[Debatte-Grundeinkommen] Programmatische Eckpunkte - Gründungsdokument der Partei DIE LINKE
Jürgen Kruse
wendanix at t-online.de
Do Mär 29 12:36:04 CEST 2007
*Programmatische Eckpunkte
Programmatisches Gründungsdokument der Partei DIE LINKE*
Beschluss der Parteitage von WASG und Linkspartei.PDS am 24. und 25.
März 2007 in Dortmund
Die »Programmatischen Eckpunkte« widerspiegeln das Maß an Gemeinsamkeit,
das sich WASG und Linkspartei.PDS auf dem Wege zu einer neuen Partei
erarbeitet haben. Diese Gemeinsamkeit ist ein ausreichend stabiles
Fundament,
um darauf eine neue Partei der Linken zu begründen. Wir werden
unterschiedliche
Traditionen, Erfahrungen und Kompetenzen jener Kräfte bewahren und
erschließen, die gemeinsam unsere neue Partei bilden. Die »Programmatischen
Eckpunkte« sind noch kein geschlossenes Parteiprogramm der neuen Linken. An
einem solchen Programm mitzuarbeiten -- dazu laden wir ein. Wir greifen
unterschiedliche Auffassungen zur Analyse, Politik, Weltanschauung und
Strategie, zu Widersprüchen und Gemeinsamkeiten produktiv auf und entwickeln
sie als Stärke der neuen Partei.
Gemeinsam wollen wir eine Partei, wie es sie in Deutschland noch nicht
gab --
Linke einigend, demokratisch und sozial, ökologisch, feministisch und
antipatriarchal, offen und plural, streitbar und tolerant,
antirassistisch und
antifaschistisch, eine konsequente Friedenspolitik verfolgend. Wir sind
Teil der
europäischen Linken, der sozialen und Friedensbewegungen.
*I. Gemeinsam für eine andere Politik*
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein reiches Land. Allerdings sind die
Beteiligung am gesellschaftlichen Reichtum und die Lebenschancen ungleich
verteilt. Dabei gibt es neue und auch wachsende Möglichkeiten für ein
Leben in
Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden. Doch sie werden von zerstörerischen
Prozessen blockiert. Diese sind Folge hoch konzentrierter Kapitalmacht, sie
entstehen aus dem Vorrang der internationalen Finanzmärkte und dem Übergang
der Herrschenden von einer Politik des sozialstaatlich regulierten
Kapitalismus zu
einer marktradikalen, neoliberalen Politik.
Unsere Gesellschaft ist wie viele andere in der Welt von
Massenarbeitslosigkeit,
von wirtschaftlichen und kulturellen Spaltungen geprägt. Die Zerstörung
der Natur
und der von Menschen erzeugte Klimawandel nehmen immer bedrohlichere
Dimensionen an. Krieg ist wieder zum Mittel der Politik geworden.
Imperiale Politik
und Fundamentalismus verstärken sich wechselseitig.
Unsere Alternative zu diesem entfesselten Kapitalismus ist die solidarische
Erneuerung und konsequent demokratische Gestaltung der Gesellschaft. Die
Vielfalt individueller Lebensentwürfe und das Aufbrechen traditioneller
Rollen der
Geschlechter begreifen wir als eine Chance für
Individualitätsentfaltung, deren
Basis es durch materielle und soziale Sicherheit kollektiv zu sichern
gilt. Wir
wenden uns gegen eine Politik des »Forderns und Förderns«, die
Arbeitslosigkeit
zum individuellen Problem erklärt. Stattdessen wirken wir für
gesellschaftliche
Rahmenbedingungen, die Arbeit und Persönlichkeitsentwicklung für alle
Menschen
ermöglichen. Ein grundlegender Politikwechsel für eine sozial gerechtere
Gesellschaft erfordert, die Idee der Solidarität mit Antworten auf neue
gesellschaftliche Herausforderungen zu verbinden.
Wir wollen Grundideen alternativer Politik zusammenführen. Der Kampf
gegen den
Abbau sozialer Rechte, für eine gerechte Verteilung der Arbeit in einer
humanisierten Arbeitswelt und für einen erneuerten solidarischen
Sozialstaat ist
der im Gründungsprogramm formulierte Ausgangspunkt der Wahlalternative
Arbeit
und soziale Gerechtigkeit. Die Linkspartei.PDS bringt in Übereinstimmung
damit
ihr historisches Verständnis des demokratischen Sozialismus als Ziel,
Weg und
Wertesystem und als Einheit von Freiheits- und sozialen Grundrechten ein --
niedergelegt in ihrem Chemnitzer Parteiprogramm.
Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Internationalismus und
Solidarität
sind unsere grundlegenden Wertorientierungen. Sie sind untrennbar mit
Frieden,
Bewahrung der Natur und Emanzipation verbunden. Die Ideen des
demokratischen Sozialismus stellen zentrale Leitvorstellungen für die
Entwicklung
der politischen Ziele der Linken dar.
DIE LINKE leitet ihr politisches Handeln aus dem Zusammenhang von Ziel, Weg
und grundlegenden Wertorientierungen ab. Freiheit und soziale Sicherheit,
Demokratie und Sozialismus bedingen einander. Gleichheit ohne individuelle
Freiheit endet in Entmündigung und Fremdbestimmung. Freiheit ohne Gleichheit
ist nur die Freiheit für die Reichen. Auch der Mensch ist nicht frei,
der seine
Mitmenschen unterdrückt und ausbeutet. Ziel des demokratischen Sozialismus,
der den Kapitalismus in einem transformatorischen Prozess überwinden
will, ist
eine Gesellschaft, in der die Freiheit des anderen nicht die Grenze,
sondern die
Bedingung der eigenen Freiheit ist.
Dazu machen wir uns im Hier und Heute auf den Weg, gegen Ausbeutung des
Menschen durch den Menschen und gegen patriarchale und rassistische
Unterdrückung.
Für die Überwindung von Fehlentwicklungen und sozialen Spaltungen ist eine
umfassende Demokratisierung aller Lebensbereiche die Bedingung. Die
Demokratisierung der Wirtschaft erfordert, die Verfügungsgewalt über
alle Formen
des Eigentums sozialen Maßstäben unterzuordnen. Vor allem die
profitbestimmte
private Verfügung über strukturbestimmende Großunternehmen muss durch breite
demokratische Allianzen, Mitbestimmung und sozialstaatliche Regulierung
zurückgedrängt und überwunden werden, wo sie dem Gemeinwohl widerspricht.
Wir wollen eine breite Diskussion darüber führen, wie dies konkret
realisiert
werden kann. In diesem Zusammenhang wollen wir klären, wie öffentliches
Eigentum als Grundlage demokratischer Politik und Daseinsvorsorge
erweitert und
sowohl sozial als auch effizient gestaltet werden kann.
In der Bundesrepublik verlangt das Grundgesetz, über Gesetze und Regeln
sicherzustellen, dass das Eigentum dem Gemeinwohl dient. Die Artikel 14
und 15
des Grundgesetzes geben die Möglichkeit, der Zusammenballung von
wirtschaftlicher Macht zu politischer Macht entgegenzuwirken. Demzufolge
können
Schlüsselbereiche der Wirtschaft in Gemeineigentum überführt werden. DIE
LINKE
erarbeitet konkrete Vorschläge, wie bestimmte Schlüsselbereiche der
Wirtschaft
und der Daseinsvorsorge zum Wohle der Allgemeinheit in öffentliche
Eigentumsformen überführt werden müssen, um mehr demokratische Kontrolle
und Gestaltung zu ermöglichen. DIE LINKE sieht im Vorhandensein
unterschiedlicher Eigentumsformen eine Grundlage für eine effiziente und
demokratische Wirtschaft anstatt den weiteren Weg der Privatisierung und
Monopolisierung zu beschreiten.
Aufgabe linker Politik bei der Schaffung eines modernen Sozialstaates
ist der
dauerhafte Schutz der Menschen in großen Lebensrisiken wie Krankheit,
Arbeitslosigkeit und Armut. Dazu gehört auch die gesellschaftliche
Verantwortung
für Gesundheit, für Wasser und Energieversorgung, für die
Abfallentsorgung, für
die Entwicklung der Städte und des ländlichen Raums, für ausreichend
kostengünstigen Wohnraum, für öffentlichen Nah- und Fernverkehr, für
allgemein
zugängliche kostenfreie Bildung, für ein würdevolles Leben im Alter
sowie für die
Entfaltung von Kultur und Wissenschaft. Der Vorrang der Politik auch in der
Wirtschaft muss hergestellt werden. In diesem Sinne sollen sich die
gewählten
Repräsentanten der Linken für die Gestaltung der Daseinsvorsorge einsetzen.
Unsere Partei erhebt einen politischen Richtungswechsel zu ihrem
strategischen
Ziel. Dazu brauchen wir die kritische und solidarische
Auseinandersetzung mit der
Geschichte linker Praxis in der DDR und der BRD. Wir stellen uns bewusst
in die
Traditionen der Aufklärung und des demokratischen Sozialismus, der großen
Emanzipationsbewegungen der Arbeiterinnen und Arbeiter.
Wir treten ein für die Ziele der Frauenbewegung, der Umwelt- und
Anti-AKWBewegung,
der Friedensbewegung, der globalisierungskritischen Initiativen, der
Sozialforen und Bewegungen gegen staatliche Repression, für die Durchsetzung
der Grund- und Freiheitsrechte. Wir knüpfen an das Engagement all jener
an, die
sich an der Niederschlagung der verbrecherischen faschistischen Diktatur
beteiligten und sich für die Beseitigung der Ursachen des Faschismus
eingesetzt
haben und einsetzen.
Unsere Anerkennung gilt den Bemühungen um eine sozial- und
wohlfahrtsstaatliche Eindämmung des Kapitalismus ebenso wie Versuchen einer
Überwindung der kapitalistischen Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse.
DIE LINKE setzt sich mit der Geschichte der DDR und der BRD sowie mit der
Geschichte der linken Kräfte in der alten Bundesrepublik auseinander und
zieht
aus den historischen Entwicklungen und Erfahrungen Schlussfolgerungen
für ihre
Programmatik und Strategie in den Auseinandersetzungen der Gegenwart und
Zukunft. Dabei wendet sie sich gegen Pauschalisierungen, antikommunistische
Vorurteile und einseitige Beurteilungen und bemüht sich um
differenzierte und
ausgewogene Einschätzungen.
Wir haben aus der Geschichte gelernt: Respekt vor den Ansichten
Andersdenkender ist Voraussetzung von Befreiung. Wir lehnen jede Form von
Diktatur ab und verurteilen den Stalinismus als verbrecherischen
Missbrauch des
Sozialismus. Freiheit und Gleichheit, Sozialismus und Demokratie,
Menschenrechte und Gerechtigkeit sind für uns unteilbar.
*II. Eine andere Welt ist nötig*
In den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte
sich eine
weltweite, vor allem ökonomische Krise. Die Wachstumsraten der
schwerfälligen
Planwirtschaften des Staatssozialismus sanken stark. Die Ölkrise
markierte den
Beginn einer verstärkt krisenhaften Entwicklung der kapitalistischen
Weltwirtschaft.
Die nachholende Entwicklung des Südens, die mit der Entkolonialisierung
hoffnungsvoll begonnen hatte, war in großen Regionen rückläufig. In
derselben
Zeit entstanden Bewegungen für mehr Freiheit, Solidarität und
Demokratie. Es war
die Zeit der Studentenbewegung im Westen, der Überwindung faschistischer
Regime in Griechenland, Spanien und Portugal, der Siege der
Befreiungsbewegungen in Vietnam und in den portugiesischen Kolonien. In
Chile
wurde die sozialistische Entwicklung hingegen von den Herrschenden blutig
niedergeschlagen. In dieser Zeit verstärkten sich die
Stagnationstendenzen im
realen Sozialismus. Die gewaltsame Beendigung des Prager Frühlings zerschlug
damals weltweit die Hoffung auf die Verbindung von Demokratie und
Sozialismus.
Die kapitalistischen Länder suchten den Ausweg aus der Krise im Kapitalismus
neoliberaler Prägung, in der Ablegung sozialstaatlicher »Fesseln«. Als
mit dem
Zusammenbruch der Sowjetunion das größte Gegengewicht wegfiel, konnten sich
die zerstörerischen Tendenzen des ungehemmten kapitalistischen Marktes immer
mehr entfalten. Heute bestimmen transnationale Konzerne und die Kapital- und
Finanzmärkte zunehmend die gesellschaftliche Entwicklung.
