[IMI-List] [0593] Fregatte Indo-Pazifik / Artikel: Polizeidrohnen und FCAS

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Mo Aug 2 13:39:53 CEST 2021


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0593 .......... 24. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/

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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) Hinweise auf neue Artikel u.a. zum FCAS und zu Polizeidrohnen;

2.) eine IMI-Analyse zu Fregatte Bayern, die heute in Richtung
Indo-Pazifik in See sticht, um Flagge in den Großmachtkonflikten in der
Region zu zeigen.


1.) Neue Artikel: FAS, Polizeidrohnen

Auf die in der letzten IMI-List vorgestellte Studie zu Polizeidrohnen
gab es erfreulich viel Resonanz. Die Studie findet sich hier
(http://www.imi-online.de/2021/07/13/der-blick-von-oben/), eine stark
gekürzte Fassung ist in der UZ erschienen. Außerdem neu auf der Homepage
auch ein Artikel zum aktuellen Stand in Sachen Eurodrohne und FCAS.

IMI-Standpunkt 2021/044 - in: Unsere Zeit, 30.7.2021
Staatsgewalt rüstet auf
Polizeidrohnen sind eine Gefahr für unsere Grundrechte
http://www.imi-online.de/2021/08/02/staatsgewalt-ruestet-auf/
Sam Rivera (2. August 2021)

Pressebericht - in: Netzpolitik, 14.7.2021; junge Welt, 15.7.2021
Presseberichte zur Polizeidrohnen-Studie
http://www.imi-online.de/2021/07/19/presseberichte-zur-polizeidrohnen-studie/
(19. Juli 2021)

IMI-Standpunkt 2021/043
Eurodrohne und zukünftiges Kampfflugzeug im FCAS
http://www.imi-online.de/2021/07/14/eurodrohne-und-zukuenftiges-kampfflugzeug-im-fcas/
Marius Pletsch (14. Juli 2021)


2.) IMI-Analyse: Deutsche Fregatte nimmt Kurs auf den Indo-Pazifik

IMI-Analyse 2021/34
Flagge zeigen!
Mit der Fregatte „Bayern“ reiht sich Deutschland in den US-Aufmarsch im
Indo-Pazifik ein
http://www.imi-online.de/2021/08/02/flagge-zeigen/
https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2021-34-Indo-Pazifik.pdf
Özlem Alev Demirel und Jürgen Wagner (2. August 2021)

Heute nimmt die Fregatte „Bayern“ von Wilhelmshaven aus mit der
Begründung Kurs in Richtung Indo-Pazifik, man müsse dort „Flagge zeigen“
(Annegret Kramp-Karrenbauer). Tatsächlich handelt es sich dabei nicht um
irgendeine beliebige Rundreise, sondern um ein bewusstes Zeichen, dass
auch Deutschland in der sich verschärfenden Großmachtkonkurrenz mit
China mitmischen will. Diese Konflikte haben ihre Wurzeln in
unterschiedlichen kapitalistischen Ordnungsvorstellungen und knallharten
Auseinandersetzungen um Macht und Einflusssphären, die aktuell im
Indo-Pazifik am intensivsten ausgetragen werden.

Tonangebend sind dabei aber weiter vor allem die USA, die eine gezielte
Strategie verfolgen, um China innerhalb der sogenannten ersten
Inselkette militärisch blockieren zu können. Schon vor einiger Zeit rief
Ursula von der Leyen, damals noch als Verteidigungsministerin, die „Ära
der Konkurrenz großer Mächte“ aus, in der sich Deutschland nicht
„neutral“ verhalten könne, sondern fest an der Seite der USA stehen
müsse.[1] Nachdem sie den Stab an ihre Nachfolgerin übergeben musste,
die ganz auf dieser Linie weiter operierte und den Kurs sogar eher noch
verschärfte, ergriff von der Leyen als heutige Kommissionspräsidentin
die Gelegenheit und holte mit einer neuen Indo-Pazifik-Strategie nun
auch die Europäische Union mit ins Boot der neuen Großmachtkonkurrenz.


