[IMI-List] [0586] AUSDRUCK: Kongressdokumentation Katastrophenpolitik / Artikel: Bundeswehr & Rechtsextremismus

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Fr Mär 12 13:17:09 CET 2021


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0586 .......... 24. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) die März-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDURCK (Schwerpunkt ist die 
Dokumentation des IMI-Kongresse „Politik der Katastrophe“);

2.) eine IMI-Analyse zu neuen Erkenntnissen über rechtsextreme Umtriebe 
in der Bundeswehr.


1.) AUSRUCK (März 2021) – Schwerpunkt: Katastrophenpolitik

Soeben ist die neue Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK erschienen. Sie 
dokumentiert als Schwerpunkt die Beiträge auf dem letzten IMI-Kongress 
„Politik der Katastrophe“.

Die Ausgabe kann wie immer vollständig hier heruntergeladen werden: 
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Maerz-2021-Web.pdf

SCHWERPUNKT: KATASTROPHENPOLITIK
-- Editorial (Christoph Marischka)
-- Schock-Doktrin: Plündern und Rauben (Jacqueline Andres)
-- Corona-Ausnahmezustand und „neue Normalität“ (Rolf Gössner)
-- Die Bundeswehr als Krisenakteur im Inland (Martin Kirsch)
-- Coronaprofiteur Bundeswehr (Tobias Pflüger)
-- (Tech)Geopolitik in der Pandemie (Christoph Marischka)
-- China gegen den Rest der Welt? (Andreas Seifert)
-- Die Rohstoffe der Elektromobilität (Gertrud Falk)
-- Aufstandsbekämpfung im Sahel (ffm-online)
-- Chile und die aktuellen Proteste (Valeria Bustamante)

MAGAZIN
Deutschland und die Bundeswehr
-- Der heilbare Krieg: Diskurse um Bundeswehr-Traumatisierung und PTBS 
(Thomas Rahmann)
-- Keine Abschiebung nach Afghanistan (Jacqueline Andres)
-- Glutkern des Westens: NATO-Manifest aus der Böll-Stiftung (Jürgen Wagner)
-- Die Frontex-Files und das Cyber Valley (Christoph Marischka)
-- Hannibal-Komplex: Kontrollgremium bestätigt Existenz rechter 
Netzwerke (Luca Heyer)
-- Angriff auf Linke Friedenspolitik: Matthias Höhn legt problematisches 
Konzept vor (Tobias Pflüger)

Auslandseinsätze, Kriegsverbrechen und Straffreiheit
-- Allons Enfants? Umstrittene französische Luftangriffe in Mali 
(Christoph Marischka)
-- Black Box Bounti: Drohne gegen Aussage (Christoph Marischka)
-- Gesetzeslose Soldaten: Wie Regierungen Kriegsverbrecher vor 
Bestrafung schützen (Pablo Flock)

Nato
-- NATO 2030: Neuer Markenkern Großmachtkonkurrenz (Jürgen Wagner)

Sonstige
-- Völkerrechtswidrige Besatzungen: Palästina und West-Sahara (Pablo Flock )
-- Etappensieg gegen Rheinmetall? Italien stoppt Rüstungsexporte 
(Jacqueline Andres)



2.) Artikel über neue Erkenntnisse zum Hannibal-Komplex

IMI-Analyse 2021/13 - in: AUSDRUCK (März 2021)
Hannibal-Komplex
Parlamentarisches Kontrollgremium bestätigt Existenz rechter Netzwerke
http://www.imi-online.de/2021/03/09/hannibal-komplex/
Luca Heyer (9. März 2021)

Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) ist für die Kontrolle der 
Geheimdienste des Bundes zuständig und überwacht den 
Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD 
bzw. BAMAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die 
Bundesregierung ist nach dem Kontrollgremiumgesetz dazu verpflichtet, 
das PKGr umfassend über die allgemeinen Tätigkeiten der 
Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu 
unterrichten. Die Abgeordneten, die dem PKGr angehören, haben dadurch 
einen besonders privilegierten Zugang zu sensiblen Informationen, dürfen 
aber nicht bzw. nur bedingt über diese sprechen.