Der Neoliberalismus tritt im Namen von mehr Freiheit an, doch werden alle
Lebensbereiche der Kapitalverwertung und insbesondere der Steigerung der
Aktienkurse auf den Finanzmärkten unterworfen. Neoliberale Kräfte fordern
weniger Staat und bauen den Sozialstaat zugunsten eines repressiven
Wettbewerbsstaats ab. Sie berufen sich auf die Demokratie und versuchen,
Gewerkschaften und andere demokratische Organisationen und Bewegungen zu
schwächen. Sie verfolgen eine unsolidarische Politik der Privatisierung,
Deregulierung und Unterordnung aller Lebenssphären unter die Märkte. Sie
lösen
neue imperiale Kriege aus und verschärfen die Terrorgefahren. Statt
Chancengleichheit zu fördern, vergrößern sie die Kluft zwischen oben und
unten.
Niedriglohnsektoren breiten sich aus. Steigende Gewinne gehen einher mit
anhaltender Massenarbeitslosigkeit. Große Teile der Bevölkerung wenden sich
von der Teilnahme an der demokratischen Willensbildung ab.
Ein Widerspruch wird immer stärker: Auf der einen Seite sind Produktivität,
Bildungsstand, wirtschaftliche und technologische Leistungsfähigkeit,
internationale Arbeitsteilung, Möglichkeiten von Emanzipation und
Individualitätsentwicklung fortgeschrittener denn je. Armut, Hunger,
Durst, ein
Leben in Slums, Analphabetismus und viele Krankheiten können überwunden
werden. Die überkommene Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und
die tief
sitzenden patriarchalen Verhaltensmuster sind historisch überholt. Mit
kürzerer
Arbeitszeit unter humanen Bedingungen und ökologisch verträglich kann eine
bessere Befriedigung menschlicher Bedürfnisse erreicht werden. Ein
grundlegend
neues Verhältnis zur Natur ist unbedingt erforderlich und auch möglich. Eine
globale solidarische Entwicklung aller Völker und Regionen in Frieden, eine
Weltgesellschaft der Freien und Gleichen kann das 21. Jahrhundert prägen.
Auf der anderen Seite stehen diesen Möglichkeiten die Herrschafts- und
Eigentumsstrukturen des modernen Kapitalismus entgegen. Durch die globalen
Finanzmärkte wirken die Renditeansprüche des Kapitals schrankenlos und
weltweit. Arbeitsplatzverlust, Realeinkommenssenkung und unsichere
Beschäftigungsverhältnisse sind für viele Menschen Alltag. Die an den
Kapitalbedürfnissen ausgerichtete Flexibilisierung der Produktion und des
Arbeitsmarktes zerstört das Familien- und Gemeinschaftsleben. Öffentliches
Eigentum wird privatisiert und politischer Gestaltung entzogen. Immer
schneller
wird die Aushöhlung sozialer Sicherheit vorangetrieben. Mögliche Wege zur
Zurückdrängung von Arbeitslosigkeit und Armut werden in Deutschland nicht
beschritten.
Die offen hervortretende Klassenspaltung der Gesellschaft fällt zusammen mit
anderen Unterdrückungsverhältnissen: Trotz Gleichstellungsbemühungen ist die
Privilegierung von Männern strukturell ungebrochen. Menschen anderer
Herkunft,
Hautfarbe, sexueller Orientierung und Religion werden diskriminiert.
Rassismus
und Antisemitismus nehmen zu.
Der globale Kapitalismus verschärft die Umweltkrise. Seine Wirtschaft
orientiert
sich an kurzfristigen Börsenkursbewegungen. Dies steht in einem tiefen
Widerspruch zu den langfristigen Zyklen der Natur. Umwelttechnologien
sind hoch
entwickelt, aber der ökologische Umbau von Wirtschaft und Lebensweisen wird
nirgendwo energisch angepackt. Das ist umso bedrückender, weil sich in den
nächsten Jahren entscheiden muss, ob eine globale Klimakatastrophe noch
verhindert werden kann. Drastische Veränderungen in unserer Lebensweise
werden unvermeidlich sein.
Neoliberaler Kapitalismus bedeutet Entdemokratisierung. Bei den
internationalen
Finanzfonds, transnationalen Konzernen und in den supranationalen
Organisationen des globalen Kapitalismus -- Welthandelsorganisation,
Internationaler Währungsfonds, Weltbank usw. -- ist eine ungeheure
Machtfülle
konzentriert. Sie sind jeder demokratischen Kontrolle entzogen. Die
Substanz der
Demokratie wird ausgehöhlt. Mit dem proklamierten »Krieg gegen den
Terrorismus« wird eine massive Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten
gerechtfertigt. Es wird immer ungehemmter auch zu barbarischen Methoden der
Herrschaft gegriffen.
Mit der Europäischen Union ist ein neuer Raum für gemeinsame soziale Kämpfe,
Bewegungen für Frieden und nachhaltiges Wirtschaften, für Demokratie und
gegen
Rassismus und Nationalismus, ein neuer Raum der Klassenkämpfe entstanden. In
Europa sind die freie Bewegung des Kapitals, die Verlagerung von
Produktionsstätten und die Wanderung von Arbeitskräften alltäglich und
widerspiegeln die durch den Maastrichter Vertrag manifestierte neoliberale
Ausrichtung der Europäischen Integration. Der Zusammenschluss von
Gewerkschaften, demokratischen Initiativen, der Friedens-, Frauen- und
Umweltbewegung steht jedoch erst am Anfang. Die Konföderale Fraktion der
Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) im
Europaparlament ist im Ergebnis der Wahlen zum Europaparlament zustande
gekommen und trägt wesentlich dazu bei, einer linken Europapolitik
parlamentarisch Profil zu geben. Mit der Partei der Europäischen Linken
hat sich
eine Kraft auf den Weg gemacht, Mitglieder verschiedener linker Parteien in
Europa zum gemeinsamen politischen Handeln zu vereinen. Die Europäischen
Sozialforen und die europäische Gewerkschaftsbewegung greifen in die
sozialen
und politischen Auseinandersetzungen ein.
Die imperiale Politik unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika
zielt auf
eine ganz der Kapitalverwertung untergeordnete Welt, auf die ungehinderte
Verfügung über Rohstoffe und Energieträger, auf Ausweitung von
Herrschaft und
Einflusssphären. Aufgekündigt ist die Norm des Völkerrechts, die jeden
Angriffskrieg verbietet. Die NATO und die Europäische Union setzen auf
globale
Eingreiftruppen. Im Namen eines Kreuzzuges gegen den Terrorismus kommen
Tausende unschuldiger Menschen ums Leben. Eine Spirale der Gewalt erzeugt
immer neue Bereitschaft zu Terrorakten, der menschenverachtenden Antwort
auch
auf die Arroganz imperialer Macht und die tiefen Gräben zwischen reichen und
armen Ländern.
*III. Unsere Alternative: Soziale, demokratische und friedensstiftende
Reformen zur Überwindung des Kapitalismus*
Eine andere Politik ist nötig und möglich. Die neue Linke hat eigene
Antworten auf
die Herausforderungen der Gegenwart -- auf die gewachsene internationale
Verflechtung, die chronische Massenarbeitslosigkeit, die Krise der sozialen
Sicherungssysteme, die Begrenztheit von Ressourcen und der ökologischen
Belastbarkeit der Erde, den Wandel der Altersstruktur der Gesellschaft. Wir
bestreiten, dass es wegen begrenzter wirtschaftlicher Potenziale
unumgänglich ist,
von der Bevölkerung Verzicht auf Sicherheit, Selbstbestimmung und eine hohe
Lebensqualität zu verlangen.
Die neue Linke legt programmatische Grundzüge einer umfassenden
gesellschaftlichen Umgestaltung vor, um die Vorherrschaft der
Kapitalverwertung
über Wirtschaft und Gesellschaft zu beenden und den Herausforderungen der
Gegenwart mit einem alternativen Entwicklungsweg zu begegnen. Es ist ein
Programm des Richtungswechsels der Politik und der Erneuerung der
Demokratie.
Unsere Ziele sind:
- eine Demokratisierung der Gesellschaft, die allen gleiche
Möglichkeiten der
Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens garantiert. Dazu gehört auch der
Kampf gegen patriarchale Unterdrückung, gegen alle Formen von Rassismus,
Antisemitismus, Rechtsextremismus.
- eine soziale Gestaltung von Arbeit und Wirtschaft: Im Mittelpunkt
steht dabei
nach wie vor, jeder und jedem die Möglichkeit zur Teilhabe an
Erwerbstätigkeit und
an deren sozialer Gestaltung zu geben. Dies ist Bedingung und Grundlage für
vielfältige andere Tätigkeiten.
- eine Wirtschaftsdemokratie, die alle Formen des Eigentums an sozialen und
ökologischen Kriterien misst. Im öffentlichen Eigentum an Einrichtungen der
Daseinsvorsorge und öffentlicher Verfügungsgewalt über sie sehen wir eine
unverzichtbare Grundlage einer demokratischen und solidarischen
Gesellschaft.
- eine neue Solidarität auf der Basis moderner öffentlicher
Dienstleistungen,
solidarischer Sicherungssysteme und des ökologischen Umbaus der Gesellschaft
als Grundlage eines selbstbestimmten Lebens.
- eine internationale Ordnung des Friedens, der kollektiven Sicherheit und
solidarischen Entwicklung, zu der eine veränderte Europäische Union
beitragen
soll.
Wir streiten für eine Gesellschaft, die jede und jeden an den
Bedingungen eines
Lebens in Freiheit, sozialer Sicherheit und Solidarität beteiligt. Zu den
Freiheitsgütern, die dies erst ermöglichen, gehören die sozial gleiche
Teilhabe der
Einzelnen an den Entscheidungen in der Gesellschaft, existenzsichernde,
sinnvolle
Arbeit, Bildung und Kultur, hochwertige Gesundheitsleistungen und soziale
Sicherungen. Notwendig ist die Überwindung aller Eigentums- und
Herrschaftsverhältnisse, »in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein
geknechtetes,
ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist« (Karl Marx).
*1. Arbeit:* Selbstbestimmt und solidarisch statt abhängig und in Konkurrenz
Erwerbsarbeit steht heute mehr denn je in einem Spannungsverhältnis zwischen
Streben nach Selbstverwirklichung auf der einen sowie Ausbeutung und
Unsicherheit auf der anderen Seite. Ein Teil der Arbeitsverhältnisse ist
bestimmt
durch mehr Selbstverantwortung der Lohnabhängigen. Gleichzeitig breiten sich
soziale Unsicherheit, Massenarbeitslosigkeit, niedrige Löhne, extreme
Abhängigkeit und erzwungene Unterordnung aus. Arbeit im Haushalt,
partnerschaftliche Fürsorge, Betreuung und Erziehung von Kindern,
soziale Arbeit
werden auch weiterhin vor allem von Frauen verrichtet. Der Anteil von
Migrantinnen und Migranten an schlecht bezahlter Arbeit ist besonders hoch.
Wir streben eine Gesellschaft an, in der jede Frau und jeder Mann eine
existenzsichernde Arbeit ausüben kann. Erwerbsarbeit, Arbeit in Familien und
Partnerschaften, Arbeit zur Mitgestaltung der Gesellschaft sowie die
Teilnahme am
kulturellen und sozialen Leben muss allen Menschen möglich sein.
Gesellschaftlich notwendige Arbeiten und die Chancen, am gesellschaftlichen
Leben aktiv und mit Einfluss teilnehmen zu können, müssen gleich
verteilt sein.
Das wollen wir als neue Vollbeschäftigung.
Um dieses Ziel einer Neuorganisation gesellschaftlicher Lebenschancen und
Arbeit zu erreichen, setzen wir uns ein für die Zurückdrängung der Macht der
Finanzmärkte, für eine deutliche Verringerung der Einkommens- und
Vermögensunterschiede, für die staatliche bzw. öffentliche Verantwortung
für alle
Felder der Daseinsvorsorge, für die Ausweitung öffentlicher
Investitionen, für eine
deutliche Arbeitszeitverkürzung, die Männern und Frauen für Familienarbeit,
Engagement in der Gesellschaft und für sich selbst Raum lässt, für die
Aufwertung
und rechtliche wie finanzielle Absicherung der Eigentumsformen einer
solidarischen Ökonomie und ein umfassendes System sozialer Sicherheit.
