[IMI-List] [0559] IMI-Analyse Mali / Sonderseite Klima / Neues zu Defender 2020
IMI-JW
imi at imi-online.de
Fr Jan 31 10:52:28 CET 2020
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0559 .......... 23. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) Neue Infos zum Großmanöver Defender 2020;
2.) Der Hinweis auf die neue IMI-Analyse und einer Sonderseite zum Thema
Umwelt, Klima und Krieg;
3.) Die IMI-Analyse: „Mali: Für einen Ausstieg aus dem Terror der
Aufrüstung“.
1.) Defender 2020: Südachse
In Norddeutschland laufen die Planungen für Proteste gegen das
Großmanöver Defender 2020 ja bereits seit einiger Zeit relativ rege –
und auch Süddeutschland tut sich langsam einiges.
Zum einen gibt es einige neue Informationen zur Rolle Mannheims, das in
der Rhein-Neckar-Zeitung nicht nur als „logistischer Knotenpunkt auf dem
Weg der US-Streitkräfte in Richtung Osten“, sondern neuerdings auch als
einer der „Rasträume“ bezeichnet wurde
(https://www.rnz.de/nachrichten/mannheim_artikel,-us-defender-2020-mannheim-als-drehscheibe-fuer-nato-manoever-_arid,495527.html)
Außerdem ist für die Region Stuttgart für den 6. Februar ein
Vernetzungstreffen geplant:
https://www.friedenskooperative.de/termine/defender-2020-vernetzungstreffen-region-stuttgart
2.) IMI-Analyse und Sonderseite: Klima, Umwelt und Krieg
Soeben ist eine neue IMI-Analyse zum Thema Klimawandel und Krieg erschienen:
IMI-Analyse 2020/04
Klimawandel und militärische Planungen
Ignoranz, Hilflosigkeit und fehlende Strategien zur Anpassung
http://www.imi-online.de/2020/01/29/klimawandel-und-militaerische-planungen/
Karl-Heinz Peil (29. Januar 2020)
Außerdem haben wir eine Reihe der in letzter Zeit erschienenen Artikel
rund um die Themen Umwelt, Klima und Krieg auf einer Sonderseite
zusammengefasst: http://www.imi-online.de/2020/01/20/klima-umwelt-krieg/
3.) IMI-Analyse Mali
IMI-Analyse 2020/05
Mali: Für einen Ausstieg aus dem Terror der Aufrüstung
http://www.imi-online.de/2020/01/31/mali-fuer-einen-ausstieg-aus-dem-terror-der-aufruestung/
Christoph Marischka (31. Januar 2020)
Frankreich und seine Verbündeten geraten in Mali immer mehr in die
Defensive – sowohl militärisch, als auch was ihre Wahrnehmung in der
Zivilbevölkerung angeht. Nachdem es im Januar 2020 auch aus der
säkularen, frankophonen Bevölkerung im Süden heraus Massenproteste gegen
die internationale Militärpräsenz und die gestiegene Unsicherheit gab,
lud der französische Präsident Macron die Regierungschefs der Region
nach Frankreich ein und forderte ein Bekenntnis zur französischen
Intervention. Derweil findet in Deutschland eine seltsam janusköpfige
Debatte statt. Während einerseits die katastrophale Bilanz des
bisherigen „Engagements“ in Mali zunehmend thematisiert werden,
diskutiert man zugleich über eine verstärkte „Lastenteilung“, also ein
(noch) umfangreicheres und robusteres Mandat der Bundeswehr in Mali. Die
Bundesregierung erwägt offenbar, insbesondere den Einsatz von
Spezialkräften auszuweiten und dabei noch enger mit Frankreich
zusammenzuarbeiten.
Die Bundeswehr in Mali
Seit 2013 ist die Bundeswehr offiziell in Mali im Einsatz. Bereits Jahre
zuvor war sie mit Beratergruppen vor Ort und nahm dort gelegentlich an
US-geführten Manövern teil, welche die Bekämpfung des Terrorismus zum
Gegenstand hatten – obwohl dieser zumindest bis 2012 in der Region keine
nennenswerte Rolle gespielt hatte.[1] Katalysator für die umfangreichere
Stationierung deutscher Truppen in Westafrika war dann der Vormarsch
sezessionistischer Gruppen im Norden Malis in Folge des Libyenkrieges
sowie ein darauf folgender Putsch in der Hauptstadt, woraufhin der
Norden seine Unabhängigkeit ausrief und sich dort islamistische Kräfte
breitmachten. Ein angeblicher Vorstoß dieser Kräfte Richtung Süden bot
dann den Anlass für eine (offenbar gut vorbereitete) massive
französische Intervention im Januar 2013. Deutschland unterstützte die
Intervention u.a. von Senegal aus mit der Luftwaffe und brachte große
Mengen an Soldaten aus anderen afrikanischen Staaten in die Region, die
einerseits an der Seite Frankreichs den „Terror“ bekämpfen sollten und
andererseits eine Peacekeeping-Mission der Afrikanischen Union (AFISMA)
bildeten, die Mitte 2013 in die UN-Mission MINUSMA überführt wurde.
