[IMI-List] [0622] IMI-Kongress 19./20. November / Neue Texte u.a. Analyse Moldau

IMI-JW imi at imi-online.de
Do Nov 10 14:56:39 CET 2022


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0622 .......... 25. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) neue Infos zum IMI-Kongress „Zeitenwenden: Ukraine-Krieg und 
Aufrüstung“;

2.) Eine IMI-Analyse zur Republik Moldau.


1.) IMI-Kongress „Zeitenwenden: Ukraine-Krieg und Aufrüstung“

Alle Informationen zum IMI-Kongress am 19./20. November (Ort: 
Hermann-Hepper-Halle, Westbahnhofstraße 23, 72072 Tübingen) finden sich 
hier: https://www.imi-online.de/2022/09/26/kongress2022/

Und nun zum Kongress auch einige neue Infos: Am Samstag wird es einen 
Livestream der Wüsten Welle geben und auch am Sonntag werden wir einen 
Audiostream direkt vom Kongress anbieten (Link findet sich im Laufe der 
nächsten Woche auf der oben verlinkten Kongressseite).

Eine kleine Einführung zum Kongress findet sich in unserem aktuellen 
Antimilitaristischer Podcast (Ausgabe 26): 
https://www.imi-online.de/2022/11/03/antimilitaristischer-podcast-ausgabe-26/ 


Für den 19. November haben ja verschiedene Friedensgruppen zu 
Antikriegsprotesten aufgerufen. Auch in Tübingen wird es unmittelbar vor 
Beginn es IMI-Kongresses um 11h eine Kundgebung geben. Alle weiteren 
Informationen finden sich hier: 
https://www.imi-online.de/2022/11/08/kundgebungen-am-19-11-2022/

Und damit auch für das leibliche Wohl gesorgt ist, wird es abends auch 
was zum Essen geben.

Bitte kommt symptomfrei und getestet!


2.) Neue Artikel auf der IMI-Homepage

IMI-Analyse 2022/57
Frieden schaffen mit deutschen Waffen!
Der Entwurf für ein Rüstungsexportgesetz enttäuscht auf ganzer Linie
https://www.imi-online.de/2022/11/09/frieden-schaffen-mit-deutschen-waffen/
Jürgen Wagner (9. November 2022)

IMI-Mitteilung
Kundgebung(en) am 19.11.2022
Dezentraler Aktionstag für Frieden und ein gutes Leben
https://www.imi-online.de/2022/11/08/kundgebungen-am-19-11-2022/
(8. November 2022)

IMI-Analyse 2022/56
Moldau
Schritte einer ehemaligen Sowjetrepublik auf dem Weg gen Westen
https://www.imi-online.de/2022/11/03/moldau/
Anton Nels (3. November 2022)

IMI-Mitteilung
Antimilitaristischer Podcast (Ausgabe 26)
IMI-Kongress 2022 / Lage in Moldau/Moldawien
https://www.imi-online.de/2022/11/03/antimilitaristischer-podcast-ausgabe-26/ 

(3. November 2022)

IMI-Standpunkt 2022/046
Verhandlungen im Ukraine-Krieg bleiben eine vernünftige Forderung
Gegen Denkverbote und militaristische Hysterie
https://www.imi-online.de/2022/11/02/verhandlungen-im-ukraine-krieg-bleiben-eine-vernuenftige-forderung/ 

Jens Wittneben (2. November 2022)

IMI-Standpunkt 2022/045
Neues zum Zielbild Heer
Der Totalumbau der Bundeswehr geht weiter
https://www.imi-online.de/2022/10/28/neues-zum-zielbild-heer/
Jürgen Wagner (28. Oktober 2022)

IMI-Analyse 2022/55
Weitere Militarisierung oder Rückkehr zur Vernunft?
Die politische Debatte in Japan nach dem Attentat auf Abe.
https://www.imi-online.de/2022/10/27/weitere-militarisierung-oder-rueckkehr-zur-vernunft/ 

Eiichi Kido (27. Oktober 2022)

