[Debatte-Grundeinkommen] Die Wernersche Steuerlüge

Robert Zion zion at robert-zion.de
Fr Feb 23 11:13:29 CET 2007


Hallo Ronald und die anderen Mitstreiter,

Die MwSt-Debatte und Götz Werner. Es gehört tatsächlich zun den Selbstbeschreibungs-Mythen des "Marktes", dass sich die gesamte Zirkulation der Wertschöpfung in den Preisen ausdrückt. Und es gehört ebenso zu den großen Fehlen der sich auf dem Tiefpunkt ihre Geschichte befindenden Wirtschaftswissenschaften, nach wie vor an den Theorien von Jean-Baptiste Say festzuhalten, etwa, dass sich jedes kostenminimierte Güterangebot seine eigene Nachfrage schafft (Say'sches Theorem), oder dass Kapitel und Boden eigenständige Produktionsfaktoren sind (Produktionsfaktorentheorie). Das gleiche gilt für David Ricardos Diktum der "natürlichen Fluktuation der Löhne um das Existenzminimum", oder für das Menschebild der Merkantilisten, insbesondere von Mandeville, dass es es keine "unfreiwillige Abeitslosigkeit" gibt, sondern nur zu wenig Zwang und Erziehung zur Arbeit. Dieser ganze Kram aus dem 18ten und 19ten Jahrhundert wird heute dann von "Wissenschaftlern" wie Hans-Werner Sinn hochgehalten und einfach in ein feundliches Neusprech gekleidet, weil allenthalben Ideologie, Phantasielosigkeit, Interessenwissenschaft und Unfähigkeit der Analyse grassiert. Meiner Ansicht nach war Keynes der letzte bedeutende Ökonom, der mehr im Kopf hatte als eine Rechenmaschine und dem das geradezu verheerende Menschenbild heutiger "Wirtschaftswissenschaftler" abging - auch, wenn der "Keynesianismus" nicht mehr die Lösung unserer Probleme sein kann. 

Aber wir waren ja bei Götz Werner. Auch dessen Theorie ist meiner Ansicht nach eine interessengeleitete Theorie, die deshalb so populär und schwierig zu beurteilen ist, weil sie ein Stück Wahrheit enthält. Das Stück Wahheit ist, dass wir tatsächlich dazu übergehen müssen, statt Inputs (Arbeit, unternehmerische Tätigkeit) Outputs zu besteuern, oder, wie es Dietmar Lingemann ausdrückt, "Entnahmen aus dem gesellschaftlichen Produktionsprozess, sei es in der Form von Vermögenseinkommen bzw. Kapitalerträgen, sei es als Verbrauch von Gütern (Mehrwertsteuer), sei es als Verbrauch von Ressourcen (Ökosteuern, Grundsteuern)." Götz Werners alleinige Fokussierung auf die MwSt ist eine Art "Einzelhändlerkeynesianismus", der den Turbo-Kapitalismus, der sich heute auf die Finanzmärkte konzentriert, schlichtweg nur in die Konsumsphäre verlagern will, eine reine "economie of scales". In Verbindung mit dem BGE würde seine Steuerkonzeption wie eine Turbo oder Durchlauferhitzer den Produktionsoutput und die Konsumtion wahrscheinlich tatsächlich enorm beschleunigen und ausdehnen. Die Gaga- und Nonsensproduktion würde zwar dann nicht mehr mit dem (falschen) Versprechen der Vollbeschäftigung legitmiert weren (wie heute), den Planeten könnten wir dann aber bald zumachen - Ökonomie und Ökologie sind eben nicht mehr getrennt voneinander zu denken und "Wohlstand" ist darum heute auch etwas anderes und viel mehr als lediglich "Konsum".
Grüße
Robert Zion
B'90/Grüne, Geschäftsführender Vorstand und Bundesdelegierter, KV Gelsenkirchen
Umweltpolitischer Sprecher der Ratsfraktion B'90/Grüne, Gelsenkirchen
        
  ----- Original Message ----- 
  From: rblaschke at aol.com 
  To: Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de ; grundeinkommen-info at listen.grundeinkommen.de 
  Sent: Thursday, February 22, 2007 4:31 PM
  Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Die Wernersche Steuerlüge 


  Dies mailte Joachim Behncke zum Überdenken des Wernerschen MWST - Ansatzes. Gibt es ExpertInnen, die sich dazu äußern können? Ronald Blaschke

