[Trennmuster] Mit der Bitte um wissenschaftlichen Ansatz

Stephan Hennig mailing_list at arcor.de
So Apr 13 20:08:39 CEST 2014


Am 13.04.2014 18:31, schrieb Tobias Wendorff:

> immer wieder gibt es hier hitzige Diskussionen um die gute Lesbarkeit

Leserlichkeit.


> von Trennungen oder die Einordnung in "verfremden" und andere Attribute.
> 
> Viele hier sind keine Linguisten, aber Menschen der Wissenschaft.
> Wäre es nicht sinnvoll, ebensolche Dinge im Rahmen einer empirischen
> Studie zu ermitteln oder auf vorhandene Literatur zurückzugreifen?

Es wäre schön, wenn wir auf wissenschaftliche Erkenntnisse zum Einfluss
von Mikro- und Makrotypographie auf die Leserlichkeit zurückgreifen
könnten.  Nicht nur konkret hier, diese Frage treibt Typographen
grundsätzlich um.  Bisher habe ich aber hilfreiche Hinweise auf
entsprechende Studien aus solchen Diskussionen nicht ziehen können
(eigentliche sind es keine Diskussionen, sondern immer nur entsprechende
Fragen des typophilen Nachwuchses).  Das wissenschaftliche Interesse an
der Leserlichkeit scheint schlicht gering zu sein.


> Gerade eine Studie ohne drittmittelfinanzierten Ansatz kann man ja
> recht einfach durchführen,

Worüber genau?


> wenn alle Schritte offengelegt und nachvollziehbar sind.

Mit Stoppuhr?

Es geht nicht nur um die Lesegeschwindigkeit.  Wichtig wäre
insbesondere, ob Inhalte, die man in Texten mit wenigen Trennungen
liest, besser rezipiert werden können.  Etwa, weil man "wie im Rausch"
lesen kann.  Dieser Zustand lässt sich beim Lesen von Beipackzetteln
sicher nicht erreichen.  Wie auch immer man diese Rezeptionsqualität
messen möchte, es wäre interessant zu erfahren, in welcher Weise die
verschiedensten typographischen Entscheidungen diese beeinflussen.
Allerdings gibt es /sehr/ viele Einflussfaktoren.

Es gibt übrigens Leseapparate, mit denen während des Lesens von unten
mit einer Kamera die Augenbewegungen verfolgen werden können (Stichwort
Sakkade).  Leider scheinen die eher zu biologischen bzw. optischen
Untersuchungen genutzt zu werden.

Kurzum, einfach halte ich Untersuchungen bezüglich der Leserlichkeit
nicht, sowohl hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes als auch des
Untersuchungsaufbaus.

Wenn du dich mit der Physiologie des Lesens beschäftigst, wird dir
auffallen, dass es zu allen möglichen Fragestellungen konkurrierende
Modelle gibt, aber keines davon belegt oder begründet verworfen werden
kann.  Und die Fragen und Modelle sind mitunter Jahrzehnte alt.


> Von den Ergebnissen könnte etliche Fachbereiche profitieren -
> vielleicht kann man sie sogar bedingt einbinden.

Andersherum, wir wären lediglich die Profiteure.  Ich sehe da eher
Universitäten o.ä. in der Bringschuld.  Aber in Zeiten, in denen das
Wort "Drittmittel" ein wichtiges ist, sollte man nicht allzu viel erwarten.

Hier gibt es eine Initiative aus dem TeX-Umfeld:

<URL:http://river-valley.tv/towards-evidence-based-typography-experiment-design/>

<URL:https://www.tug.org/TUGboat/tb32-3/tb102veytsman-typo.pdf>

Ergebnisse sind mir aber nicht bekannt.

Viele Grüße,
Stephan Hennig




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