[SAV-newsletter] Zum Ausgang der NRW-Wahlen

Sascha Stanicic sst at sav-online.de
Di Mai 15 13:19:31 CEST 2012


*Was die NRW-Wahl lehrt*


/Dieser Artikel findet sich hier: http://www.sozialismus.info/?sid=4845/


*Warum haben in NRW nur 2,6 Prozent die LINKE gewählt? Nur die richtige 
Antwort auf diese Frage kann logischerweise einen Weg aus der Misere der 
LINKEN weisen.*


Doch zuvor zu einer anderen Frage: Was sagt das Wahlergebnis über den 
WählerInnen-Willen und welche Folgen hat der Wahlausgang für die 
Regierungspolitik in Bund und Land?

/Von Georg Kümmel, Köln /

Die Wahl war ein Votum gegen die Politik der Bundesregierung. Darüber 
kann auch das gute Ergebnis der FDP nicht hinwegtäuschen, das Ergebnis 
einer medialen Rettungskampagne für die "kleine Partei des großen 
Kapitals" ist und nur möglich war, weil sich der Spitzenkandidat Lindner 
als Opposition gegen die eigene Parteiführung präsentierte. CDU und FDP 
haben zusammen 6,4 Prozent der Stimmen in NRW verloren. Dieses 
Landtagswahlergebnis reiht sich ein, wenn auch auf anderem Niveau, in 
die Wähler-Voten in Frankreich und Griechenland.

Das Wahlergebnis wird aber nichts Wesentliches an der Politik der 
Bundesregierung ändern. Merkel ist zweifelsfrei geschwächt und die 
Konflikte zwischen den Koalitionsparteien werden zunehmen, aber die 
Tatsache, dass die FDP nicht auch noch aus den Landtagen in 
Schleswig-Holstein und NRW geflogen ist, macht ein rasches 
Auseinanderbrechen der Koalition unwahrscheinlicher. Und SPD-Grüne 
werden ihre WählerInnen ein weiteres mal enttäuschen. Noch am Wahlabend 
legte Hannelore Kraft wert auf die Feststellung, dass Rot-Grün bereits 
in ihrem Haushaltsentwurf Kürzungen in Höhe von einer Milliarde Euro 
vorgesehen hatten. So eilig hatte sie es, das im Wahlkampf gepflegte 
Bild von der sozialen Landesmutti vergessen zu machen.

An der Politik von Bundes- und Landesregierung ändern, können nur 
möglichst starke Bewegungen gegen diese Politik.


*Abschneiden der Faschisten*

Der selbst ernannten "rechtspopulistischen" Gruppierung ProNRW gelang 
kein Durchbruch. Die Tarnkappen-Faschisten hatten auf "maximale 
Provokation" gesetzt, so ihr Vorsitzender Beisicht. Eine kleine Truppe 
von zwanzig bis fünfzig Leuten tourte durch NRW und hielt vor Moscheen 
anti-islamische "Karikaturen" in die Höhe. Wie auf Bestellung 
mobilisierten die rechtsgerichteten fundamentalistischen "Salafisten" 
gegen ProNRW, lieferten sich Scharmützel mit der Polizei und werteten 
die ProNRW-Kampagne damit medial auf. Am Dienstag vor der Wahl 
berichteten bundesweite Nachrichten-Websites mit großer Aufmachung 
davon, wie in Köln-Ehrenfeld zwanzig Rentner ihren Hass auf den Islam 
kurz in die Kameras hielten, während 1.000 Polizisten und einige Dutzend 
bärtiger junger Männer sich böse in die Augen schauten.

Trotz dieses Geschenks konnte ProNRW die Stimmenzahl lediglich von von 
107.000 auf 118.000 steigern, der prozentuale Anteil stieg von 1,4 auf 
1,5 Prozent. Damit wurden die Minimalziele erreicht : 1. Die 
Ein-Prozent-Hürde zu überspringen, um per Wahkampfkostenerstattung den 
finanziellen Handlungsspielraum der rechten Truppe zu sichern und 2. Wie 
schon 2010 zur stärksten Kraft im rechten Lager zu werden. Aber 
lediglich ein Drittel der 23.000 Stimmen der REP, die 2012 nicht mehr 
angetreten waren und der von der NPD im Vergleich zu 2010 verlorenen 
15.000 Stimmen konnten von ProNRW eingesammelt werden, insgesamt 
erhielten rechte Gruppierungen weniger Stimmen.

