[IMI-List] [0594] Factsheet Rüstung / Afghanistan / Border Business

imi imi at imi-online.de
Di Aug 17 16:13:10 CEST 2021


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0594 .......... 24. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) der Hinweis und die kostenlose Bestellmöglichkeit des neuen
IMI-Factsheets „Rüstung“ (mitsamt A2-Rüstungsatlaskarte);

2) der Hinweis auf das Projekt „Border Business“, an dem die IMI
beteiligt ist;

3) eine erste vorläufige Einschätzung zur sich überschlagenden Lage in
Afghanistan.


1.) Factsheet Rüstung (mit A2-Karte)

Das IMI-Factsheet Rüstung wurde grundsätzlich überabreitet und mit
vielen neuen Informationen angereichert. „Prunkstück“ ist jetzt eine
ausfaltbare A2-Karte im Innenteil, die einen Überblick über die
wichtigsten Rüstungsstandorte in Deutschland geben soll.

Rechtzeitig zum Antikriegstag können die Factsheets gratis (gegen Porto)
im Materialshop der DFG-VK bestellt werden:
https://shop.dfg-vk.de/?product=fact-sheet-ruestung (dort lässt sich das
Factsheet auch vorab anschauen)

Bald werden wir auch das PDF des Factsheets einstellen und wir haben für
das Ende des Jahres dann auch die Veröffentlichung des zur Karte
zugehörigen Verzeichnisses der Rüstungsunternehmen in Form einer
Online-Broschüre geplant.

Die Erstellung des Factsheets war sehr aufwändig, alle die uns dabei und
bei künftigen Projekten unterstützen wollen, sind dazu herzlich
eingeladen: http://www.imi-online.de/mitglied-werden/


2.) Projekt „Border Business“

IMI-Mitteilung
Die Profiteure der Hochrüstung der Grenzen
http://www.imi-online.de/2021/08/15/die-profiteure-der-hochruestung-der-grenzen/

IMI (15. August 2021)

Das Projekt „Migration Control“ und die Informationsstelle
Militarisierung haben sich vorgenommen, eine umfassende Liste von
Institutionen und v.a. Unternehmen zu erstellen, die von der
(technologischen) Hochrüstung der Grenzen profitieren. Eine erste
Version mit gut 70 Unternehmen und Forschungseinrichtungen haben wir
bereits online veröffentlicht: https://migration-control.info/bobusi/

Dabei handelt es sich weder um eine systematische noch erschöpfende
Auswahl. Wir hoffen allerdings, diese Liste mit Eurer Hilfe beständig zu
erweitern und zu aktualisieren.
Falls Ihr uns dabei helfen wollt, bestehen unterschiedliche
Möglichkeiten. Mehr dazu hier:
http://www.imi-online.de/2021/08/15/die-profiteure-der-hochruestung-der-grenzen/



3.) Lage in Kabul

IMI-Standpunkt 2021/045
Flucht aus Kabul und Deutschlands „Verantwortung“
http://www.imi-online.de/2021/08/16/flucht-aus-kabul-und-deutschlands-verantwortung/

Bernhard Klaus (16. August 2021)

Seit Sonntag, dem 15. August 2021, spielen sich auf dem Flughafen von
Kabul dramatische Szenen ab. Das NATO-Militär hat den zivilen
Luftverkehr eingestellt und setzt die oberste Priorität auf die
Evakuierung der eigenen Botschaftsangehörigen. Davon, dass die
US-Streitkräfte die „Kontrolle“ übernommen hätten, kann aber eigentlich
keine Rede sein. Menschengruppen rennen über die Start- und Landebahn
und werden von US-Kampfhubschraubern im Tiefflug vertrieben, Einzelne
klammern sich verzweifelt an abhebenden Maschinen fest. Auch aus
Deutschland wurden Militärtransporter auf den Weg nach Kabul geschickt,
um Angehörige der deutschen Botschaft, anderer Ministerien und von NGOs
zu evakuieren. Abgesichert werden soll das durch Fallschirmjäger der
Division Schnelle Kräfte und Feldjäger der Bundeswehr. Es ist davon
auszugehen, dass auch Angehörige des Kommandos Spezialkräfte nach Kabul
verlegt werden oder bereits vor Ort sind. Die deutschen Militärs werden
kaum umhin kommen, mitzuentscheiden und womöglich auch mit Waffengewalt
durchzusetzen, wer mitfliegen darf und wer nicht. Auf anderer Ebene
geschieht dies bereits durch die Sperrung des Luftraums für den zivilen
Luftverkehr, weshalb alle Linienflüge vorerst ausgesetzt sind bzw.
umgeleitet werden. Wer jetzt noch aus Kabul raus will, muss an Bord
eines NATO-Militärflugzeuges gelassen werden. Auf Twitter finden sich
Videos von Menschen, die sich auf der Gangway des vorerst letzten
Flugzeuges drängen, das Kabul nach Indien verlassen sollte.