IMI-Standpunkt 2022/044
Deeskalation in der Ukraine!
Einer möglichen weiteren rechten US-Regierung vorbeugen - 
Friedenspolitische Vernunft in Zeiten kriegerischer Kurzsichtigkeit
https://www.imi-online.de/2022/10/24/deeskalation-in-der-ukraine/
Jens Wittneben (24. Oktober 2022)

IMI-Standpunkt 2022/043
Umfrage: Diplomatie statt Militär!
Bevölkerung erteilt Ansprüchen auf militärische Führungsrolle eine Absage
https://www.imi-online.de/2022/10/18/umfrage-diplomatie-statt-militaer/
Jürgen Wagner (18. Oktober 2022)


3.) IMI-Analyse: Republik Moldau

IMI-Analyse 2022/56
Moldau
Schritte einer ehemaligen Sowjetrepublik auf dem Weg gen Westen
https://www.imi-online.de/2022/11/03/moldau/
Anton Nels (3. November 2022)

Seit Februar flammt der Krieg in der Ukraine in völlig neuen Dimensionen 
wieder auf, mit dem Einmarsch Russlands richteten sich viele Augen auf 
das Land in Osteuropa. Von der Öffentlichkeit größtenteils ignoriert 
bleibt dabei Moldau, obwohl sich die EU nun wieder verstärkt um eine 
Westbindung des Kleinstaates bemüht. Bereits seit seiner Gründung 1991 
in den Wirren des Zusammenbruchs der Sowjetunion ist der Staat bekannt 
als Armenhaus Europas, geplagt von Emigration und  gefangen in der 
Einflusszone der beiden imperialistischen Blocks. Lange Zeit war eine 
ambivalente Politik vorherrschend, die jedoch von einer tendenziell eher 
Russland zugewandten Staatsführung gezeichnet war. In den letzten Jahren 
wandelte sich dies: mit einer Ablösung von Russland setzte gleichzeitig 
eine Bewegung in Richtung der EU ein. Exemplarisch an drei Faktoren, den 
Grenzvorverlagerungen der EU in der Region, der Bündnispolitik Moldaus 
sowie der moldauischen Gesellschaft soll im Folgenden untersucht werden, 
welche Rolle die Republik im aktuellen Konflikt spielt.

Grenzvorverlagerung der EU

Seit mehreren Jahren besteht die EUBAM-Mission (European Border Mission 
to Moldova and Ukraine) in Moldau. Konkrete Aufgaben dieser Missionen 
sind die „Harmonisierung der Grenzkontrollen sowie der Zoll- und 
Handelsnormen und -verfahren mit denen der EU-Mitgliedstaaten“1 und das 
Aufrechterhalten der Vertieften und umfassenden Freihandelszone (DCFTA). 
Dabei übernimmt EUBAM seit diesem Jahr sowohl unterstützende als auch 
exekutive Funktionen an der moldauisch-ukrainischen Grenze.2 Dies 
wiederum gilt offiziell der Vereinfachung des Handels in der Region, 
wovon besonders die Ukraine und Moldau profitieren sollen, weil sie 
Waren für niedrigere Preise in EU-Länder exportieren und aus EU-Ländern 
importieren können. Natürlich bietet dies auch einen Vorteil für die 
beiden osteuropäischen Staaten. In besonderem Maße ging und geht es für 
die EU aber wohl darum, die eigene Einflusssphäre auszuweiten und 
gleichzeitig den wirtschaftlichen Einfluss Russlands auf Moldau und die 
Ukraine so gering wie möglich zu halten. Denn wenn der Handel mit der EU 
lukrativer für Unternehmen in Moldau ist, so wird dieser natürlich 
ausgebaut – auf Kosten des Handels mit Russland.

Heute ist die EU wichtigster Handelspartner Moldaus, besonders nach 
Rumänien (26,5%), Deutschland(7,8%) und  Italien(7,6%) wird viel 
exportiert, nach Russland gehen gerade einmal 8,8% der Exporte.3 Durch 
die EUBAM-Missionen wird hierfür auch für die Zukunft der Rahmen 
gesetzt: Durch eine Angleichung des Handelsraumes in der Ukraine und der 
Republik Moldau kann die EU ihre wirtschaftliche Einflusssphäre 
erweitern und die Ukraine und insbesondere Moldau wirtschaftlich von 
sich abhängig machen.

