[Debatte-Grundeinkommen] von der Pflicht

Robert Zion zion at robert-zion.de
Do Feb 15 00:06:18 CET 2007


Hallo Rüdiger,

"...Das bGE hingegen erschliesst einen Mechanismus der genau das Gegenteil erzeugt, dass immer weniger Menschen gierig, neidisch und missgünstig werden", hast Du geschrieben und damit einen Kern getroffen. Dass Du dies mit Kant abgeleitet hast, ist mir besonders erwähnenswert, da in den aktuellen Abwehrreflexen gegen das BGE eine Armut an Reflexion über den Menschen vorherrscht, die gewissermaßen entlarvend ist. Ich würde dasselbe von Spinoza ableiten, der, grob gesagt, eine Gesellschaft entwirft, in der die Regeln des Zusammenlebens die guten und lebensbejahenden Affekte pflegt und nicht die negativen, wie in unserer. "Absolute" oder "uneingeschränkte Demokratie" hat Spinoza seinen politischen Entwurf einer freien Gesellschaft genannt. Überhaupt, wir greifen mit dem BGE in meinen Augen das Projekt der Aufklärung an einem Punkt wieder auf, wo der Optimismus des Menschenbildes die Triebkraft aller Befreiungen und allen Fortschritts gewesen ist. Aber schaut euch dagegen heute um: Menschenverwaltung in Politik und Wirtschaft, Freiheit wird als Gefahr empfunden und für die kleinen Leute ohnehin entweder als Utopie abgetan oder als unverantwortlich hingestellt - und dies ausgerechnet von denen, die relativ frei leben können und sich solcherlei Urteile demnach auch gut leisten können. Und Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit, sagte Spinoza auch, und die erste Einsicht, würde ich hinzufügen, ist die Notwendigkeit der Freiheit. Es wird Zeit, sich wieder an die Aufklärung zu erinnern und die Welt und den Menschen nicht nur mit den Kategorien der Betriebswirtschaftlehre verstehen zu wollen.
Gruß
Robert Zion
B'90/Grüne, Geschäftsführender Vorstand und Bundesdelegierter, KV Gelsenkirchen
Umweltpolitischer Sprecher der Ratsfraktion B'90/Grüne, Gelsenkirchen
       
  ----- Original Message ----- 
  From: Rüdiger Heescher 
  To: Debatte Grundeinkommen 
  Sent: Wednesday, February 14, 2007 6:58 PM
  Subject: [Debatte-Grundeinkommen] von der Pflicht


  Hallo bGE Befürworter


  es scheint so, dass Jörg den Begriff der Pflicht fälschlich verwendet hat. Es gab dazu eine lange mail von ihm, die ich hier nicht ausführen möchte. Ich möchte nur dazu sagen, dass er anscheinend wohl das gleiche meint wie Lothar und ich, aber missverständlich mit dem Begriff Pflicht und Zwang umgegangen ist. Ob es so ist möchte hier einmal weiter ausführen ob es darüber übereinstimung gibt.


  Der Begriff Pflicht ist von Kant in Metaphysik der Sitten ausführlichst durchgekaut worden.


  Der Pflichtbegriff ist immer sehr verbunden gewesen mit einer Staatsauffassung und dem Religionsglauben also dem Christentum. Daheraus hat Kant einen Pflichtbegriff entwickelt, der sich der Rechtslehre und auch dem Staatsbegriff ansich andiente. Eine Moralische Kategorie wurde von ihm im selben Buch auch entwickelt, die eine Art von moralischem Katechismus, wie er selbst schreibt als Entwurf angehangen ist. Wenn wir von einem Pflichtbegriff sprechen, dann ist das ein Begriff mit dem ich in der Rechtslehre übereinstimme. Es ist im Prinzip sowas wie ein ethischer Kodex, den ich unterschrieben kann. Es dient sozusagen einer Gesellschaft miteinander leben zu können. Aber wem ist der Mensch wirklich verpflichtet? Kant stellt dazu sogar die Frage nach dem Recht des Staates seine "Untertanen" in die Krieg schicken zu dürfen. Es zielt also darauf ab, dass es sowas wie einen Souverän dem Staat gibt, der als Hierarchisches Modell bisher nur gedacht werden konnte. In diesem Staat ist der Mensch also als BÜrger verpflichtet zu etwas gegen seine eigenen Interessen und muss sogar damit rechnen sein Leben zu verlieren. Doch gibt es diesen Nationalstaat wirklich noch in Zeiten der GLobalsierung? Wenn wir uns Transnationale Konzerne anschauen wird uns etwas anderes vorgelebt. Denn dort gibt es nicht den Untertan mehr. Es gibt keinen Konzern, der einem Staat verpflichtet ist. Insgesamt fühlen sich auch viele Menschen heutzutage Cosmopolitan und sehen sich als Weltenbürger. Gibt es daher noch diesen alten Pflichtbegriff, den Kant geschaffen hat?