Für die Lohnarbeit heißt dies:
- *Arbeitszeitverkürzung*: Wir wenden uns gegen die Verlängerung von
Arbeitszeiten und fordern vielmehr ihre Verkürzung als Grundlage einer neuen
Verteilung von Erwerbsarbeit. Wir streben eine Verkürzung der Wochen-,
Jahresund
Lebensarbeitszeit, Wahlarbeitszeiten, erleichterte Sabbatjahre und
Freistellung für gesellschaftspolitische Arbeit und andere Arbeitsformen an.
Aufgrund der steigenden Produktivität der Arbeit kann dies erreicht
werden, ohne
dass die Einkommen sinken. Eine Arbeitszeitverkürzung kommt auch den
veränderten Geschlechterrollen, nach denen Frauen und Männer sich Erwerbsund
Sorgearbeit teilen wollen und sollen, zugute.
- *neue Arbeitsplätze durch ökologischen und sozialen Umbau*, darauf
konzentrierte
öffentliche Zukunftsinvestitionsprogramme und Förderung technologischer
Innovationen im Bereich Ressourceneffizienz und erneuerbare Energien, den
bedarfsgerechten Ausbau öffentlicher Dienstleistungen in den Bereichen
Bildung
und Erziehung, Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur sowie des
öffentlichen Personenverkehrs und anderer Bereiche der Daseinsvorsorge.
- öffentlich geförderte und gestaltete Beschäftigungssektoren mit
genossenschaftlichen Elementen, die jene sozialen, kulturellen und
ökologischen
Bedürfnisse befriedigen, die weder der Markt noch der öffentliche Dienst
abdecken.
- eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die sich auf diejenigen konzentriert,
die besonders
schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Wir wollen, dass ihnen durch
Konzentration öffentlicher Finanzmittel und durch ihre Kombination mit
anderen
Fonds reguläre, versicherungspflichtige, tariflich bezahlte
Arbeitsplätze angeboten
werden.
- eine Nutzung der Produktivitätsgewinne für höhere Reallöhne und
Arbeitszeitverkürzung.
- *einen gesetzlichen Mindestlohn in existenzsichernder Höhe*.
- die Durchsetzung eines neuen Normalarbeitsverhältnisses auf der Basis der
vollen sozialen Absicherung aller Beschäftigungsverhältnisse und der
Humanisierung der Arbeit, der Tarifautonomie und der
Allgemeinverbindlichkeit der
Tarifverträge, eines hohen Kündigungsschutzes und starker
Mitbestimmungsrechte aller Beschäftigten sowie der Angleichung der Löhne von
Frauen an die der Männer.
- gesetzliche Regelungen gegen den zunehmenden Missbrauch von Praktika.
- Gültigkeit der inländischen Sozialstandards für alle hier Arbeitenden
durch
Ausdehnung des Entsendegesetzes auf alle Branchen und eine grundlegende
Reform der europäischen Dienstleistungsrichtlinie, um alle Formen von
Dumpingkonkurrenz zu verhindern und gemeinwohlorientierte
Dienstleistungen zu
sichern.
- Vergabe öffentlicher Aufträge an solche Unternehmen, die hohe soziale und
ökologische Standards im Inland einhalten und eine Verbesserung dieser
Standards im globalen Rahmen unterstützen.
Um diese Ziele durchsetzen zu können, wollen wir die Zusammenarbeit mit den
Gewerkschaften weiter ausbauen. Aktionen der Gewerkschaften zum Erhalt von
Arbeitsplätzen, Tarifverträgen und sozialen Rechten unterstützen wir
solidarisch.
*2. Wirtschaft und Umwelt:* Nachhaltig dem Gemeinwohl verpflichtet statt
kapitaldominiert und umweltzerstörend
Die herrschende Politik hat die Macht der Finanzmärkte, der transnationalen
Kapitalgesellschaften, der Marktsteuerung und der Großkonzerne gestärkt.
Fünfhundert Konzerne kontrollieren die Hälfte des Weltsozialprodukts. In den
Machtzentren des Finanzkapitals wird weltweit nahezu unkontrolliert über
Investitionen, Arbeitsplätze und die Lebensperspektiven von Milliarden
Menschen
entschieden. Die Kapitalrendite ist wiederum zum Maß aller Verhältnisse
geworden. Die heutige Wirtschaftsordnung führt zu Niedrigstlohnkonkurrenz,
Armutsmigration, Umweltzerstörung, bedrohlichen Klimawandel, schreiender
Ungerechtigkeit und Elend für sehr viele Menschen.
Um ein selbstbestimmtes Leben, sinnvolle und sozial gestaltete Arbeit
für alle zu
ermöglichen, einen ökologischen Umbau einzuleiten, die sozialen
Sicherungssysteme zu erneuern und solidarische Entwicklung global zu
ermöglichen, ist ein grundsätzlicher Kurswechsel in der Wirtschafts- und
Finanzpolitik unumgänglich.
DIE LINKE tritt für das Primat demokratischer Politik über die
Wirtschaft sowie für
einen sozialen und ökologischen Wandel in der Europäischen Union ein.
Alternative Wirtschaftspolitik ist gestaltende Politik. Sie zielt auf
ein starkes
Gewicht sozialstaatlicher Politik gegen deren Unterordnung unter
Marktzwänge.
Sie misst längerfristiger Struktur-, Wissenschafts- und Technologiepolitik
erhebliches Gewicht bei. Gewinnorientiertes unternehmerisches Handeln ist
wichtig für Innovation und betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit,
führt jedoch
zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, zunehmender sozialer Ungleichheit
und Spaltung, wenn es nicht gesellschaftlichen Schranken und Regeln
unterworfen
wird. Deshalb strebt DIE LINKE eine neue sozial-ökologische
Rahmensetzung für
die Marktmechanismen an, weil ohne Mitbestimmung, gewerkschaftliche
Gegenmacht und sozialstaatliche Regulierung private Unternehmerinteressen zu
volkswirtschaftlich, sozial und ökologisch verlustreichen
Fehlentwicklungen führen.
Für mehr Investitionen und die Sicherung des Sozialstaats braucht der
Staat Geld.
Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Durch höhere Einnahmen
kann
auch die Verschuldung sozial gerecht abgebaut werden.
Wir streiten für die Einheit von sozialer, ökologischer und ökonomischer
Nachhaltigkeit. Die nachhaltige Bewahrung und Wiederherstellung einer
lebenswerten Umwelt ist eine zutiefst soziale Angelegenheit und zentrale
Säule
von Gerechtigkeit. Es sind die armen, benachteiligten
Bevölkerungsschichten, die
national und international am meisten unter Luftverschmutzung, Lärm,
ungesunder
Nahrung, Trinkwassermangel, dramatischen Klimaveränderungen sowie dem
Preisanstieg knapper natürlicher Ressourcen zu leiden haben. Natur und
Umweltzerstörung berauben künftige Generationen ihrer Lebensgrundlagen.
Zur Einleitung einer wirtschafts- und umweltpolitischen Umkehr setzen
wir uns ein
für
- öffentliche beschäftigungsfördernde Zukunftsinvestitionsprogramme: Die
öffentlichen Investitionen und andere Ausgaben in Erziehung und Bildung,
Forschung, Kultur, ökologischen Umbau und öffentliche Infrastruktur müssen
mindestens um jährlich 40 Milliarden Euro angehoben werden. Eine Million
tariflich
bezahlte Arbeitsplätze können so geschaffen werden.
- gerechte Steuerpolitik: Konzerne und andere profitable Unternehmen müssen
wieder deutlich mehr Steuern zahlen. Es soll wieder eine Vermögenssteuer
erhoben werden, die Erbschaftssteuer auf große Erbschaften ist zu erhöhen.
Steuerschlupflöcher, die insbesondere Vermögende und Großverdiener
begünstigen, sind konsequent zu schließen, und Wirtschaftskriminalität ist
entschiedener zu bekämpfen. Veräußerungsgewinne beim Verkauf von
Wertpapieren und Immobilien wollen wir ohne Spekulationsfristen
besteuern. Der
Spitzensteuersatz der Einkommenssteuer soll auf mindestens 50 Prozent
angehoben werden. Wir fordern eine Steuer- und Finanzreform, die die
Länder und
Kommunen mit den notwendigen Mitteln für eine nachhaltige Entwicklung
ausstattet.
- ökologischen Umbau der Energieversorgung. Vorrangiges Ziel ist eine
Wende in
der Energiepolitik hin zu dezentralen Strukturen, die Überführung der
Netze in
öffentliche Hand und die demokratische Kontrolle der Energiepolitik.
Steigerung
der Energieeffizienz, Senkung des Energieverbrauchs und strikte
Ausrichtung auf
erneuerbare Energien sind zur Lösung der Energieprobleme notwendig. Bereits
entwickelte Technologien, wie wasserstoffbetriebene Motoren
(Brennstoffzellen --
alternative Energien) sollen schnellstmöglich genutzt und finanziell
gefördert
werden. Ebenso sollen umweltfreundliche Neuentwicklungen ohne Rücksicht auf
Kapitalinteressen sofort umgesetzt werden. Wir wollen einen beschleunigten
Ausstieg aus der Atomenergie, lehnen neue Atomkraftwerke und den Export von
Atomtechnik ab.
- nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Umweltbelastende
Stoff- und
Energieflüsse sollen vermieden und Ressourceneffizienz von
Wertschöpfungsketten gesteigert werden. Dazu gehört eine umfassende
Umweltbildung.
- soziale und ökologische Verkehrspolitik. Die Gewährleistung von
Mobilität muss
in den Mittelpunkt rücken. Wir brauchen Alternativen zum
individualisierten PKWVerkehr.
Neben stadt- und raumplanerischen Maßnahmen soll der öffentliche
Personenverkehr ausgebaut und durch neue Angebote ergänzt werden.
Privatisierungen sind zu stoppen. Güterverkehr gehört auf die Schiene.
Flugbenzin
ist zu besteuern.
- umweltgerechte regionale Wirtschaftskreisläufe. Die regionale
Herstellung und
Vermarktung von Produkten aus Handwerk und Landwirtschaft soll gefördert
werden, um Transporte zu vermeiden und die regionale Wertschöpfung zu
steigern.
- den Ausbau der ökologischen Land- und Waldbewirtschaftung und die
Förderung
eines deutschland- und europaweiten Schutzgebietssystems zur Erhaltung der
Artenvielfalt. Das Tierschutzgesetz ist konsequent durchzusetzen und zu
verbessern.
- ein Steuer- und Abgabensystem, das umweltfreundliches Handeln fördert
und die
Umwelt schädigendes Verhalten belastet.
- die demokratische Kontrolle der Finanzmärkte und die Dezentralisierung
privater
wirtschaftlicher Macht: Dies verlangt unter anderem Beschränkung der
Wertpapier
und Devisenspekulation, europäische Regelungen für die Eindämmung von
Kapitaltransfers in Steueroasen sowie eine Verschärfung der
Kartellgesetzgebung.
- die Förderung von Genossenschaften und anderer Formen solidarischer
Ökonomie.
*3. Sozialsysteme*: Sicherheit und Förderung für jede und jeden statt Zwang
und soziale Spaltung
Sozialabbau, Privatisierung, Massenarbeitslosigkeit, unsichere
Beschäftigung und
stagnierende bzw. sinkende Einkommen haben die bisherigen Sozialsysteme in
eine Krise geführt. Diese Sozialsysteme entsprechen in ihrer heutigen
Form nicht
mehr den neuen Lebensläufen und Bedürfnissen der Menschen. Die solidarischen
Sicherungssysteme und der Sozialstaat sind eine wesentliche
Errungenschaft. Nur
auf Rechtsansprüchen gegründete soziale Sicherheit ermöglicht Freiheit
für alle,
nicht allein für die Vermögenden. Wir wollen einen demokratischen
Sozialstaat mit
sozialen Mindeststandards, die allen Mitwirkung und Mitentscheiden
ermöglichen.
