[IMI-List] [0653] Ostermärsche / EU-Drohnenforschung & Gaza / Krieg & Klima

imi imi at imi-online.de
Mi Mär 27 11:24:04 CET 2024


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0653 – 27. Jahrgang
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser Mail findet sich

1.) der Hinweis auf die kommenden Ostermärsche und eine Liste der
IMI-Beteiligungen hierbei;

2.) der Hinweis auf einen Beitrag über europäisch-israelische
Drohnenforschung, der auch auf Englisch erschienen ist;

3.) ein Artikel über den Beitrag des Militärs zu Klimawandel und
Umweltzerstörung.


1.) Ostermärsche

Ostern steht vor der Tür und damit auch die tradistionellen
Demonstrationen für Frieden und Abrüstung.

Eine sehr umfangreiche Übersicht über alle Ostermärsche stellt wieder
das Netzwerk Friedenskooperative bereit:
https://www.friedenskooperative.de/termine?thema=69

Vertreter*innen der IMI werden auf folgenden Ostermärschen zu sehen und
zu hören sein:

Erfurt: Donnerstag, 28. März 2024, 16:00h am Anger: Ostermarsch Erfurt
mit einem Audio-Beitrag von Martin Kirsch (IMI)

Ulm: Samstag, 30. März 2024, 11h vor dem Weststadthaus (Moltkestr. 10):
Ostermarsch Ulm mit einer Rede von Alexander Kleiß (IMI)

Stuttgart: Samstag, 30. März 2024, 11:59h am Schlossplatz: Ostermarsch
Baden-Württemberg – die Auftakt- und Abschlusskundgebung moderiert
Tobias Pflüger (IMI)

Göttingen: Samstag, 30. März 2024, 12h am Nabel (Weender
Str./Theaterstr.): Ostermarsch Göttingen mit einer Rede von Martin
Kirsch (IMI)

Landshut: Montag, 1. April 2024, 14h vor dem Rathaus: Ostermarsch
Landshut mit einer Rede von Thomas Gruber (IMI)


2. Europäische Drohnenforschung und ihre Anwendung in Gaza

Unter dem Titel „Europäische Sicherheitsforschung und der Krieg in Gaza“
hat die IMI gemeinsam mit Statewatch eine Analyse veröffentlicht, die
auch ins Englische übersetzt und veröffentlicht wurde
(https://www.statewatch.org/analyses/2024/european-money-for-the-war-in-gaza-how-eu-research-funding-supports-the-israeli-arms-industry/).
In der Pressemitteilung zur Veröffentlichung heißt es u.a.:

„In der Analyse 'Europäische Sicherheitsforschung und der Krieg in Gaza'
weisen die Informationsstelle Militarisierung (IMI) und die britische
NGO Statewatch nach, dass diese Forschungsförderung teilweise
unmittelbar Firmen und Produkte betraf, die heute auch durch die
israelischen Streitkräfte im Krieg in Gaza zum Einsatz kommen.“

IMI-Analyse 2024/20
Europäische Sicherheitsforschung und der Krieg in Gaza
EU-Forschungsförderung unterstützt israelische Rüstungsindustrie
https://www.imi-online.de/2024/03/22/europaeische-sicherheitsforschung-und-der-krieg-in-gaza/

Christoph Marischka (22. März 2024)

Link zur entsprechenden Pressemitteilung:
https://www.imi-online.de/2024/03/22/eu-finanzierte-drohnentechnologie-im-gaza-krieg/



3.) Artikel: Krieg & Klima

IMI-Analyse 2024/11 - in: AMOS 1-24
Kriege verschärfen Klimakrise
Greenwashing schützt nicht vor dem Klimakollaps
https://www.imi-online.de/2024/03/06/kriege-verschaerfen-klimakrise/
Jacqueline Andres (6. März 2024

