[Pirateninfo] Biopiraterie an alten Sorten in Österreich / Austria: privatisation of conservation varities

Andreas Riekeberg a.riekeberg at jpberlin.de
Mi Dez 15 20:16:42 CET 2010


Guten Abend,

eine besondere Form der Biopiraterie hat sich die EU-Kommission einfallen lassen. Unter dem Deckmantel einer Erhaltungsrichtlinie für alte Sorten, wird es möglich, auch alte und gemeinfreie Sorten zu privtisieren: bei der Eintragung einer Sorte in die Liste durch einen Anmelder wird es allen anderen ErhalterInnen dieser Sorten in der ganzen EU verboten, sie zu verkaufen und zu tauschen. Dies jedenfalls ist wohl die Folge der österreichischen Umsetzung der EU-Erhaltungsrichtlinie. Es gibt heftigen Protest dagegen.

Unten die Mitteilung des Österreichischen BergbäuerInnen-Verbandes (ÖBV) / Via Campesina Austria, auch auf englisch und französisch.

Schöne Grüße
Andreas Riekeberg

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English below
Francais en bas


Saatgut: Vielfalt in Gefahr! Aus für Pflanzentauschmärkte im Jahr der Biodiversität?

Umsetzung der EU-Erhaltungssortenrichtlinie privatisiert freie Sorten

Im Juni 2008 hat die EU-Kommission die Richtlinie 2008/62/EG erlassen. Sie
regelt die Zulassung von Landsorten und seltenen Sorten, die von genetischer
Erosion bedroht sind und bis jetzt noch nicht registriert waren sowie das
„Inverkehrbringen“ dieser Sorten. Bei einer Informationsveranstaltung des
Lebensministeriums wurden nun die Durchführungsbestimmungen für Österreich
vorgestellt. Die anwesenden ErhalterInnen von seltenen und bedrohten Sorten
reagierten entsetzt: „Unsere schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen“,
so Florian Walter, Bergbauer in Pöls und Erhalter zahlreicher Sorten. „Dies
ist das Aus für die so beliebten Pflanzentauschmärkte! Das mühsam aufgebaute
Netzwerk von ErhalterInnen in Österreich wird mit diesen Regelungen in Frage
gestellt.“

Bisher waren Erhaltungssorten freie Sorten, die genutzt, vermehrt und
weitergegeben werden durften. Nach Inkrafttreten der Umsetzungsbestimmungen
können diese Sorten in einem – im Vergleich zum regulären
Zulassungsverfahren – vereinfachten und billigeren Verfahren zugelassen
werden. Bis jetzt gab es diese Möglichkeit nicht. Sobald jedoch eine Sorte
als Erhaltungssorte zugelassen ist, darf sie nur mehr von den jeweiligen
Zulassungsinhabern vermehrt und verkauft werden. Die Sorte, die bisher allen
frei zu Verfügung stand, wird somit privatisiert.

Genau dieser Punkt löst Empörung auf Seiten der ErhalterInnen aus. „Diese
traditionellen und seltenen Sorten werden seit Jahren von zahlreichen Bauern
und Bäuerinnen sowie GärtnerInnen vermehrt, betreut und züchterisch
verbessert. Nun sollen wir sie nicht mehr verkaufen, ja nicht einmal mehr
tauschen dürfen! Für uns ErhalterInnen bedeutet das ein ständiges Leben in
Ungewissheit, ob nicht morgen auch die geschätzte und gehütete
Lieblingssorte privatisiert ist und nicht mehr weitergegeben werden darf.
Wer wird sich dann noch die Mühe machen Sorten zu erhalten und weiter zu
entwickeln?“ so Walter entrüstet.

Derzeit befinden sich in Österreich fast 70 Gemüsesorten im
Zulassungsverfahren, darunter so bekannte und beliebte Sorten wie die
Tomaten „Green Zebra“ und „Auriga“ oder der Paprika „Roter Augsburger“.
EU-weit sind bereits 100 Sorten zugelassen. Sobald ein EU-Mitgliedsland eine
Region als „Ursprungsregion“ einer gewissen Sorte anerkennt, darf diese nur
mehr in dieser Region angebaut werden. Auseinandersetzungen zwischen
verschiedenen Mitgliedsstaaten sind damit vorprogrammiert. Zusätzlich gelten
strenge Mengenbeschränkungen.

„Die EU-Kommission hat vorgegeben, durch die Erhaltungssortenrichtlinie die
Bewahrung und Weiterentwicklung von traditionellen und seltenen Sorten
erleichtern zu wollen. Das Gegenteil ist der Fall! Die Richtlinie und
insbesondere auch ihre Umsetzung in Österreich machen die Arbeit der
ErhalterInnen zunichte. Im Internationalen UN-Vertrag über
Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (ITPGR-FA)
ist das bäuerliche Recht, Samen aus eigener Ernte zu gewinnen, zu tauschen
und zu vermarkten, festgeschrieben. Dieser Vertrag wurde von der EU und
allen Mitgliedsstaaten unterzeichnet. Durch die Erhaltungssortenrichtlinie
wird dieses Recht verletzt“, ärgert sich Heike Schiebeck, Vorstandsmitglied
der ÖBV-Via Campesina Austria, der Österreichischen Berg- und
KleinbäuerInnenvereinigung.