   
   



  ----- Original Message ----- 
  From: j.behncke 
  Sent: Thursday, February 15, 2007 8:13 PM
  Subject: Die Wernersche Steuerlüge


  Lieber Ludwig Paul,

  Ich glaube, es ist an der Zeit, als "Nichtbetriebswirt" diesem Unsinn, alle Steuern seien "umgelegt" und ein Unternehmer zahlt eigentlich keine Steuern, endlich einmal zu widersprechen, und zwar deshalb zu widersprechen, weil es soviele gutgläubige Leute nicht hinterfragen:

  Einfaches Beispiel: Ein Bäcker ( Personengesellschaft, zahlt als Unternehmenssteuer im wesentlichen die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer, die ich hier mal außen vor nehme ) verkauft 1000 Brötchen zu 30 cent ( netto, mit der Umsatzsteuer wird er nicht belastet ). Er hat also einen Umsatz von 300€. Seine Kosten ( Materialeinsatz, Personal inklusive Lohnnebenkosten ) betragen 70%, d.h. 210€. Er hat also einen Gewinn von 90€. Auf diesen Gewinn zahlt er Einkommensteuer von, sagen  wir 30%, d.h. 27€. 

  Jetzt versucht er, die Steuern auf die Preise "umzulegen": Er verkauft im Folgemonat (jahr) die Brötchen für 2,7 cent mehr pro Stück.

  Im besten Fall verkauft er trotz der Preiserhöhung dieselbe Anzahl von Brötchen, nämlich 1000 Stück. Macht einen Gesamtumsatz von 327 €. Seine Kosten sind gleich geblieben, macht also einen gewinn von 327./.210=117 €. Diesen Gewinn muß er wieder versteuern ( wie vergessen hier mal die Progression ): 30% von 117 macht: 35,10 € die er in echtem Geld an das Finanzamt zu überweisen hat, selbiges bestreitet damit unter anderem den Bundeshaushalt, und aus diesem Geld wird z.B. der Straßenbau finanziert. 

  Wieso zahlt der Bäcker keine Steuern? Weil er das Geld, was er verdient, von seinem Kunden bekommen hat? Das ist doch eine einfältige Geldflußbetrachtung. Der Gewinn ist eigentlich seins, und auf diesen Gewinn hat er Steuern zu zahlen, oder?

  Er kann nur durch Reduktion seiner Bemessungsgrenze, sprich Abschreibungen seine Steuerschuld verringern, sich aber nicht vom Brötchenkäufer finanzieren lassen. 

  Ein paar Daten zu den Steuern, z.B. in 2002: Einkommensteuer ( für 90% unserer mittelständischen Unternehmer identisch zur Unternehmenssteuer ): 138 Milliarden, Mehrwertsteuer 136 Milliarden, Körperschaftssteuer ( aufgrund der "genialen" Reform von rot-grün ): mickrige 3 Milliarden. Meinst Du, das ist alles funny money, fiktives Geld? Davon bestreitet der Staat seinen Haushalt. Der Verbraucher ist mit seiner Lohnsteuer und der Mehrwertsteuer und anderen indirekten Steuern beteiligt ( Sekt, Tabak etc. ) Aber kein Unternehmer kann Steuern "umlegen" und sich so von der Steuerzahlung befreien. Nicht einmal Friedrich Karl Flick konnte das ( seine Erben bekommen dieser Tage einen Batzen Geld aus einer Steuerabschlagszahlung zurück, die er vor 10 Jahren geleistet hatte. Mangels Erstellung eines Steuerbescheids durch die Finanzbehörden: wegen Verjährung. Das ist reales Geld ).

  Grüße
  Joachim 

------------------------------------------------------------------------------
  Kostenlos: AOL eMail
  2 GB Speicherplatz sowie erstklassiger Spam- und eMail Virenschutz.
  Sichern Sie sich Ihre persönliche eMail Adresse noch heute!



------------------------------------------------------------------------------


  _______________________________________________
  Debatte-grundeinkommen Mailingliste
  JPBerlin - Politischer Provider
  Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de
  http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: <https://listi.jpberlin.de/pipermail/debatte-grundeinkommen/attachments/20070223/0273b854/attachment.html>


Mehr Informationen über die Mailingliste Debatte-Grundeinkommen