Außerdem beteiligte sich die Bundeswehr von Anfang an an der bereits
Ende 2012 beschlossenen Ausbildungsmission der EU (EUTM Mali), mit der
die malische Armee auf die Rückeroberung bzw. „Stabilisierung“ des
Nordens vorbereitet werden soll. Bereits seit Mitte 2013 ist die
Bundeswehr auch an der MINUSMA beteiligt, zunächst v.a. in den Stäben
und bei der Logistik. Im Januar 2016 jedoch erweiterte sich dieser
Einsatz erheblich. Das Kontingent wurde auf 650 Kräfte erhöht, von denen
die meisten in einem ab jetzt von Deutschland geführten Feldlager (Camp
Castor) bei Gao im Norden des Landes stationiert wurden. Damit kam von
deutscher Seite auch zunehmend schweres Kriegsgerät zum Einsatz:
gepanzerte Fahrzeuge und Schützenpanzer, Drohnen vom Typ Luna und seit
2017 auch Drohnen vom Typ Heron I, welche die Bundeswehr zuvor nur in
Afghanistan genutzt hatte.[2] Im Rahmen des MINUSMA-Mandates hat die
Bundeswehr zudem einen Luftwaffenstützpunkt im benachbarten Niger
eingerichtet, offenbar sind deutsche Spezialkräfte bereits seit Jahren
von Mali aus auch in den Nachbarstaaten aktiv.
Auch ansonsten stand der Mali-Einsatz von Anfang an unter dem Zeichen
beständiger Ausdehnung. Die EU ergänzte ihre militärische
Ausbildungsmission EUTM durch „zivile“ Ausbildungsmissionen in Mali und
Niger – in deren Rahmen Polizei-, Gendarmerie- und Grenzschutz-Einheiten
aufgebaut werden. Frankreich dehnte seine angeblich spontane
Militärintervention mit dem Ziel der Bekämpfung des Terrorismus von Mali
aus auf Mauretanien, Niger, Burkina Faso und den Tschad aus. Diese
fortan als G5-Sahel zusammengefassten Staaten wurden daraufhin v.a. von
Deutschland, Frankreich und der EU „ermuntert“, eine eigene gemeinsame
Interventionstruppe, die „Force Conjointe du G5 Sahel“ aufzustellen, zu
deren Ausbildung und Unterstützung wiederum die Mandate der EUTM und der
MINUSMA räumlich wie inhaltlich erweitert wurden. Welche Ordnung aber
innerhalb Malis und zwischen den Ländern der Region etabliert werden
soll, wie die Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen, zwischen
Zentren und Peripherie gelöst werden sollten, darüber existieren unter
den intervenierenden Staaten nur sehr vage und offenbar auch
widersprüchliche Vorstellungen – jenseits der Migrationsbekämpfung, der
grenzüberschreitenden Militarisierung und der „Bekämpfung des
Terrorismus“. Diese jedoch prägt mittlerweile in erschreckender Klarheit
die Situation in der Region.
Eskalation mit Ansage
Institutionen wie die International Crisis Group[3] und die Oxford
Research Group[4] hatten die negativen Folgen einer weiteren
Militarisierung der Region früh antizipiert. Sie verwiesen etwa darauf,
dass die intervenierenden Staaten vor Ort auf die Zusammenarbeit mit
wenig demokratischen Regimen und Streitkräften angewiesen wären, die
eigene Interessen verfolgen. Da sie fortan als Partner der
intervenierenden Staaten ihre Legitimation primär auf deren Anerkennung
stützen könnten, wären sie noch weniger darauf angewiesen, innerhalb der
Bevölkerung und über die verschiedenen Bevölkerungsgruppen hinweg
Zustimmung zu generieren und Lösungen für die existierenden Probleme
anzubieten. Im Gegenteil ermögliche ihnen die Chiffre der Bekämpfung des
Terrorismus, noch repressiver gegen die Opposition vorzugehen und
legitime politische Forderungen zugunsten der weiteren, international
forcierten Aufrüstung hinten anzustellen. Dies könne zu einer weiteren
Entfremdung der jeweiligen Bevölkerung und einzelner Bevölkerungsgruppen
führen und damit Zulauf für radikale, terroristische und islamistische
Gruppen generieren.
Es gab auch bereits früh Anzeichen, dass die internationale
Truppenpräsenz einerseits und die in sie gesetzten Erwartungen
andererseits ethnische Spannungen hervorrufen und eskalieren könnten.