Vom Kalten Krieg zur Neuen Großmachkonkurrenz

Lange sonnten sich die USA und in ihrem Gefolge auch ihre Verbündeten
recht unangefochten an der Spitze der internationalen Machthierarchie.
Allerdings bröckelt diese Vorherrschaft inzwischen erheblich und es ist
vor allem China, das ein beachtliches Wirtschaftswachstum vorweisen
kann: Während der kaufkraftbereinigte Anteil des Landes am globalen
Bruttoinlandsprodukt (BIP) laut Statista von 2,27% (1980) auf 18,56%
(2020) in die Höhe schnellte, schrumpfte der US-Anteil am BIP-Kuchen von
21,41% (1980) auf 15,98% (2020). Noch ausgeprägter fiel der Rückgang bei
der Europäischen Union aus, die von 26,02% (1980) auf 14,90% (2020)
abstürzte.

Spätestens seit der Wirtschafts- und Finanzkrise ab etwa 2008 ist der
westliche Abstieg unübersehbar geworden und es dürfte deshalb kein
Zufall sein, dass seither immer prominenter eine neue Systemkonkurrenz
vor allem mit China beschworen wird. Mit dem kurz danach erfolgten
Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama wurden daraus auch konkrete
militärpolitische Konsequenzen gezogen. Im November 2011 rief die
damalige US-Verteidigungsministerin Hillary Clinton in der „Foreign
Policy“ in einem viel beachteten Artikel „Amerikas pazifisches
Jahrhundert“ („America's Pacific Century“) aus, der die ein Jahr später
von Obama als Chefsache eingeleitete militärische Schwerpunktverlagerung
(„pivot“) Richtung Asien vorwegnahm. Im Zuge dessen wurde unter anderem
die bis dato hälftig im Pazifik und im Atlantik stationierte US-Marine
auf etwa 60% zu 40% zugunsten Ostasiens verschoben. Unter Präsident
Donald Trump war dann eine nochmalige Verschärfung zu verzeichnen, als
es etwa in der Nationalen Sicherheitsstrategie von Dezember 2017 hieß:
„China und Russland fordern Amerikas Macht, seinen Einfluss und seine
Interessen heraus und versuchen Amerikas Sicherheit und Wohlstand zu
untergraben. […] China zielt darauf ab, die USA aus der indopazifischen
Region zu drängen, die Reichweite seines staatsbasierten
Wirtschaftsmodells zu vergrößern und die Region nach seinen
Vorstellungen neu zu ordnen. […] Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen,
dass die militärische Überlegenheit der USA weiterbesteht.“[2]

Auch unter dem neuen US-Präsidenten Joseph Biden ist kein Kurswechsel zu
erwarten – im Gegenteil. Bei seinem ersten großen außenpolitischen
Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2021 nannte er
die „langfristige strategische Auseinandersetzung mit China“ als oberste
Priorität.[3] Schon zuvor schuf er den Posten des
„Indo-Pazifik-Koordinators“ im Nationalen Sicherheitsrat, den er mit
Kurt Campbell besetzte, dem Architekten von Obamas militärischer
Schwerpunktverlagerung Richtung China. Und auch der neue
Verteidigungsminister Lloyd Austin ließ gleich in seinem ersten Memo an
die Streitkräfte im März 2021 verlauten: „Das Verteidigungsministerium
wird den Fokus auf China als vorrangiger treibender Kraft legen und die
entsprechenden operativen Konzepte, Fähigkeiten und Pläne entwickeln, um
die Abschreckung zu stärken und unsere Wettbewerbsvorteile zu
erhalten.“[4] Dieser mit zunehmend härteren Bandagen ausgetragene
Konkurrenzkampf erstreckt sich zwar auf eine ganze Reihe von Bereichen,
am erbittertsten wird er derzeit allerdings im sogenannten Indo-Pazifik
ausgetragen.


