[IMI-List] [0550] Militarisierung Ostsee / Deutsche Waffen an die Türkei / Ausdruck (Oktober 2019)

IMI-JW imi at imi-online.de
Fr Okt 18 21:33:55 CEST 2019


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0550 .......... 22. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Martin Kirsch
Abo (kostenlos)........ IMI-List-subscribe at yahoogroups.com
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) Der Hinweis auf einen neuen Text zu deutschen Waffen in der Türkei 
und weiteren Artikeln auf der IMI-Homepage;

2.) Die Oktober-Ausgabe des IMI-Magazins Ausdruck;

3.) eine IMI-Analyse zur Militarisierung der Ostsee.


1.) Türkei-Exporte und weitere Texte

Aus leider aktuellem Anlass haben wir soeben einen groben Überblick von 
deutschen Waffen beim türkischen Militär erstellt:

IMI-Standpunkt 2019/050
Deutsche Waffen beim türkischen Militär
http://www.imi-online.de/2019/10/18/deutsche-waffen-beim-tuerkischen-militaer/ 

Jacqueline Andres (18. Oktober 2019)

IMI-Standpunkt 2019/050
Beschleunigte Rüstungsgroßprojekte
Deutsch-Französischer Ministerrat konkretisiert Kampfpanzer und 
Kampfflugzeug
http://www.imi-online.de/2019/10/18/beschleunigte-ruestungsgrossprojekte/
Jürgen Wagner (18. Oktober 2019)

IMI-Standpunkt 2019/049 - in: Weser-Kurier, 15.10.2019
Deutschland muss sich endlich ehrlich machen
http://www.imi-online.de/2019/10/16/deutschland-muss-sich-endlich-ehrlich-machen/ 

Jürgen Wagner (16. Oktober 2019)

IMI-Standpunkt 2019/048
F-16-Absturz bei Trier
Militärische Übungsflüge beenden – Aufklärung über Kriegsfunktion und 
Kontamination bei Abstürzen gefordert!
http://www.imi-online.de/2019/10/09/f-16-absturz-bei-trier/
Markus Pflüger (9. Oktober 2019)


2.) AUSDRUCK – Das IMI-Magazin (Oktober 2019)

IMI-Mitglieder erhalten das Magazin auf Wunsch auch in Print. Online ist 
es gratis herunterladbar, die Oktober-Ausgabe hier: 
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-Web.pdf

INHALTSVERZEICHNIS

DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Bundesweite Gelöbnisse im November: Warum Armeen Rituale inszenieren 
(Markus Euskirchen)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-ME-Rituale.pdf
-- Blut für Öl! Lobbying für eine deutsche Militärpräsenz
am Persischen Golf (Jürgen Wagner)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-JW-Blut.pdf
-- Die Osterweiterung der Bundeswehr. Per Heereskooperation
zur deutsch/europäischen Armee? (Martin Kirsch)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-MK-Ost.pdf
-- Rezension: Militärbischof für Aufrüstung und Wehrpflicht (Peter Bürger)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-PB-Bischof.pdf
-- Jenseits der Verfassung – das militärpolitische Programm der AfD 
(Lucius Teidelbaum)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-L-AfD.pdf

EU-MILITARISIERUNG
-- Ein illegaler Verteidigungsfonds für illegitime EU-Kriege (Peter 
Feininger)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-PF-EVF.pdf
-- Die Bewaffnung des Weltalls: Französische Ankündigungen und deutsche 
Überlegungen (Jürgen Wagner)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-JW-All.pdf

RÜSTUNGSKONTROLLE & WETTRÜSTEN
-- RIP INF: Das Ende des INF-Vertrags und das neue Wettrüsten (Jürgen 
Wagner)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-JW-INF.pdf
-- Ungeahntes aus dem Bundestag. „Parlamentskreis Atomwaffenverbot“ 
gegründet (Peter Feininger)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-PF-Kreis.pdf
-- Neue Rüstungsexportrichtlinien – alte Regelungslücken: 
Internationalisierung – Technikunterstützung – Europäisierung (Lotta 
Ramhorst)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-LR-Export.pdf
-- Verbot von Killerrobotern: Blockade der USA und Russlands (Marius 
Pletsch)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-MP-Roboter.pdf