2012, also noch vor dem französischen Eingreifen, hatte die
International Crisis Group (ICG) unter dem Titel „eine Eskalation
vermeiden“ davor gewarnt, das „große Risiko zu unterschätzen, dass eine
externe militärische Intervention dazu führt, dass die Stämme offene
Rechnungen begleichen“ (the high risk of inter-tribal settling of scores
that would result from external military intervention). „Eine solche
Intervention“ würde Mali „in eine neue Front im 'Krieg gegen den Terror'
verwandeln“, die lange gehegten politischen Forderungen aus dem Norden
untergraben und „jede Chance auf eine friedliche Koexistenz zwischen den
Gemeinschaften ausschließen“. Bereits in den ersten Tagen der
französischen Intervention machten zumindest Gerüchte die Runde, dass
die malische Armee im Zuge des französischen Vormarsches regelrechte
Massaker an Bevölkerungsgruppen verübt hätte, die pauschal der Sympathie
für die Islamisten verdächtigt wurden. In mehreren Berichten
dokumentierte Human Rights Watch in den Jahren 2016 und 2017, wie
einerseits islamistische Gruppen gezielt ethnisch definierte
Minderheiten angriffen, andererseits aber auch die malischen
Sicherheitskräfte und ihre Verbündeten bei der „Bekämpfung des
Terrorismus“ willkürlich Angehörige von Minderheiten festnahmen,
folterten und exekutierten.[5] Anstatt wie von vielen Menschen
insbesondere im Süden erhofft, schnell und endgültig Ruhe in die
Provinzen zu bringen, machte sich im Zuge der Intervention dort immer
mehr Unsicherheit breit. Die allgemeine Militarisierung und die rapide
zunehmende Unsicherheit führten dazu, dass sich Bevölkerungsgruppen auch
im kleineren Maßstab bewaffneten, um sich verteidigen – oder Vergeltung
üben zu können. In einem größeren Maßstab bildeten sich ethnisch
definierte bewaffnete Organisationen, um ihre Interessen bei der nun
offenbar militärisch ausgehandelten neuen staatlichen Ordnung
durchsetzen zu können. Das im Zuge der Intervention eilig ausgehandelte
„Friedensabkommen“, das seither als wesentliche Legitimationsgrundlage
der internationalen Truppenpräsenz dient, beschleunigte diesen Prozess,
wie Charlotte Wiedemann in den Blättern für deutsche und internationale
Politik anschaulich beschreibt: „[Es] lohnt sich seither, bewaffnet zu
sein. Denn nur Bewaffneten steht in Aussicht, nach einem
Entwaffnungsprozess einen Job bei den Sicherheitskräften zu bekommen.
Zivilisten, allen voran Frauen, haben hingegen nichts einzufordern. Auch
die Zahl der Milizen vergrößert sich seither ständig. Um vom
Friedensprozess profitieren zu können, müssen sie sich einer der beiden
im Vertrag fixierten Koalitionen anschließen ... Ihr Status verschafft
den [am Vertrag beteiligten] Gruppen ... obendrein quasi Straflosigkeit
für gewöhnliche Vergehen ... Weil die Mechanismen des Friedensprozesses
den bewaffneten Gruppen Vorteile bringen, haben sie ein Interesse daran,
ihn aufrecht zu erhalten – nicht aber daran, ihn zu einem erfolgreichen
Abschluss zu bringen“.[6] Eine Anfang 2018 von der
Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichte Studie fasste die Situation in
Mali bereits im Titel bündig zusammen: „Viel Militär, weniger
Sicherheit“.[7]
Die Lage hat sich im Zuge der Intervention v.a. im Zentrum Malis und
dort v.a. in den Grenzgebieten zu Niger und Burkina Faso deutlich
verschlechtert (was auch der Grund ist, weshalb die Bundeswehr ihren
Nachschub nun nicht mehr primär aus Bamako, sondern aus Niamey im
benachbarten Niger bezieht). Gerade in den Grenzgebieten häuften sich
bald Übergriffe durch bewaffnete Gruppen auf Siedlungen, bei denen
Männer summarisch hingerichtet, Frauen entführt und vergewaltigt und tw.
in großem Maßstab Vieh gestohlen wurde. Oft gab es daraufhin
Vergeltungsangriffe, was die Konflikte weiter anheizte und eskalierte.
2018 seien bei etwa 100 solchen Vorfällen in Mali mindestens 300
Menschen getötet worden, so Human Rights Watch in seinem World Report
2019.[8] Im darauf folgenden Jahr stieg deren Zahl nochmal massiv an:
Allein am 23. März 2019 wurden mindestens 157 Angehörige der Peul bei
Angriffen durch Angehörige der Dogon mit Macheten und Schusswaffen
getötet, ganze Siedlungen wurden niedergebrannt. Die Angreifer
bezeichneten dies angeblich als Vergeltung für einen vorangegengenen
Angriff auf die malische Armee; eine djihadistische Gruppe griff mit
Bezug auf das Massaker wiederum die malische Armee an und tötete dabei
nach offiziellen Angaben elf, nach eigenen Angaben 16 Soldaten. Es gibt
also eine offensichtliche Strategie, Hass zu schüren und Ethnizität
politisch aufzuladen. Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und
Politik (SWP) beschrieb dies gegenüber dem Deutschlandfunk etwa
folgendermaßen: „In Reaktion auf dschihadistische Gruppen, die anfangs
sehr klein waren, haben Politiker und Geschäftsleute Milizen
mobilisiert. Der Staat, der überfordert ist, billigt die Mobilisierung
dieser Milizen oder unterstützt sie sogar, und nach und nach setzen
diese Milizen dann die Jihadisten mit bestimmten ethnischen Gruppen
gleich, insbesondere mit den Peul, nicht zuletzt, um sich so das Land
und die Ressourcen der Gemeinschaften anzueignen, die dieser ethnischen
Gruppe angehören. Und im Gegenzug schließen sich dann Angehörige dieser
Gruppe den Dschihadisten an, um sich zu schützen und an Waffen zu kommen
und greifen Gemeinschaften der ethnischen Gruppen an, aus denen sich die
Milizen rekrutieren“.[9] Dies sei „die Eigendynamik der Gewalt“, wobei
nicht vergessen werden sollte, wer diese Eigendynamik trotz Warnungen im
Vorfeld in Gang gesetzt hat.