Wir setzen uns für eine Erneuerung des Sozialstaats und der öffentlichen
Dienstleistungen ein. Soziale Sicherheit soll der Entfaltung der
Persönlichkeit
Rückhalt geben, einen umfassenden Schutz aller Mitglieder der
Gesellschaft vor
den großen sozialen Risiken, eine Sicherung des Lebensstandards im
Alter, bei
Erwerbsunfähigkeit und Erwerbslosigkeit gewährleisten, Armut verhindern
und die
Gleichstellung der Geschlechter und die Vielfalt der Lebensweisen
ermöglichen.
Zur Verwirklichung dieser Aufgaben treten wir ein:
- »*Hartz IV muss weg!*« -- für die Überwindung der Hartz-Gesetze.
- für die Demokratisierung sozialer Sicherungssysteme, die Stärkung ihrer
solidarischen Elemente und die Erneuerung ihrer Selbstverwaltung.
- für eine stärkere Orientierung am Individualprinzip im Steuer- und
Sozialrecht:
Damit soll die staatliche Bevorzugung des Alleinernährermodells überwunden
werden.
- *für die Einführung einer bedarfsorientierten, repressionsfreien sozialen
Grundsicherung: *Wer von Armut bedroht ist, soll Anspruch auf eine
individuelle,
steuerfinanzierte, bedarfsorientierte soziale Grundsicherung haben.
Zumutbare
Arbeitsangebote müssen die Qualifikation berücksichtigen und tariflich
bezahlt
sein. Den Zwang zur Aufnahme jeglicher Jobs lehnen wir ebenso ab wie
erzwungene Erwerbslosigkeit. Wir diskutieren mit unterschiedlichen Partnern
weiter über Vorschläge für ein bedingungsloses Grundeinkommen.
- für eine neue Rentenpolitik: Mit höheren Löhnen müssen auch wieder die
Renten
steigen. Die gesetzliche Rentenversicherung soll in eine
Erwerbstätigenversicherung umgewandelt werden, in die schrittweise
Angehörige
aller Berufsgruppen einbezogen werden. Beamte und Selbständige sollen
zukünftig verpflichtet werden, in die Sozialkassen solidarisch
einzuzahlen. Wir
fordern, Diskriminierungen im Rentenrecht für Ostdeutsche endgültig zu
beseitigen. Die Anhebung des Renteneintrittsalters auf über 65 Jahre
lehnen wir
als verdeckten Angriff auf die Rentenhöhe ab. Notwendig sind flexible
Ausstiegsmöglichkeiten vor dem 65. Lebensjahr. Wir streben das
Renteneintrittsalter ab 60 Jahre an, ohne Abschläge. Dies gilt
insbesondere für
Beschäftigte mit belastenden Arbeitsbedingungen, zum Beispiel
Schichtbeschäftigten. Mindestens sollen die Altersteilzeit weitergeführt
und der
Zugang zu Erwerbsminderungsrenten erleichtert werden.
- *für eine neue Seniorenpolitik*: Alter ist für uns ein Lebensabschnitt
mit eigenen
Ansprüchen und Bedürfnissen, der nicht einfach auf Rente, Pflege oder Kosten
reduziert werden darf und an dessen Mitgestaltung Seniorinnen und
Senioren aktiv
teilhaben wollen. Wir wollen, dass die Lebensleistungen der älteren
Generation
geachtet und die Fähigkeiten, Kompetenzen und das Gestaltungspotenzial der
älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger gefördert und genutzt werden.
Die Zustände in Alters- und Pflegeeinrichtungen, die Betreuung sowie der
Umgang
mit alten Menschen sind unbefriedigend und teilweise menschenunwürdig. Wir
wollen, dass alle erforderlichen Bedingungen geschaffen werden, um Älteren,
insbesondere Kranken und Menschen mit Behinderungen, eine gleichberechtigte
Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu garantieren. Altersarmut ist zu
verhindern.
- für eine neue Jugendpolitik: Die Jugend ist die Zukunft unserer
Gesellschaft.
Aber Wirtschaft und Politik verschlechtern ihre Zukunftschancen seit Jahren
systematisch durch eine verschärfte Auslese im Bildungssystem, durch eine
ungenügende Anzahl an Lehrstellen und durch Entmündigung von jungen
Erwachsenen unter 25 Jahren (Hartz IV). DIE LINKE widersetzt sich jeglicher
Entrechtung der Jugend und setzt sich besonders für ein umfassendes Konzept
einer Ausbildungsinitiative ein mit dem Ziel, für jede(n) Jugendliche(n)
eine
Lehrstelle zu schaffen, bezahlt von den Betrieben, die keine oder zu wenige
Lehrstellen anbieten (Ausbildungsplatzumlage).
- *für eine solidarische Bürgerversicherung im Gesundheitswesen*:
Die gesamte
Bevölkerung soll in der gesetzlichen Krankenversicherung erfasst sein,
die alle
medizinisch notwendigen Leistungen trägt. Sämtliche Einkommen sollen
einbezogen und die Beitragsbemessungsgrenzen deutlich angehoben und
stufenweise abgeschafft werden. Wir wollen die paritätische Finanzierung der
Beiträge durch die Arbeitgeber wieder herstellen. Zu prüfen ist die
Umstellung oder
Ergänzung der Arbeitgeberbeiträge der sozialen Sicherungssysteme durch eine
Wertschöpfungsabgabe. Profitorientierte Strukturen haben im Gesundheitswesen
nichts zu suchen. Gesundheit ist keine Ware, sondern ein Menschenrecht!
- *für einen Umbau des Gesundheitswesens*: Durch Strukturreformen soll die
hochwertige medizinische Versorgung für alle gewährleistet werden.
Dringlich sind
eine bessere Kooperation zwischen den Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern
und allen Leistungserbringern, die Förderung von Gesundheitszentren, die
Begrenzung der Profite der Pharmakonzerne unter anderem durch Einführung
einer Positivliste für Arzneimittel, ein größeres Gewicht von Vorbeugung und
Nachsorge und die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Entlohnung für das
medizinische und pflegerische Personal sowie gestärkte Rechte der
Patientinnen
und Patienten.
- *für den Erhalt der öffentlichen kommunalen Daseinsvorsorge und die
Sicherung
der kommunalen Selbstverwaltung:* Öffentliche Daseinsvorsorge für Bildung,
Gesundheit, Betreuung und Kultur, für Mobilität, Wasser, Gas und Strom ist
elementarer Bestandteil sozialer Sicherheit. Deshalb verteidigen wir die
öffentliche
Daseinsvorsorge und treten für ihre Ausweitung ein. Wir wollen den Verkauf
öffentlichen Eigentums an Wohnungen und Versorgungsunternehmen verhindern.
Wohnen ist ein Menschenrecht und gehört in das Grundgesetz. Wohnung und
Wohnen gehören zu den wichtigsten Bedingungen sozialer Sicherheit und der
Menschenwürde.
*4. Politik*: Mehr Demokratie wagen statt autoritäre »Sachzwangspolitik«
Das Grundgesetz ist mit seinen Grundprinzipien der unantastbaren
Menschenwürde, des sozialen Rechtsstaats und der Demokratie ein
Ausgangspunkt unserer Politik, weil darin eine demokratische Veränderung der
Wirtschafts- und Sozialordnung mit dem Ziel einer gerechten, friedlichen
Gesellschaft verankert ist. In diesem Sinne ist das Grundgesetz geradezu
eine
Aufforderung zum demokratischen Sozialismus.
In immer mehr Bereichen der Gesellschaft registrieren wir eine Einschränkung
demokratischer Rechte auch mittels internationaler Organisationen und
europäischer Einrichtungen. Der sogenannte Krieg gegen den Terror wird
für den
Abbau von Grund- und Freiheitsrechten genutzt. Dem Verbreiten von Misstrauen
und Verdächtigungen, insbesondere gegenüber Muslimen, setzen wir eine Kultur
des Dialogs und der Zusammenarbeit entgegen.
Wir verlangen, dass über die wirtschaftliche, politische und kulturelle
Ordnung
unserer Gesellschaften und ihre Entwicklung demokratisch entschieden wird.
Wir wollen eine Demokratisierung der Demokratie und fordern:
- die Stärkung der individuellen Rechte: Staatliches Handeln muss immer
überprüfbar und die Einzelnen müssen vor ungerechtfertigten Zugriffen
des Staats
geschützt sein. Deswegen ist der Rechtsstaat mit der Rechtswegegarantie
für uns
ein hohes Gut, und wir brauchen unabhängige Kontrollinstanzen gegenüber den
staatlichen Sicherheitsorganen. Wir halten an der strikten Trennung von
Polizei
und Bundeswehr sowie von Polizei und Geheimdiensten fest. Das regelmäßige
Recht, selbst über die eigenen Daten und ihre Verwendung zu bestimmen,
ist und
bleibt für uns unaufgebbar.
- Wirtschaftsdemokratie: Wir streben die Demokratisierung der
Verfügungsgewalt
über alle Formen von Wirtschaftsmacht an. Durch paritätische
Mitbestimmung der
Beschäftigten, ihrer Gewerkschaften sowie Vertreterinnen und Vertreter der
Regionen und Verbraucher soll die Macht des Kapitals demokratischen
Interessen
untergeordnet werden. In Ergänzung der gewerkschaftlichen Mitbestimmung
müssen die Mitbestimmungsrechte von Betriebs- und Personalräten
gesichert und
ausgebaut werden. Das Recht auf den politischen Streik, einschließlich des
Generalstreiks, muss ausgeübt werden können.
- lebenswerte Kommunen: Wir erachten es für dringend erforderlich, die
Stellung
der Kommunen im föderalen System auszubauen. Die Ausgestaltung der
kommunalen Selbstverwaltung muss auf die Gewährleistung politischer,
wirtschaftlicher, sozialer, juristischer und finanzieller Freiheiten
ausgerichtet sein.
Die kommunale Wirtschaftstätigkeit ist eine gleichberechtigte Säule des
ökonomischen Systems. Die Formen des kommunalen Eigentums müssen im
Interesse der Daseinsvorsorge erhalten bleiben. Den Kommunen soll ein
höherer
Anteil am Gesamtsteueraufkommen der Bundesrepublik zugewiesen werden,
damit Selbstverwaltung verwirklicht werden kann. Mittels der öffentlichen
Daseinsvorsorge müssen die Kommunen qualitativ hochwertige Leistungen
erbringen und dabei sozialen und ökologischen Erfordernissen Rechnung tragen
können. DIE LINKE steht für eine Entwicklung hin zur Bürgerkommune -- unter
anderem mit partizipativem Haushalt --, in der die Menschen ihre
Angelegenheiten
selbst entscheiden und gestalten.
- Geschlechterdemokratie: Trotz verfassungsrechtlich garantierter
Gleichberechtigung ist die ungleiche Verteilung von Chancen zwischen Frauen
und Männern nicht aufgehoben. Politische und wirtschaftliche Macht sind
patriarchal geprägt. Der Grad gesellschaftlicher Demokratie misst sich
für uns an
der Freiheit von Frauen und Männern, den eigenen Lebensentwurf frei von
Rollenklischees umsetzen zu können. Die gerechte Verteilung von Erwerbs-,
Haus- und Erziehungsarbeit zwischen den Geschlechtern ist eine wichtige
Voraussetzung dafür. Wir brauchen Gleichstellungsgesetze, auch für die
Privatwirtschaft, und Frauenförderungsprogramme. Elementar ist die
Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper. Deshalb: Abschaffung des §
218. Gewalt an Frauen, Gewalt von Männern gegen Frauen muss öffentlich
geächtet und entschieden verfolgt werden. Betroffene Frauen und Kinder
brauchen
Rechtsschutz, ein funktionierendes Netz von Unterstützungs- und
Beratungsstellen.
- aktive Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik:
Diskriminierung aufgrund
der Merkmale Alter, Geschlecht, sexuelle Identität, Behinderung,
ethnische und
religiöse Zugehörigkeit lehnen wir ab. Wir wollen eine aktive
Gleichstellungspolitik,
die Benachteiligung und Stigmatisierung in Arbeit und Zivilgesellschaft
entgegenwirkt. Dies erfordert unter anderem ein effektives, umfassendes
Antidiskriminierungsgesetz, das die Möglichkeit der Verbandsklage
einschließt.
- eine enge Verbindung von parlamentarischer und direkter Demokratie:
Volksbegehren und -entscheide sowie Bürgerhaushalte sollen mehr Einfluss und
Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger ermöglichen.