ARABISCHER RAUM
-- Irak ‒ Zwei Jahre nach dem Sieg über den Islamischen Staat (Joachim 
Guilliard)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-98-2019-JG-Irak.pdf



3.) IMI-Analyse: Militarisierung der Ostsee

IMI-Analyse 2019/33
Die Militarisierung der Ostsee
Die NATO und das Marinekommando in Rostock
http://www.imi-online.de/2019/10/18/die-militarisierung-der-ostsee/
https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2019-33-Ostsee-web.pdf
Merle Weber (18. Oktober 2019)

In den letzten Jahren hat sich in der Ostseeregion einiges getan: Die 
Anzahl der militärischen Übungen hat zugenommen, in den Anrainerstaaten 
sind neue militärische Strukturen entstanden, Truppen wurden stationiert 
und auch die Nachschubkontingente und -wege wurden ausgebaut. Kurz: Die 
NATO baut gerade die militärische Infrastruktur für einen Krieg in 
Osteuropa auf. Deutschland ist hier unter anderem mit dem neuen 
Marinekommando in Rostock ganz vorne mit dabei.

Teil 1: Die Bedeutung der Region für die NATO

Die sicherheitspolitische Bedeutung der Ostsee entwickelt sich geradezu 
deckungsgleich mit den 3 Phasen der NATO. In der ersten Phase, von der 
Gründung des Bündnisses 1949 bis zum Ende der Sowjetunion 1990, 
dominierte die Großmachtkonfrontation das Denken und Handeln der 
Militärs. Die Ostsee war in diesem Kontext potenzieller Schauplatz einer 
direkten militärischen Konfrontation der beiden Großmächte in Europa. Ab 
den 1990ern passte sich die NATO an die neue weltpolitische Lage an. In 
dieser zweiten Phase entwickelte sie den Anspruch, überall auf der Welt 
in ihrem Interesse militärisch einzugreifen. Sie wird zum globalen 
Interventionsbündnis: Aufstandsbekämpfung und Regimechange ersetzen die 
Großmachtkonfrontation. Vor diesem neuen Hintergrund verlor die Ostsee 
zeitweilig ihre sicherheitspolitische Relevanz.

Seit einigen Jahren befinden wir uns in der dritten Phase: Am Horizont 
erstarkt China, der NATO-Block und Russland geraten zunehmend 
aneinander. Die „Wiederkehr der Konkurrenz großer Mächte“ sei das 
prägende Merkmal der heutigen Zeit. Dafür müssten sich Deutschland und 
die NATO rüsten, ohne dabei die globalen Interventionsansprüche fallen 
zu lassen, verkündete beispielsweise Ursula von der Leyen, damals noch 
als Verteidigungsministerin, Anfang 2019 bei der Münchner 
Sicherheitskonferenz.[1]

Für die Ostsee bedeutet die zunehmende Eskalation des Konflikts zwischen 
NATO und Russland eine Rückkehr zu ihrer einstigen 
sicherheitspolitischen Bedeutung. Der strategische Umschwung des 
westlichen Militärbündnisses hat für die Ostseeregion eine 
voranschreitende Militarisierung und zunehmende Kriegsgefahr zur Folge. 
Damit beginnt nicht nur für die NATO ein neues historisches Kapitel der 
Sicherheitspolitik.

