[Debatte-Grundeinkommen] Kapitalismusdebatte
Rüdiger Heescher
ruediger.heescher at attac.de
Do Aug 16 08:22:36 CEST 2007
Hallo Joerg
langsam platzt mit der Kragen, wenn ich nun soviel zusammengebastelte
Weisheiten bei Dir lese.
Wenn man schon irgend welche Zitate und Erkenntnisse anführt, dann
sollte man schon das Wesen der Philosophien derjenigen kennen, damit
man einen Zusammenhang hat in welche Richtung gedacht wird.
Einzelzitate und zusammengereimte Erkenntnisse aufgrund von ein paar
Stichpunkten, die mal in die Welt gepustet werden sind nicht der Sinn
und Zweck von Zitaten.
Philosophie funktioniert nicht, wenn man eine Reihe von Zitaten hat
und sie dann mal passend irgend wo einfügt. Man muss das Wesen kennen
aus welchem Denkvorgang heraus irgend wer zu diesen Weisheiten kam.
Und in diesem zusammenhang muss man dann die Weisheiten gebrauchen um
sie dann zu zitieren.
Wenn Du Nietzsche zitierst wird es schwierig, wenn Du sie aus einem
zusammenhang mit Heideggers Wesen der Philosophie entnimmst.
Nietzsche war eigentlich ein Psychofreak und in diesem Zusammenhang
sollte man Nietzsche bewerten und nicht aus Heideggers Sammelsurium
heraus. (Das gleiche gilt auch für Plato in Heideggers Denken)
Wenn Du Marx glaubst zu verstehen, dann muss man erstmal das Wesen
aus seinen Frühschriften und seiner Kritik heraus erkennen. Bei Marx
kommt noch hinzu, dass er den Inhalt vor die Form gesetzt hat, wie
bei vielen naturwissenschaftlich denkenden Philosophen. Und ein
kollektiver Kapitalismus ist mitnichten das was den Kommunismus
ausmacht. Es ist einfach komplett falsch was du schreibst. Seine
Kritik ging sogar so weit, dass er das Geld abschaffen wollte. Es gab
in der Geschichte noch nie einen Kommunismus. Es gab nur einen
Sozialismus der letztlich ein Staatskapitalismus wurde. Also da bist
Du völlig auf dem Holzweg und beschreibt eher etwas, was Lenin oder
Stalin hätte sagen können. Wenn Du dich am Marxismus abarbeiten
möchtest, dann bitte zuerst einmal die Frühschriften lesen und
vielleicht dann Friedrich Engels lesen, wenn man eine Übersetzung
braucht, denn Friedrich Engels war sowas wie der Übersetzer von Marx,
damit das ganze auch eine Form hatte für viele Menschen, wenn der
Inhalt ihnen zu abstrakt war und die Form nicht gefiel.
Es ist leider so, dass nicht alles ideal ist und es in der
Vergangenheit viele Menschen Philosophen gab, die mehr Wert auf
Inhalt gelegt haben und weniger auf die Form. Und bei
naturwissenschaftlich geprägten Leuten ist der inhalt das wichtigste
und haben auf die Form geschissen.
Heidegger hingegen hat viel mehr Wert auf Form gesetzt und dieses auf
die SPitze getrieben. Übrigens auch aus der Kritik an dem
naturwissenschaftlichen inahltlichen Denken ist die Sprachphilosophie
geworden und Hermeneutik konnte sich entfalten, was der
Rechtsphilosophie zum Durchbruch in der Neuzeit verhalf. Genauso wie
auch viele Blüten der Nichtssagenden Philosophien die sich auf die
Form beschränkten, aber den Inhalt nicht mehr in den Vordergrund
schoben.
m.E. ein grosser Fehler in der Entwicklung der Philosophie, weil
somit auch die Philosophie in den Verruf kam geschwafel zu sein.
Wenn man also das Wesen der Philosophien versteht, dann macht es erst
sinn. Reine Zitate zu benutzen wenn sie mal passen und dann auch noch
von drittautoren in ihrem eigenen Zusammenhang ist nicht sinnvoll und
führt nur unweigerlich zu hohlen Aussagen, die nur benutzt werden um
eigene Meinungen zu bestätigen.
und um nochmal auf Nietzsche zu kommen. Er hat zwar viel wahres
gesagt für das Alltagspsychologische Verständnis mit Menschen, aber
er hat nicht das umfassende in seinen Mechansimsen der
Weltzusammenhänge beschrieben.