Epizentrum Indopazifik

Allein schon der Begriff „Indo-Pazifik“ ist ein Politikum: Er
unterstreicht die immer weiter steigende Bedeutung dieses als
militärisch-strategische Einheit begriffenen Raums, über den ein
Großteil des weltweiten maritimen Außenhandels abgewickelt wird. Der
Westen reklamiert für sich das Recht, dort für die „Freiheit“ dieser
Schifffahrtrouten zu garantieren – was dem Anspruch auf deren Kontrolle
ziemlich nahe kommt. Für China ist dies alles andere als
unproblematisch, beinhaltet es doch die westliche Fähigkeit, im
Konfliktfall jederzeit mit einer Blockade der für sein exportbasiertes
Entwicklungsmodell überlebenswichtigen Handelsrouten drohen zu können.
Das US-Konzept des „Freien und Offenen Indo-Pazifik“ wird in China
deshalb argwöhnisch vor allem als Versuch zur Eindämmung und Einkreisung
des Landes wahrgenommen: „Ein Szenario, in dem die mächtige US-Marine
und ihre Verbündeten die Handelswege durch südostasiatische Gewässer
blockieren und China damit wirtschaftlich strangulieren könnten, ist im
strategischen Diskurs Chinas ebenfalls allgegenwärtig.“[5]

Dass dieser Verdacht alles andere als aus der Luft gegriffen ist,
bestätigt das „U.S. Strategic Framework for the Indo-Pacific“, das vom
Nationalen Sicherheitsrat 2018 angefertigt wurde und im Januar 2021 an
die Öffentlichkeit gelangte: „Die strategischen Auseinandersetzungen
zwischen den USA und China werden von Dauer sein“, heißt es darin. „Der
Verlust der US-Vorherrschaft im Indo-Pazifik würde auch die Fähigkeit
der USA schwächen, ihre Interessen global umsetzen zu können.“ Als
vorrangige Aufgabe definiert dieses Dokument deshalb „die
Aufrechterhaltung der strategischen Vorherrschaft der USA in der
indopazifischen Region und die Förderung einer liberalen
Wirtschaftsordnung.“ Dies werde gelingen, indem China eine „dauerhafte
Luft- oder Seedominanz innerhalb der ‚ersten Inselkette‘ verwehrt“ werde
und die USA zugleich „alle Bereiche außerhalb der ersten Inselkette
beherrschen.“[6]

Mit der ersten Inselkette ist der Riegel gemeint, den Japan, Taiwan, die
Philippinen und Indonesien bilden. Der klar artikulierte US-Anspruch,
China im Konfliktfall jederzeit innerhalb dieses Riegels einschnüren zu
können, wurde von Peking u.a. durch recht weitreichende – und aus Sicht
vieler Anrainer durchaus nachvollziehbar beunruhigende – Ansprüche auf
dahinterliegende Inseln gekontert, über die es versucht, den USA den
Zugang in die Region erheblich zu erschweren. In diesem Zusammenhang
wurden unter Donald Trump die sogenannten „Manöver für die Freiheit der
Schifffahrt“ (FONOPS) massiv ausgeweitet, die Washingtons Ansprüche auf
eine uneingeschränkte militärische Präsenz untermauern und die Chinas
unterminieren sollen.

Leider deutet wenig darauf hin, dass die Biden-Administration von dieser
waghalsigen Strategie Abstand nehmen will. So dürfte das
Indopazifik-Kommando im März 2021 die $27 Mrd. für die „Pazifische
Abschreckungsinitiative“ wohl kaum ohne Absprache mit der neuen
Regierung beantragt haben. Diese Gelder sollen zwischen 2022 und 2027 in
zusätzliche Kampfkraft im indopazifischen Raum investiert werden (unter
Trump wurden für 2021 bis 2026 noch $18,5 Mrd. gefordert). Während das
Regionalkommando für 2022 „nur“ $4,6 Mrd. wollte, erhöhte die
Biden-Regierung diesen Betrag in ihrem Haushaltsantrag kurzerhand auf
$5,1 Mrd.. Neben der weiteren Aufrüstung des US-Stützpunktes auf Guam
soll davon unter anderem auch die Aufstellung von Raketen mit einer
Reichweite von über 500km auf verschiedenen Inseln im indopazifischen
Raum finanziert werden, was bis zur US-Aufkündigung des INF-Vertrags
2019 noch verboten gewesen wäre. Als Begründung gab das
Indopazifik-Kommando an, die USA „benötigen entlang der ersten
Inselkette hochgradig überlebensfähige Netzwerke für
Präzisionsschläge.“[7] Ganz generell trägt Bidens neuer Haushaltsantrag
über $752,9 Mrd. für nationale Verteidigung ($715 Mrd. davon für das
Pentagon), der Ende Mai dem Kongress zugeleitet wurde, die Handschrift
der neuen Systemkonkurrenz: „Die Biden-Administration in den USA legt
einen Schwerpunkt auf die technologische Modernisierung der
Streitkräfte. [Dabei] geht es um die Aufstellung der Streitkräfte mit
Blick auf einen potenziellen Konflikt mit Russland oder China.“[8]


Deutschland: Kanonenbootdiplomatie!

