[Trennmuster] Assimilierte Präfixe

Guenter Milde milde at users.sf.net
Mi Mai 27 00:35:06 CEST 2020


On 26.05.20, Keno Wehr wrote:
> Am 25.05.20 um 11:16 schrieb Guenter Milde:

...

> > Für Auszeichnung in der Grauzone mehr oder weniger verblasster Morphologie
> > und Etymologie kann die Analogie zu eindeutigen Fällen hilfreich sein.
> > Im Zweifelsfall plädiere ich für eine Einzelfallentscheidung ---
> > wichtiger als globale Einheitlichkeit ist es, Trennungen zu erhalten, die
> > das schnelle Erkennen eines Worts möglichst wenig stören.
> > (Das war auch in der AR schon so: der morphologisch getrennte Fachbegriff
> > "Aph<ä·re-se" steht neben dem nach Aussprache getrennten "A·pho-ris-mus".)

> Ich gebe dir Recht. Damit entscheiden wir uns allerdings nicht für den
> einfachsten Weg. Bei einigen Wörtern wird man es immer so oder so sehen
> können. Daher halte ich eine Dokumentation getroffener Entscheidungen für
> wichtig, sei es einzeln im Wortkommentar oder etwa in
> „Praefixassimilation.txt“.

Bei Einzelfällen Kommentar zum Grundwort in der Wortliste, bei
Gruppenentscheidungen separat...

> > Regeltrennung,
> >    wenn Restwort unbekannt, Präfix in der Semantik nicht erkennbar
> >    oder "verbundener" Aussprache (z.B. bei vollständiger Assimilation).
> > 
> >      Embryo;Em-bry·o # < griech. ἔμβρυον < ἐν- + βρύειν
> >      Empirie;Em-pi-rie # < griech. ἐμπειρία < ἐν- + πεῖρα
> >      Impedanz;Im-pe-danz # < lat. impedire < in- + pes
> > 
> >      Kommando;Kom-man-do # [kɔˈmando] vs. Strommast [ˈʃtʁoːmˌmast]
> >      aggressiv;ag-gres-siv # [aɡʁɛˈsiːf] vs. weg<ge-hen [ˈvɛkˌɡeːən]

> Zustimmung bei den ersten vier. Bei aggressiv ist der zweite Wortteil
> prominenter, da es auch „progressiv“ und „regressiv“ gibt.

Wobei diese beiden als Antagonismen zusammengehören, zu aggressiv aber
nichts passendes auf -gressiv endet und auch die Bedeutung nicht so
einfach über die Bestandteile erschlossen werden kann.


> > keine Wahltrennung,
> >    wenn an der Fuge in de-1901 nicht getrennt wird und weiter neben der Fuge
> >    getrennt werden darf:
> > 
> >      Akronym;A·kro-nym # < griech. akro- (< ἄκρος) + ὄνυμα
> >      Gastralgie;-2-;Ga-stral-gie;Gas-tral-gie # < griech. gastro- (< γαστήρ) + ἄλγος
> >      anomal;a·no-mal # < lat. anomalus < griech. ἀνώμαλος < ἀ- + ὁμαλός
> > 
> >    auch wenn in de-1996 die Trennungen Akr|onym, Gastr|algie und an|omal
> >    erlaubt sind.

> Im Prinzip für alle vernünftig. „anomal“ habe ich jetzt noch mal im
> 91er-Duden nachgesehen. Da wird es „an|omal“ getrennt.

Dann so in AR (und mit Wahltrennung in de-1996).


> > Wahltrennung in de-1996
> >    bei Wörtern der Alltagssprache, wenn die Sprachsilbengrenze eindeutig
> >    neben der Fuge liegt:
> > 
> >      A·b<i-tur
> >      a·n<o-nym
> >      Sym<p-tom

> Ja.

> > Noch offen:
> > 
> > ak- + k:
> >    "verbundene" Aussprache, aber kein "ck"
> > 
> >      akkumulieren;ak-ku-mu-lie-ren # [akumuˈliːʁən] vs. Rück<kauf [ˈʁʏkˌkaʊ̯f]
> >    oder
> >      akkumulieren;ak<ku-mu-lie-ren # vs. Pa-ckung

> Hier sollte man das gleiche Prinzip zu Grunde legen wie bei anderen
> Fallklassen: Bei „akkumulieren“ ist der Präfixcharakter recht deutlich, da
> es auch „kumulieren“ gibt (-> ak<ku-mu-lie-ren), bei „Akkusativ“ ist das
> nicht der Fall (-> Ak-ku-sa-tiv).

