[Debatte-Grundeinkommen] Kipping und das BGE

Ingo Groepler-Roeser ingo.groepler.roeser at googlemail.com
Fr Apr 13 18:15:11 CEST 2007


Lieber Tobias, liebe Netzwerker

von einer Jagd der Politiker als einer Jagd des Netzwerkes möchte ich
abraten.
Selbstverständlich - das zeitigen parteispezifische Verhaltensweisen gerade
in der Sache um das BGE/ dort eher GE, läuft oftmals denen das Interesse
zuwider, Gerechtigkeit im Sinne eines BGE bspw. tatsächlich greifbar
umzusetzen. Nur dürfen wir uns nicht daran festhalten, daß die Linkspartei
und die WASG sich eben nicht dafür entschieden haben und es gehört auch zu
einer politisch fairen Unterscheidung, die Muskeln nicht gegen alle
Politiker spielen zu lassen. Zumindest haben m.E. die linken AkteurInnen
nicht ausreichend Macht, um - welche Prinzipien auch immer durchzusetzen.
Das kann Inaktivität sicher kaum entschuldigen - soll es auch nicht. Das
soll nur darauf hinweisen, daß diese "Jagd" auch ein nutzloses und eher
ideologisches Unterfangen wäre. Auf der vielmals als komfortabel
geschilderte oppositionelle Lage der beiden Parteien, ebenso der Grünen mit
eher marktwirtschaftl. Ansätzen (AutorInnenpapier) liegt natürlich der
Erwartungsdruck. Hingegen die konservativen Politiker haben sich auch
bislang nicht gescheut, sich offen gegen jede soziale Idee zu verhalten.
Dies zu "honorieren" wäre dringlichste Leidenschaft meinerseits. Bisher habe
ich von dort nur Ödes gehört; das Weichwaschen der BGE-Idee bis hin zur
Ersetzung mindest/investivlohnorientierter Strategien.
Ich sehe bspw. kein Problem darin, Mindestlohn als Etappe bzw. als spätere
Ergänzung des BGE zu werten und beiden Modellen einen entsprechenden Rahmen
in politischen und Gesellschaftskonzepten zu bieten.
Dort besteht freilich in der Linken noch Nachholbedarf - den
gewerkschaftlichen Mitstreitern einmal klarzumachen, daß (was wir hier lesen
und hören) die Änderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen nicht beide
voneinander ausschließt. Letztlich ist sowohl das Eine als auch das Andere
lediglich von der Finanzierbarkeit im Umbruch und unter der Logik
veränderter Finanz- und Wirtschaftspolitik abhängig. Die jetzigen
Voraussetzungen stellen natürlich ein Signal der Umverteilungsfrage auf Rot.
Bspw. die Einführung des Regionalgeldes in Ostthüringen, in MVP und
demnächst auch in Sachsen sind geeignet, die Sichtweise auf Geldflüsse zu
entzerren und auch eine andere Beziehung zum Geld zu entwickeln. Solche
Modelle sehe ich als schlüssige Notbremse in einer sozial verkaterten
Welt/Region an, die -zwar nur als Aufmerksamkeit schaffendes Kleinregulativ
-  immerhin  wach rüttelt. Ob nun Banken, Globalwirtschaftler oder
Export/Importwahnsinnige und BIP-Abhängige, das ist egal, wenn es damit nur
gelänge, eine Sensibilität herzustellen.

Lieber Axel Tigges,

Ob man nun R. Bahro nun wegen seiner privaten "Glaubwürdigkeit" glaubt oder
nicht - steht außer Frage für mich. Entscheidend sind für mich daraus die
Schlüsse in der Angelegenheit eines sich natürlicherweise (nicht
natürlicherweise existierenden) differenzierenden Marktes unter
kapitalistischen Bedingungen. Aber das ist (hier) nicht neu und deswegen
sicher bereits ein abgeschlossenes Thema. Ich könnte durchaus auch den
"weicheren" theoretischen Varianten einer ökologischen sozialen
Marktwirtschaft (die es wahrscheinlich praktisch nicht gibt) etwas
abgewinnen, wenn darin die Verteilungsprinzipien objektiv gerecht sind. Dazu
gehört für mich das BGE ohne Ausnahme.
Das werden wir aber mit einer "Jagd" nicht erreichen, denn dan verschwinden
die, denen man einen aktiven Mitwirkungsgrad zugesteht.

