[IMI-List] [0587] Bounti / Ostermarsch / Neue Artikel (EU-Mosambik / BND…)

IMI-JW imi at imi-online.de
Di Apr 6 16:11:58 CEST 2021



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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0587 .......... 24. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,

vorab möchten wir darauf hinweisen, dass die Informationsstelle 
Militarisierung plant, zukünftig verstärkt mit dem Projekt Migration 
Control zusammenzuarbeiten, in dem es darum geht, die Vorverlagerung der 
europäischen Grenzen auf dem Afrikanischen Kontinent zu dokumentieren. 
Ein erstes Ergebnis hiervon ist ein ausführlicher, lexikalischer Eintrag 
zur UN-Mission MINUSMA in Mali, den die IMI für das Glossar/Wiki des 
Projekts beigesteuert hat: 
https://migration-control.info/wiki/minusma-und-militaerische-operationen/

Darüber hinaus findet sich in dieser IMI-List:

1.) Der Hinweis zur Rede von Tobias Pflüger auf dem Ostermarsch in 
Stuttgart;

2.) Hinweise auf weitere Texte, u.a. zum geplanten EU-Einsatz in 
Mosambik und zum Bundesnachrichtendienst;

3.) Ein aktuellen Beitrag über die französischen Luftschläge Anfang 
Januar in Mali, bei denen nun auch nach Untersuchungen der UN ganz 
überwiegend Zivilisten getötet wurden.


1.) Rede von Tobias Pflüger auf dem Ostermarsch in Stuttgart

Trotz Pandemie fanden auch in diesem Jahr an zahlreichen Orten 
Ostermärsche statt. IMI war u.a. in Stuttgart vertreten, wo IMI-Vorstand 
Tobias Pflüge eine der Reden hielt, die hier nachgelesen (und nachgehört 
bzw. geschaut) werden kann:

IMI-Standpunkt 2021/018
„Rüstet endlich ab!“
Rede von Tobias Pflüger beim Ostermarsch in Stuttgart
http://www.imi-online.de/2021/04/04/ruestet-endlich-ab/
(4. April 2021)


2.) Neue Texte auf der Homepage

Neben den bereits erwähnten Artikeln zum geplanten EU-Einsatz in 
Mosambik und dem Bundesnachrichtendienst erschienen in letzter Zeit 
außerdem IMI-Texte zur neuen EU-Friedensfazilität zur Finanzierung von 
EU-Militäreinsätzen und Waffenlieferungen, zu Digitalisierung und KI bei 
der Bundeswehr, zum neuesten Stand in Sachen Eurodrohne und zu den 
jüngst veröffentlichten „Eckwerten des Bundeshaushaltes“, in denen für 
das kommende Jahr eine nochmalige Erhöhung des Militärbudgets anvisiert 
wird.

IMI-Analyse 2021/18
Mosambik: EU-Einsatz und Flüssiggas
https://www.imi-online.de/2021/04/06/mosambik-eu-einsatz-und-fluessiggas/
Jürgen Wagner (6. April 2021)

IMI-Analyse 2021/16
Legal, Illegal, Scheißegal
Die Arbeitsweise des BND und ihre Opfer
https://www.imi-online.de/2021/03/22/legal-illegal-scheissegal/
Nina Rupprecht (22. März 2021)

IMI-Analyse 2021/17
Krieg ist Frieden
EU-Friedensfazilität als Anreizsystem für Militäreinsätze und 
Waffenlieferungen
https://www.imi-online.de/2021/03/31/krieg-ist-frieden/
Jürgen Wagner (31. März 2021)

IMI-Standpunkt 2021/016
Digitalisierung und KI bei der Bundeswehr
Einige Schlaglichter
https://www.imi-online.de/2021/03/26/digitalisierung-und-ki-bei-der-bundeswehr/ 

Christoph Marischka (26. März 2021)