Im Dezember 2020 veröffentlichte das PKGr seinen Bericht über 
„Erkenntnisse, Beiträge und Maßnahmen von Bundesamt für den 
Militärischen Abschirmdienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und 
Bundesnachrichtendienst zur Aufklärung möglicher rechtsextremistischer 
Netzwerke mit Bezügen zur Bundeswehr“.[1] Dieser Bericht stellt den 
Geheimdiensten, insbesondere dem MAD, kein gutes Zeugnis aus. Grundlage 
des Berichts sind die Untersuchungen eines Ständigen Bevollmächtigten 
des PKGr, der den Geheimdiensten „auf die Finger schaute“.

Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) hatte seit einigen Jahren 
immer wieder über das Problem mit Neonazis in der Bundeswehr, besonders 
beim Kommando Spezialkräfte (KSK), berichtet. 2019 wurden in der 
IMI-Studie 2019/04b ausführliche Rechercheergebnisse über das 
Hannibal-Netzwerk veröffentlicht. Seitens der Bundesregierung war 
jahrelang geleugnet worden, dass überhaupt ein Problem bestehe. Die 
gefährlichen rechten Netzwerke in den Sicherheitsbehörden wurden 
schlicht geleugnet, z.B. in der Antwort auf eine Kleine Anfrage[2] 2019: 
„Dem MAD liegen keine Erkenntnisse vor, dass im Umfeld des KSK 
rechtsterroristische Netzwerke existieren würden oder im Entstehen 
begriffen wären. [...] Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über 
das angebliche Bestehen einer derartigen Gruppe.“

Im Bericht des PKGr, dem auch Vertreter*innen der Regierungsparteien 
angehören, wird die Existenz solcher rechtsterroristischen Netzwerke nun 
allerdings doch eingeräumt. So ist die Rede von einer 
„besorgniserregende[n] reale[n] und digitale[n] Vernetzung“. Es gebe 
„rechtsextreme organisierte Strukturen (Netzwerke) mit Bezügen zur 
Bundeswehr und anderen Sicherheitsbehörden“. Bei Polizei und 
Geheimdiensten in Bund und Ländern seien „eine Reihe von Beschäftigten 
mit rechtsextremistischem – auch gewaltorientiertem – Gedankengut 
tätig“. Diese stünden „wenn auch nicht alle mit allen, so doch in 
verschiedenen Kreisen in unterschiedlich intensiven Verbindungen 
zueinander“. Kontakte zwischen den Teilbereichen des Netzwerks bestünden 
vor allem über die Administratoren der rechten Chatgruppen. Die 
Protagonisten des Netzwerks seien wegen ihrer ausgeprägten 
Waffenaffinität, ihrer beruflichen Erfahrung bei Spezialkräften der 
Bundeswehr, der Polizei und weiteren Behörden und ihrem privilegierten 
Zugang zu Waffen gefährlich. Der sorglose Umgang mit Waffen und Munition 
bei den Behörden hätte begünstigt, „dass Schusswaffen und Munition, die 
zu einem großen Teil aus den Beständen der Bundeswehr und sonstiger 
Spezialeinheiten der Polizeien stammen, für die Protagonisten unbemerkt 
zu entwenden waren.“ Eine Vielzahl der handelnden Personen in dem 
Netzwerk stünden in Kontakt zur Identitären Bewegung, dem „Flügel“ der 
AfD, der Jungen Alternative und rechtsextremen Burschenschaften. 
Außerdem begrüßt das PKGr, dass der Verein Uniter, der ebenfalls Teil 
des Netzwerks ist und militärtaktische Trainings angeboten hatte, nun 
vom BfV als Verdachtsfall eingestuft wurde, weil tatsächliche 
Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische 
Grundordnung bestehen. Der Bericht resümiert mit der Feststellung, es 
seien viele Fälle zutage getreten, „in denen aktive und pensionierte 
Angehörige von Sicherheitsbehörden […] im Dienst erworbene Fähigkeiten 
und sicherheitsrelevantes Spezialwissen in gewaltbereiten 
Zusammenschlüssen […] gegen die Interessen der Bundesrepublik 
Deutschland einsetzen.“ Insoweit deckt sich die Einschätzung des PKGr 
weitgehend mit den 2019 veröffentlichten Rechercheergebnissen der IMI.

