[Trennmuster] Assimilierte Präfixe
Keno Wehr
wehr at abgol.de
Di Mai 26 20:07:23 CEST 2020
Am 25.05.20 um 11:16 schrieb Guenter Milde:
> Nach langem Studium und Formulieren und Korrigieren eindeutiger Fälle kann
> ich nun eine ausführlichere Antwort zu der umfassenden Sammlung
> assimilierter Präfixe geben.
Durch die bisherigen Korrekturen sind wir schon einen guten Schritt weiter.
Danke dafür.
> Regeln für die Trennzeichenwahl
> ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
>
> Die folgenden drei Reglen sind, hoffe ich, unumstritten:
>
> * Trennzeichen stehen nur dort, wo auch getrennt werden darf.
> Morphemgrenzen, an denen nicht getrennt wird werden nicht markiert.
>
> * Wo „einfache“ Trennung nicht erlaubt ist, darf nur eine Kombination mit
> „<“ oder „=“ stehen. (Ausnahme: „>ski“ und „>sky“)
>
> * Wo Ligaturen erlaubt sind, darf nur der Regeltrenner „-“ stehen
> (günstige Trennungen bei erlaubter Ligatur mit „--“ (il--le-gal).
> Ebenso, wenn vor der Fuge ein Lang-S steht, weil dieses in de-1901
> am Beginn der folgenden Silbe stand (ab-ſtrakt;abſ-trakt).
Ja, alles gut so.
> Für Auszeichnung in der Grauzone mehr oder weniger verblasster Morphologie
> und Etymologie kann die Analogie zu eindeutigen Fällen hilfreich sein.
> Im Zweifelsfall plädiere ich für eine Einzelfallentscheidung ---
> wichtiger als globale Einheitlichkeit ist es, Trennungen zu erhalten, die
> das schnelle Erkennen eines Worts möglichst wenig stören.
> (Das war auch in der AR schon so: der morphologisch getrennte Fachbegriff
> "Aph<ä·re-se" steht neben dem nach Aussprache getrennten "A·pho-ris-mus".)
Ich gebe dir Recht. Damit entscheiden wir uns allerdings nicht für den
einfachsten Weg. Bei einigen Wörtern wird man es immer so oder so sehen
können. Daher halte ich eine Dokumentation getroffener Entscheidungen
für wichtig, sei es einzeln im Wortkommentar oder etwa in
„Praefixassimilation.txt“.
> Regeltrennung,
> wenn Restwort unbekannt, Präfix in der Semantik nicht erkennbar
> oder "verbundener" Aussprache (z.B. bei vollständiger Assimilation).
>
> Embryo;Em-bry·o # < griech. ἔμβρυον < ἐν- + βρύειν
> Empirie;Em-pi-rie # < griech. ἐμπειρία < ἐν- + πεῖρα
> Impedanz;Im-pe-danz # < lat. impedire < in- + pes
>
> Kommando;Kom-man-do # [kɔˈmando] vs. Strommast [ˈʃtʁoːmˌmast]
> aggressiv;ag-gres-siv # [aɡʁɛˈsiːf] vs. weg<ge-hen [ˈvɛkˌɡeːən]
Zustimmung bei den ersten vier. Bei aggressiv ist der zweite Wortteil
prominenter, da es auch „progressiv“ und „regressiv“ gibt.
> keine Wahltrennung,
> wenn an der Fuge in de-1901 nicht getrennt wird und weiter neben der Fuge
> getrennt werden darf:
>
> Akronym;A·kro-nym # < griech. akro- (< ἄκρος) + ὄνυμα
> Gastralgie;-2-;Ga-stral-gie;Gas-tral-gie # < griech. gastro- (< γαστήρ) + ἄλγος
> anomal;a·no-mal # < lat. anomalus < griech. ἀνώμαλος < ἀ- + ὁμαλός
>
> auch wenn in de-1996 die Trennungen Akr|onym, Gastr|algie und an|omal
> erlaubt sind.
Im Prinzip für alle vernünftig. „anomal“ habe ich jetzt noch mal im
91er-Duden nachgesehen. Da wird es „an|omal“ getrennt.
> Wahltrennung in de-1996
> bei Wörtern der Alltagssprache, wenn die Sprachsilbengrenze eindeutig
> neben der Fuge liegt:
>
> A·b<i-tur
> a·n<o-nym
> Sym<p-tom
Ja.
> Noch offen:
>
> ak- + k:
> "verbundene" Aussprache, aber kein "ck"
>
> akkumulieren;ak-ku-mu-lie-ren # [akumuˈliːʁən] vs. Rück<kauf [ˈʁʏkˌkaʊ̯f]
> oder
> akkumulieren;ak<ku-mu-lie-ren # vs. Pa-ckung
Hier sollte man das gleiche Prinzip zu Grunde legen wie bei anderen
Fallklassen: Bei „akkumulieren“ ist der Präfixcharakter recht deutlich,
da es auch „kumulieren“ gibt (-> ak<ku-mu-lie-ren), bei „Akkusativ“ ist
das nicht der Fall (-> Ak-ku-sa-tiv).
