[Trennmuster] Fremdworttrennungen
Guenter Milde
milde at users.sf.net
Do Jun 14 17:48:55 CEST 2018
Liebe Trennfreunde,
On 13.06.18, Keno Wehr wrote:
> Am 11.06.2018 um 00:22 schrieb Guenter Milde:
...
> Soweit ich es überblicken kann, gibt es für das Lateinische mindestens drei
> verschiedene Trennphilosophien. Mit aufsteigender Tendenz zur
> Konsonantenhäufung am Zeilenanfang sind dies:
> 1. Trennung nach den von modernen Altphilologen aufgestellten Regeln, die
> sich an (klassischen) lateinischen Lautgesetzen und Sprechsilben orientieren
> und durch die Worttrennung in antiken Inschriften weitgehend unterstützt
> werden. Hier bleiben bei Konsonantenclustern nur b/p/d/t/g/c + l/r zusammen,
> wie neulich von mir aus der Grammatik von Rubenbauer/Hofmann zitiert.
> Trennmuster nach diesen Regeln sind für TeX unter dem Namen »classiclatin«
> (Babel-Sprachoption »latin.classic«) verfügbar (funktionieren aber nicht in
> allen Fällen zuverlässig, wie mir scheinen will). Diese Regeln passen in
> meinen Augen am besten zu der im deutschen Sprachraum üblichen lateinischen
> Aussprache.
Also ich sage "Ma-gnet", nicht "(I) mag net".
Allerdings ist die "wirkliche/richtige" Zuordnung der Zwischenkonsonanten
zu den benachbarten Silben wegen ihrer Gelenkfunktion nie ganz eindeutig.
Insbesondere ist die "moderne" Trennung Mag-net, Sig-nal, ... deutlich
flüssiger auszusprechen als abst-rakt oder Obst-ruktion.
> 2. Trennung nach leicht modifizierten italienischen Trennregeln. Dies wird
> durch die in Italien und vielen weiteren Ländern übliche Aussprache des
> Lateins gerechtfertigt. Die Grundregel ist hier, dass alles auf die neue
> Zeile kommt, womit ein italienisches Wort beginnen kann. Über die unter 1
> genannten Konsonantengruppen hinaus bleiben etwa »gn«, »st«, »str«, »sp«,
> »sc«, »scr« zusammen. Die TeX-Trennmuster hierzu haben den Namen »latin«
> (mit gleichlautender Babel-Sprachoption). Dazu existiert ein
> TUG-Boat-Artikel von C. Beccari (Jg. 13, 1992, S. 23).
Diese Trennung entspricht weitgehen den Regeln der AR (Ho-spital, ab-strakt,
Si-gnal, Si-gna-tur).
> 3. Trennung nach griechischen Trennregeln. Dies entspricht dem, was der
> Wikipedia-Artikel »Lateinische Wortteilung« beschreibt. Hier bleiben weitere
> Konsontengruppen, beispielsweise »ct«, »gm« und »mn«, ungetrennt.
> Rubenbauer/Hofmann schreiben hierzu: »Dagegen weichen die römischen
> Nationalgrammatiker hiervon [d. h. von den unter 1 genannten Regeln]
> hauptsächlich in der Vorschrift ab, daß zur zweiten Silbe alle diejenigen
> Konsonantengruppen zu ziehen seien, die im Wortanlaut stehen können; die
> Regel beruht nicht auf lebendiger Sprachbeobachtung, sondern auf
> mechanischer Übertragung von Gesetzen der grch. Silbentrennung.«
> TeX-Trennmuster existieren für diese Regeln nicht. Sie kommen aber
> beispielsweise im Gotteslob für die Trennung lateinischer Gesangstexte zum
> Einsatz.
> Dies sollte deutlich machen, dass es im Lateinischen keine kanonische
> Silbentrennung gibt, auf die man sich bei der Fremdworttrennung berufen
> könnte.
Und wie wir am Bsp. Alk-me-ne feststellen mussten weicht die Trennung für
manche Wörter auch schon in de-1901 von der der Herkunftssprache ab.
> Ich vermute, dass § 112 und Vorgängerregelungen Kompromisslösungen
> sind, die sicherstellen, dass Fremdwörter aus den am stärksten relevanten
> Herkunftssprachen (Latein, Griechisch, Französisch) unter Anwendung einer
> überschaubaren Regel weitestgehend angemessen getrennt werden.