In der Fläche konnte ProNRW zwar zulegen, doch ausgerechnet in einigen 
Hochburgen im Rheinland -- Köln, Leverkusen, im Rheinisch-Bergischen und 
im Rhein-Erft-Kreis -- verlor die Partei Stimmen und Anteile, am 
Deutlichsten in Köln und Leverkusen.


*Woran es bei der LINKEN nicht lag*

Und damit kommen wir zur LINKEN. Wie kann es sein, dass die LINKE so 
dramatisch schlecht abgeschnitten hat?

Zählen wir zunächst auf, woran es nicht lag.

Gab es einen Rechtsruck unter den WählerInnen? Offensichtlich nicht. 
Größter Wahlsieger ist die Partei, die sich als 
Anti-Establishment-Partei profilieren konnte -- die Piraten. Die 
Stimmenzahlen für die Salon- und Stiefelfaschisten von ProNRW und NPD 
stagnierten bei zusammen zwei Prozent.

Ist das Wählerpotenzial der LINKEN in den letzten zwei Jahren kleiner 
geworden? Klares Nein. Oder soll man ernsthaft annehmen, dass 40 Prozent 
aller Wahlberechtigten aus lauter Zufriedenheit mit den bestehenden 
Verhältnissen zu Hause geblieben sind? Sicher nicht. Der Anteil der 
Nichtwähler ist in den ärmsten Stadtteilen und Regionen am höchsten. Die 
Zahl der schlecht bezahlten und unsicher Beschäftigten, die Zahl der 
Menschen, die durch Hartz IV verarmt und gedemütigt sind, die unter 
Miet- und Preissteigerungen leiden, ist nicht kleiner geworden.


Waren die Piraten die Ursache? Die LINKE hat insgesamt 241.000 Stimmen 
verloren. Davon 80.000 Stimmen laut Wählerwanderung-Analyse an die 
Piraten (90.000 an die SPD, 30.000 an die Grünen, 20.000 wurden 
Nichtwähler). Ohne die Verluste an die Piraten hätte die LINKE 3,5 
Prozent bekommen. Dass die Piraten, die sich als Protestpartei 
präsentieren, ohne besonders zu polarisieren, auch von der LINKEN 
Stimmen ziehen, war bis zu einem gewissen Grad unvermeidlich. Die 
eigentliche Frage ist, warum die LINKE das Image im positiven Sinne eine 
Protestpartei zu sein, eine Partei, die anders ist als die anderen, 
stark eingebüßt hat. Bei aller guten Kritik an der unsozialen Politik 
der etablierten Parteien hat die LINKE in den vergangenen Jahren doch 
immer versucht, sich als eine in vielerlei Hinsicht mit den 
Benimm-Regeln des bürgerlichen Parlamentarismus konforme, 'seriöse' 
Partei zu präsentieren. Leider mit Erfolg. Beispiel 
Bundespräsidentenwahl: Anstatt zu erklären, dass es das Beste wäre, 
dieses Amt abzuschaffen und mit dem eingesparten Geld Kindergärten zu 
bauen, stellte die LINKE eine Kandidatin Klarsfeld auf, die nach 
allgemeiner und eigener Einschätzung keine Linke ist. Dann fanden Gysi 
und Ernst auch noch lobende Worte für das Geschwafel von Gauck in dessen 
Antrittsrede. Wie gesagt, nur ein Beispiel von vielen.

Lag es am viel gepriesen Aufschwung? Es stimmt, dass die Wirtschaft in 
Deutschland seit 2010 eine Sonderkonjunktur erlebt hat. 
Massenentlassungen und soziale Angriffe im großen Stil gab es nicht. 
Einige Leute sind sogar aus der Erwerbslosigkeit in Billigjobs 
"aufgestiegen" und konnten ihre unmittelbare finanzielle Situation etwas 
verbessern. Es gab relativ wenig soziale Bewegungen. Das kann aber 
allenfalls erklären, warum die LINKE nicht ausgehend von den 5,6 Prozent 
im Jahr 2010 auf sieben oder acht Prozent zulegen konnte. Es erklärt 
aber nicht, warum sie ihre Stimmenzahl mehr als halbiert hat. Denn es 
herrscht weiterhin große Unzufriedenheit mit den bestehenden 
Verhältnissen, es gibt Zukunftsängste und der tägliche Druck des 
Arbeitslebens oder des Bildungssystems wird oftmals als unerträglich 
empfunden.