Während der 28. UN-Klimakonferenz 2023 hielten Aktivist*innen in einem
von der Women’s International League for Peace and Freedom organisierten
Protest einen aufblasbaren Elefanten in Höhe: Er symbolisierte den
unangesprochenen Elefanten im Raum, die durch das Militär verursachten
Emissionen.1 Nach Schätzungen der Scientists for Global Responsibility
(SGR) verursachen die globalen Militärapparate 5,5% der globalen
Emissionen. Ebenfalls besagen die Schätzungen der SGR, dass die
militärischen Lieferketten ein Fünffaches des militärischen Kraftstoff-
und Energieverbrauchs ausmachen könnten.2 Eine genaue Zahl der durch
Militär verursachten Emissionen liegt nicht vor, da die Meldung der
durch Auslandseinsätze verursachten Emissionen vom Kyoto Abkommen 1997
ausgeklammert und im Pariser Abkommen von 2015 der Freiwilligkeit der
Staaten überlassen werden. Daran haben einige Staaten auch großes
Interesse, denn dadurch rückten die immensen Emissionen nicht ins
Rampenlicht und es blieb ebenfalls geheim, was sie in den
Auslandseinsätzen trieben. So betonte Markus Rülke vom
Bundesverteidigungsministerium: „Wir möchten nicht, dass jeder weiß, wie
viel Treibstoff wir bei diesen Einsätzen verbrauchen – wie weit wir
fliegen, wie weit wir fahren und wie unsere Übungsmuster aussehen.“3 In
den letzten Jahren stieg der Druck aus der Wissenschaft und der
Zivilgesellschaft, die militärischen Emissionen zu thematisieren und zu
messen.

Wandel im Diskurs: Anerkennung der Problematik militärischer Emissionen

Tatsächlich findet im Diskurs ein Wandel statt, der sich auch im Rahmen
der UN-Klimakonferenz in Dubai zeigte. Zum ersten Mal fand ein „Tag des
Friedens“ statt und die Rolle des Militärs an den globalen Emissionen
wurde thematisiert. Doch dies fand in einer von der Münchener
Sicherheitskonferenz organisierten Veranstaltung statt, an der u.a. der
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg teilnahm. Dabei ging es um
„Erklärungen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den
Verteidigungssektor, das toxische Erbe der Kriege und die Notwendigkeit
von Netto-Null-Militär.“ Jedoch leitete COP28 keine konkreten Schritte
zu einer verpflichtenden Transparenz und zu einer Abrüstungspflicht ein.
Auch in der im Januar 2024 vom Analyse- und Rechercheteams des EU-Rates
veröffentlichten Studie „Greening the armies“ wird eingestanden, so
Jürgen Wagner, dass ein Problem mit CO2-Emissionen des Militärs und der
diesbezüglichen Berichtspflicht vorliegt.4 Doch der Diskurs um grünes
Militär ist weiterhin Augenwischerei und die Militärs und
Verteidigungsministerien sind aus unterschiedlichen Gründen auch dazu
gezwungen, sich den Zusammenhängen der Klimakrise mit dem Militär zu
stellen. Zum einen beschränkt die bereits voranschreitende Klimakrise
die Einsatzfähigkeit der Militärapparate und ihrer temperatursensiblen
Kriegsgeräte: Beispielsweise explodierten im Rahmen von intensiven
Hitzewellen zwischen 2018 und 2019 sechs Munitionsdepots im Irak und im
Jahr 2020 eines in Jordanien.5 Zum anderen bringt eine Reduzierung der
Abhängigkeit von fossilen Energien und eine mögliche Energieautarkie
auch militärische Vorteile, eine strategische Überlegenheit mit sich.
Studien warnen zudem, dass sich die fossilen Energien voraussichtlich
bis 2065 dem Ende zuneigen. In der Studie „Greening the armies“ wird
zudem darauf hingewiesen: „Da sich die Gesellschaften von fossilen
Brennstoffen abwenden, kann das Militär nicht der einzige Sektor
bleiben, der weiterhin auf Diesel und Gas angewiesen ist. Der weitere
Betrieb von Raffinerien und unterstützender Kraftstoffinfrastruktur für
einen Sektor allein könnte unerschwinglich, wenn nicht gar unmöglich
werden und würde unverhältnismäßig große Ressourcen erfordern“.

Grüne Bundeswehr – unglaubwürdige Mär?