Militärische Strukturen um die Ostsee

Analog zur Eskalation der westlich-russischen Beziehungen hat in den 
letzten Jahren ein Prozess der umfassenden Militarisierung der Region 
eingesetzt. Der erste Schub wurde 2014 als „Readiness Action Plan“ auf 
dem NATO-Gipfel in Wales beschlossen und dann auch umgesetzt. Zunächst 
erhöhte die NATO ihre militärische Präsenz vor Ort in Form von Übungen 
unter, auf und über der Ostsee. Darüber hinaus wurde die „NATO Response 
Force“ von 13.000 auf 40.000 Soldaten aufgestockt, also ein Anstieg auf 
300 Prozent. Diese Truppenstruktur ist innerhalb von 5 bis 30 Tagen 
weltweit einsetzbar und damit die Schnelle Eingreiftruppe der NATO. Sie 
wurde jedoch nicht nur vergrößert, sondern auch intern umstrukturiert. 
Mit der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF), umgangssprachlich 
Speerspitze genannt, gibt es jetzt innerhalb der NATO Response Force 
eine Unterorganisation, die noch schneller in jeweilige Einsatzgebiete 
verlegbar sein soll. Um den Kameraden der Speerspitze die Verlegung und 
vor allem das Ankommen zu erleichtern, gibt es zusätzlich noch die „NATO 
Force Integration Units“ in den potenziellen Einsatzländern. Deren 
Aufgabe ist es, den ankommenden NATO-Truppen im Einsatzland schnell 
Orientierung zu geben, sowie vor Ort Unterstützungsnetzwerke aufzubauen. 
Mit dem Readiness Action Plan wurde für Europa der Aufbau acht solcher 
Andockstationen beschlossen, vier davon in den östlichen Ostseeanrainern 
(Polen und Baltische Staaten). Darüber hinaus wurden die stehenden 
Marinekräfte der NATO ausgebaut. In einem ersten Schritt hat die NATO 
also ihre Präsenz in der Ostseeregion erhöht, die Nachschubtruppen 
vergrößert und ihre Verlegzeiten verringert, sowie an der russischen 
Grenze Strukturen aufgebaut, die diesen Nachschub in Empfang nehmen. [2]

Auf dem nächsten NATO-Gipfel 2016 in Warschau folgte die „Enhanced 
Forward Presence“. Mit diesem Programm wurde die Präsenz der NATO an 
ihrer Ostflanke noch einmal drastisch verstärkt. Mit jeweils einem 
Bataillon in Polen und den drei Baltischen Staaten sind jetzt insgesamt 
rund 4.000 NATO-Soldaten an der Ostflanke stationiert (dazu kommen noch 
im Rahmen der „European Deterrence Initiative“ bilateral von den USA 
verlegte Truppen). Die Soldaten rotieren zwar, das ändert jedoch nichts 
daran, dass das Bündnis damit eine nach der NATO-Russland-Grundakte 
unzulässige permanente Truppenpräsenz direkt an der russischen Grenze 
aufgebaut hat. [3]

Dritte Runde: NATO-Gipfel in Brüssel 2018. Die „Initiative zur 
Reaktionsfähigkeit“, auch „4x30“ genannt, wird beschlossen. 2020 sollen 
30 Flugzeugstaffeln, 30 Kriegsschiffe und 30 Infanterie-Bataillone (bis 
zu 36.000 Soldaten) plus Unterstützungskräfte „in eine 
Reaktionsfähigkeit von 30 Tagen oder weniger“ versetzt werden. Zudem 
wurde ein Logistikkommando in Ulm beschlossen, das schnelle Transporte 
„nach, durch und aus Europa“ organisieren soll, d.h. vor allem 
reibungslose Truppen- und Materialverlegungen nach Osteuropa[4]. Für den 
Fall eines Konflikts mit Russland heißt das alles: Nach 3 bis 5 Tagen 
ist die Speerspitze vor Ort und wird von den Integration Units 
eingegliedert, nach 30 Tagen ist der Rest der NATO-Response Force vor 
Ort, und ab dann die 3x30 der Initiative Reaktionsfähigkeit. Nebenbei 
bemerkt bedeutet dieser ausgebaute Nachschub unabhängig von der 
Ostseeregion prinzipiell mehr NATO-Truppen in höherer Bereitschaft, die 
sich natürlich auch in anderen Krisenregionen einsetzen lassen.