Zumindest gibt es eine Menge Wörter mit k-k, wo keine erkennbare Morphemgrenze
dazwischen liegt (von Brok-ko-li bis Trek-king).


> > Wahltrennung oder nicht
> >    * bei Wörtern der Fachsprache, wenn die Sprachsilbengrenze
> >      neben der Fuge liegt:
> > 
> >        Met<o-nym oder Met<onym
> >        E·pi<skop oder E·pi<s-kop
> > 
> >    * wenn die Aussprache durch Trennung an der Morphemgrenze nicht erschwert
> >      wird
> > 
> >        De<s-ti-na-ti.on   oder  De<sti-na-ti.on
> >        de-s<a-vou-ie-ren  oder  de-s<a·vou-ie-ren
> >        Di<s-tanz	       oder  Di<stanz
> >        Re<s-tau-rant      oder  Re<stau-rant

> Ist für mich auch noch offen.
> Bei „desavouieren“ hat das Deutsche Aussprachewörterbuch keinen
> Glottisschlag. Hier also eher mit Alternativtrennung.

...

> > > Es ist zu entscheiden, ob „ab“ (ohne s) als Präfix ausgezeichnet werden soll
> > > oder nicht und welche Trennmöglichkeit in der neuen Rechtschreibung genutzt
> > > werden soll. Dies ist bisher uneinheitlich.
> > > 
> > >          abstinent;ab<sti-nent # < lat. abstinere < ab- + tenere
> > Es gilt in AR generell, dass bei "abs- + st..." nicht an der Grenze sondern
> > vor dem s getrennt wird und ein Lang-ſ geschrieben wird (Duden 71, K44).

> Es sollte wohl „abs+ t...“ heißen (nicht „abs+ st“).

Ja.

> Deine Interpretation ist pragmatisch und von mir aus kann es gerne bei
> „ab-sti-nent“, „Ab-szess“ etc. bleiben. Man fragt sich allerdings, auf
> welcher Grundlage die Trennung „Ab-szess“ steht. Wieso bleibt „sz“ hier
> ungetrennt (in Duden 91, R179 nicht bei den untrennbaren
> Konsonantenverbindungen in Fremdwörtern erwähnt)? Vermutlich wurde es
> (etymologisch fragwürdig) doch als „Ab<szess“ interpretiert.

Eher ist hier von einer Trennung nach Herkunftssprache auszugehen. In AR
gilt für Fremdwörter generell eine Ausnahmeerlaubnis: "In Zweifelsfällen
unterrichte man sich im Wörterverzeichnis."



> -   Wenn das Präfix mit s endet und der folgende Wortteil mit s beginnt,
> -   entfällt ein s. Das verbleibende s wird so behandelt, als würde es zum
> -   folgenden Wortteil gehören, so daß das Präfix gekürzt erscheint.
> +   Wenn das Präfix mit s endet und der folgende Wortteil mit s+Konsonant
> +   beginnt, entfällt das Schluss-s.

> Diese Änderung gefällt mir nicht so. Sie vereinfacht das Ganze zwar, aber in
> meinen Augen ist es reine Konvention, das verbleibende s mit zweiten
> Wortteil zuzuschlagen. Es ist nicht entscheidbar, welches von den zwei s
> hier entfallen ist. ss verschmilzt einfach zu s.

In Fraktur ist es klar - es entfällt das runde Schluss-s und das lange ſ
des Stamms bleibt erhalten.

Ansonsten halte ich es für einfacher, die Nebenform di- zu dis- anzunehmen
als die Nebenformen "*pirare", "*candere", "*pecere*, ... und setze daher
Ockhams Rasiermesser an.


> -   a) lat. di- < dis- vor sp und st
> +   a) lat. di- < dis- vor sp, st und sz

> An welches Beispiel mit „di<sz...“ denkst du hier? In der Wortliste finde
> ich keins.

Das ist von Transzendenz rübergeschwappt. (Eine *Disszendenz wäre auch zur
*Diszendenz geworden.) Entscheidend ist, dass es nur vor Konsonanten zur
Elision kommt, wie das Bsp. "Dissipation" zeigt.

> Aus meiner Sicht sind die wesentlichen Monita bezüglich der assimilierten
> Präfixe jetzt ausgeräumt. Dafür stehen noch etliche Einzelfallentscheidungen
> an.
> Ich arbeite mal einige Vorschläge dazu in „Praefixassimilation.txt“ ein, die
> dann ggf. später in die Wortliste übernommen werden können, wo es
> Abweichungen gibt.

Viele Grüße
Günter



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