Stefan Recker, Leiter Afghanistan-Büro Caritas International, gab sich
im Interview mit tagesschau.de demgegenüber relativ entspannt, was seine
persönliche Sicherheit angeht. Angesichts der dramatischen Szenen am
Flughafen sah er sich am Abend des 15. Augusts noch wenig motiviert,
sich dorthin zu begeben. Wann er genau ausgeflogen werde, wisse er noch
nicht, er sei aber auf einer entsprechenden Liste vermerkt. Mehr Sorgen
macht er sich um die afghanischen Mitarbeiter*innen der Organisation,
für die (zumindest zu diesem Zeitpunkt) von deutscher Seite keine
Evakuierung geplant war. Was die weitere Versorgung der
Binnenflüchtlinge angeht, zeigte er sich eher zuversichtlich,
bezeichnete die Taliban sogar „momentan“ als „extrem kooperativ“.

Das verweist darauf, dass zwar völlig nachvollziehbar Panik in Kabul und
auf dem dortigen Flughafen ausgebrochen ist, aber eben nicht Alle
erfasst. Die russische Botschaft verkündete am 16. August in sachlichem
Ton, dass man das Personal in den nächsten Tagen reduzieren werde und
dazu am folgenden Tag Verhandlungen mit Vertretern der Taliban geplant
seien. China hat seinerseits angekündigt, friedliche Beziehungen zu den
Taliban aufnehmen zu wollen.

Bei denjenigen, die nun teilweise mit Waffengewalt zugunsten des
westlichen Botschaftspersonals davon abgehalten werden, Kabul in den
Militärmaschinen der NATO-Staaten zu verlassen, dürfte es sich also v.a.
um Angehörige jener Zivilgesellschaft handeln, deren Aufbau v.a. in
Deutschland immer wieder als großer Erfolg des NATO-Einsatzes
hervorgehoben wurde. So sprach Winfried Nachtwei, entschiedener
Befürworter der Afghanistan-Mission während der Regierungsbeteiligung
der Grünen kürzlich von „einer vitalen Zivilgesellschaft“, die sich in
den Städten gebildet habe. Auch in den Debatten im Bundestag zur
Verlängerung der Bundeswehr-Mandate wurde stets die Verantwortung für
diese Zivilgesellschaft hervorgehoben, so etwa von Aydan Özoğuz (SPD) in
ihrem Plädoyer für die Mandatsverlängerung im Februar 2020: „Es gibt
unglaublich starke und mutige Frauen in Afghanistan, die jeder
Unterdrückung trotzen und trotz ständiger Drohung zu den Versammlungen
gehen, um dort deutlich zu machen, dass ihnen ihre Rechte zustehen.
Immer wieder bitten sie uns um Unterstützung. Wir dürfen sie hierbei
nicht alleine lassen“. Wie Deutschland nun mit dieser Verantwortung
umgeht, zeigt sich am Flughafen von Kabul. Da war ihr Fraktions-Kollege
Fritz Felgentreu (SPD) in seiner anschließenden Rede schon ehrlicher,
als er die tatsächlichen Handlungsparameter des Bundeswehr-Einsatzes
benannte: „Der Grundsatz ‚Zusammen rein, zusammen raus‘ gilt, sowohl aus
politischen wie aus militärischen Gründen und aus Gründen der
Sicherheit“. Überhaupt war in den letzten Jahren zu bemerken, dass der
Begriff der „Verantwortung“ in den Afghanistan-Debatten sich immer
weiter weg von Afghanistan hin zu den NATO-Verbündeten bewegte. Dies war
z.B. wiederholt das Hauptargument von Johann David Wadephul (CDU/CSU),
zuletzt im März 2021: „ Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Antrag zustimmen,
weil uns das die Vernunft gebietet, weil wir Verlässlichkeit zeigen und
weil wir Verantwortung übernehmen … Wir sind verlässlich. Die Amerikaner
haben uns in der Tat gebeten, der neuen Administration von Joe Biden zur
Seite zu stehen und es ihr zu ermöglichen, einen Friedensschluss
herbeizuführen, der sich an konkreten Bedingungen orientiert… Wir
brauchen die Amerikaner, und wir brauchen den Erfolg der
Biden-Administration. Alle NATO-Partner wollen den Einsatz fortsetzen.
Deswegen sage ich an Bündnis 90/Die Grünen: Es reicht nicht, ins
Wahlprogramm hineinzuschreiben, dass man zu den Verpflichtungen in der
NATO steht. Wenn die NATO an dieser Stelle den Einsatz fortsetzen will,
dann muss man im Rahmen der NATO solidarisch handeln“.

Als Vertreter dieser Biden-Administration hat Außenminister Antony J.
Blinken am 15. August – während sich die Lage am Flughafen Kabul
zuspitzte – noch einmal die offiziellen Ziele der USA in Afghanistan auf
den Punkt gebracht: „We went to Afghanistan 20 years ago with one
mission in mind, and that was to deal the people who attacked us on
9/11“. Nach offizieller Darstellung wurde die Leiche Osama bin Ladens am
2. Mai 2011 vom US-Militär im Arabischen Meer versenkt, nachdem er zuvor
aufgegriffen und erschossen wurde – in Abbottabad in Pakistan, einem mit
den USA verbündeten Nachbarstaat Afghanistans, wo er vermutlich bereits
seit 2006 gelebt hatte.

Caritas International und allen anderen Hilfsorganisationen, die eine
Distanz zur NATO wahren konnten und (auch deshalb) weiterhin in
Afghanistan aktiv bleiben können, ist für die kommenden Monate und Jahre
alles Gute und alle erdenkliche Unterstützung zu wünschen.


Mehr Informationen über die Mailingliste IMI-List