- die Stärkung demokratischer Mitwirkung: Für Umweltorganisationen,
Verbraucherverbände, Gewerkschaften, Vereine und andere
zivilgesellschaftliche
Kräfte sowie Bürgerinnen und Bürger wollen wir demokratische Planungs-,
Kontroll- und Einspruchsrechte.
- gleiche Rechte: Allen in Deutschland und der Europäischen Union
lebenden und
arbeitenden Menschen stehen gleiche Rechte einschließlich des Wahlrechts zu.
Wir begreifen die Herkunft der heute in Deutschland Lebenden aus
unterschiedlichen Kulturkreisen als Bereicherung und nehmen die
Gestaltung der
Integration der eingewanderten und schon lange hier lebenden Bevölkerung als
gesellschaftliche Herausforderung an. Für die auf deutschem Staatsgebiet
lebenden Minderheiten (Dänen, Friesen, Sinti und Roma sowie Sorben)
fordern wir
eine Erweiterung ihrer Partizipationsrechte und eine angemessene öffentliche
Förderung zum Erhalt und zur Weiterentwicklung ihrer Sprachen und Kulturen.
- Sozialer Rechtsstaat: Der verfassungsrechtlich garantierte und dem
Zugriff des
Gesetzgebers entzogene Grundsatz des sozialen Rechtsstaats ist Weg und Ziel
linker Rechtspolitik. Der Begriff des sozialen Rechtsstaats zielt auf eine
Veränderung des Verhältnisses von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ab.
Entscheidend am Gedanken der Sozialstaatlichkeit ist die Aufforderung, die
Wirtschafts- und Sozialordnung in einem dynamischen, demokratischen Prozess
sozial neu zu gestalten. Solidarität ist als Bestandteil des
Sozialstaatsgebots
Grundprinzip der Verfassung. Das Sozialstaatsgebot soll durch
Festschreibung der
Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit und des Gebots der staatlichen
Absicherung
der wichtigsten Lebensrisiken konkretisiert werden. Zur sozialen
Gerechtigkeit
gehört es auch, für eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen
Reichtums zu
sorgen. Soziale Grundrechte sollten zur Durchsetzung des Sozialstaats
zusätzlich
in das Grundgesetz aufgenommen werden.
- offene Grenzen für Menschen in Not: Wir setzen uns für die
Wiederherstellung
des Grundrechts auf Asyl ein und werben für eine Harmonisierung des
Asylrechts
in Europa auf hohem Niveau.
- Ächtung des Rechtsextremismus und Neonazismus: Diese Kräfte werden wir
politisch bekämpfen, den öffentlichen Raum gegen sie verteidigen und die
antifaschistische Bildungsarbeit intensivieren. Deswegen wollen wir
zivilgesellschaftliche Strukturen gegen Rechtsextremismus stärken, unter
anderem
dadurch, dass entsprechende Initiativen und Beratungsteams öffentliche
Mittel
erhalten und vorhandene Unterstützung ausbauen. Es gehört zu den
vordringlichen Aufgaben der Linken, über die bisherigen punktuellen
Maßnahmen
hinaus ein schlüssiges Konzept gegen den Neonazismus zu entwickeln. Größere
Aufmerksamkeit wird DIE LINKE der Entwicklung des Neofaschismus im
internationalen Rahmen widmen.
*5. Geschlechtergerechtigkeit*: Anerkennung vielfältiger Formen des
Zusammenlebens statt Privilegierung der Ehe
Wir verbinden die Erfahrungen der Frauenbewegungen in Ost und West mit
unterschiedlichen feministischen Politikansätzen. Dies bietet die
Chance, eine
feministische Lesart ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse und eine
entsprechende politische Gestaltung in der Arbeitswelt, der Bildung, den
Sozialsystemen, der Öffentlichkeit und in der eigenen Organisations- und
Politikentwicklung voranzubringen.
In der Konsequenz entwerfen wir eine positive Gleichstellungspolitik für
Frauen,
die den Zugang zu gesellschaftlichen Entscheidungen ermöglicht, ohne ihnen
Lebensformen aufzudrängen, die sie mit Verzicht auf persönliche
Entfaltungsmöglichkeiten bezahlen. Die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf ist
mehr als eine frauenpolitische Forderung nach Anerkennung fachlicher
Kompetenzen. Es geht dabei sowohl für Männer als auch für Frauen um nicht
weniger als ein Umdenken und Neubewerten von gesellschaftlicher Arbeit
-- ob am
Computer, im Haushalt, an der Werkbank, auf dem Spielplatz oder bei der
Pflege
von Angehörigen.
Für uns sind Quotierung, ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft,
gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit, bedarfsdeckender Ausbau von
Ganztagseinrichtungen zur Kinderbetreuung zentrale politische
Forderungen. Die
Trennung in männliche und weibliche soziale Rollen, die strukturelle
Diskriminierung des weiblichen Geschlechts müssen aufgehoben werden.
Wir wollen die bestehenden patriarchalen Regelungen im Sozial- und
Steuerrecht
beseitigen. Soziale Beziehungen der Geschlechter müssen den Charakter eines
Herrschaftsverhältnisses verlieren. Wir fordern politische Instrumente,
die familiäre
Abhängigkeiten aufheben und gegenseitige Verantwortung in allen
unterschiedlichen Lebensformen stärken, denn die Institution der
bürgerlichen Ehe
kann nicht die einzige anerkannte Familienform sein. Ein neues
Familienbild muss
auch die Lebensweisen von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern
einschließen. Notwendig ist eine aktive Politik für Menschen mit
Kindern, egal in
welchen Beziehungsformen sie zusammen leben. Das Modell von der Rolle des
Mannes als alleinigem Ernährer der Familie gehört der Vergangenheit an. Neue
Beziehungen von Angehörigen entstehen. Sie benötigen rechtliche Anerkennung.
*6. Wissenschaft und Bildung, Medien und Kultur*: Beitrag zu Aufklärung und
Emanzipation statt Selbstvermarktung
Die Ergebnisse der Wissenschaften und die Revolution der Informations- und
Kommunikationstechnologien haben die Chancen für die freie Entwicklung der
Einzelnen erhöht. Doch der Zugang zu Wissenschaft, Bildung, Kultur und
Information ist gerade in Deutschland nicht allen in gleicher Weise möglich.
Neoliberale Strategien ordnen diese Potenziale der Standortkonkurrenz
und dem
Zwang zur Selbstvermarktung unter. Statt auf umfassende Bildung wird auf
kurzfristig verwertbares Wissen gesetzt. Die Möglichkeiten des
Bildungserwerbs
werden unter diesem Blickwinkel eingeschränkt. Wissenschaftliche Arbeit muss
weit stärker auf die entscheidenden ungelösten Probleme der Gesellschaft
konzentriert werden. Das verbietet eine Unterwerfung der Wissenschaft unter
betriebwirtschaftliche Kriterien.
Ausgehend von der Verpflichtung des Staates zur weltanschaulichen und
religiösen Neutralität treten wir für eine konsequente Trennung von
Staat und
Kirche/Religion ein. Wir bekennen uns zur verfassungsmäßig garantierten
Religions-, Bekenntnis- und Gewissensfreiheit als Grundsäule der
Demokratie und
Aufklärung und lehnen gewaltsame Missionierung, staatlich verordnete
Indoktrination und gesetzlich privilegierte Sonderstellungen von Kirchen und
Religionsgemeinschaften ab. Das religiöse und weltanschauliche
Bekenntnis ist
ein Recht und die Freiheit des Individuums, Teil des intimen
Privatbereiches jedes
Menschen.
Mit unseren politischen Alternativen wollen wir die Teilhabe jedes
Menschen am
gesamten Reichtum von Wissenschaft, Bildung, Kultur und Information
ermöglichen, die kreativen Potenziale wecken und die Beteiligung an
gesellschaftlicher Veränderung stärken. Das Recht auf unentgeltliche Bildung
gehört ins Grundgesetz. Wir fordern die Verwirklichung dieses
Grundrechts für
alle, unabhängig von ihrer Nationalität, sozialen Lage, von Geschlecht und
besonderer körperlicher und geistiger Verfasstheit. Bildungserwerb,
kultureller
Austausch und Medienkompetenz sollen ein eigenständiges und freies Leben
ermöglichen. Wissenschaft und Kultur sind ein demokratisches Gut und der
Allgemeinheit verpflichtet.
Dazu gehören:
- Bildung von Anfang an: Jedes Kind muss das Recht auf eine gebührenfreie
ganztägige Betreuung in Kindertagesstätten haben. Die öffentlich getragene
vorschulische Bildung muss aufgewertet werden.
- längeres gemeinsames Lernen in einem wohnortnahen und öffentlichen
Bildungssystem: Ziel ist eine integrative Schule für alle Kinder von der
ersten bis
mindestens zur neunten Klasse, die eine soziale Auslese beendet und
Kinder und
Jugendliche sowohl bei Lernschwächen als auch in ihren Begabungen
individuell
fördert. Wir wollen Ganztagsschulen unterstützen und ein flächendeckendes
Angebot ganztägiger Bildung gewährleisten.
- breite außerschulische Bildungsangebote: Das bezieht sich vor allem auf
umfangreiche Angebote der öffentlich getragenen Volkshochschulen,
Musikschulen, Bibliotheken, Kinder- und Jugendklubs sowie Sportstätten.
- das Grundrecht auf Ausbildung: Der Rückzug der Arbeitgeber aus ihrer
Verantwortung für die berufliche Bildung muss gestoppt werden. Wir
setzen uns für
ein flächendeckendes und auswahlfähiges Ausbildungsplatzangebot ein. Dazu
brauchen wir die gesetzliche Umlagefinanzierung.
- die Abschaffung von Gebühren im Bildungsbereich: Bildung ist für uns ein
öffentliches Gut, das wegen seiner Bedeutung für die Gesellschaft und jeden
einzelnen Menschen kostenfrei zugänglich sein soll. Deshalb lehnen wir
Studiengebühren in jeder Form ab und setzen uns für eine
Lehrmittelfreiheit an
den Schulen ein. Schülerinnen, Schülern und Studierenden aus
einkommensschwachen Haushalten muss wieder eine ausreichende
Ausbildungsförderung gewährt werden.
- die Demokratisierung der Hochschulen: Die profitorientierte
Einflussnahme auf
Universitäten und Hochschulen soll zurückgedrängt und die öffentliche
Finanzierung ausgebaut werden. Wir streben an den Hochschulen eine
drittelparitätische Selbstverwaltung an. Der Zugang zu allen
Studienabschlüssen
soll frei bleiben. Übergänge aus der beruflichen Bildung in die Hochschulen
müssen erleichtert werden.
- Weiterbildung für alle: Wir fordern eine bessere Qualität in der
Weiterbildung und
die öffentliche Verantwortung für diesen Bereich. Die ungenügende
öffentliche
Finanzierung von Weiterbildung und die Reduzierung der Weiterbildung auf die
Sicherung von Beschäftigungsfähigkeit müssen gestoppt werden. Wir treten
ein für
eine Ausweitung der Ausbildungsförderung auf den Weiterbildungsbereich
und für
ein Bundesweiterbildungsgesetz.
- eine Neuausrichtung der Forschung: Wir treten ein für die Stärkung der
Grundlagenforschung, für ein ausgewogenes Verhältnis von theoretischer und
anwendungsorientierter Forschung und Lehre, für den Abbau hierarchischer
Strukturen und größere Selbstständigkeit des wissenschaftlichen
Mittelbaus. Wir
wenden uns gegen Patente auf Gene von Lebewesen oder Teilen von Lebewesen,
insbesondere von Menschen. Das gilt auch für Software und viele anderen
Entwicklungen, die dem Nutzen der Menschheit dienen. Wir unterstützen
die Open
Source- und Open Access Software-Bewegung.
- kulturelle Freiheit und Vielfalt: Kultur- und Medienpolitik sollen der
Trägervielfalt
kultureller Produktion gerecht werden, öffentliche und gemeinnützige
Institutionen,
unabhängige Verlage, Studios, Agenturen und künstlerische Produktionsfirmen
fördern.
- kooperativer Kulturföderalismus mit europäischer Dimension: Er hat
lebenswerte
Kommunen zum Ausgangspunkt, die in der Lage sind, das regionale
Kulturleben in
allen sozialen Milieus zu fördern und Freiräume für die kulturelle
Selbstbestimmung aller Altersgruppen zu gewährleisten.