Auch der moldauischen Regierung selbst ist bewusst, dass man sich 
durchaus von der EU abhängig macht. So berichtete Maia Sandu, 
Präsidentin der Republik, während einer Ansprache anlässlich des 
nationalen Unabhängigkeitstages: „Zwei Drittel unserer Ausfuhren gehen 
in EU-Länder. In diesem Jahr [2022] können noch mehr moldauische 
Produkte zollfrei auf den europäischen Markt gelangen. Moldauische 
Spediteure können sich innerhalb der EU frei bewegen. Wir sind an das 
europäische Energienetz angeschlossen. Die Europäische Union hat uns im 
letzten Winter geholfen, unsere hohen Gas- und Heizungsrechnungen zu 
bezahlen, und sie tut es auch in diesem Winter. Die EU hilft uns, die 
Rechtsstaatlichkeit zu stärken, Unternehmen zu ermutigen, mehr 
Arbeitsplätze für unsere Bevölkerung zu schaffen und in die 
Infrastruktur unserer Städte und Dörfer zu investieren.“4 Sandu sagt 
also, in schöne Sätze verpackt, dass es gut sei, sich in vollkommene 
Abhängigkeit von der EU zu begeben. Sie betont, was die EU schon alles 
für Moldau getan hat und was sie weiterhin tun wird – kein Wort aber zu 
dem, was im Gegenzug dafür erwartet wird. Die EU handelt nicht ohne 
Eigennutz, sie kann überhaupt nicht ohne eigennützige Motive handeln, 
das ist sicherlich auch der Regierung bewusst.  Zwar stellt man sich von 
Seiten der EU gerne selbst so dar, als wäre der mögliche Beitritt 
Moldaus ein selbstloser Akt der Freundschaft, der auf gemeinsamen Werten 
basiert, blickt man allerdings auch nur einen Moment hinter die 
Kulissen, so wird schnell klar, welche „Werte“ hier tatsächlich gewahrt 
werden sollen: Die Marktwirtschaft in der moldauischen Republik und 
damit verbunden die imperialistischen Bestrebungen der EU-Mitgliedsstaaten.

Ganz offen gesteht beispielsweise das Bundesministerium für 
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ein, dass Moldau 
besonders aufgrund seiner „vergleichsweise niedrigen Steuern, Betriebs- 
und Lohnkosten“ interessant sei.5 Nach Moldau können also 
Produktionsprozesse verlagert werden, die in EU-Staaten höhere Kosten 
für Kapitalist*innen bedeuten würden. Erleichtert wurde dies bereits 
2005 und 2014 durch die EUBAM-Missionen und die im Assoziierungsabkommen 
zwischen der EU und Moldau festgehaltene Freihandelszone, weitere 
Bindung an den sogenannten Werte-Westen würde den Spielraum europäischen 
Kapitals im Kleinstaat sicher weiter ausweiten. Auch durch die 
angestrebte Bekämpfung von Oligarch*innen durch die aktuelle Regierung 
wird wohl ein Vakuum in der Wirtschaft entstehen, welches es zu füllen 
gilt. Warum also anstatt pro-russischer nicht einfach pro-westliche 
Kapitalist*innen auf den Plan treten lassen?6