Lag es an dem Zwist in der Führung der Bundespartei? Innerparteilich und 
von den Medien werden gerne die Streitereien in der Parteispitze als 
Begründung für die Wahlergebnisse bei den jüngsten Landtagswahlen 
angeführt. Auch in den Jahren des Aufschwungs der Partei von 2005 bis 
2009 kam es zu offen ausgetragenen Kämpfen um Posten und mit der 
Kandidatur der WASG Berlin 2006 immerhin zu einem offenen Bruch. 
Peinliche DDR-Nostalgie von Teilen der Partei gab es in der ganzen Zeit. 
All das hat damalige Wahlerfolge nicht verhindert. Grund dafür ist, dass 
die Partei in dieser Phase Akzente setzen konnte, Themen besetzte, als 
einzige Alternative zu den Hartz-Parteien erkennbar war. Wen 
interessieren denn die Sperenzchen einiger Wichtigtuer, wenn es einer 
Partei gelingt, die Bedürfnisse und Forderungen breiter Teile der 
Bevölkerung zu formulieren und dafür zu kämpfen!

Die internen Konflikte sind ohnehin Ausdruck und nicht Ursache der 
Probleme und Widersprüche der LINKEN. Das es zuletzt herbe Niederlagen 
gab, muss andere Ursachen haben.


*Was ist der Gebrauchswert der LINKEN?*

Jede/r potenzielle WählerIn stellt sich ein ganz einfache Frage: Was 
ändert sich, wenn ich die LINKE wähle?

Die allgemeine Antwort der LINKEN auf Bundesebene auf diese Frage ist 
seit Jahren: "Wenn ihr uns wählt, machen wir im Parlament Druck auf die 
SPD. Wir rücken durch unsere Anwesenheit im Parlament die SPD nach 
links". Genauer gesagt, lautete die Antwort: "Wir rücken die SPD ein 
Stück nach links".

Da die SPD im Bund seit 2009 in der Opposition ist und weil gleichzeitig 
die vorübergehend bessere wirtschaftliche Lage es erlaubte, auf große 
soziale Angriffe zu verzichten, konnte die SPD sich aus ihrer Sicht eine 
etwas linkere Rhetorik leisten, sich als die etwas sozialere Alternative 
zu CDU und FDP anpreisen. Wieso die LINKE wählen, in der vagen Hoffnung, 
das würde die SPD etwas nach links rücken, wenn die SPD das in Worten 
schon selber tut? Das werden sich viele ehemalige WählerInnen der LINKEN 
gefragt haben.

Gleichzeitig sagt die SPD (auf Länderebene): entweder die LINKE 
beteiligt sich in einer Koalition als Regierungspartei beim Sozialabbau, 
(die LINKE solle "Verantwortung" übernehmen, heißt das beschönigend), 
oder es gibt keine Zusammenarbeit mit der LINKEN. SPD und Grüne haben es 
bekanntlich vorgezogen Neuwahlen auszurufen, statt beim Haushalt auch 
nur das kleinste soziale Zugeständnis an die LINKE zu machen. 
Währenddessen beharrte die LINKE im Bund auf ihrem Selbstverständnis, 
demzufolge sie sich darauf beschränkt, soziales Korrektiv der SPD sein 
zu wollen. Und auch im deutlich antikapitalistisch ausgerichteten 
Landesverband NRW gab es immer wieder Aussagen von 
SpitzenvertreterInnen, die in dieselbe Richtung gehen. Zum Beispiel, 
dass die SPD durch den Druck der LINKEN sozialdemokratischer werde oder 
es gab offene Formulierungen zur Frage, ob man bereit sei mit SPD und 
Grünen zu koalieren.

Diese Sichtweise eröffnet keinen Perspektive für einen grundlegenden 
Wechsel in der Politik, der aber zwingend nötig wäre. Außerdem hindert 
die LINKE sich dadurch selbst daran, die SPD schonungslos zu 
kritisieren. Die LINKE in Bund und Land hätte immer wieder erklären 
müssen, dass die Politik von Hannelore Kraft genauso verlogen ist, wie 
die der gesamten SPD. Statt die Illusion zu verbreiten, dass ein 
Politikwechsel mit SPD und Grünen möglich ist, müsste die LINKE klar 
sagen, dass eine sozial gerechte Politik nicht mit, sondern nur im Kampf 
gegen die SPD machbar ist. Das hindert die LINKE nicht daran mit 
Rot-Grün zu stimmen, wenn diese sich unter dem Druck einer breiten 
Bewegung, wie gegen die Studienproteste, gezwungen sehen, ausnahmsweise 
eine Verschlechterung zurückzunehmen.