- Informations- und Meinungsfreiheit: Wir wollen den öffentlich-rechtlichen
Rundfunk sichern und die Pressefreiheit in den Redaktionen der
Medienkonzerne
stärken. Eine deutliche Verschärfung der Kartellgesetzgebung soll die
Monopolisierung der Massenmedien beenden. Die Rechte der Urheberinnen und
Urheber gegenüber den Verwertungsunternehmen wollen wir stärken und zugleich
einen Ausgleich finden, damit die nichtkommerzielle Nutzung möglichst wenig
einschränkt wird.
*7. Ein Neubeginn für Ostdeutschland und strukturschwache Gebiete
Westdeutschlands statt Zurückbleiben und Spaltung*
Ostdeutschland braucht einen neuen Ansatz der Politik. Eine Politik des
»Weiter
so« ist unverantwortlich. Es ist höchste Zeit für einen Perspektiven- und
Strategiewechsel, denn die Form der deutsch-deutschen Vereinigung und der
weitgehende Verzicht auf eine gestaltende Politik mit Blick für die
Spezifik der
ostdeutschen Probleme haben das Land zwischen Elbe und Oder in eine
strukturell abhängige Transferregion verwandelt. Überdies verschärft die
Standortkonkurrenz die regionale Ungleichheit -- auch zu Lasten
strukturschwacher Regionen in Westdeutschland.
Mit der Art und Weise eines achtungsvollen partnerschaftlichen
Zusammengehens
unserer beiden Parteien zu einer neuen Linken haben wir zugleich ein
Zeichen für
die Überwindung politischer und kultureller Gegensätze zwischen Ost und
West in
Deutschland gesetzt.
Unsere Partei wird auch bei künftig stärkerer Verankerung in West wie
Ost ihre
historisch gewachsene besondere Verantwortung für die Vertretung
ostdeutscher
Interessen im deutschen Parteiensystem wahrnehmen. Beim Beitritt der DDR zur
BRD sind wichtige Erfahrungen aus der DDR, wie eine umfassende
Kinderbetreuung, ein modernes Schul- und Bildungssystem, die ökonomische
Gleichstellung der Frauen, ortsnahe Kultureinrichtungen und das Prinzip der
Polikliniken, auf ihre eventuelle Übernahme für Gesamtdeutschland weder
geprüft
noch übernommen worden. Dagegen wurden wissenschaftliche und kulturelle
Potenziale, soziale Leistungsstandards und vielfältige direkte
gesellschaftspolitische Mitwirkungsmöglichkeiten der Menschen in
Ostdeutschland
zerstört, die Lebenserfahrungen und -leistungen vieler DDR-Bürgerinnen und -
Bürger missachtet und nicht als Bereicherung und Gewinn für ein vereintes
Deutschland angesehen.
Wir wollen einen demokratischen und sozialen Wandel für die ganze
Bundesrepublik und in diesem Rahmen besondere Anstrengungen für eine
selbsttragende wirtschaftliche und soziale Entwicklung Ostdeutschlands. Eine
andere gesamtwirtschaftliche Politik in Deutschland ist dafür eine
notwendige
Bedingung. Angesichts von Grundproblemen, die allein durch Marktmechanismen
nicht erfasst werden, verlangt die Gestaltung neuer Entwicklungswege für
Ostdeutschland eine neue gesamtdeutsche Innovations-, Investitions- und
Strukturpolitik sowie eine in den lokalen Räumen, Regionen und Ländern
verstärkte Förderung der Selbstorganisation von unten.
Notwendig sind besonders
- Anerkennung und Respekt: Wir treten für die Achtung vor den
Lebensleistungen
der Menschen in Ost und West ein. Wir wollen, dass die besonderen
Erfahrungen
der Ostdeutschen nicht länger in den Wind geschlagen werden.
Wir fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit und die Beseitigung aller
Diskriminierungen Ostdeutscher im Rentensystem.
- lebenswerte Rahmenbedingungen: Besonders für junge Menschen müssen
Bildung, Kultur-, Freizeit- und Kinderbetreuungseinrichtungen, interessante
Arbeitsplätze und Vereinbarkeit von Familie und Beruf so entwickelt
werden, dass
es sich lohnt, in Ostdeutschland zu bleiben.
- eine neue Regionalpolitik: Das heißt vor allem eine Konzentration auf
die in allen
Regionen vorhandenen, jedoch ganz unterschiedlichen
Entwicklungspotenziale --
gleich ob Hightech, gewerbliche Wirtschaft, Hochschulen,
Gesundheitswirtschaft,
Kultureinrichtungen, Naturtourismus, Bio-Landwirtschaft -- und ihre gezielte
Förderung als Bedingung des Erhalts der vorhandenen und der Schaffung neuer
Arbeitsplätze. Notwendig ist die kooperative Verflechtung von
Wachstumszentren,
strukturschwachen, ländlichen und peripheren Räumen. Erforderlich sind
spezifische regionale Entwicklungskonzepte, die eine lebenswerte
Zukunftsperspektive für alle Regionen schaffen.
- verstärkte Investitionen in Bildung, Qualifikation und Forschung: von den
Kindertagesstätten über Hochschulen und Forschungseinrichtungen bis zu
innovativen Unternehmen und Wirtschaftskreisläufen.
- eine veränderte Industrie-, Landwirtschafts- und Strukturpolitik: Sie soll
Zukunftsbranchen und -unternehmen fördern und gemeinsam mit
Wissenschaftseinrichtungen Zentren regionaler Wirtschaftsentwicklung
schaffen,
die zur Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe beitragen. Bedingungen
dafür
sind ausreichende Kreditvergabe durch Landesbanken und Sparkassen an die oft
eigenkapitalschwachen ostdeutschen Unternehmen sowie Planungssicherheit für
die Verfügung über Mittel aus der EU, dem Bundeshaushalt und dem
Solidarpakt.
Länder mit besonders großen Struktur- und Haushaltsproblemen sollen
statt der
Hälfte nur noch einen kleineren Teil der Fördermittel kofinanzieren müssen.
*8. Internationale Politik und Europäische Union*: Eine Welt des
Friedens, der
sozialen Gerechtigkeit und Demokratie statt Militarisierung und
Privatisierung
Das Ende des Kalten Kriegs wurde zum Beginn einer Welle neuer Kriege. Der
Kampf um die globale Vorherrschaft, den Zugang zu wichtigen Ressourcen und
geopolitische Kontrolle wird offen militärisch ausgetragen. Die
Rüstungsausgaben
weltweit sind auf über 1.000 Milliarden Dollar gestiegen. Durch ihre
Kolonialgeschichte und den Raubbau an Ressourcen, durch neoliberale
Politik und
Militarisierung in diesen Regionen ist auch die EU erheblich für Armut,
Bürgerkriege, Umwelt- und ethnische Konflikte in einer ganzen Reihe von
Weltregionen mit verantwortlich.
Eine Umkehr ist nötig. Unsere Außen- und Friedenspolitik hat ihre
Grundlage im
Völkerrecht, strebt nach globaler Gerechtigkeit und der Verwirklichung der
Menschenrechte, verlangt Abrüstung und das weltweite Verbot von
Massenvernichtungswaffen. Nur soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung
und Demokratie garantieren Stabilität und friedliche Zusammenarbeit.
- Deutsche und europäische Außenpolitik muss Friedenspolitik werden:
Wir bekämpfen den Krieg und lehnen die Militarisierung der deutschen
Außenpolitik ab. Die Bundeswehr darf nicht weiter für
Militärinterventionen im
Ausland eingesetzt werden. Aufgrund vielfältiger Erfahrungen ist die
Frage, ob
internationale Militäreinsätze im Auftrag und unter Kontrolle der UN --
wenn es sich
um Kampfeinsätze mit Berufung auf Kapitel VII der UN-Charta handelt --
unter den
gegenwärtigen Bedingungen in regionalen Kriegs- und
Bürgerkriegskonstellationen
zu einer Rückkehr in eine friedliche Entwicklung beitragen, zu
verneinen. Die
Nutzung von Militärbasen auf dem Boden Deutschlands und in der EU für
Aggressionskriege und menschenrechtsfeindliche Verschleppungen muss beendet
werden. Militärbündnisse wie die NATO wollen wir überwinden. Die
militärischen
Potenziale Deutschlands und der EU müssen reduziert und in Richtung einer
strukturellen Nichtangriffs- und Nichtinterventionsfähigkeit umgebaut
werden. Wir
wollen zivile Konfliktvorbeugung und -lösung als Alternative zu
Kriegseinsätzen.
Militäreinsätze sind keine Lösung. Sie sind oftmals Teil des Problems.
Deutschland und die EU sollen auf die Entwicklung und die Produktion von
Angriffswaffen verzichten, Rüstungsexporte verbieten, die Stationierung von
Atomwaffen in Deutschland aufkündigen und Abrüstung zur Staatsaufgabe
machen, auch durch mutige einseitige Schritte. Weltweite Abrüstung und ein
Verbot aller Massenvernichtungswaffen gehören auf die internationale
Tagesordnung. Den Einsatz der Bundeswehr im Inland lehnen wir ab.
- Errichtung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung: Dazu gehören die
Kontrolle
und Regulierung der internationalen Finanzmärkte, Stopp der
Privatisierung der
öffentlichen Daseinsvorsorge, Überführung wichtiger Naturressourcen in
Staatseigentum, eine umfassende Entschuldung armer Länder, die Anhebung der
Entwicklungshilfe auf über 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts der
Industriegesellschaften. Nachhaltige Entwicklung sowie die
Wiederherstellung und
der Ausbau sozialer Rechte müssen die kapitalorientierte Neoliberalisierung
ersetzen. Davon muss sich auch die deutsche Politik in den Vereinten
Nationen,
der WTO und der Weltbank sowie in bilateralen Verträgen und europäischen
Abkommen gegenüber Lateinamerika, Afrika und Asien leiten lassen.
- Demokratisierung der UNO: Das Ziel der Charta der Vereinten Nationen, eine
Welt des Friedens und der Wahrung der Menschenrechte zu erreichen, erfordert
die weitere Stärkung und Demokratisierung der UNO, mehr Rechte der
Vollversammlung und einen demokratischen Umbau des Sicherheitsrats.
Verschleppungen, geheime Gefängnisse und Folter sind weltweit zu ächten. Die
Koordination der internationalen Anstrengungen für eine gerechte
Weltwirtschaftsund
Sozialordnung sollte bei einer demokratisierten und gestärkten UNO liegen.
- Wandel der Europäischen Union: Wir treten dafür ein, dass sich die EU
von einer
europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu einer europäischen
Beschäftigungs-, Sozial-, Umwelt- und Friedensunion entwickelt. Wichtige
erste
Schritte wären ein europäisches Zukunftsinvestitionsprogramm für Arbeit und
Umwelt und eine Mindestbesteuerung von Kapitalerträgen und
Unternehmensgewinnen sowie eine demokratische Kontrolle der Europäischen
Zentralbank. Nationalstaaten und Europäische Union müssen ein neues
Verhältnis
eingehen. Der Schlüssel dafür ist die Demokratisierung der
Nationalstaaten und
der EU. Wir lehnen eine Militarisierung der EU ab und fordern die
Auflösung von
europäischen battle groups, den Verzicht auf europäische Rüstungsprojekte,
widersetzen uns europäischen Militäreinsätzen und treten für eine
Auflösung der
US-Militärbasen in Europa ein. Notwendig ist eine humane und demokratische
europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik, die verhindert, dass Europa
immer mehr
zu einer Festung gegenüber Menschen aus ärmeren Teilen der Welt ausgebaut
wird.
*IV. Für einen Richtungswechsel*
Noch herrscht der neoliberale Zeitgeist. Streiks gegen Arbeitsplatzabbau,
Demonstrationen gegen die Agenda 2010 und Hartz IV sowie Wahlerfolge der
Linken zeigen, dass dies nicht so bleiben muss. Bürgerinnen und Bürger
beginnen,
sich zu wehren. Es ist die strategische Kernaufgabe der Linken, zur
Veränderung
der Kräfteverhältnisse als Voraussetzung für einen Richtungswechsel
beizutragen.