Als ehemalige Kolonialmächte spielen Frankreich und Großbritannien bis
heute auch militärisch eine wichtige Rolle in der Region. Auch
Deutschland ist historisch alles andere als unvorbelastet – zum Beispiel
durch seine Rolle im Boxeraufstand Anfang des vorigen Jahrhunderts, um
nur ein Stichwort zu nennen.[9] Lange hielt man sich aber in der Region
dann ziemlich zurück, doch seit einiger Zeit dreht sich der Wind wieder.
Eine wesentliche Akteurin ist in diesem Zusammenhang
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die am 17. November
2020 in einer Grundsatzrede die Entsendung einer Fregatte in die Region
ankündigte und Bezug auf das erste Strategiepapier der Bundesregierung
für den indopazifischen Raum nahm: „Ich freue mich, dass die
Bundesregierung umfassende Leitlinien zum Indo-Pazifik beschlossen hat,
die auch die Sicherheits- und Verteidigungspolitik umfasst. Die
strategische Bedeutung der Region wird damit voll anerkannt. […]
Deutschland wird präsenter, etwa durch mehr Verbindungsoffiziere und im
kommenden Jahr […] durch ein Schiff der Deutschen Marine. […] Wir werden
Flagge zeigen für unsere Werte, Interessen und Partner.“[10]

Die besagten „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ wurden von der
Bundesregierung im September 2020 veröffentlicht und betonten, im
Indo-Pazifik sei für Deutschland die „maritime Sicherheit von vitaler
Bedeutung“. Auch vom Ausbau der militärischen Präsenz ist in dem
Dokument die Rede: „Die Bundesregierung beabsichtigt, sich in Zukunft
noch aktiver an Maßnahmen zu [sic] Schutz und Si­cherung der
regelbasierten Ordnung im Indo-Pazifik […] zu beteiligen. Ferner
beabsichtigt sie, die sicherheits- und verteidigungspolitische
Koopera­tion mit Partnern in der Region weiter auszubauen. Diese umfasst
[…] einen Ausbau der verteidigungspolitischen Kontakte in der Region
selbst. Dies schließt Verbindungsoffiziere, Militärattachéstäbe,
Hafenbesuche und die Teilnahme an Übungen sowie weitere Formen maritimer
Präsenz im indo-pazifischen Raum ein.“[11]

Obwohl diese Passagen reichlich vage daherkommen, ist doch klar, dass
eine der „Formen“ maritimer Präsenz augenscheinlich das heute in See
gestochene Kriegsschiff „Bayern“ darstellt. Wie teils bemängelt wurde,
wird dabei entgegen ursprünglicher Planungen des
Verteidigungsministeriums auf die direkte Teilnahme an Manövern oder
Durchfahrten durch von China beanspruchte Gebiete verzichtet, dennoch
sollte der Symbolwert der Aktion nicht unterschätzt werden. Schließlich
schickt Deutschland damit erstmals im Kontext der neuen Systemkonkurrenz
mit einer Fregatte seine größte maritime Gewichtsklasse in die Region:
„Die Fahrt nach Fernost soll Botschaften an drei Adressaten richten. Sie
ist: eine Warnung an China; eine Beistandsbekundung für die Verbündeten
in der Region; eine Solidaritätsadresse an die USA: Im Systemwettbewerb
mit China ist Deutschland an der Seite der Amerikaner.“[12]

Ein weiterer Aspekt kommt noch hinzu: Ohne Deutschlands neu erwachtes
Interesse wäre es wohl auch kaum möglich gewesen, die gesamte
Europäische Union hinter einer Indo-Pazifik-Strategie zum Ausbau des
militärischen Profils zu versammeln. Bereits in den Leitlinien zum
Indo-Pazifik wurde angekündigt: „Die Bundesregierung wird sich gemeinsam
mit Frankreich für die Erarbeitung einer europäischen Strategie zum
Umgang mit dem Indo-Pazifik einsetzen.“