Werden also die zuvor genannten EUBAM-Missionen genutzt, den Raum der EU 
auf einer Handelsebene zu erweitern, wurde März dieses Jahres nun auch 
eine Frontex-Mission in Moldau eingeleitet. Frontex – die Agentur also, 
die explizit für sie Sicherung der EU-Außengrenzen ins Leben gerufen 
wurde – soll nun helfen die Grenzen Moldaus abzusichern? Zwar ist es 
durchaus wichtig, einen Kleinstaat wie Moldau zu unterstützen, wenn er 
mittlerweile mehr als 600.000 Menschen aufnimmt und sich bisher etwa 
100.000 dieser Menschen dazu entschlossen haben oder gezwungen sahen, 
auf längere Zeit in Moldau zu bleiben.7 Anders als an Grenzen zu 
Drittstaaten, an deren Inklusion in ein europäisches Machtgefüge die EU 
kein Interesse hat, wird Frontex hier genutzt, um Moldau weiter in den 
westlichen Block zu integrieren. Denn Frontex soll, gemeinsam mit der 
Grenzschutzbehörde der Republik Moldaus und Mitgliedern der 
EUBAM-Mission nicht nur unterstützende, sondern konkrete operative 
Aufgaben übernehmen,8 also die Kontrolle der Grenzen nicht nur zu 
unterstützen sondern selbst ausführen.

Gleichzeitig zur Militarisierung der moldauischen Grenze durch die 
Unterstützung von Frontex wird auch im Land selber aufgerüstet – auch 
hier mit großzügiger Hilfe der EU. So sicherte Charles Michel, 
EU-Ratspräsident, bei einem Besuch in der Republik Moldau die Lieferung 
von militärischen Gütern zu. Bekannt ist nicht, was genau geliefert 
werden soll, es soll aber eine klare Erhöhung zu der im Vorjahr 
bereitgestellten Summe von 7 Millionen Euro werden.9 Allerdings sprach 
Michel anstatt von finanzieller Hilfe von militärischem Equipment, 
welches den moldauischen Streitkräften zur Verfügung gestellt werden 
soll, sowie von verstärkten Möglichkeiten der „Cyber-Verteidigung“, 
besonders im Feld der Bekämpfung von Desinformation.10 Während 
sicherlich in diesem Konflikt von beiden Seiten Falschmeldungen und 
Propaganda verbreitet werden, bedeutet dies im Klartext: Alles, was 
nicht der westlichen Wahrnehmung entspricht, kann und soll bekämpft 
werden. Desinformationen gibt es schließlich immer nur auf der 
Gegenseite, eine Prüfung westlicher Narrative ist wohl nicht vorgesehen.

Das „neutrale“ Moldau als Teil des westlichen Bündnissystems

In ihrer Verfassung hat die Republik Moldau die eigene Neutralität 
festgehalten11 – an der eigenen Verfassung festzuhalten, scheint 
allerdings keine Stärke dieses Staates zu sein, könnten böse Zungen 
behaupten. Zwar ist Moldau formal (noch) kein Teil eines militärischen 
Bündnisses, bereits seit 1992, also nur einem Jahr nach der 
Staatsgründung, unterhält man allerdings Beziehungen zur NATO. Zu Beginn 
waren sie zwar im Rahmen des NATO-Kooperationsrates zu sehen, der als 
Forum für Verständigung zwischen der NATO und ehemaligen Staaten (eher: 
deren Nachfolgestaaten) des Warschauer Pakts dienen sollte,12 allerdings 
wurde hier bereits der Grundstein für zukünftige Zusammenarbeit gelegt. 
Mittlerweile hat man in Moldau die Kooperation mit der NATO weitläufig 
ausgebaut, so hat die NATO beispielsweise eine ständige Vertretung in 
der moldauischen Hauptstadt Chișinău. Auch an militärischen Operationen 
nimmt das moldauische Militär Teil, es stellt beispielsweise ca. 40 
Soldat*innen für den Einsatz der NATO in Kosovo.13 Natürlich ist diese 
geringe Anzahl an Soldat*innen nicht ausschlaggebend für den Erfolg der 
Mission, vielmehr handelt es sich um Symbolpolitik –es entsteht der 
Eindruck, Moldau wolle dem Westen seine Treue beweisen.

Neben geostrategischen dürften auch konkret materielle Interessen für 
die Republik nicht ohne Bedeutung sein, denn die NATO unterstützt den 
Staat durch Hilfsgüter, zuletzt in Form eines Hilfspakets für die 
Bekämpfung der Corona-Pandemie, in Zuge dessen Beatmungsgeräte geliefert 
wurden.14 Oberflächlich betrachtet, erscheinen diese Hilfeleistungen 
relativ hilfreich und unproblematisch, dienen jedoch auch der 
Integration Moldaus in das westliche Bündnissystem. Die Neutralität, der 
sich Moldau verschreibt, wird immer weiter ausgehöhlt und besteht in 
ihrem eigentlichen Sinne schon jetzt nur noch dem Namen nach.