Das haben nur die wenigsten beschrieben. und wenn wir uns nun mit
Mechanismen und Weltzusammenhängen in Bezug auf Freiheit und freier
Wille oder Determinsmisus auseinander setzen, dann sollten wir uns
vielleicht lieber andere Autoren aussuchen als Nietzsche.
Dann werden wir uns auch nicht mehr über diese Fragen unterhalten ob
es freien Willen gibt oder nicht.
Es ist genauso eine Frage, wie die Frage nach dem Sinn des Lebens. Da
macht man sich gedanken drüber und bleibt daran hängen und wird
Theologe oder man sieht irgend wann diese Frage nicht mehr als eine
philosophische Frage an und verwirft diese Fragestellung und schaut
auf andere Aspekte der Weltzusammenhänge, die sich mit Determinsmus
oder freien Willen beschäftigen.
Es ist gut sich immer mal wieder ins Bewusstsein zu rufen, wieso man
solche und andere Fragen immer wieder als wichtig ansieht und sich
daran aufhält, aber es sind Fragen, die in der Philosophie falsch
gestellte Fragen sind. Für falsch gestellte Fragen (im Sinne der
Philosophie) hat man dann andere disziplinen der Wissenschaften
eingeführt, wie z.B. die Psychologie oder Theologie oder Esoterik,
die sich dann damit herumschlagen können. Im Alltgagsleben ist das
sinnvoll für den einzelnen Menschen, aber nicht für die Philosophie.
Nichts für ungut.
gruss
Rüdiger
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überzeugen und den verschiedenen Formen von Ausbeutung und Terror
entgegenzuwirken, das mag in manchen Augenblicken ungeheuer schwer
erscheinen, und dennoch gibt es keine Alternative."
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Am 15.08.2007 um 22:18 schrieb Joerg Drescher:
> Hallo Robert, hallo Listenteilnehmer,
>
> wenn's um's Legitimieren geht, möchte ich doch auch etwas dazu
> sagen. Daß
> Deine Interpretation etwas daneben liegt, kannst Du Dir, Robert,
> wohl selbst
> denken, obwohl Du mit Deinem "Galgenhumor" eine gute Frage stellst:
> was
> legitimiert denn eigentlich den Kapitalismus? Was sind dessen
> Ursachen? Kann
> man "Kapitalismus" überhaupt abschaffen? Oder muß man versuchen, einen
> gangbaren Weg zu finden, mit dem Phänomen umzugehen? Arbeitslosigkeit
> (besser Erwerbslosigkeit) wird oft als Krankheit verstanden, die man
> fieberhaft zu heilen versucht - dabei wäre es besser, "die
> krankhafte Suche
> nach Lösungen" zu heilen. Allein aus dem Standpunktwechsel ergibt
> sich ein
> ganz anderer Ansatz. Also kommen wir nochmals auf den Kapitalismus zu
> sprechen.
>
> Was wird damit eigentlich genau gemeint? Lateinisch "capitalis"
> bedeutet
> "Haupt-" und kommt von "caput", was "der Kopf" bedeutet; ursprünglich
> bewertete man die Köpfe einer Viehherde (im römischen Reich war "Summa
> capitalis" die Hauptsumme in Wirtschaftsrechnungen); im 18.
> Jahrhundert
> verwendete Karl Marx das Wort "Kapital" für seine Mehrwerttheorie -
> davor
> gab's das Wort im Deutschen eigentlich nicht so richtig. Damit hat
> "Kapitalismus" etwas mit Geld zu tun, bzw. der Bewertung von etwas
> (dank
> Marx). Geld wiederum haben wir (Matthias und ich) hier sehr häufig als
> Maßeinheit für Wert definiert. Und im realen "Kapitalismus" geht's
> eigentlich dauernd um Geld.
>
> Schauen wir uns nun mal an, was "Bewerten" bedeutet, so kommen wir
> darauf,
> daß es eine "Wertung" von mindestens zwei Dingen ist, von denen
> eine Sache
> bevorzugt wird. "Bewertung" ist dann nötig, um gewisse Dinge in eine
> bestimmte (subjektive) Reihenfolge zu bringen, für die man sich
> entscheidet - und Entscheidungen hängen mit "Wollen" zusammen.
