[Debatte-Grundeinkommen] von der Pflicht

Rüdiger Heescher ruediger.heescher at attac.de
Do Feb 15 16:55:52 CET 2007


Hallo Jörg

Einsicht in die Notwendigkeit ist ein Begriff aus einer  
Selbstverpflichtung heraus. Sehr schön. Doch inwelchen Bereichen gilt  
dieser Grundsatz?

Es ist sehr weit zu fassen und durchaus auch sehr  
interpretationsbedürftig, wie ich in einer anderen mail an Dich  
persönlich es schon am Beispiel Gemeinwohl (Wohl) deutlich gemacht  
habe. Juristisch ist es immer wieder auszuhebeln und ins Gegenteil  
umzukehren und sogar wie in Bayern passiert in der Landesverfassung  
geändert worden.

Ein soziales Pflichjahr hört sich erstmal an wie Zivildienst. Jeder  
der sowas gemacht hat (meiner einer eingeschlossen) würde erstmal  
sagen, dass es sowas geben sollte. Das hat auch sowas von einer  
Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber wie es sich Beck auch  
vorstellt. Die BEck'sche Vorstellung eines Bürgergeldes beruht auch  
auf solche Prämissen einer Selbstverpflichtung des Bürers in  
Ehrenamtlicher Tätigkeit der Gesellschaft zu "dienen".

Ich will mal so sagen, dass ein soziales Jahr nicht wirklich schlimm  
ist. Es sollte aber dennoch kein Pflichjahr sein.

Ich möchte hierbei auf ein Beispiel eingehen, was wir jetzt schon  
erleben mit Zivildienstleistenden. Zivis werden mittlerweile schon  
zur Grundausstattung eines Krankenhauses zugerechnet. Ohne Zivis  
würde die Krankenversorgung ziemlich zusammenbrechen. Es findet über  
Zivis auch sowas wie eine Verdrängung von regulären Arbeitsplätzen  
statt, weil Zivis billiger sind. Aber das ist gar nicht mal mein  
hauptargument.

Gerade im sozialen Bereich ist es so, dass man dafür auch ein  
Händchen und Lust haben muss. Wenn ich später mal alt bin und ins  
Altersheim komme, dann möchte ich Menschen um mich haben, die ihre  
Arbeit auch als Berufung sehen und nicht weil sie müssen. Da ist mir  
lieber ich bekomme von der Altenpflegerin eine dicke Windel um, die  
zwar nicht so praktisch ist und auch nicht notwendig ist und auch  
dazu zu tuer, wenn man nach Qualitätsmanegement Krietierien  
beurteilen würde als darauf, dass sie mit mir spricht und man das  
Gefühl aht mit jemanden zu reden, dem ich nicht egal bin und eine  
Sympathie vorhanden ist. Das ist viel wichtiger als jede  
routinemässige Arbeitserfüllung von irgend welchen Menschen, die ihre  
Zeit abreissen und dann wieder gehen, weil ihr Jahr vorbei ist und  
auch froh darüber sind dass sie es hinter sich haben.

Gerade im sozialen Bereich ist das entscheidend.

Im umweltbereich ist das ähnlich. Wenn man also aus dem sozailen Jahr  
sowas wie ein Umweltjahr machen würde, dann sehe ich darin einen  
entscheidenden Denkfehler. Ich habe es erlebt, wie Kinder in der  
Schule dazu erzogen werden mit ihren Projektwochen zu "Blockwarten"  
zu werden. Sie machen den Wald sauber und schauen überall in den  
Strassen dass der Müll in den Abfalleimern liegt und packen einzelne  
Schnipsel vom Bürgersteig in die Mülltonne. Ist ja erstmal ganz nett.  
So ist auch das Ziel in der Erziehung mit der Umwelt, dass die kinder  
lernen, dass es mist ist, wenn der Wald zugemüllt wird etc. Aber es  
kommt noch was anderes. Diese Kinder gehen dann zu einem Opa hin und  
ermahnen ihn, dass er seine Zigarette nicht auf dem Bürgersteig  
ausdrücken solle. Es hört sich erstmal lustig an, aber sowas wächst  
auch noch weiter aus und kann wenn man sowas organisierter macht für  
eine gesellschaft zu einer Ökodiktatur führen, wo man lauter  
Blockwarte mit produziert, die den Nachbarn anzeigen, weil er seinen  
Müll nicht "ordnungsgemäss" trennt. Dieser übertriebene  
Erziehungswahn im ökologischen BNereich führt direkt in eine  
Ökodiktatur mit denunziation und Kontrollmechanismen. Wie im kleinen  
so dann aerst recht im grossen.