Die LINKE hat sich mit ihrem Selbstverständnis als soziales Korrektiv 
der SPD in eine Sackgasse manövriert. Hinzu kommt, dass sie ein falsches 
Verhältnis von parlamentarischer zu außerparlamentarischer Arbeit 
pflegt. Das heißt nicht, dass die LINKE im Bund und insbesondere auch in 
NRW keine Arbeit in sozialen Bewegungen gemacht hätte. Aber man muss 
doch nur vergleichen, welchen Aufwand und Einsatz sie in den vergangenen 
Jahren in Wahlkämpfen geleistet hat und wie viel Kraft sie im Verhältnis 
dazu in soziale und gewerkschaftlichen Kämpfe investiert hat. Die 
Stellungnahme des Landesvorstands der LINKEN in NRW zum Wahlausgang 
wirft diesbezüglich zumindest die richtigen, selbstkritischen Fragen auf 
und betont, dass die Partei nur als Partei der Kämpfe und der 
politischen Aktion aus der Krise geführt werden kann.

Um in der Außenwirkung als Partei wahrgenommen zu werden, die sich 
grundlegend von den Etablierten unterscheidet, müsste sie regelmäßig 
ihre gesamte aktive Mitgliedschaft in Kampagnen mobilisieren, zum 
Beispiel gegen die Vertreibung von Hartz IV-Empfängern aus deren 
angestammten Wohnungen. Kampagnen mit Großflächenplakaten, Infoständen, 
massenhaft verteilten Flugblättern. Solche Kampagnen könnte man dann 
durch Anträge und Anfragen in den Parlamenten unterstützen.


*Wahlkampf in NRW*

Vor diesem Hintergrund muss auch der Wahlkampf in NRW betrachtet werden. 
Zweifellos hat die Partei gute und richtige Forderungen in den 
Mittelpunkt des Wahlkampfs gestellt. Und es war wahrscheinlich der 
engagierteste Wahlkampf, mit einem hohen Aktivitätsgrad vieler 
Mitglieder. Aber die Beschränkung auf konkrete Forderungen für mehr 
Kita-Plätze, eine Millionärsteuer oder ein Sozialticket für 15 Euro 
waren nicht mobilisierend angesichts ähnlicher Positionierungen auf 
Seiten der SPD.

All diese -- korrekten und guten -- Forderungen zeigen nicht den 
Unterschied zwischen der LINKEN und den bürgerlichen Parteien, ziehen 
nicht die Linie, verdeutlichen nicht, warum nur DIE LINKE wirklich mehr 
soziale Rechte erkämpfen will. Aus heutiger Sicht hätte DIE LINKE ihren 
Wahlkampf darauf zuspitzen müssen, Systemalternative zu sein, hätte das 
Merkelsche Spardiktat angreifen und eine Linie von Athen bis zu den 
verschuldeten Kommunen in NRW ziehen müssen.

Letztlich hätte DIE LINKE vom Wahlkampf des 
Linksfront-Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchons aus Frankreich 
lernen müssen, der die Unzufriedenheit der arbeitenden Bevölkerung mit 
den gesellschaftlichen Verhältnissen insgesamt betont hat. Mit seinen 
Parolen "Ergreift die Macht" und seinem Aufruf zu einer 
Bürgerrevolution, hob er sich deutlich von dem etablierten 
Politikgeschäft ab und vermittelte den Eindruck, eine Stimme für ihn 
könne die Verhältnisse zum tanzen bringen. Wer das wollte, wählte 
diesmal eher die Piraten, die der LINKEN das Anti-Establishment-Image 
genommen haben.

Die Medien haben in NRW die LINKE in einer Art benachteiligt, die schon 
eine neue Qualität hatte. In einem Zeitungsbericht über eine 
Diskussionsrunde mit den SprecherInnen aller fünf im Landtag vertretenen 
Parteien, wurde das Foto an der Stelle abgeschnitten, an der die 
Spitzenkandidatin der LINKEN stand. Einseitiger, falscher oder 
ignorierender Berichterstattung der Medien, kann man aber kaum durch 
einmalige Wahlkampfzeitungen entgegenwirken. Das geht nur, wenn die 
LINKE regelmäßig, verlässlich an der Seite der Betroffenen in den 
sozialen Bewegungen und in den Betrieben kämpft. Auch deshalb ist der 
außerparlamentarische Kampf so wichtig.