Krieg in Mali
Während die Hauptlast des Konfliktes natürlich die Zivilbevölkerung
trägt, werden auch die Angehörigen v.a. der beteiligten afrikanischen
Streitkräfte in großer Zahl getötet und verletzt. Der Blutzoll der
malischen Armee ist nicht seriös erfasst, liegt aber sicherlich im
vierstelligen Bereich. Die UN gibt die Zahl der gefallenen
MINUSMA-Angehörigen bis Ende 2019 mit 206 an, davon sollen alleine 64
aus dem Tschad stammen, je 22 aus Burkina Faso und Guinea und je 17 aus
dem Niger und Togo. Auch die europäischen Streitkräfte innerhalb der
MINUSMA haben demnach schon nennenswerte Verluste erfahren, darunter
fünf Angehörige der niederländischen und je zwei der deutschen und
französischen Streitkräfte. Diese Zahlen bilden jedoch die Realität in
Mali kaum ab. Nicht enthalten sind einerseits die knapp 100 Kräfte
afrikanischer Länder, die im Rahmen der AFISMA gefallen sind, sog.
„Contractors“ (private Dienstleister der MINUSMA), die Angehörigen
verdeckt operierender westlicher Spezialeinheiten oder etwa der
französischen Armee, die unter nationalem Mandat im Einsatz sind bzw. waren.
Ein klareres Bild, was die Sicherheitslage der malischen und
internationalen Truppen angeht, bieten hingegen die vierteljährlichen
Berichte des UN-Generalsekretärs zur Lage in Mali. So heißt es
beispielsweise im Bericht vom Juni 2017: „Gewalttätige Extremisten und
terroristische Elemente haben seit Juni 2016 105 Angriffe gegen die
malischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte, 76 gegen die MINUSMA und
20 gegen die französischen Streitkräfte durchgeführt… Insgesamt wurden
bei Angriffen 131 Angehörige der malischen Sicherheits- und
Verteidigungskräfte getötet und 176 verletzt… Acht Peacekeeper wurden
getötet und 64 verletzt, im vorangegangenen Mandatszeitraum wurden 28
getötet und 89 verletzt. Zwei französische Soldaten wurden getötet und
elf verletzt, während im vorangegangenen Zeitraum drei französische
Soldaten getötet und 16 verletzt wurden“.[10] Der Bericht des
UN-Generalsekretärs vom 31. Mai 2019 zählt allein für die drei
vorangegangenen Monate 35 Angriffe auf malische Kräfte, bei denen 51 von
ihnen verletzt und 67 getötet wurden – 26 von ihnen bei einem Vorfall am
17. März, elf weitere am 21. April in jener Region, die einst als
weitgehend sicher galt und wo deshalb das Hauptquartier der
EU-Trainingsmission stationiert ist. Im selben Zeitraum wurden bei elf
Angriffen vier Peacekeeper getötet und zwölf verletzt, in den drei
vorangegangenen Monaten waren 17 von ihnen umgekommen und 40 verletzt
worden. Die bewaffneten Gruppen, die sich dem Friedensabkommen
angeschlossen haben, hatten zwischen März und Mai 2019 43 Opfer und 17
Verletzte zu beklagen.[11] Im letzten Quartal 2019 starben 193
Angehörige der malischen Sicherheits- und Verteidigungskräfte und 126
wurden verletzt. Bei 68 Angriffen gegen die MINUSMA fielen im gleichen
Zeitraum acht Peacekeeper und acht private Dienstleister*innen der
UN-Mission. Am 2. November starb ein französischer Soldat durch eine
Sprengfalle und am 13 November 13 weitere beim Zusammenstoß zweier
Hubschrauber am Rande eines Gefechts. Für diese drei Monate nennt der
Bericht des UN-Generalsekretärs 269 Vorfälle, bei denen 200
Zivilist*innen getötet, 96 verletzt und 90 verschleppt wurden.[12]
Im Deutschlandfunk begründet der Sprecher der französischen
Militärmission die wachsende Zahl der Angriffe auf die malischen und die
internationalen Truppen so: „Wir Militärs stellen fest, dass die
Anschläge zunehmen, je präsenter wir sind. Die Operation Serval hatte
die Situation 2012 zwar ohne Zweifel stabilisiert, aber seitdem haben
sich die bewaffneten Terrorgruppen neu organisiert. Sie operieren jetzt
ganz anders als früher. Sie wissen genau wie wir kämpfen, kennen unsere
militärische Stärke. Deshalb greifen sie uns jetzt nicht mehr frontal
an“.[13] Tatsächlich sind mittlerweile Sprengfallen, wie sie v.a. aus
Afghanistan und aus anderen sog. asymmetrischen Konflikten bekannt sind,
ein wachsendes Problem – auch im Zentrum und Süden des Landes. Zwischen
März und Mai 2019 etwa wurden 49 entsprechende Vorfälle registriert. Am
1. Januar 2019 fuhr ein belgischer Schützenpanzer vom Typ Dingo
(Hersteller: Krauss-Maffei Wegmann) auf eine Sprengfalle und wurde dabei
vollständig zerstört. Aufgrund der Panzerung wurden nur zwei der
Insassen verletzt. Bei den leichter gepanzerten Fahrzeugen der
verbündeten afrikanischen Streitkräfte – die nun nachgerüstet werden
sollen – gehen solche Vorfälle öfter tödlich aus.