  Ich glaube nicht. Wem kann der Weltenbürger denn heutzutage verpflichtet sein. Der Mensch als Bürger ist der Welt verpflichtet. Das heisst also, dass er die Natur bewahren muss und der Natur verpflichtet ist. Die Lebensgrundlage des Menschen ist Menschenpflicht sozusagen. Aber der Mensch ist nach wievor dem anderen Menschen gegeüber verpflichtet. Wie weit dieses reicht wird man sehen, aber ein grundsätzliches Ansatz von Pflicht steht nach wievor dem Recht gegenüber. Denn Menschenrechte sind das A und O wie man dem anderen Menscen gegenüber verpflichet sein muss. Recht und Pflicht sind durch die Menschenrechte also garantiert.


  Eine Pflicht gegenüber einer Gesellschaft kann aber nicht darin liegen eine Arbeit auszuführen. Kant hat dazu auch lang und breit in mehreren Kapiteln argumetiert, dass es eine Pflicht gegen sich selbst gibt. Der Müssiggänger wird nacht Kant aber durch diese ganzen Rechte und Pflichten in seinen Ausführungen gerade durch sein Ethisches Konstrkt dazu gebracht seine Pflicht gegen sich selbst nicht als Pflicht gegen seine Interessen zu sehen. Er beschreibt es als Prinzip, dass dem Menschen Innewohnt. Ich würde es auch so beschreiben wollen, solange! es sowas wie ein ethisches Prinzip weiterhin gibt. Der Müssiggänger wird also sich selbst gegen seinen eigenen Schweinehund eine Pflicht auferlegen, die dem ethischen Konstrukt genügt. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus wird das sicherlich nicht bei jedem Menschen so sein, aber das ist auch egal in welcher Wirtschaftsform wir leben oder in welchem gesellschaftlichen Geflecht wir leben. Es ist ein Verständnis, welches den meisten Menschen innewohnt und was auch ausreicht solange eine gewisse grösse von solchen Menschen diesem nachstreben. Deswegen kam Kant auch auf die chrsitilichen Tugenden zurück. Es wird sicherlich nicht so sein, dass auf einmal alle Menschen mit den christlichen Tugenden erfüllt sein werden, aber auch da reicht ein grossteil der Auffassung davon was Tugenden überhaupt sind und nicht ob alle so tugendhaft leben. Denn wie ich schon in meiner letzten Ausführung geschrieben habe, wird der Mensch insgesamt sicherlich auch noch weitehrin die Gier kennen. Es ist menschlich. Neid und Missgunst genauso. Es wird nie den perfekten Menschen geben, der so reflektiert diese ganzen menschelnden abstreifen wird. Es wird auch nie dazu kommen, selbst wenn man die perfekteste Welt erschaffen würde. Es spielt auch keine Rolle für das bGE und die Mechanismen, die dahinter stehen und zu was es führen soll. Eines steht auf jeden fall fest, Der Raubtierkapitalismus verschiebt die Mehrheit der Menschen genau zu diesen niederen Instinkten, sodass immer mehr Menschen gierig, Neidvoll und Missgünstig werden, weil die unterschiede zwischen Arm und Reich zu gross sind und damit auch existenzbedrohend sind, was wie bei Kant ausgeführt zum animalischen führt. Das bGE hingegen erschliesst einen Mechanismus der genau das Gegenteil erzeugt, dass immer weniger Menschen gierig, neidisch und missgünstig werden.