IMI-Standpunkt 2021/015 (Update: 29.3.2021)
Eurodrohne: Groschengrab mit Ansage
http://www.imi-online.de/2021/03/26/eurodrohne-groschengrab-mit-ansage/
Jürgen Wagner (26. März 2021)

IMI-Standpunkt 2021/014 - in: junge Welt, 24.3.2021
Rüstung trotz Pandemie
Veröffentlichung der Eckwerte des Bundeshaushaltes
http://www.imi-online.de/2021/03/24/ruestung-trotz-pandemie/
Jürgen Wagner (24. März 2021)


3.) Beitrag über französische Luftangriffe auf Zivilisten in Mali

IMI-Standpunkt 2021/017
Mali: Bounti war ein Massaker
Untersuchungsbericht bestätigt Vorwürfe gegen Frankreich
https://www.imi-online.de/2021/04/01/mali-bounti-war-ein-massaker/
Christoph Marischka (1. April 2021)


Französische Luftschläge in Mali Anfang Januar trafen laut der 
UN-Mission MINUSMA primär Zivilisten. Frankreich bleibt bei seiner 
Darstellung, dass nur Terroristen getötet wurden und verweist auf 
Drohnen-Aufnahmen, die nicht öffentlich sind.

Anfang Januar 2021: Nachdem kurz zuvor die erste weibliche Angehörige 
der französischen Operation Barkhane in Mali getötet worden und die Zahl 
der französischen Gefallenen dort auf insgesamt 50 gestiegen war, führt 
die französische Armee nahe dem Dorf Bounti im Osten Malis Luftschläge 
durch. Nach Angaben des französischen Verteidigungsministeriums wurden 
dabei etwa 30 Menschen „neutralisiert“, die zuvor zweifelsfrei als 
Angehörige einer terroristischen Gruppe (groupes armés terroristes, GAT) 
identifiziert worden waren. Später legte auch die französische 
Verteidigungsministerin dafür ihre Hand ins Feuer und setzte noch einen 
drauf: Wer anders lautende „Gerüchte“ verbreite, spiele den 
„Terroristen“ in die Hände. Auch die malische Regierung, deren Truppen 
in jener Zeit und in jener Region gemeinsam mit Barkhane die Operation 
Éclipse durchführten, machte sich die französische Darstellung zu eigen 
und bezeichnete abweichende Berichte als „tendenziös“, mit dem Ziel, 
„die gute Arbeit der malischen Armee und ihrer Partner“ zu diskreditieren.

Allerdings erschienen die Berichte, nach denen im betreffenden Ort 
zeitgleich eine Hochzeitsfeier stattgefunden habe und deren Gäste Opfer 
der Luftschläge wurden, einigen großen nationalen und internationalen 
Medien glaubhaft genug, um sie zu zitieren. Auch die humanitäre 
Organisation „Ärzte ohne Grenzen“, die einige der Verwundeten versorgte, 
deutete subtil an, dass Zweifel an der französischen Darstellung 
gerechtfertigt sein könnten. Die UN-Truppe MINUSMA, die mit gut 15.000 
bewaffneten Kräften vor Ort ist und an sich eng mit der malischen und 
französischen Armee kooperiert, sah sich genötigt, die Luftschläge zu 
untersuchen. Am 30. März stellte deren Abteilung für Menschenrechte und 
den Schutz der Zivilbevölkerung ihren Bericht vor und veröffentlichte 
eine Zusammenfassung. Demnach waren unter den 22 Menschen, die bei den 
Luftschlägen getötet wurden, 19 Zivilisten gewesen, von denen die 
Mehrheit in Bounti lebt. Mindestens acht weitere Zivilisten seien im 
Zuge der Luftangriffe verletzt worden. Bei drei der Getöteten hingegen 
habe es sich um mutmaßliche Angehörige der Gruppe Katiba Serma 
gehandelt, die als djihadistisch gilt. Insgesamt seien rund einhundert 
Männer anwesend gewesen, von denen fünf bewaffnet gewesen seien.