NATO, Russland und die Ostsee

In unterschiedlicher Form liest und hört man hier im Westen immer 
dasselbe: Eigentlich war Europa ein Hort von Demokratie und Dialog, von 
Kommunikation und Kompromissen – alles Friede, Freude, Völkerrecht in 
der Keimzelle der westlichen Wertegemeinschaft. Bis 2014, dem Jahr, das 
alles anders machte. Mit der Annexion der Krim entscheidet sich Putin 
eindeutig gegen das Völkerrecht und macht knallharte Machtpolitik wieder 
zum Standard des zwischenstaatlichen Umgangs. Mit Bedauern sehen sich 
die NATO-Staaten durch diese Provokation gezwungen, selbst zu überwunden 
gehofften, drastischeren Mitteln zurückzukehren. Also beschließt man bei 
nächster Gelegenheit den Readiness Action Plan. Auf Putins Demonstration 
der Kompromisslosigkeit muss eine Demonstration der entschlossenen 
Stärke aus dem Westen folgen. Nach damaligem Stand des 
Kräfteverhältnisses könnten Russlands Truppen ohne Probleme in 60 
Stunden in Tallinn und Riga und damit den Hauptstädten zweier 
NATO-Staaten stehen.[5] Also beschließt man die Enhanced Forward 
Presence, schickt vier Bataillone an die russische Grenze. Was sonst 
soll Russland davon abhalten, als nächstes in die baltischen Staaten 
einzumarschieren?

So erzählt sich jedenfalls die NATO ihre Geschichte. Mit der Realität 
hat das alles wenig zu tun. Hinter der Annexion der Krim steht nicht 
vorrangig Putins „knallharte Machtpolitik“, sondern die kompromisslose 
Expansionspolitik der NATO und der EU. Die Politik des NATO-Machtblocks 
steuert auf eine Konfrontation mit Russland zu, seit man sich ab den 
frühen 1990ern für die Osterweiterungen entschieden hat. Die nächste 
Runde der Großmacht-Konfrontation war in der Expansion von NATO und EU 
von Beginn an angelegt. Das veranlasst NATO und EU damals wie heute 
jedoch nicht, von diesem brandgefährlichen Kurs abzulassen. Was ist das, 
wenn nicht „knallharte Machtpolitik“? Russlands Verhalten in der 
Ukraine-Krise ist nebenbei bemerkt keineswegs der erste Warnschuss aus 
Moskau Richtung Westen. 2014 ist nicht das magische Jahr, zu dem die 
NATO es erklärt. Vor 2014 kam 2011, vor 2011 kam 2008; vor der 
Ukraine-Krise kamen der Libyen- und der Syrienkrieg und davor der 
Georgien-Krieg. Russland und NATO geraten seit Jahren verstärkt 
aneinander. Aber anscheinend ist die Krim der erste Warnschuss, den die 
NATO zum Anlass nimmt, ihren Kurs zu ändern. Aber nicht etwa hin zu 
Kooperation und Deeskalation. Im Gegenteil: Seit 2014 hat offene 
Konfrontation das oberflächlich friedliche, fast schon stillschweigende 
Ringen um Osteuropa ersetzt. 1990 verlief die Trennlinie der 
Einflusssphären der beiden Großmächte noch durch Deutschland. Heute ist 
Deutschland fest im NATO-Block verankert und die Linie ist gut tausend 
Kilometer nach Osten verschoben. Viel Platz gibt es nicht mehr zum 
Ausdehnen: Ukraine, Moldawien, Weißrussland und dann, dann bleibt fast 
nur noch Russland. Der Fokus der NATO verschiebt sich also von 
Osterweiterung zu Ostabsicherung. Die Militarisierung der Ostseeregion 
durch die NATO lässt sich nicht mit dem unwahrscheinlichen Szenario 
einer plötzlichen, unbegründeten russischen Invasion Estlands erklären, 
jedenfalls nicht überzeugend.[6]

