[Trennmuster] Achtkläss- ler

Stephan Hennig mailing_list at arcor.de
Di Apr 15 18:28:00 CEST 2014


Am 14.04.2014 00:05, schrieb Werner LEMBERG:
> 
>>>   optisch/sprachlich: Frühe Trennstellen sind generell besser,
>>>   manchmal sogar über die Kompositagrenze hinweg.
>> 
>> Letzteres verstehe ich nicht ganz.
>> 
>> Hier meine persönliche, durch nichts belegte Meinung: Ich denke, die
>> Leserlichkeit (Lesefreundlichkeit) ist am höchsten bei
>> Worttrennungen, die man "sicher" vervollständigen kann.
> 
> Da bin ich mir nicht sicher.  Im Normalfall setzt die Worterkennung
> bereits deutlich früher an als beim Wort selbst: In vielen Fällen kann
> man erraten, was das nächste Wort sein wird, ohne es überhaupt gesehen
> zu haben.  Ich glaube, wenn Trennungen der Sprachmelodie und -betonung
> folgen, erhöht das den »Lesegenuß« im weitesten Sinne.

Auch möglich.  Den Schluss auf gute frühe Trennstellen sehe ich aber
noch nicht.  Kannst du mal Beispiele machen?


>> Ich meine, mich an das Gefühl des noch ungeübten Lesers zu erinnern,
>> der bei gewissen Worttrennungen ungeduldig den neuen Zeilenanfang
>> sucht, um zu erfahren, wie das Wort denn nun weitergeht.
> 
> Aber solche Leute sind nicht unsere Zielgruppe, sozusagen.

Als geübter Leser habe ich jenes Gefühl nicht mehr oder seltener, ich
denke aber, das Phänomen (das ich weiter unten beschreibe) besteht
grundsätzlich weiter.

Ein Beispiel für meine Theorie:

                   ... eine abgestimm-
  te Entscheidung ...

liest sich einfacher als

                        ... eine abge-
  stimmte Entscheidung ...

oder

                          ... eine ab-
  gestimmte Entscheidung ...

>> Worauf ich hinaus möchte, die Redundanz des Restwortes steigt
>> tendentiell mit der Zahl der bereits gelesenen Buchstaben.  Daher
>> sind eher späte Trennstellen besser, nicht die frühen.
> 
> Aber die gesamte Konjugations- und Deklinationsinformation ist am Ende
> des Wortes!  Das ist oftmals entscheidend, besonders im Deutschen, da
> wir ja keine feste Satzstellung haben.  Wenn unmittelbar davor
> getrennt wird, steht am Zeilenanfang ein Konjugations- oder
> Deklinationsrest ohne irgendwelchen »Anker«.

Ich muss meine Theorie etwas präzisieren:  Es geht gerade darum,
Flexionsendungen überlesen zu können (ohne dass mir das klar war).
Endungen sind in Sätzen häufig redundant enthalten, stecken also in
einem Artikel, einem Adjektiv oder Adverb und nochmal im Substantiv.  Im
oberen Beispiel ist klar, dass das Restwort 'te' heißt.  <Theorie>Ich
meine, dass ich in solchen Fällen gar nicht bis zum Zeilenanfang
springe, sondern nur bis zum Wortzwischenraum kurz nach dem
Zeilenanfang.  Das ist die Stelle, wo das nächste interessante Wort
beginnt.  Hilfreich ist hier auch der Umstand, dass das nächste Wort mit
einem Versal beginnt.</Theorie>  (Ich habe bei meinen Erinnerungen immer
irgendwas von Karl May vor Augen. :-)

Meine Beobachtung, sofern da irgend etwas wahres dran sein sollte,
trifft also nur auf näher bestimmte Substantive oder Adjektive/Adverbien
zu, hängt also stark von der Redundanz des bisherigen Satzes ab.  Bei

                                ... ei-
   ne abgestimmte Entscheidung ...

funktioniert das Überlesen der Endung nicht, da diese den ersten Hinweis
auf Numerus/Kasus des folgenden Substantivs gibt.

Die benötigten Informationen, um dieses Phänomen auszunutzen, erhält man
tatsächlich nur mittels Analyse der Satzstruktur.  So etwas liegt also
in weiter Ferne.

Viele Grüße,
Stephan Hennig




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