Die durchaus existenten Pläne, politische Gegner*innen an einem Tag X zu 
ermorden, werden im Bericht des PKGr jedoch nicht erwähnt; es gebe zudem 
„derzeit keine Beweise für eine ‚Schattenarmee‘, die einen gewaltsamen 
Umsturz plant.“ Es ist lediglich davon die Rede, es seien „Listen von 
Personen des öffentlichen Lebens zu einem nicht bekannten Zweck“ 
angefertigt worden. Der Zweck dieser Listen ist allerdings durchaus 
bekannt – z.B. aus den Vernehmungen des Nordkreuz-Mitglieds Horst S., 
der aussagte, die Personen auf den Listen sollten „weg“. Dafür habe es 
auch konkrete Planungen gegeben. Auch die Tatsache, dass bei Nordkreuz 
die Bestellung von 200 Leichensäcken und Ätzkalk geplant war, spricht in 
diesem Zusammenhang für sich.[3]


Rolle der Geheimdienste

Die Bewertung der Arbeit der Geheimdienste in diesem Komplex fällt 
allerdings wieder ähnlich aus wie in der IMI-Studie 2019/04b. Die IMI 
hatte damals geschrieben: „[…] nicht nur der MAD ist mit in das Netzwerk 
verstrickt; auch die Verfassungsschutzbehörden in Baden-Württemberg und 
Bayern […]. Es tummeln sich also allerlei Geheimdienst-Mitarbeiter*innen 
um den Verein. Doch auch das könnte nur die Spitze des Eisbergs sein: 
UNITER bezeichnet sich selbst als Netzwerk für ‚SOF and Intelligence‘, 
also Spezialkräfte und Geheimdienste.“ Die Geheimdienste waren zudem 
auch an der jahrelangen Leugnung rechter Netzwerke in den Behörden 
beteiligt. Sie sind also nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

Das PKGr erkennt in seinem Bericht zumindest ein massives Versagen der 
Geheimdienste an: „Im Laufe der Untersuchung wurde deutlich, dass der 
BAMAD seine Aufgaben in der Bekämpfung des Rechtsextremismus und bei der 
Spionageabwehr der Bundeswehr nicht in hinreichendem Maße wahrgenommen 
hat. […] Der im Rahmen der Ermittlungen zutage getretene 
Informationsabfluss aus dem BAMAD an das KSK zeigt Mängel in der 
professionellen Distanz einzelner Beschäftigter bei der 
Aufgabenwahrnehmung.“ Wegen mangelnder Kooperation mit anderen Diensten 
und Strafverfolgungsbehörden komme es zu „Erkenntnislücken und 
Analysedefiziten, die auch Auswirkungen auf die Beweisführung im 
Strafprozess haben können.“ In diesem Bereich habe auch das BfV versagt: 
Die Zusammenarbeit mit der Polizei und anderen Geheimdiensten sei „nicht 
befriedigend und unzureichend abgestimmt“ gewesen.


Konsequenzen?

Es bleibt die Frage, welche Konsequenzen aus dem Befund gezogen werden 
müssen, dass sich ein brandgefährliches rechtsterroristisches Netzwerk 
in Bundeswehr, Polizei und Geheimdiensten bilden konnte. Die 
Empfehlungen des PKGr sind in dieser Frage nicht weitgehend genug bzw. 
werden dem Problem nicht gerecht. So wird neben eher begrüßenswerten 
Maßnahmen wie einer Verschärfung des Waffenrechts auch empfohlen, die 
Geheimdienste weiter zu stärken und Speicherfristen zu verlängern, was 
das Problem nicht löst.

Die Verfassungsschutzbehörden und der MAD müssen aufgelöst werden! Sie 
waren offensichtlich nicht in der Lage oder nicht willens, rechte 
Netzwerke mit Terrorplänen effizient zu bekämpfen oder die Regierung in 
dieser Thematik so zu beraten, dass sie die Problematik ernst nimmt. 
Dies zeigte sich auch schon beim Nationalsozialistischen Untergrund 
(NSU), der jahrelang trotz zahlreicher V-Leute im direkten Umfeld 
ungestört morden konnte, was bis heute nur mangelhaft aufgeklärt wurde. 
Auch hier versagten MAD und Verfassungsschutz oder – noch schlimmer – 
sie behinderten die Aufklärung sogar. Es lassen sich in der 
Vergangenheit noch mehr ähnliche Fälle finden. Aus ihrem eigenen 
Versagen bzw. Fehlverhalten gehen die Geheimdienste immer wieder 
gestärkt hervor – nur um dann wenige Jahre später erneut zu „versagen“. 
Hier scheint ein strukturelles Problem vorzuherrschen. Dieses kann nur 
durch die Auflösung dieser Behörden gelöst werden – Reformen ändern 
nichts an den Ursachen für den momentanen Zustand, wie z.B. den 
NS-Kontinuitäten der betreffenden Behörden. Dies betrifft im Übrigen 
auch die Polizei und die Bundeswehr.