Deshalb haben wir folgende strategische Ziele:
- Auseinandersetzung mit der Ideologie des Neoliberalismus und
Entwicklung von
Alternativen: Wir setzen der neoliberalen Ideologie alternative
Positionen eines
anderen Entwicklungsweges entgegen. Diese werden wir mit den Erfahrungen und
Konflikten in den Betrieben und im Alltagsleben verknüpfen und in der
öffentlichen
Auseinandersetzung populär und offensiv vortragen. Die wirtschaftlichen und
sozialen Probleme verstehen wir vor allem als Ergebnisse falscher,
neoliberal
geprägter Antworten auf die neuen Herausforderungen unter dem Einfluss von
Kapitalinteressen sowie als Ausdruck von Krisenprozessen und Widersprüchen,
die die kapitalistische Ökonomie hervorbringt. In der öffentlichen
Debatte hebt DIE
LINKE den Widerspruch zwischen einzelwirtschaftlicher und
gesamtgesellschaftlicher Perspektive hervor. Dringlich sind Aufklärung,
Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen, breit angelegte Bildungsarbeit,
Bildung von
Netzwerken und die Beteiligung an wissenschaftlichen Diskussionen.
- Bündnis gegen den Neoliberalismus: Den neoliberalen Einfluss
zurückzudrängen
wird nur dann gelingen, wenn sich in der Gesellschaft ein breites
Bündnis und eine
politische Sammlungsbewegung für einen Richtungswechsel formieren. Wir gehen
von den gemeinsamen Interessen abhängig Arbeitender in Deutschland und im
europäischen und internationalen Maßstab aus. Wir wollen zu einem sozialen
Bündnis beitragen, das hoch qualifizierte Beschäftigte und
Kernbelegschaften wie
auch in unsicheren und Teilzeitarbeitsverhältnissen Tätige sowie
Erwerbslose,
Selbstständige und sozial orientierte Unternehmerinnen und Unternehmer
zusammenführt. Wir werden Bündnisse gegen Rechtsextremismus, Rassismus
und Antisemitismus unterstützen. Wir wollen alle Menschen ansprechen,
die sich
für soziale Gerechtigkeit, Emanzipation und mehr Demokratie, Frieden und
Erhaltung der Natur einsetzen, unabhängig von ihrer Herkunft und
Weltanschauung.
- strategische Zusammenarbeit: Die Veränderung der gesellschaftlichen
Kräfteverhältnisse ist nur möglich, wenn sich die politische Linke
gemeinsam mit
starken Kräften der Gewerkschaften, globalisierungskritischen und anderen
sozialen Bewegungen, mit gesellschaftskritischen Initiativen und
progressiven
Vertretern aus Wissenschaft und Kultur aktiv gegen den Neoliberalismus
und alle
Unterdrückungsverhältnisse in der Gesellschaft stellt. Als Partei werden
wir die
Anliegen und Aktivitäten dieser Bewegungen aufgreifen und unsere eigenen
Funktionen wahrnehmen. Wir werden unsere Mitglieder bestärken, in diesen
Bewegungen aktiv mitzuwirken.
- außerparlamentarische und parlamentarische Arbeit: Wir werden Bürgerinnen
und Bürger gegen Machtbestrebungen der herrschenden Klasse mobilisieren und
uns für eine neue Sammlungsbewegung einsetzen. Politische Kämpfe und Wahlen
dienen uns dazu, unsere alternativen Reformprojekte zu vertreten und
Mehrheiten
für ihre Durchsetzung zu gewinnen. Die parlamentarische Arbeit werden wir so
gestalten, dass sie der Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen
Kräften der
Linken, der öffentlichen Darstellung eigener Reformvorschläge und dem
Einbringen alternativer Gesetze, der Transparenz politischer Prozesse, der
Untersuchung des Missbrauchs politischer Macht, der Entwicklung neuer
gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse und politischer Mehrheiten dient. Alle
Landtags- und Bundestagsabgeordnete sollen verpflichtet werden, Angaben über
die Höhe Ihrer Einkünfte zu veröffentlichen. Es soll zusätzlich
transparent sein von
wem diese bezogen werden.
- gesellschaftlicher Protest, Entwicklung von Alternativen und
Gestaltungsanspruch: DIE LINKE wird gesellschaftlichen Protest, den
Einsatz für
soziale Verbesserungen und die Entwicklung von Reformalternativen unter den
gegebenen kapitalistischen Verhältnissen und die Gestaltung von
Entwicklungswegen, die über die gegenwärtige Gesellschaft hinausweisen,
zusammenführen. Keiner dieser drei Aspekte darf zu Gunsten der anderen
vernachlässigt werden.
- Regierungsbeteiligung: Sie ist für DIE LINKE ein Mittel politischen
Handelns und
gesellschaftlicher Gestaltung, wenn dafür die notwendigen Bedingungen
gegeben
sind und wenn DIE LINKE sich mit alternativen linken Projekten öffentlich
erkennbar profiliert. Maßstäbe für Regierungsbeteiligungen sind die
Verbesserung
der Lage von Benachteiligten und die Verstärkung politischer
Mitbestimmung, die
Durchsetzung alternativer Projekte und Reformvorhaben. Sie muss die
Veränderung der Kräfteverhältnisse nach links und die Einleitung eines
Politikwechsels fördern. DIE LINKE wird aber nur unter Beachtung ihrer
Grundsätze Koalitionen mit anderen Parteien eingehen. Öffentliche
Daseinsvorsorge darf nicht privatisiert werden. DIE LINKE wird in
Regierungen
dafür eintreten, öffentliche Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger
nicht
durch Personalabbau zu verschlechtern und Kürzungen sozialer Leistungen nach
Kräften zu verhindern. DIE LINKE ist -- auch in der Regierung -- nur so
stark, wie
sie in der Gesellschaft verankert ist und gesellschaftliche
Unterstützung erfährt.
Linke Politik braucht treibende Kritik, öffentlichen Druck und
außerparlamentarische Mobilisierung.
- parlamentarische Bündnisse mit anderen politischen Kräften: Wir gehen
solche
Bündnisse ein, wenn dies den von uns angestrebten Richtungswechsel der
Politik
befördert. Wir stehen zugleich für einen neuen Politikstil der
Transparenz, des
gesellschaftlichen Dialogs und der direkten Bürgerbeteiligung. Den
unterschiedlichen Möglichkeiten politischen Wirkens auf kommunaler, Landes-,
Bundes- und europäischer Ebene werden wir in unserer Politik Rechnung
tragen.
Entscheidend für die Durchsetzung eines Politikwechsels ist dabei die
bundespolitische Ebene. Hier liegen die meisten Kompetenzen, die dafür
notwendig sind, hier erfolgen die meisten Weichenstellungen.
- Wirken in der Partei der Europäischen Linken: Die Partei der Europäischen
Linken ist ein neuer Faktor im politischen Leben Europas. Ebenso wie unsere
Partei in Deutschland ist sie ein Schritt der Vereinigung der Linken und
bietet die
Möglichkeit, gemeinsam das Kräfteverhältnis in Richtung eines sozialen,
demokratischen und friedlichen Europa zu verschieben.
Wir wollen eine Welt schaffen, in der die Würde jeder und jedes
Einzelnen wirklich
unantastbar ist, in der soziale Gerechtigkeit, Freiheit und
Selbstbestimmung,
Demokratie und Frieden vereint sind, in der die Menschen im Gleichklang
mit der
Natur leben. Dazu wirken wir für ein breites Reformbündnis. Gemeinsam
streiten
wir dafür, dass der Kapitalismus nicht das letzte Wort der Geschichte ist.
*V. Nachbemerkung*
Die vorgelegten »Programmatischen Eckpunkte« sind in einem intensiven
Diskussionsprozess innerhalb der Gemeinsamen Programmgruppe von
Linkspartei.PDS und WASG entstanden. Vielfältige Bemerkungen, Hinweise und
Vorschläge aus beiden Parteien wurden in die Erarbeitung einbezogen.
Sichtbar
wird, dass die »Eckpunkte« auf einem soliden Fundament gemeinsamer
programmatischer Auffassungen beruhen. Zugleich zeigt sich, dass eine Reihe
von Problemen und Fragen weiter diskutiert und Antworten gefunden werden
müssen. Als Anregung für die folgenden Debatten zur Programmatik der neuen
linken Partei seien einige Fragen benannt:
- Welche Möglichkeiten und Instrumente einer Demokratisierung der Wirtschaft
und der Unterwerfung der Verfügungsgewalt über Eigentum unter soziale
Kriterien
gibt es? Inwieweit müssen dazu auch kapitalistische Eigentumsverhältnisse
aufgehoben werden? Wie soll eine demokratische Steuerung der Grundlinien
wirtschaftlicher Entwicklung realisiert werden?
- Was gilt der neuen linken Partei als erstrebenswertes Verhältnis von
zivilgesellschaftlichem Engagement, Marktregulation, nationalem
Sozialstaat und
internationalen Institutionen?
- Kann die Forderung nach Vollbeschäftigung noch ein realistisches Ziel
alternativer Politik sein? Sind unsere politischen Konzepte hinreichend,
dieses Ziel
zu erreichen?
- Inwieweit ist der Prozess der Globalisierung demokratisch und sozial
gestaltbar,
und welche Möglichkeiten hat nationalstaatliche Politik noch?
- Ist es ausreichend, eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung für
Menschen
in sozialer Not zu fordern, oder ist ein bedingungsloses individuelles
Grundeinkommen als Rechtsanspruch für alle Bürgerinnen und Bürger zu
verlangen?
- Was bedeutet es und was wäre zu leisten, wenn weibliche Autonomie in den
Mittelpunkt feministischer sozialistischer Politik rücken und eine
politische
Ökonomie der Frauenunterdrückung überwunden werden soll, in der Frauen mehr
arbeiten als Männer, aber als weniger produktiv bewertet werden?
- Mit welchen realen Widersprüchen und Konflikten werden wir bei unserem
Eintreten für den Erhalt und Ausbau öffentlichen Eigentums künftig
konfrontiert
werden, und wie verhalten wir uns dazu?
- Wie stehen Linke in der Menschenrechtsfrage zum Verhältnis von
sozialen und
individuellen Bürgerrechten?
- Begründen wir linke Politik vorrangig aus der Bezugnahme auf die
Sorgen und
Nöte, Bedürfnisse und Interessen der Mehrheit der Bevölkerung,
insbesondere der
abhängig Arbeitenden und der sozial Benachteiligten, oder vorrangig aus
Wertorientierungen und politischen Zielvorstellungen? Welche Bedeutung
hat der
Bezug auf Klasseninteressen und -kämpfe für unsere Politik?
- Welches sind die besonderen Aufgaben einer Partei im Unterschied zu
sozialen
Bewegungen? Wie ist das Verhältnis zwischen außenparlamentarischer und
parlamentarischer Arbeit zu gestalten? Unter welchen Bedingungen kann
sich eine
linke Partei an einer Regierung auf Landes- bzw. Bundesebene beteiligen?
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speziell _*Atomausstieg:
*_
Den Atomausstieg beschleunigen anstatt ihn abzubrechen
Zur gemeinsamen Erklärung von Verdi und IGBCE und den Energiekonzernen
Laut einer aktuellen Emnid-Umfrage sind 75 Prozent der Bevölkerung für
den unumkehrbaren Ausstieg aus der Atomenergie. Man könnte meinen, diese
Mehrheit -- die in Deutschland ungefähr seit dreißig Jahren zwischen 65
und 90 Prozent schwankt, je nach Aktualität und Hitzigkeit der
öffentlichen Debatte -- ist ausreichende Grundlage für eine klare
Politik der raschen Beendigung der Nutzung der Atomenergie zur
Energieerzeugung. Gäbe es in Deutschland das Recht auf einen
verbindlichen Volksentscheid, so wäre schon vor einem Vierteljahrhundert
das in jeder Hinsicht unverantwortliche Abenteuer Atomstrom beerdigt
worden, wie in anderen Ländern geschehen, die dadurch keinerlei
Rückschritt in ihrer technischen, wirtschaftlichen und
energiepolitischen Entwicklung hinnehmen mussten.