Auch an militärischen Missionen der EU beteiligt sich Moldau; 2012 
unterzeichnete man ein Abkommen, in dem der Rahmen, unter dem das 
moldauische Militär an gemeinsamen Einsätzen der EU teilnehmen kann, 
geklärt wurde. Seitdem beteiligte es sich an mehreren EU-Missionen, 
beispielsweise in Mali, Somalia und der Zentralafrikanischen Republik. 
Ähnlich wie die Teilnahme an NATO-Missionen hat auch das Teilnehmen an 
militärischen Missionen der EU einen eher symbolischen Charakter, so 
wurden für die Missionen in Mali bis 2019 gerade einmal 3 Soldat*innen 
delegiert15. Gerade in Bezug auf die angestrebte EU-Mitgliedschaft wird 
man wohl zeigen wollen, wie ernst Moldau es meint und bereit ist, die EU 
zu unterstützen und für ihre „Werte“ einzustehen – auch militärisch.

Erst im März dieses Jahres stellte die Ministerpräsidentin Moldaus, 
Natalia Gavrilița, klar, dass man zwar einen EU-Beitritt, nicht aber 
einen Beitritt in das westliche Kriegsbündnis NATO anstrebe.16 Dies 
geschieht wohl aus Respekt vor der Russischen Föderation, von der man 
sich noch immer nicht hat gänzlich lösen können, aber auch der eigenen 
Bevölkerung wegen, die in der Frage der Ost- oder Westbindung um einiges 
breiter aufgestellt ist, als die Regierung. Zumindest de jure will man 
die militärische Neutralität Moldaus also noch wahren, sollte die 
Integration in die EU allerdings erfolgreich sein, könnte sich auch 
diese Haltung schnell ändern.

Gespaltene Gesellschaft

Die Gesellschaft der Republik Moldaus ist von tiefen Gräben gezeichnet. 
Während laut mehreren Statistiken und Umfragen besonders häufig die 
Rumänisch sprechende Mehrheitsbevölkerung den momentanen Regierungskurs 
stützt und sich für eine Annäherung an die EU ausspricht, sind es auf 
der anderen Seite oft russischsprachige Menschen und andere ethnischen 
Minderheiten, welche sich für einen ambivalenteren oder pro-russischen 
Regierungsstil einsetzen. Im Hinblick auf den klaren West-Kurs der 
Regierung kann bereits vermutet werden, in welcher Situation sich die 
Bevölkerung angesichts dieser Herausforderung befindet. Etwas mehr als 
die Hälfte der Bevölkerung befürwortet den aktuellen Regierungskurs, 
weil er schnelle Hilfe – die in der Republik in vielen Bereichen 
dringend gebraucht wird – verspricht. Es gibt allerdings auch einen 
großen Teil der Bevölkerung, der sich eher der russischen Einflusszone 
zugehörig fühlt.

