[Debatte-Grundeinkommen] Neues Modell der Finanzierung des BGE

Florian Hoffmann florian.hoffmann at intereasy.de
Mi Dez 28 11:07:24 CET 2005



Lieber Herr Loer,

vielen Dank für Ihre Anmerkungen, die teilweise doch sehr, sehr positiv
waren. Also kämpfen wir zusammen:

Nur eine kurze Anmerkung in der Sache: Mit meiner "Gleichstellung" wollen
Sie nicht mitgehen:

"Beginnen wir wieder beim letzten Satz: Mit dem BGE stellt sich der Bürger
nicht dem Staat gleich, denn der Bürger ist immer schon Kern der
Vergemeinschaftung, die sich im Staat eine verfasste Organisation gegeben
hat. Das BGE lässt dies deutlich werden. Entsprechend hat nicht der Staat
Wünsche, die denen der Bürger entgegenstehen. Im Staat handeln die Bürger
durch ihre Organe als Gemeinschaft; und wenn sie nicht wollen, was ihre
gegenwärtigen Repräsentanten in den Organen tun, dann sind allein sie selbst
schuld, wenn sie das nicht – durch Abwahl, Neuwahl etc. ändern. Die
Steuereinnahmen sind die Steuereinnahmen der politischen Gemeinschaft, die
damit auch die Organe ihrer verfassten Organisation finanziert. Der Staat
ist nichts, was nicht die Bürger wollen, dass er ist."

Mein Vorschlag dazu wäre, das Thema in eine separate Diskussion mit einem
Staatsrechtler und einem "Staatsphilosophen" zu packen. Ich sehe als Jurist
die "Körperschaft des öffentlichen Rechts" als eigenständig handelndes
Subjekt, vergleichbar einer Aktiengesellschaft. Natürlich ist letztlich
alles vom Aktionär und seinem Willen abhängig. Aber die Aktionäre handeln
nicht. Meine momentane Richtung dazu wäre: Für mich sind Staat und
Aktiengesellschaft "Wesen" eigener Art. Und wenn also der Bürger in Rahmen
außerhalb des Staatsetats in der Solidar-Gemeinschaft des BGE seine
ureigenen Einnahmen erzielt, dann hat er eine Art eigener
Steuersouveränität - genau wie der Staat selbst. (Vielleicht nur eine
philosophische Frage?)

Jetzt etwas Organisatorisches:

Innerhalb weniger Wochen ist es mir (dank Internet) gelungen, mir einen
ziemlich guten Überblick über die Struktur und die Komponenten der
"Bewegung" einen Überblick zu verschaffen. Die Key-Player finden Sie fast
alle im Verteiler. Es handelt sich dabei vielfach um eigenständige Denker,
aber auch um Initiatoren von Parteien, um Beobachter spezieller
Entwicklungen. etc.. Aufgefallen ist mir, dass viele parallel mit denselben
Argumenten in dieselbe Richtung arbeiten. Man hat aber manchmal den
Eindruck, dass ihre Initiativen verpuffen, dass die Gedanken einfach im Raum
stehen bleiben und nicht multipliziert werden. Dennoch sollte man überlegen,
ob es nicht an der Zeit ist, die Kräfte zu bündeln. Über die Form müßte man
diskutieren. Vielleicht ein Verband, vielleicht ein Syposium und hinterher
ein Buch herausgeben, vielleicht nur (noch) eine Plattform, vielleicht nur
ein gemeinsames Treffen.

Vielleicht bin ich noch nicht lange genug in der Szene, als dass ich das gut
genug beurteilen kann? Vielleicht geht es auch garnicht, weil viele
eigenständige Köpfe Teile ihrer eigenständigen Konzepte nicht aufgeben
wollen.

Was denken Sie dazu?

Nachweihnachtliche Grüße
Florian Hoffmann

  -----Ursprüngliche Nachricht-----
  Von: TLoer at t-online.de [mailto:TLoer at t-online.de]
  Gesendet: Dienstag, 27. Dezember 2005 23:07
  An: Florian Hoffmann
  Cc: Debatte Grundeinkommen; Andreas Franzmann; Axel Jansen; Claus Offe;
Ernst Ullrich Schultz; Helmut. Pelzer; Matthias Dilthey; Michael Opielka;
Peter Scharl; Peter Voss; Ralph Welter; Reimund Acker; Sascha Liebermann
(Freiheit statt Vollbeschäftigung); Stefan Heckel; Ute Fischer; Werner
Schumacher; Wilhelm Nestle
  Betreff: Re: AW: AW: Neues Modell der Finanzierung des BGE


  Lieber Herr Hoffmann,


  auch zu Ihren weiteren Anmerkungen rasch einige Bemerkungen:


  Ein wichtiges Zauberwort der Produktgestaltung heißt: K.I.S.S.! Keep it
simple and stupid!