Ich fand das damals als es anfing eigentlich gut, dass man den  
Kleinen gleich dieses umweltbewusstsein beibringen will. Aber das  
halte ich jetzt gesellschaftlich mittlerweile für sehr schädlich,  
wenn man eine Frei gesellschaft will. Da funktionieren Mechansismen  
und Prinzipien viel besser.

Es gibt sowas wie einen öffentlichen Raum, der wie sagen wir mal  
Allmende behandelt werden muss. Es gehört sicherlich dazu, dass die  
Merhheit der Menschen diesen behandeln mit einem Pflichtgefühl, der  
Einsicht in die Notwendigkeit verlangt, aber dazu muss man auch  
sagen, dass es auch ein Geminsinn verlangt dieses dann auch zu  
orgsnasieren durch öffentliche Müllabfuhr z.B. oder Reinigungsdienst.  
Dort würden dann gut bezahlte Arbeit entstehen über das bGE hianus.  
Es ist Arbeit die kaum jemand machen will, aber die dazu beiträgt  
eine intakte umwelt zu garantieren. Es mus nicht alles wie geleckt  
aussehen, aber zumindest so sein, dass es keinen Wildwuchs gibt. In  
den 60er Jahren sand man vor dem Dilemma, dass es kaum Müllmänner  
gab. Auf der einen Seite rümpfen die Leute die Nase über die  
Müllmänner und haben auch nicht diesen Status in der Gesellschaft der  
ihnen nach unserer Vorstellung zukommen würde. Damals hat man  
Menschen geködert Müllmann zu werden indem man den Berufsstand  
verbeamtet hat. Vielfach hat man es auch umgangen indem man  
Gastarbeitern den Job als müllmann gegeben hat. Wenn nun die Strasse  
geräumt werden muss und der Müll abtransportiert werden muss, dann  
werden das die bestbezahltesten Arbeiter mit sein. Müllmänner würden  
dann diejenigen sein, die ihren 230er Mercedes vor ihrer Haustür  
stehen haben und hätten einen ganz anderen Status in der Gesellschaft.

Bei der ALtenpflege und Krankenpflege sieht es dann ähnlich aus. Bei  
solchen Bereichen wäre es also kontraproduktiv, wenn man ein soziales  
Jahr einführen würde. Denn diese Berufssparte würde dann über das  
soziale Jahr sozial gedumpt werden und zudem käme gerade im umwelt  
bereich hinzu, dass man Blockwarte erzeugt, was man in einer freien  
Welt vermeiden möchte.

Übrigens möchte ich den Übermenschen haben sondern einfach nur  
PRinzipien, die es ermöglichen den Menschen humaner werden zu lassen.  
Ich möchte dem Menschen einfach nur ermöglichen Mensch zu sein.
Heute hat der Mensch, wenn er nicht völligh unabhängig ist von  
Zwängen kaum möglichkeiten sich als Mensch zu entfalten. Und wer ist  
heute nur dazu in der Lage wirklich frei von Zwängen und  
Abhängigkeiten zu sein? Nur die Reichen. Vielelicht nur die  
Superreichen, die nichts mit Bankverpflichtungen zu tun haben und  
eher die Banken bedienen. insofern können dann jetzt nur die  
Superreichen die eigentlichen wahren anarchisten sein ;-) Allerdings  
fehlt denen dabei ein Denken, wie Anarchismus tatsächlich aus sich  
heraus gedacht wird. Denn sie sind ja nur ind er Lage Anarchisten zu  
sein, weil sie auf Kosten vom Rest der Menschheit lebt. Und das  
wissen sie auch eigentlich und sind deswegen keine Anrchisten mehr  
sondern Ausbeuter. Also auch der Schmale Grad von Anarchismus und  
Ausbeutertum ist nicht weit. Deswegen muss man genaustens aufpassen,  
dass man bei anarchistischen Vorstellungen nicht genau das Gegenteil  
erzielt, von dem was man eigentlich will.

let's face it!