Aufgrund seiner finanziellen Lage seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 
ist Moldau kein attraktiver Ort für seine arbeitende Bevölkerung, die 
Konsequenz daraus ist massive Auswanderung. Seit der Gründung des 
Staates 1991 haben bereits etwa mehr als eine Million Menschen das Land 
verlassen, heute hat es noch etwa 2,6 Millionen Einwohner*innen. Während 
Russland lange Zeit ein beliebtes Ziel für Emigrant*innen war, ist es 
mit der fortgeschrittenen Westbindung Moldaus zu einer weitgehenden 
Orientierung auch der Auswandernden nach Westen, insbesondere nach 
Rumänien, gekommen. Denn dort bekommen Bürger*innen Moldaus relativ 
einfach auch die rumänische Staatsbürgerschaft anerkannt, begründet auf 
der eng verwobenen Geschichte der beiden Staaten.17 Da Rumänien Teil der 
EU ist, erleichtert seine Staatsbürgerschaft das Arbeiten in der EU für 
Moldauer*innen ungemein, denn anstatt sich illegal über die Grenze 
begeben zu müssen und schwarz zu arbeiten, können jetzt einfacher legale 
Wege gefunden werden, sich sein täglich Brot zu verdienen. Zwar sind 
gerade bei einfachen Tätigkeiten die Ausbeutungsverhältnisse oft nicht 
weniger schlimm als bei Schwarzarbeit, legale Arbeit bietet aber einen 
Rechtsschutz, der besonders illegalisierten immigrierten Arbeiter*innen 
oft fehlt. Auch bietet dies Möglichkeiten für Fachkräfte, ihren Berufen 
in der EU nachzukommen, für deren Ausführung die Anerkennung von 
Zeugnissen, Diplomen oder ähnlichem nötig wäre.

Zwar ist der Konflikt um die autonome Region Transnistrien seit 1992 
eingefroren, anerkannt wurde das Gebiet von der moldauischen Regierung 
jedoch nie. Das offizielle Ziel ist noch immer die Wiedereingliederung 
in das Staatsgebiet der Republik. Angesicht der Tatsache, dass die 
transnistrische Gesellschaft klar pro-russisch eingestellt ist, könnte 
der Versuch der Aufnahme der Region in moldauisches Staatsgebiet 
allerdings noch auf sich warten lassen. Denn obwohl sowohl die 
Präsidentin als auch die regierenden Parteien im Parlament pro-westlich 
sind, waren die Wahlergebnisse, besonders bei der Präsidentschaftswahl 
2020, alles andere als eindeutig. Maia Sandu führte den ersten Wahlgang 
nur mit 50.000 Stimmen an und gewann schließlich die Stichwahl gegen den 
bis dahin das Amt bekleidenden Igor Dodon.18 Anliegen der Regierung 
dürfte sein, die eigene Macht und damit den Kurs Richtung Europa 
abzusichern. Würde man nun Transnistrien eingliedern, würde sich die 
stimmberechtigte Bevölkerung um schätzungsweise mindestens 280.000 
Menschen erhöhen, die zu einem sehr großen Teil pro-russische Parteien 
wählen würden. Dies würde die aktuelle politische Gewichtung in der 
moldauischen Republik erheblich stören und eventuell auch für eine 
Abkehr von der aktuellen Bewegung Richtung EU führen. Daher ist eine 
Wiederaufnahme Transnistriens in moldauisches Staatsgebiet auf längere 
Sicht eher unwahrscheinlich, zumindest bis der aktuelle Regierungskurs 
in der Gesellschaft größeren Rückhalt erfährt.

Fazit

Moldau ist ein Staat, der sich auf dem Weg vom Regen in die Traufe 
befindet. In den Bemühungen sich aus der Abhängigkeit von Russland zu 
lösen, begibt man sich in eine vergleichbare Situation, nur dass man nun 
nicht mehr von Russland, sondern von der EU abhängig ist. Für die 
Republik scheint es im aktuellen globalen Machtgefüge als eigenständige 
Kraft keinen Platz zu geben. Mit der klaren Zuspitzung des Konflikts 
nicht zuletzt auch durch den Angriff Russlands auf die Ukraine wird 
immer klarer, dass eine Existenz zwischen den Fronten enorme Gefahren 
birgt. Von Emanzipation ist also im Kontext der Westbewegung Moldaus 
nicht zu sprechen, vielmehr winkt eine Vasallenrolle innerhalb der EU 
oder deren erweitertem Einflussbereich, in der Moldau besonders für 
Rohstoffe und billige Arbeitskräfte genutzt werden wird. Durch die 
Militarisierung der Grenze wird diese Rolle bereits konsolidiert, auch 
die eigene Neutralität scheint mittlerweile nicht viel mehr als eine 
leere Floskel zu sein. Die Betrachtung der Grenzvorverlagerung der EU 
und der militärischen Bündnispolitik Moldaus lassen eine klare Richtung 
für die Zukunft erkennen. Die Betrachtung der gesellschaftlichen 
Faktoren lässt aber auch erkennen, dass es sich hier durchaus nicht um 
eine von der Gesellschaft angestoßene Entwicklung handelt.
Natürlich sind die Entwicklungen in Moldau in dieser doch stark 
reduzierten Analyse nicht vollständig zu beschreiben, einen 
Ausgangspunkt kann sie trotzdem bieten. Die zukünftige Entwicklung im 
Falle Moldaus hängt sicherlich auch eng mit den Entwicklungen im 
Ukraine-Krieg zusammen und ist entsprechend offen.