Viel überzeugender ist da ein anderes Szenario: Der ungelöste Konflikt 
um die Ukraine eskaliert weiter, ähnliche Krisen entwickeln sich in 
Moldawien und Weißrussland vielleicht sogar Russland. Und auch wenn die 
baltischen Staaten in Europa tatsächlich das schwächste Glied der NATO 
sind, ist das allein noch kein Grund zu erwarten, dass Russland 
plötzlich NATO-Staaten angreift und damit defacto der NATO den Krieg 
erklärt. Außer natürlich, man geht davon aus, dass die NATO die ohnehin 
schon angespannte Lage noch weiter eskaliert. Da NATO und EU keinen 
Anschein machen, von ihren Ansprüchen auf Osteuropa (und den Rest der 
Welt) abzulassen, ist das leider gar nicht so unwahrscheinlich.


2024: Die Ostsee im Krieg mit Russland

Schon im Jahr 2010 wurde durch bei Wikileaks veröffentlichte Depeschen 
des US State Department und von diversen US-Botschaften weltweit 
bekannt, dass die NATO unter dem Codenamen „Operation Eagle Guardian“ 
Pläne für militärische Auseinandersetzungen mit Russland um Polen und 
die baltischen Staaten angefertigt hatte.[7] Im Zentrum dieser Pläne 
steht der schnelle Einsatz von neun Divisionen aus den USA, 
Großbritannien, Deutschland und Polen falls es in Europa zu einem 
militärischen Konflikt mit Russland kommen sollte. Weitere Details zu 
Eagle Guardian sind nicht bekannt, insbesondere auch nicht, welche Rolle 
genau die Ostsee in einem solchen Szenario spielen soll. Bemerkenswert 
ist dabei, dass man sich in NATO-Kreisen schon vier Jahre vor der 
Krim-Krise um die militärische Infrastruktur im Baltikum gesorgt hat, 
mit der die Militarisierung der baltischen Staaten heute ja begründet wird.

Einen Eindruck, welche Rolle die Ostsee in einem solchen militärischen 
Konflikt haben könnte, liefert ein Blick in die Publikation „Fire and 
Ice – A New Maritime Strategy for NATO's Northern Flank“. Veröffentlicht 
wurde das im militärstrategischen Diskurs relativ ausführlich rezipierte 
Papier Ende 2018 von der britischen Denkfabrik „Human Security Centre“. 
Auch wenn es sich also dabei um kein offizielles NATO-Papier handelt, 
gibt es wohl aktuell mit den „besten“ Einblick, wie sich Militärplaner 
einen möglichen Konflikt zwischen Russland und der NATO in der Ostsee 
ausmalen.

Im Papier wird das folgende Szenario ausgebreitet: In einem Krieg der 
NATO gegen Russland wäre die Ostseeregion „Hauptschauplatz“, wenngleich 
davon auszugehen sei, dass der Konflikt sich nicht auf die Ostsee 
begrenzen würde. Die Nachschubtruppen der NATO müssten auf ihrem Weg 
nach Europa den Atlantik überqueren und könnten dort schon von 
russischen U-Booten angegriffen werden. Darüber hinaus sei es für die 
NATO strategisch vorteilhaft, eine sogenannte „horizontale Eskalation“, 
also eine geographische Ausweitung des Konfliktes, in diesem Szenario 
über die Ostsee und auch über den Atlantik hinaus, gezielt 
voranzutreiben. So könne die NATO ihre zahlenmäßige militärische 
Überlegenheit ausnutzen, indem sie die russischen Streitkräfte nötige, 
sich über den Globus zu verteilen. Eine gezielt herbeigeführte 
Globalisierung des Krieges also.

