[Trennmuster] Assimilierte Präfixe
Guenter Milde
milde at users.sf.net
Fr Jun 5 10:54:17 CEST 2020
On 3.06.20, Keno Wehr wrote:
> Am 25.05.20 um 11:16 schrieb Guenter Milde:
> > Vorschläge und Konventionen
> > ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
> >
> > Für Auszeichnung in der Grauzone mehr oder weniger verblasster Morphologie
> > und Etymologie kann die Analogie zu eindeutigen Fällen hilfreich sein.
> > Im Zweifelsfall plädiere ich für eine Einzelfallentscheidung ---
> > wichtiger als globale Einheitlichkeit ist es, Trennungen zu erhalten, die
> > das schnelle Erkennen eines Worts möglichst wenig stören.
> > (Das war auch in der AR schon so: der morphologisch getrennte Fachbegriff
> > "Aph<ä·re-se" steht neben dem nach Aussprache getrennten "A·pho-ris-mus".)
> >
> >
> > Präfixauszeichnung,
> > bei wahrnehmbarem Präfixcharacter (Präfix oder Grundwort bekannt und in
> > der Semantik erkennbar, getrennte Aussprache, ...), z.B.
> >
> > Kombattant;Kom<bat-tant # < franz. < lat. con- + battuere
> > kombinieren;kom<bi-nie-ren # < lat. combinare < con- + bini
> > komprimieren;kom<pri-mie-ren # < lat. comprimere < con- + premere
> > Symbiose;Sym<bi-o-se # < griech. συμβίωσις < συν- + βίος
> >
> > Symphonie;Sym<pho-nie # < griech. συμφωνία < συν- + φωνή
> > Sympathie;Sym<pa-thie # < griech. συμπάθεια < συν- + πάθος
> > Empathie;Em<pa-thie # < engl. < griech. ἐμπάθεια < ἐν- + πάθος
> > implantieren;im<plan-tie-ren # < lat. implantare < in- + plantare
> >
> > Regeltrennung,
> > wenn Restwort unbekannt, Präfix in der Semantik nicht erkennbar
> > oder "verbundener" Aussprache (z.B. bei vollständiger Assimilation).
> >
> > Embryo;Em-bry·o # < griech. ἔμβρυον < ἐν- + βρύειν
> > Empirie;Em-pi-rie # < griech. ἐμπειρία < ἐν- + πεῖρα
> > Impedanz;Im-pe-danz # < lat. impedire < in- + pes
> >
> > Kommando;Kom-man-do # [kɔˈmando] vs. Strommast [ˈʃtʁoːmˌmast]
> > aggressiv;ag-gres-siv # [aɡʁɛˈsiːf] vs. weg<ge-hen [ˈvɛkˌɡeːən]
> Das klingt alles recht vernünftig, führt jedoch auch zu Widersprüchen.
Die Widersprüche sind inhärent, unser Ziel ist es, sie an möglichst wenig
störende Stellen zu verschieben. Physiktheoretisch gesehen haben wir es
hier mit einem System mit mit konkurrierenden Wechselwirkungen zu tun was zu
"Frustation" führt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Geometrische_Frustration
https://uol.de/compphys/ereignisse-bilder/spinglas-spiel/
> Die „Empirie“ hat auch getrennte Aussprache.
Bei der Silbengrenze "m|p" ist die Aussprache gleich, egal ob es sich um
einfache Trennung (Käm-pe, Stem-pel, Ram-pe) oder eine Morphemgrenze
(Em<pathie, im<potent, um<packen) handelt. Das betrifft eine ganze Klasse
von Lautkombinationen wo uns die Aussprache bei der Entscheidung nicht hilft.
> In „komprimieren“ ist das Grundwort nicht als bekannt anzunehmen etc.
Genau das macht die Schwierigkeit der Entscheidungen in der Grauzone aus.
An den Rändern ist es klar:
Grundwort und Präfix bekannt ... ... ... Grundwort und Präfix obskur
ab<gehen kom<planar Di-ät E·phe-be
In der Mitte haben wir die Zweifelsfälle:
Aussprache verbunden aber Bestandteile bekannt:
agglutinieren, alliieren, apportieren
immobil, illegal,
Kommentar, Korrelation
Syllogismus
Nur Präfix oder nur Grundwort verbreitet
akkurat, annektieren, arrogant
kommunal, kompilieren
Helikopter, Distinktion, Metöke
Beide bekannt aber Bedeutung nicht aus den Bestandteilen ersichtlich
Kompost, arrogant, Computer, effizient, direkt
> Ein Versuch einer differenzierten Behandlung der assimilierten Präfixe liegt
> jetzt in „Praefixassimilation.txt“ vor. Ich bin aber selber nicht recht
> glücklich damit und betrachte die Diskussion noch nicht als abgeschlossen.
> Bei den Präfixen, bei denen ich einen Auszeichnungsverzicht für einen Teil
> der Wörter vorschlage, habe ich alle betroffenen Lemmata zusammengetragen,
> sodass zumindest ein besserer Überblick möglich ist.
> Abweichungen zur Wortliste sind mit ! am Zeilenanfang gekennzeichnet.
Danke für die Überarbeitung.
Bei den vollständig assimilierten Präfixen kann ich mir vorstellen, die
Eigenschaft "kein Ligaturaufbruch" zu verallgemeinern und regulär mit "-"
auszuzeichnen.
Generell schwebt mir für die Entscheidung "<" oder "-" eine Art
Abfrageliste vor:
1. „zwingende“ Entscheidungen
Morphemgrenze markieren bei:
* Abweichung von der Sprechsilbenregel:
an|onym # Trennung vor Vokal
An<spruch # Trennung vor Konsonantenkluster
Zo·o|lo-gie # unterdrückte Trennung
Morphemgrenze nicht markieren bei:
* Ligaturen (offiziell, illegal, Dessert)
* ſ am Silbenende (Deſſert, Abſtrakt)
2. subjektive Entscheidungen bei "Wahlfreiheit" nach Punktesystem
»Ist die Trennung so besonders, dass sie besonders markiert werden muss?«
Hilft die Markierung mit "<"
- dem Leser (Vorzugstrennung für leichteres Sinnerfassen oder Vorlesen)
- den Wortlisteneditoren (Einfachheit, Systematik)
Punkte für "<":
* Präfix bekannt
* Grundwort bekannt (z.B. in anderen Zusammensetzungen)
* getrennte Aussprache entgegen allgemeiner Ausspracheregeln
(auf<fallen/hof-fen, an<ordnen/Kanone aber nicht auf<tragen/hef-ten)
* Bedeutung enspricht Verknüpfung der Semantik der Teile
Punkte für "-":
* verbundene Aussprache
* Teile wenig bekannt
* Bedeutung nicht aus den Teilen hergeleitet
* Wahrnehmung als "einfach".
Dabei gehen einige der Trenngrenze quer durch die in Praefixassimilation
postulierten Fallklassen.
Viele Grüße
Günter
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