Kasten/Timeline: Wichtigste Daten der moldauischen Westbindung (nur im PDF)

Anmerkungen
1 EUBAM: What We Do, eubam.org.
2 The EU steps up support to border management on the Moldova-Ukraine 
border, europa.eu, 02.06. 2022.
3 Wirtschaftsbericht Republik Moldau, wko.at, September 2022.
4 „Zwei Drittel unserer Ausfuhren gehen in EU-Länder. In diesem Jahr 
können noch mehr moldauische Produkte zollfrei auf den europäischen 
Markt gelangen. Moldauische Spediteure können sich innerhalb der EU frei 
bewegen. Die Europäische Union hat uns im letzten Winter geholfen, 
unsere hohen Gas- und Heizungsrechnungen zu bezahlen, und sie tut es 
auch in diesem Winter. Die EU hilft uns, die Rechtsstaatlichkeit zu 
stärken, Unternehmen zu ermutigen, mehr Arbeitsplätze für unsere 
Bevölkerung zu schaffen, und in die Infrastruktur unserer Städte und 
Dörfer zu investieren.“ (übersetzt mit deepl.com) (Speech of H.E. Madam 
President Maia Sandu on the occasion of the Independence Day of the 
Republic of Moldova, presedinte.md, 27.08.2022)
5 Potenzial als Produktionsstandort, bmz.de.
6 Elck, Felix: Diese Frau will ihr korruptes Land von Oligarchen 
befreien, welt.de, 20.07.2019.
7 Stand 20.09.2022, Zahlen von data.unhcr.org.
8 Moldau: Rat beschließt Abkommen über operative Unterstützung durch 
Frontex angesichts der Invasion Russlands in die Ukraine, 
consilium.europa.eu, 17.03.2022.
9 Remarks by President Charles Michel at the press conference with 
President Maia Sandu in Chisinau, consilium.europa.eu, 04.05.2022.
10 „Wir werden auch Unterstützung bei der Bekämpfung von Desinformation, 
der Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der Abwehr von 
Cyberangriffen leisten“. (übersetzt mit deepl.com) (ebd.)
11 Artikel 11, §1 der moldauischen Verfassung: Die Republik Moldau 
verkündet ihre permanente Neutralität (eigene Übersetzung).
12 Relations with the Republic of Moldova, nato.int, 22.07.2022.
13 ebd.
14 Coronavirus Response: NATO and Hungary donate ventilators to the 
Republic of Moldova, 17.09.2022.
15 Yurchenko, Denys: National Army of the Republic of Moldova in EU led 
missions, eap-csf.eu.
16  Zsiros, Sandor: Moldawiens Ministerpräsidentin Natalia Gavrilița: 
EU-Beitritt ja - NATO-Mitgliedschaft nein!, euronews.com, 03.08.2022.
17 Alle moldauischen Staatsbürger*innen, die beweisen können, dass sie 
rumänische Vorfahren haben, bekommen die rumänische Staatsbürgerschaft 
anerkannt. Dies basiert darauf, dass Moldau von einer klaren Mehrheit in 
Rumänien (aber auch einer Minderheit in Moldau) zum eigenen Staatsgebiet 
gezählt wird. Auch die rumänische Regierung hat schon öfter ihr 
Interesse an einer Aufnahme Moldaus verlauten lassen.
18 Präsidentschaftswahlen in der Republik Moldau 2020, wikipedia.org.


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