Bei Kampfhandlungen in der Ostsee wären vor allem kleinere Schiffe und 
amphibische Fahrzeuge gefragt, um die Operationen an Land zu 
unterstützen, indem sie beispielsweise Truppenkonvois in die Region 
eskortieren sowie sich an der Abwehr der von Kaliningrad abgefeuerten 
russischen Raketen beteiligten. Mit seinen in Kaliningrad stationierten 
Raketensystemen könne Russland große Teile der Ostsee, aber auch die 
Baltischen Staaten und Polen bombardieren. Damit habe Russland die 
Fähigkeit, sowohl über das Meer, den Luftraum und über Land die 
Nachschubrouten der NATO zum Baltikum abzuschneiden. Es könnte die 
NATO-Staaten militärisch und ökonomisch aus den östlichen zwei Dritteln 
der Ostsee verbannen und Truppen der Landstreitkräfte unter Beschuss 
nehmen, die versuchen würden, das kleine Stück polnisch-litauische 
Grenze zwischen Kaliningrad und Weißrussland zu passieren (die 
sogenannte Sulwalki-Lücke). Die Aufgabe, die russische Blase um 
Kaliningrad zu zerbersten, läge jedoch nicht vorrangig bei der Marine, 
sondern bei der landbasierten Luftwaffe. In diesem Kampf um den Zugriff 
auf die Ostsee komme auch der Minenkriegsführung eine besondere 
Bedeutung zu, denn die begrenzten und flachen Seestraßen der Ostsee 
ließen sich mit Minen effektiv dichtmachen. Und wäre dieses Ringen um 
die Ostsee erst einmal gewonnen, „hätten von Schiffen gestartete 
konventionelle Cruise-Missiles eine Reichweite, um St. Petersburg und 
Moskau zu erreichen“.[8]

Größte Sorge des Autoren Rowan Allport ist dabei nicht etwa der drohende 
Krieg zwischen Atommächten, sondern dass es der NATO nicht gelingt, 
sicherzustellen, dass die „Kosten für Russland langanhaltend“ sind, also 
dass das Land nachhaltig ökonomisch, politisch und militärisch 
geschwächt aus einem solchen Krieg ginge. Auch wenn es sich hier, wie 
gesagt, um kein offizielles NATO-Dokument handelt, spricht einiges 
dafür, dass innerhalb des Bündnisses ganz ähnlich auf den Konflikt im 
Allgemeinen und die Ostsee im Besonderen geblickt wird. Mit Verteidigung 
hat das alles wenig zu tun, umso schlimmer ist es, dass Deutschland hier 
eine prominente Rolle spielt.

Teil 2: Deutschland: Randmeerkriege und das NATO-Marinekommando in Rostock

Die Bundeswehr wird derzeit systematisch für großangelegte 
Auseinandersetzungen mit Russland hochgerüstet: Nach gegenwärtigen 
Planungen soll 2023 eine erste schwere Brigade (ca. 5.000 Soldaten) in 
die NATO eingebracht werden, 2027 dann die erste Division (10.000 bis 
20.000 Soldaten) und 2031 will die Bundeswehr dann drei Divisionen 
„beisteuern“.[9] Darüber hinaus wird auch das Material der Bundeswehr 
wieder auf sogenannte Randmeerkriege, also auf eine Konfrontation mit 
Russland auf der Ostsee, ausgerichtet.

Die am 20. Juli 2018 erlassene „Konzeption der Bundeswehr“ lässt in 
diesem Zusammenhang wenig Zweifel an der Relevanz der Ostsee aufkommen: 
„[Die] Befähigung zur Randmeerkriegführung […] bleibt unverändertes Ziel 
für die Ausgestaltung der deutschen SeeSK [Seestreitkräfte]. Im Rahmen 
der LV/BV [Landes-/Bündnisverteidigung] spielen dabei der 
Nordflankenraum der NATO und die Ostsee […] zunehmend eine wichtige 
Rolle.“ Vor allem sei es erforderlich, für die „Baltischen Staaten“, 
falls nötig, eine „Nachversorgung über die Ostsee“ sicherzustellen.[10]

Wie auch in der zuvor beschriebenen Studie „Fire and Ice“ angedeutet, 
werden für Auseinandersetzungen in der verhältnismäßig engen Ostsee 
kleinere Schiffe benötigt – und genau für diesen Zweck wurde bereits 
2017 der Ankauf von fünf weiteren Korvetten der Klasse K130 
(„Braunschweig-Klasse“) beschlossen. Zum Baubeginn im Februar 2019 
erklärte die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen: „Die 
Marine muss die Ostsee wieder stärker in den Blick nehmen.“[11]