Dennoch trügt der Eindruck, dass die Gegner Frankreichs und der MINUSMA
aus der Defensive heraus agieren würden. Sehr oft finden Angriffe auf
die Feldlager der malischen Streitkräfte, der MINUSMA, seltener, aber
zunehmend, auch auf Stellungen der „Force Conjointe“, der französischen
Armee und auch der EU-Trainingsmission statt, die entsprechend immer
weiter ausgebaut und gesichert werden. Wie viele Angreifer hierbei ums
Leben kommen, wird selten gemeldet. Gerade aus Angriffen auf Konvois
außerhalb der Feldlager entwickeln sich jedoch auch oft stundenlange
Gefechte, in die Kampfhubschrauber der MINUSMA und Frankreichs, Drohnen
und Kampfflugzeuge der USA und Frankreichs eingreifen. Nach Angaben des
französischen Außenministeriums habe Frankreich am 21. Dezember 2019 in
der Region Mopti (Zentral-Mali) erstmals auch eine bewaffnete Drohne
eingesetzt und damit „sieben Terroristen außer Gefecht gesetzt“.[14]
Eines der am besten dokumentierten Gefechte im Zuge des Krieges in und
um Mali ereignete sich am 4. Oktober 2017 im benachbarten Burkina Faso.
Dabei geriet ein elfköpfiges US-Team (darunter acht US-Spezialkräfte und
mindestens ein privater Dienstleister) in Begleitung von 35 nigrischen
Spezialkräften nahe der Grenze zu Mali um 11:40 Uhr in einen Hinterhalt.
Offiziell war das US-Team zur Ausbildung der nigrischen Soldaten vor
Ort, Ziel des Einsatzes war es jedoch, einen hochrangigen „Terrorführer“
festzunehmen oder zu töten. Da der Einsatz als Aufklärungsmission im
Zuge eines Trainingsmandats getarnt war, war das Team nur leicht
bewaffnet und in SUVs unterwegs. Als es 53 Minuten nach dem Beginn des
Gefechts erstmals Verstärkung anforderte, waren bereits mindestens drei
US-Soldaten und ein nigrischer Soldat tot.[15] 47 Minuten später traf
ein erstes französisches Kampfflugzeug Mirage (Hersteller: Dassault
Aviation) ein, später weitere. Aufgrund der unübersichtlichen Lage und
der Wetterbedingungen konnten sie keine Waffen einsetzen, hätten aber
durch niedrige Überflüge (Show of Force) zur Einschüchterung und zum
partiellen Rückzug der Angreifer beigetragen. Knapp viereinhalb Stunden
nach der Bitte um Verstärkung trafen nigrische Bodentruppen und um ca.
17:15, fast fünf Stunden nach dem Beginn der Auseinandersetzung,
französische Spezialkräfte verstärkt durch Kampfhubschrauber ein. Zudem
waren offenbar auch zwei US-Aufklärungsdrohnen vor Ort. Die ersten drei
Leichen von US-Soldaten konnten gegen 19:00 Uhr Abends geborgen werden,
die vierte Leiche wurde erst am übernächsten Tag in einiger Entfernung
aufgefunden. Der Vorfall löste in den USA eine intensive Debatte über
die als Ausbildungshilfe getarnte militärische Präsenz der USA in der
Region aus, über die die Öffentlichkeit und auch der US-Kongress kaum
informiert waren. Vieles spricht außerdem dafür, dass die zuletzt
gefundene Leiche (womöglich vor ihrem Tode) misshandelt worden war, was
die Regierung jedoch vehement abstreitet.
Während der Tod von vier US-Soldaten weltweit Schlagzeilen machte, wird
ansonsten kaum Notiz davon genommen, wie sehr sich der Konflikt in Mali
mittlerweile auf die Nachbarstaaten ausweitet. Gerade in Burkina Faso
häufen sich Anschläge, die mit der internationalen Truppenpräsenz in
Zusammenhang stehen dürften. Im August wurden nahe der Grenze zu Mali 24
Soldaten bei einem Angriff getötet, am 8. September 2019 starben 29
Menschen bei zwei Anschlägen im Norden Burkina Fasos. Am 6. November
2019 griffen Aufständische einen militärisch geschützten Konvoi an, der
Arbeiter*innen und Nachschub in eine kanadische Goldmine – ein
ökonomisches Rückgrat des Landes – transportierte, mindestens 37
Menschen wurden getötet. Am 21. November 2019 wurde erneut ein Posten
der Armee im Norden des Landes angegriffen. Laut Deutschlandfunk hat
sich „die Zahl der Anschläge in Burkina Faso, Mali und Niger seit 2016
verfünffacht“, mit mehr als 4.000 Opfern allein 2019.[16]
Desinteresse und Desinformation
Wie gesagt: Die Eskalation im Zuge der Militarisierung der Sahel-Region
war durchaus absehbar und wurde auch von den westlichen Regierungen
teilweise nahestehenden Expert*innen genau in dieser Form
prognostiziert. Aktuell häufen sich auch einer breiteren Öffentlichkeit
zugängliche Berichte, welche das bisherige Vorgehen kritisch beleuchten.
