[Trennmuster] Mehrteilige Kurzwörter, Präfixe
Keno Wehr
wehr at abgol.de
Mi Jun 3 23:36:04 CEST 2020
Am 29.05.20 um 13:26 schrieb Guenter Milde:
>> Auf diese Thematik komme ich auch vor allem deshalb, weil ich dabei bin, den
>> Inhalt der Präfixlisten mit der Wortliste zu vergleichen (mit Hilfe von
>> expand_teilwoerter.py).
> Welche Präfixlisten sollen als Maßstab dienen?
Unsere eigenen ;-).
> Und wie weit wollen wir uns
> von denen "etwas vorschreiben lassen"?
Ja, aber wir passen die Listen an unsere Bedürfnisse an, nicht
mechanisch, sondern mit Sinn und Verstand und nötigenfalls nach einer
entsprechenden Debatte hier.
Mit Hilfe der existierenden Listen habe ich bereits etliche Fehler
berichtigen und Inkonsistenzen aufdecken können. Daher halte ich es für
sinnvoll, weiter daran zu arbeiten und regelmäßig mit den
ausgezeichneten Präfixen der Wortliste zu vergleichen.
>> Und da habe ich mich dann beispielsweise gefragt, ob
>> es wirklich nötig ist, für ein Wort (Tempomat) oder zwei Wörter
>> (Infotainment, Infothek) ein neues Präfix (tempo-, info-) zu kreieren.
> Gegenwärtig haben wir 120 einmalige Präfixe und noch einmal knapp 50 zweimal
> vorkommende. Bisher sind Kandidaten dann zu Präfixen geworden, wenn sie
> anderen präfigierten Wörtern gleichen:
>
> Japano<logie, Vul-ka-no<lo-ge # wegen z.B. Bio<logie
Bei diesen sehe ich zwei grundsätzliche Unterschiede zu den von mir
genannten Problemfällen.
Sie folgen erstens einem hergebrachten Schema der Wortbildung: Nimm ein
(griechisches oder lateinisches) Wort, streiche ggf. die Endung, hänge
ein „o“ an und du erhältst ein (Initial-)Konfix, das mit einem
(Terminal-)Konfix zu einem neuen Wort verbunden werden kann. (Dass wir
Initialkonfixe wie Präfixe behandeln, ist reine Konvention.)
Zweitens kommen „Japano“ und „Vulkano“ nicht als selbstständige Wörter
vor, aber „Tempo“ und „Info“ tun das.
>> Wenn dann demnächst die ganzen Arzneimittel in die Liste übernommen werden
>> sollten, würde wohl eine ziemlich große Präfixwelle neu hineinschwappen. Ich
>> weiß nicht, ob die Präfixlisten dann noch mit vertretbarem Aufwand wartbar
>> sein würden, aber dieses Kriterium ist sicherlich nachrangig.
> Letztendlich müssen wir mit Mehrdeutigkeiten und Brüchen leben. Insofern
> halte ich die Praktikabilität und "Schönheit" der Auszeichnung in der
> Liste für ein wichtigeres Kriterium als die Konformität zu einer
> Systematik der Präfixe.
Ja, aber Praktikabilität und Schönheit ergeben sich zum Teil gerade aus
der Systematik.
>>>> 5. Analogiebildungen zu „Bibliothek“
>>>> Arto-thek (besser: Arto<thek)
>>>> Disco-thek (besser: Disco<thek)
>>>> Hobby=thek
>>>> Info<thek (besser: Info=thek)
>>>> Video<thek(evtl. auch Video=thek, je nachdem, wie man „Video“
>>>> deutet: Kurzwort oder Konfix)
>
> Hier haben wir eine "indirekte Analogie":
>
> Biblio<thek wegen Biblio-
>
> wegen Biblio<grafie wegen Photo<grafie, ...
> und Biblio<philie wegen Hämo<philie, Hydro<philie, ...
>
> Und dann analog
>
> Ki-ne-ma<thek, Me-di·o<thek, Pi-na-ko<thek, Vi-no<thek, Dis-ko<thek
> In-fo<thek
Ja, schweren Herzens.
>>> Analog zu "-los", "-keit" und "-artig" könnten wir hier auch eine
>>> Suffixauszeichnung vornehmen.
>>> Dann wäre auch über "-logie"
>> philie, und >kratie
>>> nachzudenken.
> Allerdings sind da einige der Bestimmungswörter recht "präfixartig"
> (Ana-, Apo-, Tauto-, Tri-, ...).
>
>> Hm. Hattest du nicht neulich am Beispiel „Genealogie“ gezeigt, dass das
>> nicht geht?
>> Wenn ich es richtig verstanden habe, müsste bei einem Suffix die Trennung
>> „Gene-alogie“ erlaubt sein, die aber auch der neue Duden nicht hat.
>> Entsprechend ist es bei „Videothek“.
> Stimmt.
>
> Aber auch bei den als Suffix ausgezeichneten Teilen gibt es bereits
> "echte" und "wortartige", z.B. reu·e>los statt reu-e>los
Dann sollte es nach der reinen Lehre wohl eher „reu·e=los“ heißen. Aber
ich weiß, du bevorzugst Pragmatismus.
Falls an der Auszeichnung der aus zwei Konfixen aufgebauten Wörter etwas
geändert werden soll, würde ich höchstens eine symmetrische Auszeichnung
befürworten. Ein Wechsel von der Auszeichnung des ersten Teils als
Präfix zur Auszeichnung des zweiten Teils als Suffix schafft nur neue
Inkonsistenzen.
>> Ich könnte mir aber Suffixmarkierung bei „-mat“ vorstellen: Alko>mat,
>> Tempo>mat?
>> In der Liste steht auch noch der „Ban-ko-mat“ (ohne besondere Auszeichnung).
> Da sträubt sich mein Sprachgefühl.
Man kann hier durchaus ein typisches durch Sprachwandel entstandenes
produktives Suffix sehen.
> Dann doch eher als nicht selbständig
> vorkommendes Grundwort analog zu Fällen wie
>
> =ar-bei-tung, =beu-ter, =bür-tig, =by, =ca-po, =dem-mi, ...
>
> denn -mat ist ja ein ursprünglich nur in Automat vorkommendes Kurzwort
> https://www.dwds.de/wb/Automat.
Ich bin da noch unschlüssig.
Gruß und Dank
Keno
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