Die LINKE kann noch durch eine ganz einfache praktische, unmittelbar 
umzusetzende Maßnahme beweisen, dass sie anders ist als andere Parteien. 
Sie müsste nur das Prinzip einführen, dass alle Abgeordneten, ihre 
Diäten, soweit sie einen Durchschnittslohn übersteigen, für politische 
Zwecke abführen. Wenn sämtliche KandidatInnen und Abgeordneten in jeder 
Talkshow bekannt geben könnten, dass ihr Einkommen als Parlamentarier 
nachweislichauf dem Niveau des Durchschnittsverdienst ihrer Zuschauer 
liegt, dann würde sie das allein schon aus dem Einheitsbrei der 
etablierten Parteien herausheben, glaubwürdiger machen und einer 
politische Entfremdung von der Basis entgegenwirken.

Spätestens seit Ausbruch der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise, die 
sich mittlerweile insbesondere als Euro- und Staatsschuldenkrise äußert, 
sollte eigentlich klar sein, dass bloße Reformversuche im Rahmen des 
Kapitalismus letztendlich zum Scheitern verurteilt sind. Die LINKE hat 
zwar in Erfurt ein neues Parteiprogramm gegeben, das einen Schritt nach 
Links darstellt. Aber die Inhalte dieses Programms werden in der 
Tagespolitik der Parteiführung gerne vergessen. Der zum Göttinger 
Bundesparteitag im Juni vorliegende Leitantrag des Parteivorstands zeigt 
das: in diesem weht nicht der Geist von Erfurt, sondern aus der alten 
PDS. Wer in einer fortschreitenden Krise aber politisch stehen stehen 
bleibt, fällt zurück. Das ist die politische Ursache für die abnehmende 
Bedeutung der LINKEN ausgerechnet in Zeiten der Krise.

Der dramatische Bedeutungsverlust der LINKEN, der in den jüngsten 
Wahlergebnissen sichtbar geworden ist, ist also nicht die Folge dieses 
oder jenes Fehlers, dieses oder jenes Versäumnisses. Er ist die Folge 
einer inhaltlichen, politischen Schwäche, die von Anfang an vorhanden 
war, gewissermaßen eines politischen Herzfehlers, der durch zuvor 
günstigere Umstände überdeckt wurde und jetzt, bei Belastung, die Partei 
an den Rand des Infarkts geführt hat. Um den Infarkt zu vermeiden, muss 
DIE LINKE sich gründlich ändern. Dann hat sie die Chance, nicht nur sich 
selbst wieder aufzurappeln, sondern noch viel stärker zu werden.

Das Fortbestehen und Fortschreiten der Krise, wenn auch in 
unterschiedlich Ländern unterschiedlich, ist der Grund, dass die 
jüngsten dramatischen Wahlniederlagen keineswegs automatisch das Ende 
der LINKEN bedeuten. Die anderen Parteien haben keine Lösungen 
anzubieten, außer man akzeptiert das was derzeit in Griechenland, 
Spanien, Portugal, Italien passiert als 'Lösung'. Die Piraten behaupten 
erst gar nicht, einen Ausweg aus den tief wurzelnden Problemen 
vorschlagen zu können.

Die abhängig Beschäftigten, Arbeitslosen, die Alten und die Jungen in 
diesem Land brauchen eine Partei die ihre Interessen zum Ausdruck 
bringt, die den Widerstand stärkt indem sie informiert, mobilisiert, 
organisiert. Und die einen Ausweg aus den Sachzwängen des Kapitalismus 
aufzeigt. Solch eine Partei ist notwendiger denn je.

Die LINKE muss ihr Programm und ihre Praxis in einer breit angelegten 
Diskussion einer grundlegenden Kritik unterziehen. Die SAV wird ihre 
Vorschläge in diese Diskussion einbringen.

Wir setzen uns dafür ein,

  *

    dass die LINKE sich als unversöhnliche Alternative zu allen
    etablierten Parteien, einschließlich SPD und Grünen begreift,

  *

    dass die Teilnahme am Kampf in sozialen Bewegungen und Betrieben das
    Primäre ist und die Position in Parlamenten konsequent zu deren
    Unterstützung genutzt wird

  *

    dass es nicht ausreicht, sich als irgendwie antikapitalistisch zu
    definieren, sondern dass die Diktatur des Kapitals überwunden und
    eine sozialistische Demokratie aufgebaut werden muss

  *

    dass zu einem sozialistischen Selbstverständnis gehört, unzweideutig
    die politischen Verhältnisse in der DDR als Diktatur einer
    privilegierten Schicht von Bürokraten zu brandmarken


-------------- nächster Teil --------------
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