Rostock: NATO-Ostseekommando

All diese Soldaten und ihre Schiffe müssen koordiniert und befehligt 
werden. Dazu etabliert die Bundesrepublik in Rostock gerade ein neues 
Zentrum zur Kriegsführung auf der Ostsee, das ihren regionalen 
Führungsanspruch in der Region untermauern soll. Zunächst hat die 
deutsche Marine all ihre Kommandostrukturen räumlich und strukturell in 
Rostock zusammengefasst. Bis 2025 soll dieses neue Marinekommando zu 
einem NATO-Marinekommando für die Ostseeregion aufgestockt werden.  
Dadurch versucht die Bundesregierung, sich als zentraler Akteur zu 
positionieren. Rostock soll zur Schaltzentrale für NATO-Aktivitäten im 
Baltikum werden.

Zentraler Bestandteil des Marinekommandos ist bereits und soll auch in 
Zukunft der Stab DEU MARFOR sein. Er wurde am 23. Januar 2019 in Dienst 
gestellt und ist Produkt eines Konzentrationsprozesses der 
Kommandostrukturen der deutschen Marine. Diese waren vor 2019 noch auf 
Rostock, Kiel und Wilhelmshaven und damit auch auf mehrere, kleinere 
Stäbe verteilt. Seit Januar sind sie jetzt im DEU MARFOR räumlich und 
strukturell zusammengefasst. Allein das extra zu diesem Zweck errichtete 
Gebäude kostete 66 Mio. Euro, ganz zu schweigen von den Unterhaltskosten 
und den Kosten der multinationalen Manöver, die Rostock auch in Zukunft 
noch abhalten wird. Zurzeit besteht der Stab aus 100 Posten, von denen 
25 für Soldaten aus Partnerstaaten vorgesehen sind. Bis 2025 soll er 
jedoch auf bis zu 180 Posten, mit wiederum 75 für Partnerstaaten 
anwachsen. Denn aus dem konzentrierten, nationalen Stab mit 
internationalem Anteil soll bis dahin eine offizielle 
NATO-Kommandostruktur (BMCC, Baltic Maritime Component Command) für die 
Ostseeregion werden. DEU MARFOR soll dabei das „Kernelement“ dieses 
NATO-Marinekommandos bilden. Die Admirale in Rostock befehlen also in 
Zukunft nicht nur die gesamte deutsche Marine, sondern werden darüber 
hinaus auch NATO-Einsätze kommandieren. Aber nicht nur die Matrosen der 
NATO werden ihre Befehle in Zukunft aus Rostock erhalten. Das 
Marinekommando plant auch in anderem Rahmen und „auch in anderen 
Regionen“[12] multinationale Einsätze zu führen. Beispielsweise in der 
EU, oder aber auch einfach mit den anderen Ostsee-Anrainern (ausgenommen 
Russland natürlich). So etwa die im September 2019 abgehaltene Übung 
„Northern Coasts“. Diese Militärübung findet seit 2007 jährlich statt. 
2019 wurde sie vom DEU MARFOR geplant und kommandiert. Sie gilt als 
erster Testlauf des neuen Stabes. Das Szenario spricht dabei Bände über 
die Funktion des (NATO-)Marinekommandos in der Region: Ein Staat 
(gemeint ist Russland) besetzt eine Ostseeinsel und „bedroht“ damit die 
Seewege bis in den westlichen Teil der Ostsee hinein. Gleich bei erster 
Gelegenheit proben die Herren in Rostock also den Kampf mit Russland um 
die Kontrolle über die Ostsee. Die Seewege der Ostsee sind für die 
Anrainer nicht nur von wirtschaftlicher Bedeutung, sie haben darüber 
hinaus auch militärstrategische Relevanz: Sie sind die Verbindungslinien 
vom Atlantik zu den baltischen Staaten, von der NATO zu ihren östlichen 
Mitgliedern.