Der hier schon häufiger zitierte Bericht des Deutschlandfunks von
Bettina Rühl – die Militäreinsätze in Afrika keineswegs grundsätzlich
ablehnt – ist nur ein Beispiel von vielen. Er beginnt mit einer Szene
bei einer Demonstration gegen die französische (und internationale)
Truppenpräsenz in Bamako. Einer der Organisatoren wird zitiert: „Die
Sicherheitslage wird immer schlechter, Tag für Tag sterben Malier.“
„Trotz der hohen Kosten“ sei „der Erfolg des [französischen] Einsatzes
fraglich“, heißt es später. Zitiert wird auch Ibrahim Maiga, „Forscher
beim Institut für Sicherheitsstudien in Bamako“, der feststellt, „dass
[die Sicherheitslage] sich trotz dieses erheblichen militärischen
Engagements weiter verschlechtert“. „Wenn es aber tatsächlich um
Stabilisierung im Sahel gehen soll“, wird Wolfram Lacher von der
Stiftung Wissenschaft und Politik wiedergegeben, „dann müsste man sich
auch in Berlin eigene Gedanken um die Strategie machen, und dann dürfte
man sich nicht darauf verlassen, dass die Franzosen schon wissen was sie
tun; das ist nämlich nicht immer der Fall“. Der Beitrag endet mit einem
weiteren Zitat von Lacher – ebenfalls kein Kritiker einer stärkeren
militärischen Rolle Deutschlands: „Wir haben es im Sahel mit
Staatskrisen zu tun, die letztlich nur von innen heraus bewältigt werden
können“.[17]
Die Kritik kommt hier aus derselben Ecke, die bislang jede Ankündigung
deutscher Außen- oder Verteidigungsminister*innen, mehr militärisches
„Engagement“ in Afrika zeigen zu wollen, mit wohlwollendem Applaus
versehen hat. Auch die aktuelle Verteidigungsministerin, Annegret
Kramp-Karrenbauer, hat nach einem Fehlstart in Sachen „Schutzzone“ im
Norden Syriens mit der Ankündigung einer möglichen Ausweitung des
Bundeswehr-Mandates in Mali (zunächst anlässlich eines Besuchs der
deutschen Spezialkräfte im Niger, anschließend bei einem Truppenbesuch
vor der Luftlandebrigade 1 in Saarlouis)[18] die Herzen der
sicherheitspolitischen Community wieder für sich gewonnen. Es ist absurd
– und zugleich geschichtsvergessen – aber wer in Deutschland mehr
Militär für Afrika fordert, gilt als seriös in der Außen- und
Sicherheitspolitik.
Doch das ist nur ein Teil des Problems. Der andere Teil des Problems ist
ein Bundestag, der in völliger Ignoranz der Lage vor Ort Jahr für Jahr
mit großer Mehrheit einer Verlängerung und häufig auch Ausweitung der
Mandate in Umfang oder Reichweite zugestimmt hat – und dies auch in
Zukunft absehbar wieder tun wird. Unter anderem aufgrund des Vorfalls im
Niger mit vier getöteten US-Soldaten und der dadurch ausgebrochenen
Debatte in den USA erwägen diese, ihre Präsenz in der Sahel-Region zu
reduzieren. Gleichzeitig wird der Widerstand vor Ort gegen die
französischen Truppen auch im bürgerlichen, frankophonen Milieu immer
stärker und sichtbarer. Frankreich steht also unter großem Druck einer
verstärkten „Lastenteilung“, also Verbündete zu gewinnen und verstärkt
zu mobilisieren. Zwar zeigt sich die Bundesregierung bisher gegenüber
Anfragen aus Paris, eine gemeinsame Spezialeinheit zur Ausbildung,
Beratung und Begleitung lokaler Spezialkräfte zu bilden, zurückhaltend.
Es ist dennoch durchaus zu erwarten, dass im Mai 2020 eine Ausweitung
des Bundeswehrmandates bevorsteht. Denn im Hintergrund werden
entsprechende Operationspläne bereits ausgearbeitet und diskutiert – und
der Ausbau der deutschen Truppenpräsenz „unterhalb der
[mandatspflichtigen] Einsatzschwelle“ bereits vollzogen: u.a. in
Tunesien, Mali und Niger sind deutsche Spezialkräfte des KSK und der
Kampfschwimmer präsent,[19] offiziell – wie auch die US-Kräfte in Niger
– zur Ausbildung lokaler Partner.