Ich denke, dass es vor allem die Kodifizierung (und der Versuch einer
Vereinheitlichung) der bestehenden Praxis ist/war. Da, gerade im Bereich der
unterschiedlich weit fortgeschrittenen Angleichung von Fremdwörtern,
uneinheitlich getrennt wird/wurde ist dies natürlich auch ein Kompromiss.
> Nun noch zum Begriff der Liquida: Hierunter werden leider nicht immer die
> gleichen Laute/Buchstaben verstanden. Immer zählen dazu l und r, zum Teil
> auch n und evtl. zusätzlich auch noch m. Moderne lateinische Grammatiken
> verwenden den Begriff ausschließlich für l und r.
OK.
Fazit. Auch wenn ich für eine einheitliche Behandlung von gn und den anderen
Ausnahmen des §112 bin, gibt es Gründe für die von Dir bevorzugte
Unterscheidung. Ich habe dazu jetzt die Funktion
def trenne_gn(wort):
"""Regelsilben bei gn (Si-gnal -> Sig-nal)."""
return re.sub(u'[-·]gn(?=[aeiouäöü])', u'g-n', wort)
in stilfilter.py, welche sicher noch einer Präzisierung bedarf, denn einige
der nach NR zulässigen Trennungen sind nicht so toll:
Mag-net, Sig-nal, in<cog-ni-to, in<dig-niert, kog-ni-tiv, stag-nie-ren
Kam-pa-gne, Kog-nak, Vi-gnet-te, Cham-pig-non,
> > > Wenn man streng an § 112 festhält, müsste es »Di-a-gno-se« sein, aber das
> > > betrachte ich nicht als vorteilhaft.
> > Ja, "Diagnose" ist ein Sonderfall, wo die Morphemgrenze mit der
> > Fremdwortsilbe zusammentrifft. Solange nur zwischen "traditionell" und
> > "moderne Sprechsilben" unterschieden wird, kein Problem. Für "traditionelle
> > Sprechsilben" müsste dann z.B. "Dia<-g-no-se" ausgezeichnet werden
> > (mit "<-" als Symbol für Trennstelle, die sowohl morphemisch oder auch als
> > Fremdwort-Sprechsilbe begründet werden kann).
> >
> Die Notwendigkeit für »<-« sehe ich nicht.
Sie ergibt sich bei sequentieller Anwendung der Filter:
> Wenn »Di-a<g-no-se« ausgezeichnet wird, wird daraus
> a) bei etymologischer/morphematischer Trennung »Dia-gno-se« durch
> Unterdrückung der Trennstellen im Abstand 1 von der Präfixmarkierung;
Ja, bei morphemischer Trennung bleibt keine Wahl nach §112.
morphemisch("Di-a<g-no-se") == "Dia<gno-se"
> b) bei verblasster Etymologie und Sprechsilbentrennung »Di-ag-no-se« durch
> Unterdrückung der Präfixmarkierung zwischen Vokal und Einzelkonsonant;
In diesem Fall ist die verbliebene Trennung bereits die gewünschte:
syllabisch("Di-a<g-no-se") == "Di-ag-no-se"
Der Filter zur Auswahl nach §112 ist wirkungslos:
regelsilben("Di-ag-no-se") == "Di-ag-no-se"
> c) bei verblasster Etymologie und Fremdwortsilbentrennung (Anwendung von §
> 112) »Dia-gno-se« durch Unterdrückung der Trennung vor dem Einzelvokal »a«.
> Die Trennung nach dem »a« bleibt erhalten, da kein Einzelkonsonant mehr auf
> die Präfixmarkierung folgt.
syllabisch("Di-a<g-no-se") == "Di-ag-no-se"
Nach Auflösung der morphemischen Auszeichnung ist die Trennung vor ng
verschwunden.
fremdwortsilben("Di-ag-no-se") == "Di-ag-no-se"
Die Wandlung g-n -> -gn kann nicht automatisiert erfolgen, da das zur
Übergeneralisierung führt (leug-nen -> *leu-gnen).
Anstelle einer komplexen Auszeichung kann evt. eine komplexe
Morphologiewahlfilterfunktion verwendet werden, die Fälle von
Fremdwortsilbentrennung == Morphemgrenze nicht eliminiert sondern in "-"
wandelt. Dazu muss allerdings geprüft werden, ob Fälle verblasster
*deutscher* Etymologie dazwischenfunken können.
Viele Grüße
Günter
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