Und die Streitereien in der Gründergeneration müssen aufhören. Fürs Grundeinkommen sind liberale, linke und wertkonservative Grüne. Es sind viele Junge dabei, die im alten System groß wurden, aber sich nicht vorstellen können, dass es so weitergeht. Uns treibt das Heimweh nach Zukunft.

Interview: Monika Kappus
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