Der Bundestag wird auch deshalb wieder zustimmen, weil die
Öffentlichkeit in Deutschland den Gegenstand und Verlauf der konkreten
Einsätze der Bundeswehr – ganz besonders aber jener in der Sahel-Region
– mit weniger als nur freundlichem Desinteresse begleitet. Das ist
natürlich auch der Natur jener Einsätze geschuldet: Opfer sind in erster
Linie Zivilist*innen und Aufständische, die in den hiesigen Medien
bestenfalls sporadisch als Zahlen auftauchen und mit denen keinerlei
Verbundenheit oder Empathie zu bestehen scheint. Vonseiten der
Verbündeten bestehen die Einsätze zu einem wachsenden Anteil aus
verdeckten Operationen und werden von Spezialkräften getragen, während
sich die dokumentierten Opfer auf viele Staaten und damit
Öffentlichkeiten verteilen und dabei v.a. die afrikanischen Länder die
Hauptlast tragen. Es fällt dadurch sehr leicht, nicht anzuerkennen, dass
in Mali ein Krieg herrscht und dass die Bundeswehr daran beteiligt ist.
Beispielhaft war diesbezüglich die Debatte um die Youtube-Serie „Mali“
des Verteidigungsministeriums, die weitaus intensiver geführt wurde, als
zu irgendeinem Zeitpunkt die Frage einer deutschen Beteiligung am Krieg
in Mali oder die tatsächliche Situation vor Ort. Die Serie lief im
letzten Quartal 2017, es ging um das Wetter, die Reptilien und Insekten,
die Langeweile und wie sich die Soldat*innen die Zeit vertreiben. Der
Bericht des UN-Generalsekretärs für diesen Zeitraum fasst die Situation
folgendermaßen zusammen: „Im Berichtszeitraum hat sich die
Sicherheitslage verschlechtert und die Angriffe gegen die MINUSMA und
die malischen Sicherheitskräfte haben zugenommen und sich
intensiviert“.[20] Gedreht wurde die Serie natürlich zuvor über einen
Zeitraum von acht Monaten. Der Bericht des UN-Generalsekretärs vom 28.
September 2017 – also zwischen der Drehzeit und der Ausstrahlung –
fasste die Entwicklung in diesem Zeitraum eindeutig zusammen: „Die
politische Lage und die Sicherheitslage hat sich signifikant
verschlechtert“.[21] Das freilich wurde in der Youtube-Serie und der sie
begleitenden Medienkampagne – Kosten zusammen 11 Mio. Euro – nicht
thematisiert. Man wollte „den Einsatz zeigen, wie er ist, also auch die
Routine und den Alltag im Camp“, zitierte die Süddeutsche Zeitung damals
den Verantwortlichen für die Arbeitgeberkommunikation und
Personalwerbung der Bundeswehr: „Schließlich kämen die Einsätze medial
sonst nur dann vor, 'wenn etwas passiert oder etwas nicht
funktioniert'“.[22] Tatsächlich fiel in den Zeitraum der Dreharbeiten
auch der Tod zweier deutscher Soldaten bei einem Hubschrauberabsturz,
der unter dem Titel „Das größte Opfer“ in Folge 25 professionell
abgehandelt wurde. Der einzige Kontext, der hierbei zum konkreten
Hubschraubereinsatz und zum Bundeswehreinsatz insgesamt genannt wurde,
besteht in einem Zitat aus den Tagesthemen: „Sie waren in Mali im Rahmen
einer UN-Friedensmission im Einsatz“.[23] Dass der Kampfhubschrauber vom
Typ Tiger (Hersteller: Airbus) unterwegs war, um ein Gefecht zwischen
verschiedenen Gruppen des Friedensabkommens und damit technisch gesehen
„Verbündeten“ der Bundeswehr zu beobachten, drang auch darüber hinaus
kaum an die Öffentlichkeit. Die Diskussion fokussierte sich entsprechend
schnell auf die technischen Ursachen des Absturzes und ließ die Frage
nach Sinn und Unsinn des Einsatzes völlig unberührt.[24]
Fehlende Öffentlichkeit bedeutet Eskalation
Diese Diskussion muss nun, da eine weitere Ausweitung des Mandats droht,
mit Nachdruck eingefordert werden. Denn die Misere in der Sahel-Region –
Terrorismus und eskalierende Gewalt, Menschenrechtsverletzungen,
Vertreibung, Hunger und die Stabilisierung autoritärer Regime – sind
auch Folgen des Desinteresses und der Desinformation der europäischen
Öffentlichkeiten. Sie ermöglichen es kleinen Gruppen mit
Partikularinteressen – von religiösen, politischen, wirtschaftlichen und
militärischen Eliten im Sahel bis zu ihren Pendants in Europa (den USA
und den Golfstaaten) – die Lage weiter zu eskalieren. Hilfreich zur Hand
geht ihnen dabei ein Diskurs, der es z.B. für Bundestagsabgeordnete
tatsächlich einfacher macht, „Verantwortung“ zu übernehmen, indem die
Mandate immer wieder erneuert und tendenziell ausgeweitet werden – was
die Verantwortung wiederum an die Bundeswehr und ihre dubiosen
Verbündeten überträgt.