> Wahltrennung oder nicht
> * bei Wörtern der Fachsprache, wenn die Sprachsilbengrenze
> neben der Fuge liegt:
>
> Met<o-nym oder Met<onym
> E·pi<skop oder E·pi<s-kop
>
> * wenn die Aussprache durch Trennung an der Morphemgrenze nicht erschwert
> wird
>
> De<s-ti-na-ti.on oder De<sti-na-ti.on
> de-s<a-vou-ie-ren oder de-s<a·vou-ie-ren
> Di<s-tanz oder Di<stanz
> Re<s-tau-rant oder Re<stau-rant
Ist für mich auch noch offen.
Bei „desavouieren“ hat das Deutsche Aussprachewörterbuch keinen
Glottisschlag. Hier also eher mit Alternativtrennung.
> Korrekturvorschläge und Antworten zu "Praefixassimilation.txt"
> ==============================================================
>
> - Generell läßt sich sagen, daß die Assimilation den Präfixcharakter in
> - gewissem Maße abschwächt, was dazu führen kann, daß die Verwendung des
> - Lang-s im Fraktursatz, der Einsatz von Ligaturen und die Silbentrennung
> - nicht den sonst für Präfixe geltenden Regeln entsprechen.
>
> + Die Assimilation von Präfixen schwächt die Wahrnehmung des präfigierten
> + Wortes als zusammengesetzt durch „Glättung“ der Fuge. Die „Verblassung“ der
> + Morphologie kann (nicht nur bei Assimilation) zum Wegfall typischer
> + Fugenmerkmale führen (vgl. Trennstellenkategorisierung.txt).
Ich habe nichts dagegen und übernehme die Änderung in die Datei.
>
>> s) lat ir- < in- vor r
>> Fragwürdig ist dagegen die folgende Auszeichnung, die für die alte
>> Rechtschreibung annimmt, daß das Wort auch von dt. „irren“ abgeleitet
>> sein könnte:
>> irreligiös;-2-;i[{rr/rr=r}/r<r]e-.li-gi.ös;ir<re-.li-gi.ös
> Es gibt Fundstellen sowohl für Ir-Religion (Unglaube) als auch
> Irr-Religion (falsche Religion). In AR werden beide "Irreligion"
> geschrieben:
Gut, dann mag das so bleiben und ich entferne die Anmerkung.
>
>> Es ist zu entscheiden, ob „ab“ (ohne s) als Präfix ausgezeichnet werden soll
>> oder nicht und welche Trennmöglichkeit in der neuen Rechtschreibung genutzt
>> werden soll. Dies ist bisher uneinheitlich.
>>
>> abstinent;ab<sti-nent # < lat. abstinere < ab- + tenere
> Es gilt in AR generell, dass bei "abs- + st..." nicht an der Grenze sondern
> vor dem s getrennt wird und ein Lang-ſ geschrieben wird (Duden 71, K44).
Es sollte wohl „abs+ t...“ heißen (nicht „abs+ st“).
Deine Interpretation ist pragmatisch und von mir aus kann es gerne bei
„ab-sti-nent“, „Ab-szess“ etc. bleiben. Man fragt sich allerdings, auf
welcher Grundlage die Trennung „Ab-szess“ steht. Wieso bleibt „sz“ hier
ungetrennt (in Duden 91, R179 nicht bei den untrennbaren
Konsonantenverbindungen in Fremdwörtern erwähnt)? Vermutlich wurde es
(etymologisch fragwürdig) doch als „Ab<szess“ interpretiert.
- Wenn das Präfix mit s endet und der folgende Wortteil mit s beginnt,
- entfällt ein s. Das verbleibende s wird so behandelt, als würde es zum
- folgenden Wortteil gehören, so daß das Präfix gekürzt erscheint.
+ Wenn das Präfix mit s endet und der folgende Wortteil mit s+Konsonant
+ beginnt, entfällt das Schluss-s.
Diese Änderung gefällt mir nicht so. Sie vereinfacht das Ganze zwar,
aber in meinen Augen ist es reine Konvention, das verbleibende s mit
zweiten Wortteil zuzuschlagen. Es ist nicht entscheidbar, welches von
den zwei s hier entfallen ist. ss verschmilzt einfach zu s.
- a) lat. di- < dis- vor sp und st
+ a) lat. di- < dis- vor sp, st und sz
An welches Beispiel mit „di<sz...“ denkst du hier? In der Wortliste
finde ich keins.
Aus meiner Sicht sind die wesentlichen Monita bezüglich der
assimilierten Präfixe jetzt ausgeräumt. Dafür stehen noch etliche
Einzelfallentscheidungen an.
Ich arbeite mal einige Vorschläge dazu in „Praefixassimilation.txt“ ein,
die dann ggf. später in die Wortliste übernommen werden können, wo es
Abweichungen gibt.
Gruß
Keno
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