Rüdiger

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Rüdiger Heescher
Lohe 10a
D-25436 Uetersen
Tel: +49-(0)4122-989087
email: heescher at attac.de
Videofon: ruedigerheescher
jabber und alle XMPP Server
Skype: ruediger_heescher

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"Ich bin nun überzeugt, dass der höchste Akt der Vernunft, der, in  
dem sie alle Ideen umfasst, ein ästhetischer Akt ist und dass  
Wahrheit und Güte nur in der Schönheit verschwistert sind."

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)



Am 15.02.2007 um 12:49 schrieb Joerg Drescher:

> Hallo Rüdiger (und der Rest der Liste),
>
> in meinem Aufsatz "verhaltenstheoretische Betrachtung eines  
> Grundeinkommens"
> habe ich die Begriffe Pflicht und Zwang folgendermaßen definiert:
> ----
> Pflicht ist etwas, das aus einer inneren Einsicht heraus freiwillig
> (permanent) gemacht wird (in die Schule gehen, anderen Menschen  
> helfen,
> essen, nicht töten...). Sie setzt Verstand voraus.
>
> Zwang ist etwas von äußeren (vermeintlichen) Einsichten, dem sich  
> ein Mensch
> beugen muss, solange es nicht selbst eingesehen wurde (in die  
> Schule gehen,
> arbeiten, essen, nicht töten...). "Hunger" (und primäre Arbeit) ist  
> ein
> natürlicher Zwang, solange keine innere Einsicht dafür besteht.
>
> Zwang ist dann nötig, wenn die permanente Nutzung eines Rechts (in die
> Schule gehen, arbeiten, essen...) oder die dauerhafte Einhaltung eines
> Verbots (töten, stehlen...) nicht über eigene Einsichten geschieht.  
> Das
> heißt, Pflicht wird dann zum Zwang, wenn jemand einer Pflicht nicht  
> durch
> eigene Einsicht freiwillig folgt und andere Zwangsmittel anwenden.  
> Diese
> Zwangsmittel können Belohnung oder Bestrafung sein, die jemanden  
> (teils
> trotz innerer Einsicht) zu einem bestimmten Handeln "zwingt".
> ----
>
> In Deinem Beitrag, Rüdiger, sprichst Du die Frage an, wem ein Mensch
> eigentlich verpflichtet ist. Dabei wird deutlich, daß wir es mit einer
> Relation zu tun haben: der Mensch ist wem oder was gegenüber  
> verpflichtet.
> Die meisten Menschen fühlen sich selbst verpflichtet (sind sich  
> selbst der
> Nächste) oder einer ihnen bekannten Gruppe (bei Kant z.B. die Frage  
> nach dem
> Staat). Reduzieren wir die Frage, was den Menschen oder eine Gruppe
> ausmacht, darauf, daß Menschen leben, können wir von einer Pflicht  
> gegenüber
> dem Leben sprechen. Dies erklärt dann auch, daß ein einzelner  
> Mensch für das
> Leben einer Gruppe (z.B. Staat) sein Leben läßt, um den Fortbestand  
> (das
> Leben) der Gruppe zu ermöglichen. Warum sollte dann die Definition  
> von Kant
> nicht mehr gelten, wenn wir die größtmögliche Gruppe als Menschheit  
> sehen?
>
> Ich stimme zu, daß die Begriffe Recht, Pflicht und Zwang sehr eng
> beieinander liegen. Heißt dann das Recht auf Leben gleichzeitig,  
> daß es eine
> Pflicht zum Leben gibt? Leitet sich daraus ein Zwang ab, leben zu  
> müssen?
> Ich will damit nicht in eine ethische Diskussion abdriften, sondern  
> sagen:
> wenn es ein Recht auf Leben gibt, dann gibt es auch eine Pflicht,  
> das Leben
> zu schützen. Das "wie" ist dabei eine moralische und ethische Frage  
> nach
> Tugenden, die jeweils unterschiedlich beantwortet wurde, aber immer  
> auf ein
> Ziel hinausläuft: das Überleben. Sie hängt eng mit den jeweiligen
> Vorstellungen und Überzeugungen derjenigen Person zusammen, welche  
> eine
> Antwort darauf geben soll. Und mit der jeweiligen Antwort  
> verpflichtet sich
> die Person an ein "wie". Fehlt diese Antwort oder ist sie in den  
> Augen eines
> anderen falsch, haben wir es mit einem Konflikt zu tun - hier kommt  
> die
> Frage nach Zwang auf (vgl. oben).
>
> Ob ich nun den Pflichtbegriff fälschlich verwendet hatte (es bezog  
> sich auf
> ein "soziales Pflichtjahr") kann jeder anhand meinen Ausführungen  
> selbst
> prüfen.
>
> Matthias und ich haben tatsächlich eine Philosophie entwickelt  
> (wegen mir
> auch gebastelt), die in Richtung Anarchismus geht. Allerdings zwang  
> uns
> nicht eine ökonomische Betrachtung dazu, sondern unser Menschenbild  
> (das
> Ökonomie mitumfaßt). Dabei verstehen wir unsere Philosophie eher als
> philosophisches Projekt, statt als eigenständige Philosophie - man  
> findet
> bei den Denkern immer wieder die gleichen Ansätze, daß man eher diese
> untersucht, statt alles neu zu erfinden. Und das Ziel heißt  
> "Wohlwollen" im
> Sinne, das Überleben sichernd - daher auch der Name "Jovialismus".
>
> Ich gehe dabei mit Nietzsches Idee des "Übermenschen" konform, der  
> damit
> meinte, daß der Mensch mehr sein sollte, als nur Mensch. Diesen  
> Ansatz finde
> ich auch im Beitrag von Rüdiger, wenn er sagt, daß der Mensch durch  
> ein BGE
> wieder weg von den niederen Instinkten, wie Neid, Gier und Egoismus  
> kommen
> kann. Jedenfalls wäre dies wünschenswert.
>
> Aber ich will die Philosophie nicht in den Himmel loben und sie als
> Lösungsansatz der weltlichen Probleme darstellen. Falsch verstandene
> Philosophie kann schlimmer sein, wie keine. Das Konzept des  
> "Übermenschen"
> wurde z.B. von den Nazis mißbraucht. Rüdiger warnt in seinem  
> Beitrag davor,
> daß Gegner Hebel in der Ideologie suchen, um diese ins Gegenteil zu  
> kehren.
> Der Existenzialismus ist z.B. so eine Philosophie, die das  
> Abhandensein
> eines (objektiven) Sinns lehrt. Diese Strömung aus den 50er Jahren  
> ist in
> meinen Augen mitverantwortlich an der Welt, in der wir heute leben.  
> Es wurde
> durch diese Sinnlosigkeit zu viel Wert auf die eigene Sinngebung  
> gelegt und
> die Menschheit als Ganzes vergessen, obwohl der Existenzialismus  
> auch die
> Verantwortung für alle Menschen beinhaltet. Verantwortung können wir
> vielleicht mit der hier diskutierten Pflicht gleichstellen.
>
> Jörg (Drescher)
>
>
>
>
> ----- Original Message -----
> From: Rüdiger Heescher
> To: Debatte Grundeinkommen
> Sent: Wednesday, February 14, 2007 7:58 PM
> Subject: [Debatte-Grundeinkommen] von der Pflicht
>

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