Die Vermessenheit der Idee, dass tausend oder auch dreitausend deutsche
Soldat*innen als logistische Basis einiger Dutzend Spezialkräfte im
Verbund mit viertausend französischen und US-amerikanischen Soldat*innen
und zehntausend Soldat*innen aus afrikanischen Staaten ein Gebiet von
der Größe Westeuropas kontrollieren und stabilisieren, ist eigentlich
offensichtlich. Es muss auch kein Ausdruck postkolonialer Attitüde sein,
auf die komplexe Geschichte und die Diversität der Bevölkerungsgruppen
und Lebensstile in dieser Region hinzuweisen – schließlich existieren
auch in Europa von Katalonien über Nordirland bis in die Ukraine
zahlreiche ungelöste Konflikte, die im Falle einer von Dritten
durchgesetzten Militarisierung durchaus eskalieren könnten. Dass die
Vorstellungen der hiermit durchgesetzten Ordnung und die damit
verbundenen Interessen von keiner Partei offen kommuniziert werden,
macht die Situation keineswegs einfacher. Es ist auch kein Ausdruck
postkolonialer Attitüde, darauf hinzuweisen, dass die verbündeten
Milizen und Streitkräfte aus der Region sich einer tatsächlichen
politischen Kontrolle weitgehend entziehen – denn entsprechende
Tendenzen sind gerade in der Sahel-Region durchaus auch unter den
westlichen Spezialkräften erkennbar. All dies spielt aber im hiesigen
Diskurs um den Mali-Einsatz keine Rolle: Verantwortung übernimmt, wer
(mehr) Truppen entsendet.
Das Gegenteil ist wahr: Wer Verantwortung übernehmen will, muss die
Militarisierung der Region stoppen. Das setzt voraus, dass wir unsere
Verantwortung anerkennen. Denn so sehr man Wolfram Lacher zustimmen
möchte, wenn er sagt, man habe „es im Sahel mit Staatskrisen zu tun, die
letztlich nur von innen heraus bewältigt werden können“, so leicht
vergisst man dabei, wer diese Krisen eskaliert hat. Wer von Deutschland
aus Verantwortung übernehmen will, muss einen Abzug der deutschen
Truppen, einen Stopp der Rüstungsexporte, der sog. „Ertüchtigung“ und
die Auflösung der Spezialkräfte einfordern und für eine radikale
Demokratisierung und Dekolonialisierung der Außenpolitik streiten. Sonst
verwüstet der „Verantwortungsdiskurs“ im Verbund mit
Partikularinteressen immer weitere Regionen dieser Erde.
Anmerkungen
[1] Christoph Marischka: US-AfriCom und KSK seit Jahren in Mali aktiv,
Telepolis vom 1.7.2013.
[2] Christoph Marischka: Eintausend deutsche Soldaten in Mali,
IMI-Analyse 2016/14 - in: AUSDRUCK, Juni 2016.
[3] International Crisis Group (ICG): Mali - Avoiding Escalation, Africa
Report N°189 vom 18.Juli 2012 sowie: ICG: The Central Sahel - A Perfect
Sandstorm, Africa Report N°227 vom 25. Juni 2015.
[4] Richard Reeve, Zoë Pelter: From New Frontier to New Normal -
Counter-terrorism operations in the Sahel-Sahara, Oxford Research Group,
August 2014.
[5] S. u. a.: Human Rights Watch: Mali - Abuses Spread South vom
19.2.2016 und Human Rights Watch: Mali - Unchecked Abuses in Military
Operations vom 8.9.2017.
[6] Charlotte Wiedemann: Mali am Abgrund - Fünf Jahre
Militärintervention, Blätter für deutsche und internationale Politik,
5/2018.
[7] Charlotte Wiedemann: Viel Militär, weniger Sicherheit,
Heinrich-Böll-Stiftung, Januar 2018.
[8] Human Rights Watch: World Report 2019 – Mali.
[9] Bettina Rühl: Eskalierende Gewalt im Sahel, Deutschlandfunk
„Hintergrund“ vom 10.1.2020.
[10] Report of the Secretary-General on the situation in Mali, 6. Juni 2017.
[11] Report of the Secretary-General on the situation in Mali, 31. Mai 2019.
[12] Report of the Secretary-General on the situation in Mali, 30.
Dezember 2019.
[13] Bettina Rühl, a.a.O.
[14] „Frankreich setzt erstmals bewaffnete Drohne in Mali ein“,
derstandard.at vom 23. Dezember 2019.
[15] US Departement of Defense: Summary of Investigation - Oct 2017
Niger Ambush.
[16] Bettina Rühl, a.a.O.
[17] Bettina Rühl, a.a.O.
[18] Thomas Wiegold: Bundeswehr im Sahel - Wahrscheinlich länger,
vielleicht auch anders?, augengeradeaus.net Eintrag vom 6.11.2019 sowie:
Thomas Wiegold: Debatte über mehr Bundeswehr-Engagement in Mali nicht
vor Frühjahr 2020, augengeradeaus.net Eintrag vom 25.11.2019.
[19] Thomas Wiegold: Bundeswehr im Sahel - Wahrscheinlich länger,
vielleicht auch anders?, augengeradeaus.net Eintrag vom 6.11.2019.
[20] Report of the Secretary-General on the situation in Mali, 26.
Dezember 2017.
[21] Report of the Secretary-General on the situation in Mali, 28.
September 2017.
[22] „Was Hauptfeldwebel Peter und seine Kameraden in Mali erleben“,
sueddeutsche.de vom 14. Oktober 2017.
[23] BMVg: „Mali“ - Folge 25.
[24] Christoph Marischka: Mali - Wie bei einem "Routineeinsatz" Soldaten
"verunglücken", Telepolis vom 28. Juli 2017.
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