Anlass für die Versammlung war demnach tatsächlich eine Hochzeit, bei 
der Männer und Frauen getrennt voneinander zusammen kamen. Auch 
diesbezüglich widersprechen die Ermittlungen der UN-Mission explizit der 
Darstellung der französischen Verteidigungsministerin. Diese hatte sich 
festgelegt: „Man hört immer wieder von einer Hochzeit, es gab aber kein 
festliches Beisammensein, als die Luftschläge stattfanden“. Die 
Zusammenfassung des UN-Berichts bleibt allerdings diplomatisch und 
stellt fest, dass der Vorfall in Bounti „erhebliche Bedenken“ an der 
Einhaltung des humanitären Kriegsvölkerrechtes aufwerfe und empfiehlt 
der französischen und der malischen Regierung, eine „unabhängige 
Untersuchung“ einzuleiten. Der Begriff selbst taucht in dem Dokument 
nicht auf, letztlich wirft die UN-Mission ihren Verbündeten in Mali aber 
ein Kriegsverbrechen vor und nach allen vorliegenden Fakten liegt ein 
solches auch vor. Die einzigen, die dies bestreiten, sind letztlich die 
französische Regierung und die von ihr gestützte malische Politik. 
Frankreich beruft sich dabei auf „Aufklärungsergebnisse in Echtzeit“ – 
womit sie vor allem Drohnenaufnahmen meint – die sie aber natürlich 
nicht öffentlich machen will. Frühere Berichte von Augenzeugen, wonach 
auch ein Helikopter am Angriff auf die Bewohner*innen beteiligt gewesen 
sei, werden durch den Bericht der MINUSMA nicht bestätigt.

Bislang hält sich die internationale Berichterstattung über das Massaker 
bei Bounti in Grenzen. Das hat bereits Mitte Januar den Journalisten 
Azad Essa, der in New York für Middle East Eye schreibt, empört: 
„Frankreich hat womöglich eine Hochzeitsfeier bombardiert – und 
niemanden scheint das zu stören“, entrüstet er sich bereits im Titel.

Besonders eklatant allerdings ist das Desinteresse in Deutschland, denn 
die Bundeswehr ist mit etwa 1.500 Kräften ebenfalls in Mali vor Ort, um 
seinen „Partner“ Frankreich zu unterstützen. Dabei wird auch auf 
praktischer Ebene kooperiert: Frankreich und Deutschland unterhalten im 
benachbarten Niger einen gemeinsamen Lufttransportstützpunkt mit 
gemeinsamer Kantine, sie nutzen beide den Flughafen Gao, neben dem sie 
jeweils ihre Feldlager errichtet haben. Deutschland hat dort in 
Kooperation mit Airbus Aufklärungsdrohnen vom Typ Heron-1 stationiert, 
die sie im Rahmen des MINUSMA-Mandats einsetzt. Neben dieser abbildenden 
Aufklärung ist Deutschland innerhalb der MINUSMA auch mit dem 
nachrichtendienstlichen Lagebild beauftragt. Es ist davon auszugehen, 
dass auch hierbei Informationen mit Frankreich ausgetauscht werden. Eine 
Antwort auf die schriftliche Frage der Bundestagsabgeordneten Christine 
Buchholz, ob Bounti zum Operationsgebiet der deutschen Heron-Drohne 
gehöre, ließ die Bundesregierung als Verschlussache deklarieren. Auf die 
Frage, welche Kenntnisse die Bundesregierung zu den Vorfällen in Bounti 
habe, verwies sie lediglich auf die Erklärung des französischen 
Verteidigungsministeriums und ergänzte: „Die Bundesregierung hat keinen 
Anlass, an dieser Darstellung zu zweifeln“. Entweder wurde die 
Bundesregierung von ihrem „Partner“ Frankreich angelogen – oder sie hat 
selbst gelogen.