„Die Umsetzung der Saatgutrichtlinie legalisiert die Biopiraterie:
Pflanzensorten, die über Jahrhunderte von unzähligen Generationen von
Bäuerinnen und Bauern gezüchtet wurden, sollen nun zum Eigentum einzelner
Zulassungsinhaber werden. Seltene Sorten, die zynisch als „Liebhabersorte
ohne ökonomischen Nutzen“ bezeichnet werden, sind durch das teure
Zulassungsverfahren und die restriktiven Anbaubestimmungen vom Aussterben
bedroht. Im schlimmsten Fall werden dutzende oder hunderte traditioneller
Saatgutsorten so binnen weniger Jahre durch Europas Agrarbürokratie
ausgerottet“, befürchtet Michael Johann, Obmann der Grünen Bäuerinnen und
Bauern.

Das ErhalterInnennetzwerk, die ÖBV-Via Campesina Austria und die Grünen
Bäuerinnen und Bauern fordern die politisch Verantwortlichen in Österreich
auf, die Durchführungsbestimmungen der Erhaltungsrichtlinie einer
gründlichen Überarbeitung zu unterziehen. Insbesondere die Regelungen, die
sich auf den Verkauf, die Weitergabe und den Tausch von Saatgut beziehen,
müssen so abgeändert werden, dass die Arbeit der zahlreichen ErhalterInnen
nicht bedroht wird.

Rückfragehinweise:      Florian Walter, 03579/8037 oder 0664/4165649;

Heike Schiebeck, 04238/8705


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Seeds: diversity in danger! The end of seed exchange markets in the year of
biodiversity?
The implementation of the EU Directive on Conservation Varieties into
Austrian law introduces the privatisation of varieties so far freely
accessible.


The EU Directive 2008/62/EU was adopted in June 2008 in order to establish
common guidelines for the “acceptance of agricultural landraces and
varieties which are naturally adapted to the local and regional conditions
and threatened by genetic erosion and for marketing of seed and seed
potatoes of those landraces and varieties”.



At the end of November this year the Austrian “Ministry of Life”
(Agriculture, Forestry, Environment and Water Management) called a meeting
to present to the public the measures taken by the Austrian government to
implement this directive. Several breeders of rare and threatened varieties
who participated in the meeting were horrified. “It went beyond our worst
fears,” said Florian Walter, a mountain farmer at Pöls who conserves and
multiplies a large number of such varieties. “This is the end of our very
popular seed swap markets, where we exchange seeds and plants! These
regulations are a great threat to the network of Austrian seed breeders
which it took us years to create.”



Up to now, conservation varieties have been freely accessible and could be
sown, multiplied and given away by everyone. These implementation
regulations introduce a new simplified and relatively cheap registration
procedure through which such varieties can be given official authorisation.
But as soon as a variety has been accepted as a “conservation variety” it
may only be reproduced and sold by the person or company that registered it.
In this way varieties that were freely accessible to all will be privatised.



This is the point that angers seed multipliers the most. “For years
countless farmers and gardeners have been cultivating, conserving and
improving such traditional and rare varieties. All of a sudden we will no
longer have the right to sell or even exchange them! For us who maintain
conservation varieties this means a life of permanent insecurity. Our
favourite varieties which we have preserved for so long will perhaps be
privatised tomorrow and we will no longer be able to pass them on! Who will
be willing to continue to put all that effort into preserving and developing
such varieties?” demands an outraged Florian Walter.



At present, applications for registration in the Austrian catalogue have
been made concerning 70 vegetable varieties, including popular ones such as
the “Green Zebra” and “Auriga” tomatoes and the “Roter Augsburger” red
pepper. Some 100 varieties have already been accepted EU-wide. The problem
is that once an EU country has accepted a region as the “region of origin”
of a certain variety, that variety may be cultivated in that region only.
This is bound to lead to serious disagreements between EU states. In
addition, strict rules regulate the quantity of seed that may be produced
for each accepted conservation variety.



“The EU Commission has claimed that the conservation variety directive will
facilitate the protection and further development of traditional and rare
varieties. But the very opposite is the case! The directive, and in
particular its implementation in Austria, will destroy the work of those
maintaining such conservation varieties. The UN International Treaty for
Plant Genetic Resources in Food and Agriculture (ITPGR-FA), which has been
signed by all EU member states, establishes the right of farmers to use the
seeds from their own crops, to exchange and sell them. The EU directive
violates this Treaty,” says Heike Schiebeck, board member of the ÖBV-Via
Campesina Austria (the Austrian Mountain and Small Farmers’ Union).



“The implementation of this seed directive legalises bio-piracy. Varieties
which have been cultivated and developed for centuries by countless
generations of farmers will now become the private property of individual
registration holders. Rare varieties - cynically classified as “varieties of
sentimental but no economic value” – run the risk of disappearing because of
the expensive authorisation procedure and the restrictive cultivation
regulations. In the worst case scenario dozens or even hundreds of
traditional varieties will become extinct within a few years due to European
agro-bureaucracy,” says Michael Johann, president of the Green Farmers.



