[Trennmuster] Mehrteilige Kurzwörter, Präfixe
Guenter Milde
milde at users.sf.net
Fr Jun 5 12:59:04 CEST 2020
On 3.06.20, Keno Wehr wrote:
> Am 29.05.20 um 13:26 schrieb Guenter Milde:
> > > Auf diese Thematik komme ich auch vor allem deshalb, weil ich dabei
> > > bin, den Inhalt der Präfixlisten mit der Wortliste zu vergleichen
> > > (mit Hilfe von expand_teilwoerter.py).
> > Welche Präfixlisten sollen als Maßstab dienen?
> Unsere eigenen ;-).
...
> Mit Hilfe der existierenden Listen habe ich bereits etliche Fehler
> berichtigen und Inkonsistenzen aufdecken können. Daher halte ich es für
> sinnvoll, weiter daran zu arbeiten und regelmäßig mit den ausgezeichneten
> Präfixen der Wortliste zu vergleichen.
Das halte ich auch für einen sinnvollen Beitrag.
> > > Und da habe ich mich dann beispielsweise gefragt, ob
> > > es wirklich nötig ist, für ein Wort (Tempomat) oder zwei Wörter
> > > (Infotainment, Infothek) ein neues Präfix (tempo-, info-) zu kreieren.
> > Gegenwärtig haben wir 120 einmalige Präfixe und noch einmal knapp 50 zweimal
> > vorkommende. Bisher sind Kandidaten dann zu Präfixen geworden, wenn sie
> > anderen präfigierten Wörtern gleichen:
> >
> > Japano<logie, Vul-ka-no<lo-ge # wegen z.B. Bio<logie
> Bei diesen sehe ich zwei grundsätzliche Unterschiede zu den von mir
> genannten Problemfällen.
> Sie folgen erstens einem hergebrachten Schema der Wortbildung: Nimm ein
> (griechisches oder lateinisches) Wort, streiche ggf. die Endung, hänge ein
> „o“ an und du erhältst ein (Initial-)Konfix, das mit einem (Terminal-)Konfix
> zu einem neuen Wort verbunden werden kann. (Dass wir Initialkonfixe wie
> Präfixe behandeln, ist reine Konvention.)
Ja, Tempo gibt es schon länger als Auto. Das Kurzwort Info ist neumodisch
und (wie Demo) allein genutzt immer noch eher informell.
> Zweitens kommen „Japano“ und „Vulkano“ nicht als selbstständige Wörter vor,
> aber „Tempo“ und „Info“ tun das.
So wie Auto, Bio, ...
Andererseits kommen Mat, Thek, und Tainment nicht als selbstständige Wörter
vor (so wie Abad, Acher, ..., Zopfer).
Wir müssen also "nur" entscheiden, wo die Inkonsistenz hin soll. Für die
Worttrennung ist es allerdings egal, da gelten für "<" und "=" die gleichen
Regeln.
> > > Wenn dann demnächst die ganzen Arzneimittel in die Liste übernommen
> > > werden sollten, würde wohl eine ziemlich große Präfixwelle neu
> > > hineinschwappen. Ich weiß nicht, ob die Präfixlisten dann noch mit
> > > vertretbarem Aufwand wartbar sein würden, aber dieses Kriterium ist
> > > sicherlich nachrangig.
> > Letztendlich müssen wir mit Mehrdeutigkeiten und Brüchen leben. Insofern
> > halte ich die Praktikabilität und "Schönheit" der Auszeichnung in der
> > Liste für ein wichtigeres Kriterium als die Konformität zu einer
> > Systematik der Präfixe.
> Ja, aber Praktikabilität und Schönheit ergeben sich zum Teil gerade aus der
> Systematik.
Das ist wie mit Tradition oder (wissenschaftlichen) Modellen. Ist oft
hilfreich, kann bei Überbetonung aber auch lähmend, überkomplex oder
irreführend werden.
> > > > > 5. Analogiebildungen zu „Bibliothek“
> > > > > Arto-thek (besser: Arto<thek)
> > > > > Disco-thek (besser: Disco<thek)
> > > > > Hobby=thek
> > > > > Info<thek (besser: Info=thek)
> > > > > Video<thek(evtl. auch Video=thek, je nachdem, wie man „Video“
> > > > > deutet: Kurzwort oder Konfix)
> >
> > Hier haben wir eine "indirekte Analogie":
> >
> > Biblio<thek wegen Biblio-
> > wegen Biblio<grafie wegen Photo<grafie, ...