Herzl. Grüße
Ingo Groepler-Roeser


Am 11.04.07 schrieb Tobias Crefeld <tc-wasg at onlinehome.de>:
>
> On Tue, 10 Apr 2007 19:22:44 +0200 "Ingo Groepler-Roeser"
> <ingo.groepler.roeser at googlemail.com> wrote:
>
> > Um es ganz plastisch zu übertreiben: Ich halte Sprecher für
> > Sprecherpositionen ungeeignet, weil sie Sprecher sind? Vielleicht
> > wäre es ganz nett, wenn hin und wieder der ein oder andere
> > "Berufspolitiker" sich auf den Streit/die Diskussion einließe - sich
> > stellen würde.
>
> Ich sehe keine Berufspolitiker, die sich einer Diskussion stellen. Wenn
> ich hier Veranstaltungen rund ums BGE besuche, dann sitzen da
> gelegentlich Parlamentarier oder Angestellte aus dem politischen
> Apparat, tw. auch aus Kippings Partei und halten die meiste Zeit brav
> den Schnabel oder ergehen sich in Allgemeinplätzen, um ja nicht
> anzuecken. So wie das halt alle Politiker machen, die unbedingt
> wiedergewählt werden wollen. Das ist nun mal so und das ist
> gleichzeitig deren Handicap im Hinblick auf ihre Überzeugungskraft.
> Warum soll sich eine Organisation Sprecher mit solchen Handicaps antun?
>
>
> > Das politische Maß an Offenheit gegenüber "ganz
> > bodenständigen" Auseinandersetzungen scheint derzeit in Deutschland
> > ohnehin einer Kultur des "positiven Verdrängens" (positive
> > unthinking) zu weichen.
>
> Da sehe ich doch eine etwas positivere Tendenz. Im politischen Apparat
> mag das so sein, aber "am Stammtisch" hat sich nach Jahren des
> Konkurrierens und der getrennten Alleingänge wieder häufiger ein
> gemeinsames politisches Interesse herausgebildet, dass sich allerdings
> auf konkrete Punkte fokussiert und im übrigen von der Sinnlosigkeit der
> parteipolitischen Ochsentour ausgeht.
>
> Die Tendenz der letzten 10..20 Jahr zu mehr direkter Demokratie und
> gleichzeitig zu mehr Lobbyismus kommt ja nicht von ungefähr. Sie ist
> eine Reaktion auf die Mängel des repräsentativ-demokratischen Systems,
> wie es sich heute darstellt. In meiner Jugend, also vor langer Zeit,
> gab es immer wieder spannende Debatten im Bundestag, die wir live am
> Radio verfolgten - tw. auch während der Unterrichtszeit. Heute schlafen
> einem die Füsse ein bei dem Rumgestotter. Und bei Abstimmungen, bei
> denen das Ergebnis schon vorher ausgekartet wurde, braucht man sich
> auch nicht mehr fürs Plenum zu interessieren. Wenn dies nun, wie im
> vorliegenden Fall, auf Parteien übertragen wird, dann stirbt die
> politische Kultur eben auch dort. Das braucht nur die Partei zu
> interessieren, aber auf solche "Pferde" sollte man außerhalb von
> Parteien nicht mehr setzen.
>
>
> > Vielmehr gilt es doch, die öffentlich konstruierte
> > Trendwende "hin zum Sozialen" quer durch alle Parteien zu
> > dynamisieren und die Politischen beim Wort zu nehmen.
>
> Richtig, so wie sich die Mehrheitsverhältnisse darstellen, wird dies
> ohne Zweifel der einzige Weg sein, ein BGE durchzusetzen.
>
> Nur: "Beim Wort nehmen" hat was damit zu tun, dass wir die Politiker so
> lange jagen müssen, bis sie das so realisieren. Und das funktioniert
> eben nicht, wenn Berufspolitiker sich selbst "jagen" sollen. Der Bock
> ist nunmal ein schlechter Gärtner.
>
> --
> Gruß,
> Tobias.
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