  Es bedarf daher einer Rechtsauffassung auf ethischem Grundsatz basierend, der den Begriff der Pflicht nur in ihrem Rahmen versteht, aber ein weiterer ist nicht notwendig. Pflicht als Begriff im Rahmen von Menschnerechten, die man noch ausdehnen kann auf die Natur bezogen, wo man allerdings aufpassen muss, dass man nicht daheraus eine Ökodiktatur werden lässt! Durchaus auch möglich. Darüber haben wir uns noch gar nicht unterhalten. Denn die Gefahr ist dort genauso gegeben wie der schmale Grad bezogen auf das bGE als Existenzgeld, damit der Mensch in Würde leben kann und der anderen Seite der medaillie, wenn das bGE zu niedrig ausfällt, dass man damit eine Dienstbotengesellschaft erzeugt.


  Letztlich ist all dieses, was ich hier beschrieben habe nichts anderes als eine anarchistische Theorie und geht noch ein stück weiter als John Rawls politischer Liberalismus, der sich die Vorstellung einer Ökonomie im Rahmen einer partizipativen Gesellschaft verbaut hat, Das hat John Rawls auch selbst gemerkt, als er seine "Theory of justice" versucht hat direkt umzusetzen in seinen politischen Liberalismus.  Es ist ihm nicht gelungen und musste seine wunderbare "Theory of Justice" dann zerstückeln und letztlich in seiner Reinheit auf Kosten einer politischen Theorie aufgeben.


  Ich schätze mal so ähnlich ist es auch wohl Jörg und Matthias gegangen und haben dann sowas wie eine halbe anarchistische Theorie gebastelt als Theorie, die nichts mehr mit anrchistischer Theorie zu tun hat sondern dann sogar bei manchen Menschen als liberalkonservativ rüberkommt.


  Doch letztlich kann man keinen Masterplan als Ideologie in die Realität umsetzen. Es wird nie funktionieren. Jeder Hebel wird von Gegnern genutzt um nicht die reine Lehre umsetzen zu können und sind erstmal entscheidnede Hebel umgeklappt, dann kann die Theorie genau in das Gegenteil umschlagen als das was man ursprünglich wollte und dann hängt man da.


  Genauso sehe ich das übrigens auch mit dem bGE. Wenn das bGE nicht eine Existenzgeld wird für alle in einer gewissen Höhe, was der Würde eines jeden Menschen genügt, dann werde ich der grösste Gegner des danneingeführten pseudo bGEs Denn dann wird der Mensch zum Dienstboten gemacht für eine Reiche Elite und letztlich wird dann das bGE nur als Armutsbekämpfungsinstrument eingesetzt um die Massen ruhig zu stellen.


  Und das kann nicht der Sinn sein von einem bGE.


  Wenn die Grünen nun ihren Kongress eine Armutkonferenz nennen, dann finde ich das bezeichnend. Denn mit Armutsbekämpfung hat das bGE nichts zu tun. Wenn es jemand tatsächlich so auffassen will, der gerade in der Hartz 4 Schleife steckt, dann hat er schion seine Würde verloren. Wenn Milton Friedmann das so in Freiheit und Kapitalismus geschrieben hätte, dann hätte er nicht den liberalen Charakter so heruasgestrichen, der in der Befreiung des Menschen liegt, Ähnlich wie Adam Smith als Moralphilosoph und Ökonom muss man einfach sehen, in welcher Zeit sie lebten und wie man sich mit den wirtschaftsformen auseinander setzen muss. Heute stehen wir vor andern Heruasforderungen. Auf der Welt und gerade in Deutschland haben wir Reichtum pur. Es geht um Umverteilung. Es geht auch um Armut.


  Aber bGE ist mehr als das und ist ein Mechanismus, der hilft den Kapitalismus zu überwinden. Aber nur wenn das bGE ein echtes Existenzgeld ist.








  let's face it!


  Rüdiger



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  "Ich bin nun überzeugt, dass der höchste Akt der Vernunft, der, in dem sie alle Ideen umfasst, ein ästhetischer Akt ist und dass Wahrheit und Güte nur in der Schönheit verschwistert sind."



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