  Politische Öffentlichkeit und der Markt sind nicht dasselbe, gleichwohl
gibt es Parallelen; diese aufnehmend bezweifle ich, dass auf dem Markt die
Unterschätzung der Kunden, die im "stupid" (nicht im "simple") steckt,
wirklich funktioniert. Man muss überzeugend zeigen, dass ein Produkt die
Lösung für ein Handlungsproblem darstellt, dass der potenzielle Kunde (späte
stens seit er die Lösung kennt) hat; man muss überzeugend zeigen, dass ein
politischer Vorschlag die Lösung für ein Handlungsproblem darstellt, dass
die politische Gemeinschaft hat; und man muss dabei auch das
Handlungsproblem deutlich werden lassen. Dies muss so "simple" wie möglich,
aber auch so kompliziert wie nötig geschehen – niemals aber "stupid"; dies
nämlich würde die Bürger, die zu überzeugen, und das heißt eben: sie als
Bürger zu würdigen, gleich wieder zu manipulierbarem Stimmvieh entwürdigen.


  Die von mir gestellte Grundfrage lautet doch: Wem gehört das Geld, wem
gehören die "Steuereinnahmen"? Gehört das Geld dem Staat, dann verfolgt der
damit seine Ziele. Gehört es dem Bürger, sind es "Bürgereinnahmen" oder ist
es "Bürgereinkommen", dann verfolgt der Bürger damit seine Ziele!


  Zur Erläuterung: Bisher ist es so, dass der Staat sagt: Ich habe viel Geld
und erfülle damit meine Wünsche, finanziere damit z. B. meine Armee. Wenn Du
Bürger Deine Wünsche erfüllen willst, dann mußt Du mir Panzer bauen, o. ä.,
dann gebe ich das Geld an Dich weiter, und dann kannst Du Dir damit Deine
Wünsche erfüllen. Das ist das Prinzip der Gegenleistung (Das aber nur für
den Bürger gilt - der Staat bekommt sein Geld ohne Gegenleistung!)


  Mit dem BGE stellt sich der Bürger (nach meinem Modell) dem Staat gleich.


  Beginnen wir wieder beim letzten Satz: Mit dem BGE stellt sich der Bürger
nicht dem Staat gleich, denn der Bürger ist immer schon Kern der
Vergemeinschaftung, die sich im Staat eine verfasste Organisation gegeben
hat. Das BGE lässt dies deutlich werden. Entsprechend hat nicht der Staat
Wünsche, die denen der Bürger entgegenstehen. Im Staat handeln die Bürger
durch ihre Organe als Gemeinschaft; und wenn sie nicht wollen, was ihre
gegenwärtigen Repräsentanten in den Organen tun, dann sind allein sie selbst
schuld, wenn sie das nicht – durch Abwahl, Neuwahl etc. ändern. Die
Steuereinnahmen sind die Steuereinnahmen der politischen Gemeinschaft, die
damit auch die Organe ihrer verfassten Organisation finanziert. Der Staat
ist nichts, was nicht die Bürger wollen, dass er ist.


  die Befreiung von der Gängelung durch den Staat


  ist insofern also nichts anderes als die gut-kantische Befreiung von der
Gängelung durch sich selbst.


  Gerne streite ich auch in Zukunft mit Ihnen zusammen für das BGE!




  Gern schließe ich mich Ihrem Wunsch an und wiederhole aus der
vorhergehenden E-Mail:
  Das Beste Ihnen und dem gemeinsamen Streit für ein bedingungsloses
Grundeinkommen im neuen Jahr
  Ihr Thomas Loer

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  Dr. Thomas Loer

  Wacholderweg 27

  D-59192 Overberge

  Tel.: (0 23 07) 98 45 64

  Fax.: (0 23 07) 98 45 65

  t.loer at FreiheitStattVollbeschaeftigung.de

  http://www.FreiheitStattVollbeschaeftigung.de


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