Dieser Umgang mit der Wahrheit macht den Vorfall in Bounti auch zu einem 
wichtigen Beispiel zum Umgang mit Nachrichten und „Gerüchten“: Im Krieg 
wird gelogen und offenbar wird auch von den Verbündeten Deutschlands 
gelogen. Im Falle Bounti war es offenbar die Wahrheit, die von den 
Regierungen als Propaganda der Terroristen und Fake News gebrandmarkt 
wurde. Zugleich wird aktuell darum gerungen, deren Verbreitung zu 
kriminalisieren und Plattformen zu verpflichten, sie zu unterbinden. Ein 
Strategiepapier im Auftrag des EU-Parlaments z.B. träumt schon davon, 
über ganz Europa verteilt Zentren zur Überprüfung von Nachrichten mit 
insgesamt 50.000 Vollzeitstellen aufzubauen, was es ermöglichen könne, 
dass „bis 2025 geschätzte 95% aller Falschnachrichten innerhalb von fünf 
bis sieben Minuten“ nach ihrem Erscheinen bzw. dem Erreichen 
„europäischer Öffentlichkeiten“ entfernt werden könnten. Ob diese 
Zentren dann auch im Stande wären, die Lügen der eigenen Regierungen zu 
entlarven oder von diesen auch instrumentalisiert werden könnten, die 
eigene Propaganda gegen „alternative Fakten“ durchzusetzen, erscheint 
vor diesem Hintergrund fraglich. Denn im Falle Bounti stand durchaus auf 
der Kippe, ob die betroffene Bevölkerung vor Ort Gehör findet, es 
tatsächlich eine unabhängige Untersuchung gibt und es steht bis heute 
auf der Kippe, in wie weit der Wahrheit (nach aktuellem Stand) überhaupt 
Beachtung geschenkt wird.

Auch in der Debatte um die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr könnte 
das Beispiel Bounti eine größere Rolle spielen. Zwar wurden nach 
Darstellung Frankreichs die Bomben von Kampfflugzeugen abgeworfen, die 
Aufklärung im Vorfeld erfolgte jedoch durch eine Reaper-Drohne, welche 
zuerst zwei Individuen verfolgt und anschließend jene Gruppe über 90 
Minuten beobachtet hatte, die dann bombardiert wurde. Auf der Grundlage 
dieser Bilder wurden nach aktueller Beweislage die Hochzeitsgäste 
fälschlicher Weise als „Terroristen“ identifiziert. Das ist durchaus 
relevant für die deutsche Drohnendebatte, weil hier die Befürwortenden 
einer Bewaffnung immer wieder damit argumentieren, dass dies angeblich 
die Präzision von Luftschlägen erhöhen würde. Im Falle Bountis zeigt 
sich, dass dies zumindest nicht in dieser Pauschalität zutrifft. Hier 
hält die 90-minütige Beobachtung einer Personengruppe als Legitimation 
her, diese zu bombardieren. Tatsächlich ist fraglich, ob herkömmlichere 
Aufklärungsmittel der militärischen Führung ausreichend „Sicherheit“ 
geboten hätten, um eine 40-100 Menschen umfassende Personengruppe, von 
der offenbar nur fünf bewaffnet waren, zum Abschuss freizugeben. 
Jedenfalls wurde bereits an anderer Stelle (vom Autor) angedeutet, dass 
mit dem zunehmenden Einsatz von Drohnen Frankreich verstärkt dazu 
übergegangen ist, Personengruppen zu bombardieren, die Zahl der Opfer 
lediglich in Zehnerschritten („etwa zwanzig“, „etwa dreißig“) anzugeben 
und diese allesamt als Terroristen zu klassifizieren. Zentral bei dieser 
Klassifizierung scheinen Alter und v.a. das Geschlecht zu sein. Denn 
eine Angabe der französischen Verteidigungsministerin traf zu, als sie 
vehement behauptete, dass es keine zivilen Opfer und keine Hochzeit 
gegeben habe: Es waren keine Frauen und Kinder unter den Opfern. Damit 
waren das aus Sicht der französischen Regierung offenbar zweifelsfrei 
Terroristen.


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