Wichtig ist jetzt, dass schonungslos aufgeklärt wird und rechte 
Netzwerke unschädlich gemacht werden. Der vollständige Bericht des 
Ständigen Bevollmächtigten des PKGr ist als geheime Verschlusssache 
eingestuft, sodass nicht einmal die Abgeordneten im 
Verteidigungsausschuss oder Innenausschuss des Bundestags diesen lesen 
dürfen. Transparenz sieht anders aus. Auch von den Waffendepots des 
Hannibal-Netzwerks wurde nur ein Bruchteil gefunden und fast alle 
Beteiligten sind aktuell auf freiem Fuß – es besteht also immer noch ein 
erhebliches Gefahrenpotenzial. Hier muss – insbesondere nach den 
Erkenntnissen des PKGr – endlich das gesamte Netzwerk als Ganzes in den 
Blick genommen und die Mär der vielen „Einzeltäter“ aufgegeben werden. 
Nur dann kann die Gefahr, die vom Hannibal-Netzwerk ausgeht, nachhaltig 
gebannt werden.


Prozess gegen KSK-Soldat

Dafür könnte es allerdings auch bereits zu spät sein. Momentan läuft in 
Leipzig der Prozess gegen den ehemaligen rechtsextremen KSK-Soldaten 
Philipp Sch., in dessen Garten im Sommer 2020 ein gewaltiges Waffendepot 
mit Waffen und Sprengstoff aus Bundeswehrbeständen ausgehoben wurde. 
Angeklagt ist er nur wegen dieser Verstöße gegen das Waffengesetz bzw. 
Sprengstoffgesetz. Der Prozess wird damit voraussichtlich leider nicht 
aufklären, wofür die Waffen gedacht waren. Ebenso wird die Frage 
ungeklärt bleiben, inwiefern Philipp Sch. sich in das Hannibal-Netzwerks 
einfügt. Ermittler*innen fanden auf seinem Telefon die Nummern von 
Polizisten, die zu Nordkreuz gehören.[4] Die meisten KSK-Soldaten, die 
Teil des Hannibal-Netzwerks waren, kannte Sch. aus der gemeinsamen Zeit 
in der 2. Einsatzkompanie des KSK. Die Indizien, die dafür sprechen, 
dass Sch. mit diesen Personen Tag-X-Pläne schmiedete bzw. 
Terroranschläge plante, sind erdrückend. Um dies aber abschließend 
aufzuklären, hätte jedoch nicht nur (wie bei fast allen Protagonisten 
des Netzwerks) wegen der Waffen und des Sprengstoffs ermittelt werden 
müssen, sondern wegen der Bildung bzw. Unterstützung einer 
terroristischen Vereinigung. Dies scheint aber seitens des Staates so 
nicht gewollt, weil dann womöglich noch unangenehmere Wahrheiten ans 
Licht kommen könnten.

Anmerkungen

[1]                                             Deutscher Bundestag: 
Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium. Erkenntnisse, 
Beiträge und Maßnahmen von Bundesamt für den Militärischen 
Abschirmdienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und 
Bundesnachrichtendienst zur Aufklärung möglicher rechtsextremistischer 
Netzwerke mit Bezügen zur Bundeswehr. Drucksache 19/25180. 11.12.2020.

[2]                                             Antwort der 
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Tobias Pflüger, 
Christine Buchholz, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion 
DIE LINKE. Drucksache 19/7513. 4.2.2019.

[3]                                             Der Tagesspiegel: 200 
Leichensäcke und Ätzkalk bestellt. Rechtsextremes Netzwerk plante 
Attentate auf politische Gegner. 28.6.2019.

[4]             Taz: KSK-Soldat vor Gericht: Waffen, Hitlerbilder, 
Hetzschriften. 22.1.2021.



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