[Trennmuster] Mehrteilige Kurzwörter

Keno Wehr wehr at abgol.de
Mi Mai 27 20:12:38 CEST 2020


Am 25.05.20 um 13:04 schrieb Guenter Milde:
> Kurzwörter sind so uneinheitlich, dass eine ausgereifte Systematik für
> die wenigen Fälle mir zu komplex und zu schwer zu befolgen erscheint.
> Daher erfolgt(e) die Kennzeichnung "nach Gefühl".
> Der Kommentar sollte aber immer "Kurzwort" enthalten, wenn der
> Kurzwortcharakter zu Abweichungen von der gängigen Systematik führt.
> Dann können Verarbeitungsskripte diese als Ausnahmen handhaben.

Ist mir auch recht.

>
>> 1. Der zweite Bestandteil ist ein vollständiges Wort.
>>     a) Der erste Bestandteil ist gekürzt, kommt aber auch selbständig vor.
>>         Abo<sender
>>         Abo<=fern=sehen
>>         Info=abend
>>         Info=tresen
>>         Info=...
> Das ist analog zu "normalen" Wörtern wie
>
>    aus<geben
>    a·ber<dut-zen-de
>    durch<a·ckern
>    zu<weisen
>    drein=re-den
>    raus=ge-hen
>    
>    In-do<chi-na vs. In-do=pa-zi-fik

Das letzte Beispiel scheint mir da aber auch korrekturbedürftig. Mir 
wäre „Indo<pazifik“ lieber (Indo- als Konfix zu „Indien“).

>>     b) Der erste Bestandteil ist gekürzt und kommt nicht selbständig vor.
>>         Alko<lenker
>>         Alko<pops (pops < ugs. engl. „pop“ = alkoholfreies Getränk)
>>         Alko<sünder
>>         Alko<test
>>         Ket=wurst(Ketchup + Wurst)
>>         Pristina=mycin(Pristina < pristinaestimalis)
>>         Carbam=azepin (Carbam < Carbamat)
>>         auch: Josta=beere(Josta < Johannis- und Stachel-), siehe auch Nr. 3
> Auch das ist bei "normalen" Wörtern ähnlich
>
>    Ba-ro<me-ter
>    Gra-fo<lo-ge
>    hint<an
>    neur<al-gisch
>    Am-phi=the-a-ter
>    an-dert=halb
>    An-zen=gru-ber
>
> Die nicht selbständig vorkommenden Teile machen sowohl als "Präfix" als auch
> als "Wort" Probleme :(
>
>>     Ich schlage sowohl für Fall a als auch für Fall b die einheitliche
>>     Auszeichnung mit „=“ vor. Die Verwendung von „<“ wurde vermutlich
>>     durch das „o“ am Ende von „Abo“ und „Alko“ provoziert. Für mich
>>     liegt hier aber kein Präfixcharakter vor und es handelt sich nicht
>>     um typische Konfixe wie „bio-“, „demo-“, „geo-“. „=“ wird durch den
>>     vollständigen zweiten Bestandteil gerechtfertigt.
> Ich stimme zu, dass bei Kombination mit einem bekanntem Wort an der
> Morphemgrenze ein "Morphemtrenner" stehen soll.
>
> Doch ich habe anscheinend eine andere Auffassung von "Präfixcharakter".
> Ich kenne keine allgemein anerkannten, objektiven Kriterien, die eine
> Zuordnung einer morphologischen Komponente am Wortanfang zur Kategorie
> Präfix bzw. Teilwort erlauben. Insbesondere für die Worttrennung gelten
> die gleichen Regeln.
>
> Ich wähle die Markierung als Präfix auch bei neugeschöpften Komponenten
> wenn es sich für mich wie ein Präfix anfühlt, z.B. wegen:
>
> * Kürze der ersten Komponente
> * Geringere "Güte" der Trennung
> * Ähnlichkeit zu bekannten Präfixen  Alko<lenker ~ Bio<gemüse
> * Bildung in Analogie zu einem präfigiertem Wort
>    (Alko<mat ~ Tempo<mat)
>
> oder aus pragmatischen Gründen (einfachere Auszeichnung bei
> Mehrfachzusammensetzungen).
>
> Die hier genannten Beispiele können meinetwegen auch alle mit "="
> gekennzeichnet werden. Einer allgemeinen Regel "Neuschöpfung != Prefix"
> würde ich aber nicht zustimmen.

Ich fasse den Begriff tatsächlich anders auf. Generell verstehe ich 
unter Präfixen eine abgeschlossene Menge (die vermutlich nirgends 
vollständig aufgeführt wird). In diesem Bereich frei etwas neues zu 
komponieren, geht eher nicht, aber man kann es sicherlich auch anders sehen.

Auf diese Thematik komme ich auch vor allem deshalb, weil ich dabei bin, 
den Inhalt der Präfixlisten mit der Wortliste zu vergleichen (mit Hilfe 
von expand_teilwoerter.py). Und da habe ich mich dann beispielsweise 
gefragt, ob es wirklich nötig ist, für ein Wort (Tempomat) oder zwei 
Wörter (Infotainment, Infothek) ein neues Präfix (tempo-, info-) zu 
kreieren.
Wenn dann demnächst die ganzen Arzneimittel in die Liste übernommen 
werden sollten, würde wohl eine ziemlich große Präfixwelle neu 
hineinschwappen. Ich weiß nicht, ob die Präfixlisten dann noch mit 
vertretbarem Aufwand wartbar sein würden, aber dieses Kriterium ist 
sicherlich nachrangig.