Fazit: Steigende Kriegsgefahr

Krieg gegen Russland, soweit ist es noch nicht. Relevanz hat das 
Marinekommando in Rostock jedoch schon jetzt. Schon heute organisiert es 
die Präsenz von Soldaten und Kriegsschiffen auf der Ostsee, und treibt 
damit die Militarisierung der Region voran. Schon heute organisiert es 
die militärische Zusammenarbeit der Anrainer-, EU- und NATO-Staaten und 
gliedert auch gerade die „neutralen“ Staaten Finnland und Schweden in 
den NATO-Block ein. Damit leistet es auch einen Beitrag zur 
militärischen Integration der EU-Staaten und treibt also die 
Militarisierung der EU voran. NATO und Deutschland bereiten sich auf 
einen Krieg mit Russland vor, und zwar schon lange nicht mehr nur auf 
dem Papier. Die Bundesregierung beteiligt sich tatkräftig an dieser 
Kriegstreiberei. Das hat Berlin mit dem Aufbau des Marinekommandos 
erneut eindeutig bewiesen. Wer nicht ernsthaft über einen Krieg in 
Osteuropa nachdenkt, wer einen Krieg mit der Atommacht Russland 
ausschließt, braucht auch kein NATO-Marinekommando in Rostock.

Anmerkungen

[1] vgl. Rede von Ursula von der Leyen auf der 55. Münchner 
Sicherheitskonferenz, 15.2.2019.
[2] vgl. Abschlusserklärung des NATO-Gipfels in Wales.
[3] vgl. Abschlusserklärung des NATO-Gipfels in Warschau.
[4] vgl. Abschlusserklärung des NATO-Gipfels in Brüssel.
[5] vgl. RAND Corporation, 2016: Reinforcing Deterrence on NATO’s 
Eastern Flank. Wargaming the Defense of the Baltics.
[6] Prominent wird in Deutschland die Sichtweise eines auf Aggression in 
Osteuropa ausgerichteten Russlands  zum Beispiel von dem ehemaligen 
hohen NATO-Offizier Heinrich Brauß und von Joachim Krause vertreten, dem 
Chef des „Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel“ 
(ISPK). Dem trat unter anderem der ehemalige 
Bundeswehr-Generalinspekteur entgegen: „Als ‚einseitig, unvollständig 
und einer rationalen Überprüfung nicht standhaltend‘ hingegen kritisiert 
der einstige Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Harald Kujat, vor 
allem die Schlussfolgerungen der Analyse. […] Das Szenario eines 
regional begrenzten Angriffs auf ein Nato-Mitgliedsland sei es ‚völlig 
absurd‘, sagte er im Gespräch mit FOCUS Online. Denn bei einem Angriff 
auf ein Natomitglied würde sofort der Bündnisfall erklärt, Russland 
riskierte also einen Konflikt mit der Nato. ‚Putin weiß, dass dies die 
völlige internationale Isolation zur Folge hätte - mit unübersehbaren 
politischen und wirtschaftlichen Folgen für das Land‘.“ ("Russland 
bereitet sich auf Kriege in Europa vor": So realistisch ist das 
Horror-Szenario, Focus.de, 15.7.2019)
[7] WikiLeaks cables reveal secret Nato plans to defend Baltics from 
Russia, The Guardian, 6.12.2010.
[8] vgl. Human Security Centre, 2018: Fire and Ice – A New Maritime 
Strategy for NATO's Northern Flank
[9] vgl. Wagner, Jürgen: Bundeswehr: Per Fähigkeitsprofil in den Neuen 
Kalten Krieg, in: AUSDRUCK (Oktober 2018).
[10] vgl. Konzeption der Bundeswehr, Berlin, 20.7.2018.
[11] Mal was Nettes für die Marine, Die Welt, 7.2.2019.
[12] Vgl. DEU MARFOR – unersetzlich für die Deutsche Marine der Zukunft, 
Pressemitteilung des Presse- und Informationszentrum Marine vom 18.06.2019.



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