Dauerpräsenz als EU-Strategie

Ein erstes Signal für eine Verhärtung der Fronten wurde bereits in einer
gemeinsamen Mitteilung der EU-Kommission und der EU-Außenbeauftragten im
März 2019 gesendet. Darin hieß es zwar, China sei in „verschiedenen
Politikbereichen ein Kooperationspartner“, andererseits aber nicht
zuletzt auch „ein wirtschaftlicher Konkurrent in Bezug auf
technologische Führung und ein Systemrivale, der alternative
Governance-Modelle propagiert.“[13]

Vor allem Frankreich, das bereits beträchtliche Kräfte in der Region
stationiert hat, aber auch die Niederlande und Deutschland waren es
dann, die auf eine gemeinsame EU-Indo-Pazifik-Strategie hinarbeiteten,
die der EU-Rat im April 2021 verabschiedete. Die EU-Strategie beklagt
die „Dynamik“ und den „intensiven geopolitischen Wettbewerb“ im
Indo-Pazifik, durch den die „regelbasierte internationale Ordnung“ und
„freie und offene Seeschifffahrtsversorgungswege“ bedroht seien. Deshalb
sei der Rat der „Auffassung, dass die EU ihre strategische Ausrichtung,
ihre Präsenz und ihre Maßnahmen im indopazifischen Raum verstärken
sollte“.[14]

Ins Auge sticht dabei besonders die offizielle Übernahme des
Indo-Pazifik-Begriffs, die eine deutliche Annäherung an die USA und ihre
Ambitionen zur militärischen Eindämmung Pekings nahelegt. Ferner wird
eine buchstäblich ausufernde Definition vorgelegt, da sich der
„indopazifische Raum“, laut dem Dokument auf das „geografische „Gebiet
von der Ostküste Afrikas bis zu den Pazifik-Inselstaaten erstreckt“.
Augenscheinlich wird hier zumindest perspektivisch eine militärische
Dauerpräsenz entlang der gesamten Schifffahrtsrouten von Ostasien bis
nach Europa ins Auge gefasst. Als zentrales Mittel hierfür soll das neue
Instrument einer „koordinierten maritimen Präsenz“ dienen. Es sieht vor,
dass in Regionen, die von der EU als Gebiete vorrangigen Interesses
gebrandmarkt wurden, die maritime Präsenz der Einzelstaaten fortan unter
dem offiziellen Dach der EU koordiniert und systematisiert wird. Als
Pilotprojekt wurde hierfür im Januar 2021 der Golf von Guinea auserkoren
und es zeichnet sich jetzt schon ab, dass der Indo-Pazifik hier bald
folgen wird. In der EU-Indo-Pazifik-Strategie heißt es dazu: „Die EU
wird prüfen, ob es zweckmäßig ist, Meeresgebiete von Interesse im
indopazifischen Raum zu schaffen“. Unterhalb der Schwelle eines
offiziellen Militäreinsatzes soll dies dennoch eine dauerhafte
Militärpräsenz unter EU-Flagge in der Region ermöglichen: „Das Konzept
unterscheidet sich zwar von GSVP-Missionen und -Operationen, könnte aber
zur Bewältigung der bestehenden sicherheitspolitischen Herausforderungen
in der Region beitragen. Die Mitgliedstaaten erkennen an, wie wichtig
eine bedeutende europäische Marinepräsenz im indopazifischen Raum ist.“


Dunkle Wolken

Auch die NATO hat inzwischen China als Systemrivalen für sich entdeckt,
wie zuletzt auf dem Gipfeltreffen in Brüssel im Juni 2021 mehr als
deutlich wurde. Allerdings ist unklar, inwieweit sich das Bündnis auch
geographisch bis nach Ostasien vorwagen wird. Wahrscheinlicher ist
derzeit, dass es sich eher auf Fragen wie die High-Tech-Rüstung
konzentrieren und den Indio-Pazifik den Einzelstaaten und nun auch der
EU überlassen wird. Klar ist aber jetzt schon, dass dunkle Wolken über
dem Indo-Pazifik aufziehen, wo sich die Großmachtkonflikte immer weiter
hochschaukeln: „Ich bin mir sicher, dass wir innerhalb der nächsten fünf
Jahre in eine kriegerische Auseinandersetzung mit China geraten […]. Es
ist einfach unvermeidbar“, so etwa die Einschätzung von Ben Hodges, der
bis 2017 NATO-Oberkommandeur in Europa war.[15] Doch anstatt dieser
Entwicklung mit deeskalierenden Maßnahmen und Vorschlägen
entgegenzuwirken, haben sich die Bundesregierung und auch die
Europäische Union augenscheinlich dazu entschieden - ungeachtet durchaus
auch vorhandener Interessensunterschiede auf verschiedenen anderen
Ebenen -, an der Seite der USA auch militärisch in die
Auseinandersetzungen im Indo-Pazifik einzutreten.


