[Debatte-Grundeinkommen] Soziale Arbeit und Steuerdiskussion

j.behncke j.behncke at bln.de
So Apr 23 12:54:17 CEST 2006


Lieber Ernst Ulrich!

Den Trick mußt Du mir mal vorführen, wie man Steuern auf die Produktpreise wie zum Beispiel Brötchen umlegen kann.

Sehr wohl kann man Kosten auf die Preise umlegen ( siehe Maut, erhöhte Energiekosten ( die dann auch Verbrauchssteuern enthalten ) höhere Löhne wegen der sog. Lohnnebenkosten, also Beiträgen zu den Sozialversicherungen usw. usw. ) - aber Steuern im üblichen Sinne ( d.h. exklusive Verbrauchsteuern ) zahlt  der Arbeitnehmer auf Einkommen und der Unternehmer auf Gewinn. Der Gewinn berechnet sich aus der Differenz zwischen Erlösen ( Zahl der verkauften Produkte mal Preis ) und den Kosten. Auf diesen Gewinn sind Steuern zu zahlen. 

Erhöhe ich den Produktpreis um die Steuern anteilig bei gleichen Kosten und gelingt es mir, den Absatz konstant zu halten ( also Zahl der verkauften Einheiten ), so e r h ö h e ich meinen Gewinn zusammen mit dem Erlös und zahle im Endergebnis mehr Steuern. Man kann also keine Steuern umlegen ( außer den erwähnten Verbrauchssteuern, die Bestandteil der Kosten sind, wie zum Beispiel Öl etc. ). 

Noch einmal, um es ganz deutlich zu machen: Ich verkaufe 1000 Brötchen zu 20 cent. Ergibt einen Erlös von 1000 mal 0,20, also gleich 200 €. Die damit verbunden Kosten sind 100 €. Gibt einen Gewinn von 100 €. Darauf zahlt der Unternehmer durchschnittliche Steuern in Deutschland von ca. 36% ( Körperschaftsteuer plus Gewerbesteuer ) macht 36 € Steuern. Ihm verbleiben also 64 €. Jetzt benutzt er Deinen genialen Trick: Er schlägt die 36 € auf die 1000 Brötchen um: D.h. ein Brötchen kostet jetzt 3,6 cent mehr: Da im Bäckerladen nicht mit zehntel cent abgerechnet wird, rundet er den Preis auf: Jetzt kostet ein Brötchen 24 cent. Seine Kunden bleiben ihm treu und nehmen ihm weiterhin 1000 Brötchen ab ( sie müssen darauf auch noch die MwSt. zahlen, die gehen aber ans Finanzamt, nicht an den Unternehmer. ). Sein Erlös ist jetz 240 €, bei gleichen Kosten von 100 € verbleibt ihm ein Gewinn von jetzt 140 €. Darauf zahlt er wieder 36 % Steuern, also 50,40 €, sein Ergebnis nach Steuern beträgt jetzt 89,60 €, also 25,90 € mehr als vorher: Ergebnis: Der Staat erhält mehr Steuern, der Unternehmer verdient mehr Geld, nur der Verbraucher ist angeschissen: er muß mehr für seine Brötchen bezahlen und ihm bleibt von seinem Einkommen daher weniger übrig. Man kann also keine Ertragssteuern umlegen!!!! 

Bei einem Mehrwertsteuersatz von 50% bei gleichzeitiger Abschaffung der Ertragssteuern geht das ins absurde: Der Unternehmer zahlt jetz nämlich keine Steuern mehr auf seinen Gewinn. Den gößten Teil seines Geldes legt er in ausländischen Fonds an und von dem  - anteilsmäßig - wenigen Geld, das er zum Leben braucht, zahlt er jetzt 30 cent für seine Brötchen.

Wieviel Brötchen müßte er wohl essen, um seine vorherigen Ertragssteuern von 36 € in Form von Verbrauchssteuern wieder einzubringen? Antwort: 360 Brötchen! 

Das zeigt, was hinter dem Vorschlag, alle Steuern zugunsten von Verbrauchssteuern abzuschaffen, steckt: Es ist ein enormer Vorteil für alle, die hohe Erträge erwirtschaften. Die damit verbundenen Ertragssteuerausfälle können und sollen nicht durch höheren Verbrauch kompensiert werden und eine exorbitante Erhöhung der Verbrauchssteuern schadet allen Verbrauchern, also dem einfachen Mann in dieser Gesellschaft.  

Soweit zum Thema: Steuern umlegen und BGE durch Mehrwertsteuer finanzieren.

Grüße

Joachim Behncke, Berlin 
  ----- Original Message ----- 
  From: Ernst Ullrich Schultz 
  To: Debatte-grundeinkommen at listen.grundeinkommen.de 
  Sent: Friday, April 21, 2006 11:10 PM
  Subject: [Debatte-Grundeinkommen] Soziale Arbeit und Steuerdiskussion


  Liebe MitstreiterInnen,
  ich finde die Frage von Johannes Richter sehr wichtig und möchte meine Meinung dazu tun, zumal ich im sozialen Dienst arbeite. 
  Die soziale Arbeit  für die Schwächeren in der Gesellschaft, für Behinderte, physisch Kranke usw. muss auf jeden Fall so weitergeführt werden.Grundeinkommen kann da nur ein Sockel sein. Was sich positiv auswirken wird, ist der Abbau der Bürokratie, unter dieser leidet insbesondere die Sozialarbeit.(Allein diese oberbescheuerte Zuzahlungsregelung der ges. Krankenkassen für unsere Betreuten hat mich schon rebellisch gemacht!) Eine stärkere personelle Entkrampfung durch ehrenamtliche Arbeit ist auch zu erhoffen.

  Zu dem umstrittenen Steuerkonzept von Hardorp und Werner: 
  Es wird immer wieder vergessen, dass alle Steuern, ob Lohn- Einkommens- oder Unternehmenssteuern, die bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen anfallen, in den Verbraucherpreisen stecken! Im Brötchen, dass angeblich so teuer wird durch die hohe Konsumsteuer, stecken die Einkommenssteuern der Bäcker, der Müller, der Großhändler, der Landwirte. Waren und Dienstleistungen mit hohem Lohnkostenanteil werden nicht teurer. Importwaren sicherlich, aber die sind heute viel zu billig. Hardorps Konzept sieht zudem eine abgestufte Konsumsteuer vor, wo Luxusbedarf höher besteuert wird.
  Auch die Reichensteuer ist populistische Augenwischerei. Glaubt jemand, Herr Sowieso verkauft seine Luxusjacht, weil er höhere Steuern zahlen muss? Er schlägt es auf die Preise oder er macht den Laden dicht. Fragen nach Reich und Arm sind Machtfragen, die man per Steuerpolitik nicht regeln kann. Die Angestellten und Anteilseigner der Deutschen Bank bestimmen über das Gehalt von Herrn Ackermann , über seine "Steuerlast" grinst der doch nur.

  Herzliche Grüße,
  Ernst Ullrich Schultz



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