> > und Biblio<philie wegen Hämo<philie, Hydro<philie, ...
> >
> > Und dann analog
> >
> > Ki-ne-ma<thek, Me-di·o<thek, Pi-na-ko<thek, Vi-no<thek, Dis-ko<thek
> > In-fo<thek
> Ja, schweren Herzens.
> > > > Analog zu "-los", "-keit" und "-artig" könnten wir hier auch eine
> > > > Suffixauszeichnung vornehmen.
> > > > Dann wäre auch über "-logie"
> > > philie, und >kratie
> > > > nachzudenken.
> > Allerdings sind da einige der Bestimmungswörter recht "präfixartig"
> > (Ana-, Apo-, Tauto-, Tri-, ...).
> >
> > > Hm. Hattest du nicht neulich am Beispiel „Genealogie“ gezeigt, dass das
> > > nicht geht?
> > > Wenn ich es richtig verstanden habe, müsste bei einem Suffix die Trennung
> > > „Gene-alogie“ erlaubt sein, die aber auch der neue Duden nicht hat.
> > > Entsprechend ist es bei „Videothek“.
> > Stimmt.
> >
> > Aber auch bei den als Suffix ausgezeichneten Teilen gibt es bereits
> > "echte" und "wortartige", z.B. reu·e>los statt reu-e>los
> Dann sollte es nach der reinen Lehre wohl eher „reu·e=los“ heißen. Aber ich
> weiß, du bevorzugst Pragmatismus.
Ja, das müssen wir noch betrachten, genauso wie
Diogenes;Di-o>ge-nes # griech. Name (Διός + -γενής)
opioide;o·pi-o>i-de
und die 250 Einträge mit ">i-de", ">i-schen", ...
Ist da die Trennung im "Einheitsduden" erlaubt?
Gerade bei selteneren und längeren Bildungen auf -o können wir auch zur
Auszeichnung mit "=" wechseln. (Annahme eines "Bindungs-O"
analog zum Bindungs-S").
> Falls an der Auszeichnung der aus zwei Konfixen aufgebauten Wörter etwas
> geändert werden soll, würde ich höchstens eine symmetrische Auszeichnung
> befürworten. Ein Wechsel von der Auszeichnung des ersten Teils als Präfix
> zur Auszeichnung des zweiten Teils als Suffix schafft nur neue
> Inkonsistenzen.
Ich würde sagen sie verschiebt sie nur...
Was ist nun die "schönste" Variante:
Do<de-ka<<e·der Do<de-ka=e·der
In<kli-no<<me-ter In<kli-no=me-ter
Bak-te-ri·o<lo-ge Bak-te-ri·o=lo-ge Bak-te-ri·o>lo-ge
Im<mu-no<<lo-ge Im<mu-no=lo-ge Im<mu-no>lo-ge
an-thro-po<gen an-thro-po=gen an-thro-po>gen
Dik-ta<fon Dik-ta=fon
Ka-pil-la-ro<sko-pie Ka-pil-la-ro=sko-pie
O·lym-pio<nik O·lym-pio=nik O·lym-pio>nik
Oph-thal-m<i.a-trie Oph-thal-m=i.a-trie Oph-thal-m>i.a-trie
Em-bry·o<lo-gie Em-bry·o=lo-gie Em-bry·o>lo-gie
Vi-de·o<thek Vi-de·o=thek Vi-de·o>thek
Me-di·a<thek Me-di·a=thek Me-di·a>thek
Al-ko<mat Al-ko=mat Al-ko>mat
nie-der<=ö·ster=rei-chi-sch nie-der==ö·ster=rei-chi-sch
durch<a·cke-re durch=a·cke-re
Ge-gen<äb-tis-sin Ge-gen=äb-tis-sin
I·be-ro<a·mé-ri-ca-na I·be-ro=a·mé-ri-ca-na
Lo-go<pä-die Lo-go=pä-die
O·ber<aach O·ber=aach
Ste-re·o<an<la-ge Ste-re·o=an<la-ge
> > > Ich könnte mir aber Suffixmarkierung bei „-mat“ vorstellen: Alko>mat,
> > > Tempo>mat?
> > > In der Liste steht auch noch der „Ban-ko-mat“ (ohne besondere Auszeichnung).
> > Da sträubt sich mein Sprachgefühl.
> Man kann hier durchaus ein typisches durch Sprachwandel entstandenes
> produktives Suffix sehen.
Aber wie -los und -hängig hat es eine größere Eigenständigkeit als -en,
-chen oder -lich.
Viele Grüße
Günter
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