Bei diesem Artikel handelt es sich um eine erweiterte Fassung eines
Beitrages, der zuerst unter dem Titel „Kanonenbootdiplomatie“ in der
jungen Welt vom 29. Juli 2021 erschien.


Anmerkungen

[1] Leyen, Ursula von der: Rede bei der 55. Münchner
Sicherheitskonferenz,  15.02.2019.
[2] National Security Strategy, December 2017.
[3] Biden, Joseph: Remarks at the Munich Security Conference, 19.02.2021.
[4] Austin, Lloyd: Memorandum for all DoD Employees, 04.03.2021.
[5] Wirth, Christian: "Lawfare" im Südchinesischen Meer, GIGA Focus
Asien, 08/2020.
[6] U.S. Strategic Framework for the Indo-Pacific, veröffentlicht am
05.01.2021.
[7] Eyeing China, Indo-Pacific Command seeks $27 billion deterrence
fund, defensenews.com, 01.03.2021.
[8] Umstrittener Pentagon-Etatantrag vorgelegt, Europäische Sicherheit
und Technik, 20.07.2021.
[9] Siehe zur historischen Rolle Deutschlands ausführlich Die deutsche
Marine auf großer Fahrt gegen China 2.0, in: Arbeiterstimme, Nr.
212/2021, S. 1-9.
[10]  Zweite Grundsatzrede der Verteidigungsministerin, bmvg.de,
17.11.2020. Die Entsendung einer Fregatte wurde erstmals bereits im März
2020 für dasselbe Jahr angekündigt, musste aber aufgrund der Pandemie
verschoben werden. Kurz darauf begründete Verteidigungsministerin
Annegret Kramp-Karrenbauer in einer Rede bei der Deutschen Maritimen
Akademie am 12. März 2020 die kurz zuvor verkündete Entscheidung zur
Entsendung einer Fregatte mit den Worten: „Die Aufgaben unserer Marine
gehen über die Landes- und Bündnisverteidigung hinaus. Denn Seewege sind
Lebensadern. Und so ist die Freiheit der Seewege für Deutschland und
unseren Wohlstand von großer strategischer Bedeutung. […] Es wird
deutlich: Wir haben ein vitales Interesse an verlässlichen Regeln, an
der liberalen internationalen Ordnung. Und die wird auch zu Wasser
verteidigt. Viel genutzte strategische Engpässe, wie die Straßen von
Hormus und Malakka, sind besonders bedeutsam und in hohem Maße von
Regionalkonflikten bedroht, aber auch von Terrorismus und Piraterie. […]
In der zweiten Jahreshälfte, während Deutschlands
EU-Ratspräsidentschaft, wollen wir außerdem eine Fregatte in den
Indischen Ozean entsenden. Als wichtiges Zeichen: Auch in diesem Teil
der Welt haben wir Interessen, auch dort setzen wir uns für
internationales Recht ein, auch dort stehen wir unseren Partnern zur
Seite.“ (Rede der Bundesministerin der Verteidigung  Annegret
Kramp-Karrenbauer anlässlich des Parlamentarischen Frühstücks der
Deutschen Maritimen Akademie am 12. März 2020)
[11] Leitlinien zum Indo-Pazifik, September 2020.
[12] Auf maritimer Mission in Fernost, The Pioneer, 21.07.2021.
[13] EU-China – Strategische Perspektiven, JOIN (2019) 5, 12.03.2019.
[14] EU-Strategie für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum –
Schlussfolgerungen des Rates, 16.04.2021.
[15] White House: US-China war over Taiwan 'would broaden quickly',
msn.com, 05.05.2021.


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