Stattdessen hat sich in der Bundesrepublik die Regierungspolitik immer
einem mächtigen Kartell aus den großen Energiekonzernen, der
Kraftwerksindustrie und auch militärpolitischen Strategen unterworfen,
das um jeden Preis eine Weiterentwicklung und Forschung sowie
industrielle Nutzung der Atomenergie sicherstellen wollte. Es ist nicht
nur wie heute der Iran, der aus einer Mischung von falscher
Energiepolitik und militärisch-industriellen Machtphantasien auf seiner
Atomtechnologie beharrt. Die entscheidenden Kräfte in Deutschland seit
den fünfziger Jahren waren und sind recht ähnlich orientiert. Leider
haben sich auch immer wieder -- vor allem dann, wenn der öffentliche
Druck gegen die Atomenergie nachließ -- der DGB oder die
Einzelgewerkschaften mit hanebüchenen und rein ideologischen Erklärungen
ihrer Spitzengremien diesem Kartell angeschlossen, obwohl fast alle
Gewerkschaftstage seit den achtziger Jahren eindeutige Beschlüsse gegen
den weiteren Weg in den Atomstaat gefasst haben.
Dass sich die Vorstände der IG Bergbau, Chemie, Energie und Ver.di jetzt
zusammen mit den vier Atomkraftwerke betreibenden Konzernen EnBW-AG,
E.ON-AG, RWE AG und Vattenfall Europe AG in einer gemeinsamen Erklärung
zu Wort melden, ist deshalb nicht ganz so überraschend. Ein gemeinsames
Interesse zwischen diesen beiden Gruppen besteht dadurch allerdings
immer noch nicht. Die unterzeichnenden Gewerkschafter machen sich leider
zu einem Büttel enger Unternehmerinteressen, die im Gegensatz zur
Mehrheit der Bevölkerung, zur Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder und
auch zur Mehrheit der Beschäftigten in den betroffenen Betrieben stehen.
Die gemeinsame Erklärung ist eine reine Kampfschrift der
Arbeitgeberseite, um auf die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen
CDU und SPD Einfluss zu nehmen. Sie zielt ausdrücklich auf den
Themenkomplex, wo schon im Wahlkampf, noch mehr aber sofort nach
Kenntnis des Wahlergebnisses, eine Schwachstelle bei der SPD vermutet
wurde. Die wird nach sieben Jahren "Rot-Grün" nach wie vor verdächtigt,
bei den angeblich industriefeindlichen "grünen" Themen einzuknicken. Die
rot-grüne Regierung hat in der Bilanz der Arbeitgeber -- im Gegensatz zu
einigen Fensterreden -- fast alles richtig gemacht: Privatisierung der
öffentlichen Dienste, Senkung der Löhne und Gehälter, Militarisierung
der Außenpolitik, Kostensenkung bei den Sozialleistungen und
Einschränkung der Arbeitnehmerrechte. Einzig in der Umwelt- und
Energiepolitik mussten einige Kröten geschluckt werden: Ökosteuer,
Atomausstieg, Förderung der regenerativen Energie, Dosenpfand und
restriktiver Einstieg in die Zertifikats-Wirtschaft mit
CO-2-Emissionsrechten. Jürgen Trittin war aus der Perspektive, was von
"Rot-Grün" bei den WählerInnen mal erwartet und was zum kleinen Teil
noch in der Koalitionsplattform vereinbart wurde, der erfolgreichste
Minister in den sieben Jahren. Deshalb hat ihn die Bild-Zeitung ja auch
so geliebt und die SPD-Riege hat neidisch geguckt.
Der Bundesverband der deutschen Industrie hat fast zeitgleich mit der
"Gemeinsamen Erklärung" einen Text mit "energiepolitischen
Kernforderungen an die 16. Legislaturperiode" vorgelegt, der noch
deutlicher die Forderungen unterstreicht: keine weitere Besteuerung der
Energie und weitere Ausnahmen für Energiegroßverbraucher, längere
Laufzeit der Atomkraftwerke, Wiederaufnahme der Untersuchungen in
Gorleben und Schacht Konrad für ein Atommülllager, Begrenzung der
Einspeisungsverpflichtung für erneuerbare Energie gemäß "europäischer
Vorgaben" und die Aufweichung der sowieso schon bescheidenen Emissionen
reduzierenden Wirkung der Co-2-Zertifikate, indem sie billiger oder gar
kostenlos und zahlreicher zugeteilt werden.
Die Kampfschrift der Energiekonzerne mit der Unterschrift von IG-BCE und
Verdi klagt über hohe Energiepreise. Dabei sind sie es, die diese Preise
hochtreiben und seit Jahren davon profitieren. Sie haben auf ihre
spezielle Weise die von den Unternehmern immer so hoch gepriesene und
geforderte Liberalisierung der Strommärkte verzögert und eingeschränkt,
um so lange wie möglich ihre Monopolextraprofite zu sichern, sie
verteidigen hartnäckig die angeblich unantastbare Koppelung der Gas- an
die Ölpreise, und sie verlangen schamlos einen staatlichen Ausgleich,
wenn sie industriellen Großkunden einen Sondertarif für Energie einräumen.
Der von der rot-grünen Regierung mit den Energiekonzernen ausgehandelte
"Konsens zum Atomausstieg" kannte im Grund nur einen Gewinner: die
Betreiber der Atomanlagen. Nicht eine Anlage wird abgeschaltet, ohne
dass die Energiewirtschaft es nicht aus ökonomischen Gründen auch will.
Die Laufzeiten der Anlagen sind jetzt schon fast beliebig zu verlängern,
weil alle Produktionszeiten miteinander verrechnet werden können. Die
Atomwirtschaft hat ein simples Finanzinteresse: sie möchte auch noch die
letzten, alten und besonders gefährlichen Anlagen, die
betriebswirtschaftlich schon lange abgeschrieben sind, so lange wie
möglich laufen lassen, weil jede Kilowattstunde reiner Gewinn ist. Das
Atomausstiegsgesetz befreite die Anlagenbetreiber von einer effektiven
Haftung bei Großunfällen, es sicherte Steuerfreiheit für die gewaltigen
Rücklagen der Konzerne zu, die für ein Atommülllager gedacht sind, aber
beliebig für Finanzgeschäfte benutzt werden können und es sicherte die
weitere Forschung sowie Absicherung von Atomkraftexporten zu. Dass die
Unternehmen jetzt dennoch zum Marsch blasen, soll lediglich die letzten
Barrieren schleifen, die einer Wiederaufnahme von neuen atomaren
Kraftwerksbauten -- auf Basis des ohne Unterbrechung weiter entwickelten
europäischen Druckwasserreaktors EPR -- und einem Weiterbetrieb der
bestehenden Anlagen ohne große Verrechnereien der Gesamtproduktion
entgegen stehen.
Die WASG ist gegen die Nutzung der Atomenergie, ob militärisch oder
zivil. Viele ihrer Mitglieder arbeiten in der Umweltbewegung oder setzen
sich dafür ein, dass auch die Gewerkschaften eine konsequente Haltung
gegen die Atomanlagen einnimmt.
*Warum sind wir gegen Atomenergie?*
- sie ist unbestritten eine permanente Gefahr für die Menschen. Sowohl
die Niedrigstrahlungsbelastung im Dauerbetrieb als auch die stete Gefahr
großer und größter Unfälle ist nicht hinnehmbar
- sie erzeugt mit dem radioaktiven Abfall ein Problem, das die
Menschheit für zehntausende von Jahren bindet. Für den atomaren Müll ist
noch nirgendwo in der Welt eine technisch befriedigende Lösung gefunden
worden, dennoch wird permanent neuer Atommüll produziert.
- Atomkraftwerke sind beispielhaft für die Sackgasse einer nur von
privaten Unternehmensinteressen geleiteten Energiepolitik. Die
Konzentration auf gigantische Großkraftwerke ist selbst bei allerbester
heutiger Technik ein "thermodynamischer overkill" und eine gleichzeitig
verschwenderische wie unsichere Form der Energieversorgung
- Die Atomenergie erfordert eine dauernde gewaltige "Sicherheits"- und
Überwachungskultur, sowohl um den Betrieb zu gewährleisten, um
Katastrophenpläne minimal einsatzfähig zu halten und letztlich natürlich
auch um Sabotage, Terror und Kriegseinsätze gegen Atomkraftwerke zu
minimieren.
- die "friedliche Nutzung" der Atomenergie ist von einer militärischen
nicht zu trennen, wie zahllose Beispiele aus der jüngsten Geschichte
beweisen. Damit sind die Atomenergie und die ungleiche Verfügungsmacht
darüber einerseits eine Verfestigung der gegenwärtigen weltweiten
Machtkartelle und militärischen Großmächte, andererseits auch Bedrohung
durch atomare Aufrüstung neuer Mächte.
- Die Atomenergie ist selbst nach Bekunden ihrer Betreiber nur eine
"Übergangsenergie". Die weltweiten Uranvorräte sind bei heutigem
Verbrauch in weniger als 70 Jahren aufgebraucht, künstliche Spaltstoffe,
wie Plutonium, verlängern diese Frist nicht (siehe das Ende der
"Schnellen Brüter"-Technologie) und erhöhen zudem das Gefahrenpotenzial
immens.
Für eine solche unvernünftige und zeitlich begrenzt nutzbare Energie den
gigantischen Preis der oben beschriebenen Gefahren zu bezahlen ist
politischer Irrsinn.
Das Argument, man benötige die Atomenergie, um heute den CO-2-Ausstoß
und die Klimabeeinträchtigung zu mindern, ist nicht stichhaltig. Die
Atomenergie bindet gewaltige Mengen Kapital (die im Übrigen seit
Anbeginn nur deshalb betriebswirtschaftlich lohnend eingesetzt wurden,
weil sie staatlich und halbstaatlich kontinuierlich subventioniert von
den wirklichen Folgekosten befreit wurden). Die werden von der
Entwicklung wirklicher dauerhafter und ökologisch verträglicher
Energiegewinnung abgezogen. Allein durch ein mit dem Geld der
Atomenergie finanziertes Energieeinsparungsprogramm könnten heute
sämtliche Atomkraftwerke in kürzester Zeit ersatzlos eingespart werden.
*Und schließlich:*
trotz Dauerberieselung durch der Atomenergie ergebener Medien ist heute
immer noch die Mehrheit der Menschen gegen den Ausbau der Atomenergie.
Fast 80 Prozent der Menschen wollen keine Atomanlage in ihrer Nähe. Die
WASG wäre schlecht beraten, Politik gegen die Mehrheit der Menschen
machen zu wollen.
*Deshalb sind wir*
- für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie
- für eine Erweiterung des Atomwaffensperrvertrages, der auch die
Atommächte verbindlich zu Stopp der Atompolitik und Abrüstung zwingt
- für die Förderung von dauerhaften Energien wie Sonne, Wind, Wasser
- für ein (im übrigen auch Beschäftigung schaffendes)
Energiesparprogramm, das weiter reicht als die kargen Programme des
Herrn Trittin
- für die Konversion der Produktion in den der Atomindustrie
zuarbeitenden Betrieben unter Beschäftigungsgarantie und
Weiterbildungsprogrammen für die Belegschaften
- für eine langfristige Entwicklung von kleinräumiger, verlustarmer und
dezentraler Energieversorgung
- für die Rückführung aller energieintensiven Produktionslinien (z.B.
radikale Einsparung von Aluminium)
- für eine Umorientierung des Verkehrssektors auf kollektive und
umweltverträgliche Beförderungssysteme
- für die Auflösung der Lobbyistenvereine für die Atomindustrie
Die WASG fordert alle auf, sich an den Protesten gegen die neue
Offensive der Energiekonzerne und gegen die Hilfsdienste von IG-BCE und
Verdi zu beteiligen. Als Mindestforderungen muss auch von der neuen
Regierung garantiert werden, dass
1. die Restlaufzeiten nicht verlängert und keine Restlaufzeiten anderer
Anlagen auf die AKWs Biblis A und B, Brunsbüttel und Neckarwestheim 1
übertragen werden. Stattdessen braucht es einen raschen Ausstieg aus der
Atomkraft. Atomausstieg heißt Abschalten.
2. der Stopp der Erkundungsarbeiten im Gorlebener Salzstock weiter
bestehen bleibt. Dieser und der Schacht Konrad müssen als völlig
ungeeignete Endlageroptionen verworfen werden.
3. Atomtechnologie nicht wieder Exportgut wird.
4. die zukunftsweisende Förderung von Alternativen durch das Erneuerbare
Energien Gesetz (EEG) fortgesetzt und weiterentwickelt wird.
/Thies Gleiss
(Umweltpolitischer Sprecher des Bundesvorstandes der WASG)/
-------------- nächster Teil --------------
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