[Postfixbuch-users] [OT] Einschreiben via E-Mail lösen
Peer Heinlein
p.heinlein at jpberlin.de
So Nov 14 12:48:43 CET 2004
Am Samstag, 13. November 2004 14:25 schrieb NORA CENTRAL:
> Das Postfixbuch versucht ganz ehrgeizig über den Tellerrand zu
> schauen, trotzdem fehlt ein Kapitel über diesen Themenbereich.
> Wundert mich, dass kein einzige grosse/kleine in der Branche E-Mail
> per Einschreiben anbietet.
Weil`s einigermaßen schwierig bis praktisch unmöglich ist.
Das Problem -generell im IT-Bereich- ist die Frage: Welche Beweiskraft
hat schon ein Logfile? Ein Log ist eine ASCII-Datei, damit kann ich
ALLES beweisen.
Sicher, im Alltag kann ich auch erstmal beliebig unterschreiben und mich
als Jimmy Carter ausgeben, aber prinzipiell besteht die Möglichkeit das
mittels geeigneter Methoden zu analysieren, aufzudecken, meine
Identität oder den Urheber der Unterschrift etc. hervorzuheben, noch
dazu kommt die abschreckende Wirkung, weil sowas als Urkundenfälschung
strafrechtlich relevant wird.
Im e-Mail-Bereich fehlt das aber alles. Der "Beweis" jemanden eine
e-Mail zugestellt zu haben (=Einschreiben!) anhand eines Logfiles
erbringen zu wollen, ist zu dürftig. Das hat keinen ausreichenden
Beweiswert, das könnte man allenfalls mit einem Einwurfeinschreiben
vergleichen, das aber juristisch ebenfalls nix aussagt. Aber
wahrscheinlich wäre selbst ein Einwurfeinschreiben per Postweg höher zu
bewerten, als e-Mail & Logfile.
Denken wir es mal durch:
E-Mail-Einschreiben würde also einen irgendwie gearteten Einsatz von
Kryptographie erfordern. Aber auch hier ergeben sich zahlreiche
Probleme:
1) Was unsereins als sicher, ausreichend und problemlos funktionierende
Kryptopraghie abtut (z.B. PGP/GPG) taugt nach dem SignaturGesetz quasi
nichts, da das den Einsatz entsprechender Signaturstellen voraussetzt.
Ist nix für jedermann, sondern allenfalls aufwändig unter Einbeziehung
der üblichen Branchenriesen als Signaturstelle machbar.
2) Es gibt keinen neutralen "Zusteller" (=Postbote) der die
kryptographisch gesicherte Unterschrift entgegennimmt. Ich wäre als auf
die Mitwirkung des Mailservers des Zielsystems angewiesen. Oder
vielleicht gar auf die Mitwirkung des Empfängers selber?!
3) Zuguterletzt bleibt sowieso die Frage der Beweiskraft der e-Mail an
sich. Klar, grundsätzlich ist sie genauso geeignet einen
Vertragsabschluß, eine Kündigung, ein Widerruf o.ä. hervorzurufen, wie
andere Kommunikationsformen auch, da man mit ihr natürlich
Willensbekundungen ("ich kaufe das!") von sich geben kann. Eine Mail
hat dabei natürlich die gleichen Probleme in der Beweiskraft, wie die
anderen Formen auch -- wie beweisen, daß etwas mündlich abgesprochen
war? Wie beweisen, daß die e-Mail tatsächlich *so* im Inhalt lautete?
[Nach SignaturG grds. möglich, aber aufwändig.] Aber eine e-Mail ist
aus verschiedenen Gründen keine Urkunde, i.d.R. schon wegen mangelnder
"Verkörperung". Sie wird einem im Streitensfalle ggf. etwas helfen,
wenn alles dem Richter plausibel ist oder sie nicht von der Gegenseite
geleugnet wird, aber *verlassen* kann man sich darauf nicht.
Und wenn ich schon "Einschreiben" loswerden möchte, dann rechne ich mit
dem schlimmsten und möchte juristische Beweisbarkeit. Und da geht man
kein Risiko ein, da nimmt man den klassischen Postweg des
Übergabeeinschreibens, ob nun Post AG oder PIN AG oder den persönlichen
Boten/Überbringer mit Empfangsquittung.
Kurzum: Einschreiben-e-Mail gibt`s praktisch nicht. Man kann durch
Krypto einigermaßen gut beweisen, *WAS* man geschrieben hat, aber nicht
*DASS* man geschrieben hat. :-)
Lieben Gruß,
Peer
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