Die Bundeswehr muss bis 2045 klimaneutral werden – so sieht es das im
August 2021 in Kraft getretene novellierte Bundes-Klimaschutzgesetz. Es
ist ein nicht realisierbares Vorhaben. Zwar richtete das
Verteidigungsministerium im Jahr 2022 die Stelle einer Beauftragte für
Nachhaltigkeit ein6 und veröffentlichte im November 2022 seine
Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategie, doch das Erreichen der
„Klimaneutralität“ bis 2045 bleibt ohne Abrüstung unmöglich. In seiner
Nachhaltigkeitsstrategie plant das Bundesverteidigungsministerium
hinsichtlich von neun Handlungsfeldern auf Nachhaltigkeit hinzuwirken.
Diese umfassen u.a. Mobilität, Beschaffung und Infrastruktur“.7
Mobilität dürfte das wichtigste Handlungsfeld sein, da die Emissionen
der Bundeswehr hauptsächlich durch das Betreiben der militärischen
Großgeräte entstehen. So verbraucht ein Eurofighter beispielsweise 3.500
kg pro Flugstunde, der Leopard-2-Kampfpanzer mehr als 500 Liter
Treibstoff für 100 km im Gelände. Doch hier finden vor allem die Quellen
der inländischen Mobilitätsemissionen Platz – die „grüne“ Mobilität
heißt hier: Mehr als die bisherigen 600 Elektrofahrzeuge der Bundeswehr,
mehr Fahrrad und öffentlicher Personennahverkehr, mehr ökologische
Dienstreisen und mehr Telearbeit. Der entscheidende Punkt der
Kraftstoffe für das Großgerät kann bislang nicht nachhaltig gestaltet
werden. Zwar sollen synthetische Kraftstoffe noch weiter erforscht und
die bisherige sehr geringe Produktion gesteigert werden – das ist
Zukunftsmusik, die wenn überhaupt, vermutlich erst nach 2045 ertönen
wird. Zum Thema Beschaffung werden die aktuell geplanten
energieintensiven Rüstungsprojekte und die gesteigerte
Munitionsproduktion nicht problematisiert, aber geplant ist die
Beschaffung von recycelten Papier, ökologischen Möbeln, Bekleidung,
Büroelektrogeräten und umweltverträglichen Reinigungsmitteln. Ähnlich
dürfte hier die Nachhaltigkeitsstrategie in einem Kindergarten aussehen.
Das Greenwashing des Militärs überzeugt längst nicht alle. Die
eingeleitete „Zeitenwende“ und der Anstieg der globalen Rüstungsausgaben
stellen die Weichen, die uns zu einem Klimakollaps zu führen drohen. In
der Studie Climate Crossfire, herausgegeben u.a. von TNI, Stop
Wapenhandel und Tipping Point North South betonen die Autor*innen, dass
die Erfüllung der NATO-Mitglieder ihrer Zielvorgabe 2% des BIPs für
Militär auszugeben, katastrophale Folgen mit sich zieht: Es würde zu
„schätzungsweise 467 Millionen Tonnen zusätzlichen
Treibhausgasemissionen führen“ und es würden innerhalb von fünf Jahren
„bis 2028 schätzungsweise zusätzliche 2,57 Billionen US-Dollar von den
Klimaausgaben abgezogen, was ausreichen würde, um die Kosten für die
Anpassung an den Klimawandel in allen Ländern mit niedrigem und
mittlerem Einkommen sieben Jahre lang zu decken.“8 Die kleinstufigen
Nachhaltigskeitsziele der Bundeswehr sind somit zu wenig zu spät und
völlig unbedeutend, wenn wir uns anschauen, wie sich die aktuelle
globale Aufrüstungswelle entwickelt und was die Kriegseinsätze der
Bundeswehr und anderer Streitkräfte bewirken.