The seed conservation network, the ÖBV-Via Campesina Austria and the Green
Farmers call on the Austrian politicians responsible for this question to
seriously reconsider the directive’s implementation regulations. It is
particularly important to change the rules concerning the selling,
exchanging and giving away of seeds in order to ensure that the work of
conservation seed breeders is not threatened.



Further information is available from
heike.schiebeck at gmx.at


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Semences : la diversité en danger ! Fin des bourses d’échange en cette année
de la biodiversité ?



L’application des directives européennes sur les variétés de conservation
privatise des variétés jusque là libres d’accès.



En juin 2008, la commission européenne a édicté la directive 2008/62/EG.
Elle réglemente l’enregistrement des variétés de pays, rares et anciennes,
menacées d’érosion génétique, non encore enregistrées, et la mise en
circulation de ces variétés. Les décrets d’application ont été présentés. Le
Ministère autrichien du Vivant a présenté les décrets d'application de cette
directive lors d'une réunion d'information à laquelle ont assisté, indignés,
les parrains et marraines conservateurs de variétés anciennes et menacées :
« c'est bien pire que ce que nous craignions », selon Florian Walter, paysan
de montagne à Pöls et parrain de nombreuses variétés. « C’est la fin des
bourses d’échanges tant appréciées ! Ces réglementations remettent en
question le réseau de parrains et marraines qui s’est constitué petit à
petit en Autriche.



Jusqu’à maintenant, ces variétés de conservation étaient libres d’être
cultivées, multipliées et diffusées. Avec l’entrée en vigueur des décrets d’
application, ces variétés peuvent être autorisées selon une procédure d’
inscription simplifiée et moins chère. Jusqu’alors cette possibilité n’
existait pas. Mais dès qu’une variété est autorisée en tant que variété de
conservation, seul le détenteur de l’autorisation est habilité à multiplier
et vendre cette variété. Celle-ci, jusque là accessible à tous, est donc
privatisée.



C’est précisément ce point qui a provoqué l’exaspération des parrains et des
marraines : « Ces variétés traditionnelles et rares ont été depuis des
années multipliées, conservées et sélectionnées par de nombreux paysans et
jardiniers. Maintenant, il semblerait que nous n’ayons plus le droit de les
vendre, ni même de les échanger ! Si nos variétés choyées et appréciées sont
privatisées, et donc interdites de diffusion, nous, parrains, sommes
condamnés à vivre dans l’incertitude . Qui va encore se donner la peine de
conserver des variétés et de les développer ? », s’interroge Walter.



Actuellement, 70 variétés de légumes sont en cours d’autorisation en
Autriche, dont des variétés connues et fort appréciées comme les tomates
Green Zebra et Auriga, ou le poivron Roter Augsburger. Dans l’Union
Européenne on compte déjà cent variétés autorisées. Dès qu’un pays membre de
l’UE reconnaît que telle région est le berceau d'une variété donnée,
celle-ci devra être cultivée exclusivement dans cette zone-là. Cet état de
choses laisse présager de futurs conflits. S’ajoutent à cela de sévères
limitations de quantités.



« La Commission Européenne a prétendu que cette directive est destinée à
faciliter la conservation et le développement des variétés rares et
traditionnelles. C’est le contraire qui se passe ! Cette directive, et
spécialement les décrets d’application autrichiens anéantissent le travail
des parrains et marraines. Dans le traité international de l’ONU sur les
ressources phytogénétiques pour l’alimentation et l’agriculture (ITPGR-FA)
est inscrit le droit paysan d’échanger, de diffuser et de produire des
semences à partir de sa récolte. Ce traité a été signé par l’UE et tous les
pays membres. Ce droit est violé par cette directive sur les variétés de
conservation », commente, en colère, Heike Schiebeck, membre de la direction
ÖBV- Via Campesina Austria, l’association des petits paysans de montagne
autrichiens.



« L’application de cette directive légalise la biopiraterie : des variétés
de plantes sélectionnées pendant des siècles par de nombreuses générations
de paysans et de paysannes, sont en passe de devenir la propriété unique et
exclusive du premier à inscrire la variété. Des variétés rares, appelées d’
une façon cynique « variétés d’amateurs sans utilité économique » sont
menacées d’extinction par la cherté des procédures d’autorisation et les
réglementations de cultures restrictives. Dans le pire des cas, des
douzaines, voire des centaines de variétés traditionnelles vont être
éradiquées en quelques années par la bureaucratie agricole de l’Europe »,
craint Michael Johann, président des paysannes et paysans du Parti des Verts
autrichiens.



Le réseau des parrains et des marraines, l’ÖBV-Via Campesina Austria, et les
paysannes et paysans du Parti des Verts, appellent les responsables
politiques autrichiens à réétudier les décrets d’application de la
réglementation sur les variétés de conservation. Plus spécialement les
décrets qui régulent la vente, la diffusion et l’échange de variétés doivent
être modifiés de façon à ne pas entraver le travail des parrains et
marraines.



Pour tous renseignements : heike.schiebeck at gmx.at




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