Vorschlag zur Güte: Der „Abosender“ wird analog zum „Infoabend“ 
behandelt (Abo=sender, Info=abend); „alko-“ wird als neues Präfix 
anerkannt (Alko<lenker).

>> 2. Der zweite Bestandteil wurde vorne gekürzt.
>>     a) Der erste Bestandteil ist ein vollständiges Wort.
>>         Tempo<mat (Tempo + Automat)
>>     b) Der erste Bestandteil ist gekürzt, kommt aber auch selbständig vor.
>>         Info<tainment (Information + Entertainment)
>>     c) Der erste Bestandteil ist gekürzt und kommt nicht selbständig vor.
>>         Alko<mat (Alkohol + Automat)
>>         Mecha=tronik (Mechanik + Elektronik)
>>     Hier schlage ich für alle Fälle die Auszeichnung mit „--“ vor. Einen
>>     Präfixcharakter kann ich nirgends erkennen. „=“ wäre höchstens bei a
>>     und b zu rechtfertigen, nicht aber bei „Mechatronik“.
> Gerade die "Mechatronik" erscheint mir deutlich als zweiteiliges Wort und
> nicht "aus einem Guß".

Sehe ich anders. Die beiden Bestandteile sind hier doch ziemlich 
geschickt verlötet, ohne dass die Naht ins Auge fällt.

>> 3. Der zweite Bestandteil wurde hinten gekürzt, der erste Bestandteil
>> ebenfalls.
>>     Histo--mat (historischer Materialismus)
>>     Kom--intern (kommunistische Internationale; im Widerspruch zu den
>>     allgemeinen Trennregeln)
>>     Anti<kom--intern
>>     Audi--max (Auditorium maximum)
>>     Jo-sta=beere (Johannis-Stachel-Beere; für die NR im Widerspruch zu
>>     den allgemeinen Trennregeln)
>>     Dies ist die schwierigste Klasse, da „Komintern“ entgegen den
>>     allgemeinen Regeln getrennt wird, ebenso „Josta“ für die NR (wenn
>>     die Trennstelle denn so bleiben soll). Man wird wohl „=“ statt „--“
>>     verwenden müssen. Ein Präfixcharakter ist nicht erkennbar.
>>     Bei zweisilbigen Kurzwörtern wie „Ki-ta“ und „Sta-si“ kann es
>>     dagegen bei der einfachen Auszeichnung bleiben.
> Für die Jostabeere schlage ich einfache Trennung in "Josta" vor, ggf. mit
> Unterdrückung.
>
> duden.de erwähnt auch Ko-mintern aber schön ist das nicht (auch der Duden
> empfiehlt nur Kom|in|tern). Da werden wir wohl in den sauren Apfel beißen und
> An-ti<=kom=in-tern=pakt schreiben müssen.

Ja. (Eher noch An-ti<=kom=in-tern==pakt.)

>> 4. Abkürzung mit Präfix
>>     Anti-fa (antifaschistische Aktion)
>>     Dies sollte besser „Anti<fa“ heißen, da „anti“ ein klares Präfix ist.
> Andererseits ist "Fa" höchstens ein Duschbad.
>
> Gegenwärtig ist die Trennung Anti-
> fa in den Trennstilen "righthyphenmin3"
> und "hyphenmin3" unterdrückt, mit
> der Änderung wäre sie erlaubt.

Gut, dann lassen wir es so.

>> 5. Analogiebildungen zu „Bibliothek“
>>     Arto-thek (besser: Arto<thek)
>>     Disco-thek (besser: Disco<thek)
>>     Hobby=thek
>>     Info<thek (besser: Info=thek)
>>     Video<thek(evtl. auch Video=thek, je nachdem, wie man „Video“
>>     deutet: Kurzwort oder Konfix)
> Analog zu "-los", "-keit" und "-artig" könnten wir hier auch eine
> Suffixauszeichnung vornehmen.
> Dann wäre auch über "-logie" nachzudenken.

Hm. Hattest du nicht neulich am Beispiel „Genealogie“ gezeigt, dass das 
nicht geht?
Wenn ich es richtig verstanden habe, müsste bei einem Suffix die 
Trennung „Gene-alogie“ erlaubt sein, die aber auch der neue Duden nicht 
hat. Entsprechend ist es bei „Videothek“.

Ich könnte mir aber Suffixmarkierung bei „-mat“ vorstellen: Alko>mat, 
Tempo>mat?
In der Liste steht auch noch der „Ban-ko-mat“ (ohne besondere Auszeichnung).
(Und dann ist mir noch das „Glut-amat“ vor die Flinte gelaufen. Das kann 
doch so nicht stimmen!)

>> 6. Schwierige Chemikalien
>>     Bei den folgenden Fällen bitte ich insbesondere Gisbert und Johannes
>>     um Kommentierung.
>>     Vier hinten gekürzten Bestandteile:
>>     Di-clo--fe-nac < 2-[2-(2,6-*Dic*h*lo*rophenylamino)*phen*yl]*ac*etic
>>     acid
>>     Die ausgewählte günstigste Trennstelle scheint nicht zur
>>     etymologischen Herleitung zu passen. Ebensowenig die Trennung vor
>>     dem „n“. Vielleicht eher „Di<clo=fen=ac“ (vgl. oben Nummer 3).
> Ich denke, bei diesem Kunstwort ist zu wenig von den Bestandteilen übrig
> um eine morphemische Trennung zu rechtfertigen. Das ist dann so ähnlich
> wie Ra=d=a=·r zu trennen (wegen RAdio Detection And Ranging)

Stimmt. Also einfach „Di-clo-fe-nac“?

Schöne Grüße
Keno



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