>
> Nun hat der Mensch als einziges Lebewesen einen freien Willen
> (Stichwort:
> "Die Freiheit 'nein' zu sagen"). Vor kurzem hatte ich mal (eher aus
> Spaß)
> gemeint, daß "ich will" eigentlich "ich bin es mir wert" bedeutet.
> Inzwischen bin ich so weit, daß ich die These in den Raum stelle,
> ob nicht
> dieser "freie Wille" des Menschen eigentlich eine "subjektive
> Bewertung"
> darstellt. Ob das sich nun auf das Individuum bezieht ("Ich will
> essen" ->
> "Ich bin mir es wert zu essen"; das "es" kann z.B. das "zu Essende"
> sein,
> aber auch "nichts") oder auf andere ("Ich will, daß Du arbeitest" -
> > "Du
> bist mir es wert zu arbeiten"; dieses "es" kann positiv [z.B.
> 100Euro/h],
> aber auch negativ sein [nichts]), ist erstmal egal. Wer Lust hat,
> kann noch
> weitere Satzkonstruktionen mit dem Verb "wollen" bilden und diese
> in Bezug
> auf die "subjektive Wertschätzung" überprüfen. Derjenige, der mir eine
> Konstruktion bringt, die nicht in Bezug zu einer Bewertung gesetzt
> werden
> kann, bekommt eine kleine Anerkennung meinerseits dafür (was sage
> ich noch
> nicht) - aber ich erlaube mir, diese Konstruktion zu prüfen...
>
> Wenn meine These "richtig" ist (vorsicht, das "richtig" ist von
> jedem eine
> "subjektive Bewertung"), kann man den "Kapitalismus" weder
> legitimieren,
> noch bekämpfen oder gar abschaffen. Somit hätten wir mit dem
> "Kapitalismus"
> einen natürlichen Sachverhalt, wie das Leben selbst - und
> vielleicht erklärt
> sich daraus, weshalb er so erfolgreich ist. (Für die Kommunisten in
> der
> Liste sei angemerkt, daß der Kommunismus als "Kollektiv-Kapitalismus"
> betrachtet werden kann, wobei ich hier nicht darauf eingehen
> möchte, wie ich
> das verstehe).
>
> Nietzsche sagte dazu:
> "Wenn wir von Werthen reden, reden wir unter der Inspiration, unter
> der
> Optik des Lebens: das Leben selbst zwingt uns Werthe anzusetzen,
> das Leben
> selbst werthet durch uns, wenn wir Werthe ansetzen" (Friedrich
> Nietzsche,
> G.D, S. 86 "Die Werte entspringen nicht aus dem an sich bestehenden
> Übersinnlichen, sondern Werte sind Bedingung des Lebens, d.h. der
> Lebenssteigerung, und entspringen nur aus diesem Leben und gelten
> nur für
> dieses." Martin Heidegger, Gesamtausgabe Bd. 48, S. 17)
>
> Tja... wie immer ist die Sache nicht ganz ausgereift, aber ich
> zähle diesen
> Gedankengang zum Jovialismus (der einer Bewertung das "wohlwollend"
> beizumessen versucht). Wer es schafft, die Sache "wertfrei" zu
> überlegen,
> kommt mMn der wirklichen "freien Willensentscheidung" etwas näher ;-)
>
> Über Meinungen freue ich mich natürlich, wie immer
>
> Viele Grüße aus Kiew,
>
> Jörg (Drescher)
> - http://www.iovialis.org -
>
>
> ----- Original Message -----
> From: "Robert Zion" <zion at robert-zion.de>
> To: "j.behncke" <j.behncke at bln.de>; "Kai.Ruesen" <Kai.Ruesen at t-
> online.de>;
> <ludwigpaul.haeussner at iep.uni-karlsruhe.de>
> Cc: <gruenes_netzwerk_grundeinkommen at gruene-berlin.de>
> Sent: Wednesday, August 15, 2007 4:44 PM
> Subject: Re: [Gr.NetzGE] Grundeinkommen statt Rentenkapitalismus
>
>
>> Hi,
>> jetzt legitimieren wir den Kapitalismus schon mit dem Saufen der
>> alten
>> Germanen. Na, denn:
>> Prost!
>> Grüße
>> Robert
>
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