Krieg und Aufrüstung – Weichen zum Klimakollaps

Doch nichts ist umwelt- und klimaschädlicher als Krieg. Die aktuellen
Bilder der Zerstörung aus Gaza, die aufgeblähten gestrandeten
Meeressäuger im Schwarzen Meer seit Beginn des Ukrainekrieges, die
entlaubten Mangrovenwälder im Vietnamkrieg oder auch die brennenden
Ölfelder Kuwaits illustrieren die Tatsache, dass Kriege der Zerstörung
dienen und den Umweltschutz sowie den Respekt vor Leben in die
Bedeutungslosigkeit drängen. Laut Klimaforscher*innen verursachten die
ersten 18 Monate des Ukrainekrieges bis September 2023
Treibhausgasemissionen in der Höhe von 150 Millionen Tonnen CO2, etwa so
viel wie Belgien jährlich. Es handelt sich um grobe Schätzungen, die den
Treibstoffverbrauch der Militärgeräte, die kriegsbedingten Waldbrände
und die geschätzten zukünftigen Wiederaufbauemissionen umfassen.9
Ähnliche Berechnungen liegen für Gaza vor: „In den ersten zwei Monaten
des Krieges in Gaza sind gigantische CO2-Emissionen entstanden. Diese
sind größer als der jährliche ökologische Fußabdruck von mehr als 20
Nationen. Über 99 Prozent der geschätzten 281.000 Tonnen Kohlendioxid,
die in den ersten 60 Tagen nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober
ausgestoßen wurden, lassen sich auf Israels Luftangriffe und die
Bodeninvasion in Gaza zurückführen, so das Ergebnis einer erstmals
durchgeführten Analyse von Forschern aus dem Vereinigten Königreich und
den USA.“10 Auch der Wiederaufbau wird jährlich erhebliche Emissionen
verursachen, „die höher sind als die von über 130 Ländern und sich damit
mit denen Neuseelands messen können.“11 Die langfristigen Umweltschäden
durch die flächendeckende Bombardierung Gazas und die Flutung der Tunnel
unter Gaza mit Salzwasser durch die israelischen Streitkräfte, sind noch
nicht konkret absehbar.12 Schauen wir nach Afghanistan, so finden wir
Beispiele für eine solche Langzeitauswirkung durch Bomben: Im Jahr 2017
warf das US-Militär die „Mutter aller Bomben“, die GBU-43/B Massive
Ordnance Air Blast (MOAB), über Afghanistan ab und noch im Jahr 2023
litten Anwohner*innen an den Folgen, wie sie der Journalistin Lynzy
Billing gegenüber schilderten: „Früher konnten wir auf meinem Land 150
Kilogramm Weizen ernten, aber jetzt bekommen wir nicht einmal mehr die
Hälfte davon. […] Die Pflanzen sind krank und wir sind es auch.“13
Langfristige Schäden nehmen die Waldflächen in den Kriegsgebieten: Durch
den Ersten und Zweiten Krieg bis 2003 in der Demokratischen Republik
Kongo – d.h. durch fast zehn Jahre Krieg, der mehr als 5,4 Millionen
Menschen tötete – sollen Waldflächen in der Größe Belgiens zerstört
worden sein.14 Krieg und die Vertreibung von Menschen ließen auch die
bewaldeten Flächen in Syrien, Sudan und Südsudan oder auch Tigray
schrumpfen. Auch die Militärdiktatur in Myanmar treibt die Abholzung der
Wälder voran, um sich dank dem Abkauf von u.a. europäischen Firmen, zu
finanzieren. Die Klimakrise hat bereits schon heute tödliche
Auswirkungen auf Menschen und Umwelt – wir können uns keine Aufrüstung
und keine Kriege leisten, wenn wir den Planeten erhalten wollen.

Anmerkungen

1 Ellie Kinney und Linsey Cottrell: We reflect on the role that
militaries played in COP28, whether behind closed doors, centre stage,
or by their absence, ceobs.org, 21.12.2023.

2 Ebd.

3 Sarah Mcfarlane und Valerie Volcovici: Insight: World’s war on
greenhouse gas emissions has a military blind spot, reuters.com, 10.7.2023.

4 Jürgen Wagner: Grüne Armeen, IMI-Aktuell 2024/080, imi-online.de,
2.2.2024.

5 Jo Durham, Stacey Pizzino und Michael Waller: Conflict pollution,
washed-up landmines and military emissions – here’s how war trashes the
environment, theconversation.com, 14.11.2023.

6 „An erster Stelle steht die Einsatzfähigkeit“ Im Interview:
Ministerialrätin Peggy Staffa, Beauftragte für Nachhaltige Entwicklung,
gids-hamburg.de, 13.3.2023.

7 Nachhaltigkeits- und Klimaschutzstrategie für den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums der VerteidigungNovember 2023, bmvg.de, November 2023.

8 Climate Crossfire: How NATO’s 2% military spending targets contribute
to climate breakdown, tni.org, 17.10.2023.

9 Lennard de Klerk, Mykola Shlapak, Anatolii Shmurak, Olga Gassan-zade,
Oleksii Mykhalenko, Adriaan Korthuis, Yevheniia Zasiadko, Andriy
Andrusevych und Ivan Horodyskyy: Climate Damage caused by Russia’s war
in Ukraine, climatefocus.com, Dezember 2023.

10 Nina Lakhani: Gazakrieg verpestet das Klima: „Die ökologische
Sonderstellung des Militärs muss aufhören“, freitag.de, zuerst
erschienen in The Guardian, 21.1.2024.

11 Patrick Bigger, Reuben Larbi, Benjamin Neimark und Frederick
Otu-Larbi: A Multitemporal Snapshot of Greenhouse Gas Emissions from the
Israel-Gaza Conflict (January 5, 2024). Available at SSRN: dx.doi.org.

12 IDF confirms flooding Hamas tunnels in Gaza with seawater,
timesofisrael.com, 30.1.2024.

13 Lynzy Billing: How America’s War Devastated Afghanistan’s
Environment, newlinesmag.com, 25.9.2023.

14 Josh Gabbatiss und Giuliana Viglione: The Carbon Brief Profile:
Democratic Republic of the Congo, interactive.carbonbrief.org, 14.2.2024.




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