[IMI-List] [0537] Broschüre: Bosnien: Neoliberale EU-Kolonie / Analyse: Atommacht EUropa? 7 AUSDRUCK (April 2019)
IMI-JW
imi at imi-online.de
Mi Apr 10 13:03:24 CEST 2019
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0537 .......... 22. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Martin Kirsch
Abo (kostenlos)........ IMI-List-subscribe at yahoogroups.com
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) der Hinweis auf eine Broschüre über die neoliberale
EU-Besatzungspolitik in Bosnien, die gratis bestellt werden kann;
2.) Alle Texte im neuen Ausdruck (April 2019)
3.) die neue IMI-Analyse „Atommacht EUropa? Per EU-Teilhabe zur
deutschen Atombombe?“
Zuvor aber noch ein kurzer Warnhinweis in eigener Sache: Aktuell werden
in unserem Namen Phising Mails verschickt: Bei Rechnungen bitte genau
auf den Absender schauen, der stammt nämlich nicht von uns
(imi at imi-online.de).
1.) Broschüre EU-Kolonie Bosnien
Die soeben erschienene Broschüre „EUropa und das neoliberale
Pilotprojekt Bosnien-Herzegowina: Krieg – Besatzung – Ausbeutung –
Repression“ (Informationen
zu Politik und Gesellschaft“, Nr. 16, März 2019) wird in Kooperation der
IMI mit der Europaabgeordneten Sabine Lösing herausgegeben und kann
gratis im Internet heruntergeladen werden:
https://www.imi-online.de/download/Bosnien-Broschuere-Web.pdf
Durch diese Zusammenarbeit kann die Printversion – gerne auch in
größerer Stückzahl – auch
kostenlos (wahlkampfbedingt nur bis 18. April 2019, also beeilen!) via
E-Mail bestellt
werden: hannover at sabine-loesing.de
INHALTSANGABE
Vorwort
Einleitung
1. Vom NATO-Krieg zum Protektorat
2. Neoliberaler Umbau im Protektorat
3. Assoziierungsabkommen: Fixierter Neoliberalismus und periphere
EU-Integration
4. Aufstand im neoliberalen Protektorat: Der bosnische Frühling 2014
5. Weiter wie bisher: Die Reformagenda der Internationalen Gemeinschaft
6. Proteste und (militärische) Kontrollversuche
Fazit
Gesamte Broschüre:
https://www.imi-online.de/download/Bosnien-Broschuere-Web.pdf
2.) AUSDRUCK (April 2019)
Gesamte Ausgabe hier:
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-April-2019-Web.pdf
INHALTSVERZEICHNIS
DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Deutsche Waffen töten im Jemen-Krieg. Was sagt die Bundesregierung?
(Lisa Klie)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-April-2019-LK.pdf
-- Rheinmetall: Ausweitung der Produktion und der Proteste (Jacqueline
Andres)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-April-2019-JA.pdf
-- Ins gemachte Netz gesetzt: Bundeswehr steigt ins Digitalfunknetz der
zivilen Sicherheitsbehörden ein (Martin Kirsch)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-April-2019-MK.pdf
-- „Selbstbehauptung oder Fremdbestimmung“: Münchner
Sicherheitskonferenz – Aufrüstung als Gebot der Stunde (Jürgen Wagner)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-April-2019-JW.pdf
DROHNEN & IT
-- Altmaiers Industriestrategie: Auf dem Weg zum KI-Airbus (Christoph
Marischka)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-April-2019-CM.pdf
-- US-Drohnenkrieg und zivile Opfer: Zurück in die Intransparenz (Marius
Pletsch)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-April-2019-MP.pdf
EU-MILITARISIERUNG
-- „Liberté, Égalité, Flashball“ – Die militarisierte Repression der
französischen Gelbwestenbewegung (Sven Wachowiak)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-April-2019-SV.pdf
-- Atommacht EUropa? Per EU-Teilhabe zur deutschen Atombombe? (Claudia
Haydt)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-April-2019-CH.pdf
-- Rule Britannia? Brexit, Global Britain und post-imperiale Hybris
(Jürgen Wagner)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-April-2019-JW-Empire.pdf
BEILAGE
-- Fact Sheet: Drohnen – Überwachen und Töten auf Distanz (IMI)
https://www.imi-online.de/download/Fact-Sheet-Drohnen-Feb19.pdf
3.) IMI-Analyse: Atommacht EUropa?`
IMI-Analyse 2019/13
Atommacht EUropa?
Per EU-Teilhabe zur deutschen Atombombe?
https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2019-13-Atom-Web.pdf
https://www.imi-online.de/2019/04/10/atommacht-europa/
Claudia Haydt (10. April 2019)
Das Ende des INF-Vertrages hat die Problematik der atomaren Rüstung
oder gar eines neuen atomaren Rüstungswettlaufs wieder auf die
politische Tagesordnung gebracht. Das Thema war indes, trotz einer
vorübergehenden relativen Entspannung zwischen den großen Atommächten,
nie ganz von der Tagesordnung verschwunden. In den letzten Jahren wurde
jedoch – wenn überhaupt – dann das Atomprogramm Nordkoreas oder ein
mögliches Programm des Iran diskutiert. Die in Europa nach wie vor
vorhandenen Atomwaffen waren leider nur ein Thema weniger Spezialisten
und Aktivisten. US-amerikanische und Europäische Atompläne werden viel
zu selten diskutiert, obwohl sie die Gefahr eines Atomkrieges deutlich
anheizen. In diesem Kontext könnte auch eine alte Protokollnotiz aus dem
Jahr 1974 noch heute eine Rolle spielen und sogar den deutschen Zugriff
auf eine "europäische Bombe" möglich machen. Sie bildet die Grundlage
für Bestrebungen, dass sich Deutschland an einer „Europäisierung“ der
französischen Atomwaffen beteiligen könnte, wie sie jüngst zum Beispiel
vom einflussreichen Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang
Ischinger, gefordert wurde: „Die atomaren Einsatz-Optionen Frankreichs
sollten nicht nur das eigene Territorium, sondern auch das Territorium
der EU-Partner mit abdecken.“ (n-tv, 09.02.2019)
Das Ende des INF-Vertrags
Vorab werde ich kurz auf den INF-Vertrag eingehen: Sein Abschluss 1987
hatte und hat hohe praktische und symbolische Bedeutung. Es ging nicht
allein um die Begrenzung, sondern vor allem um den Abzug atomarer
Mittelstreckenraketen aus Europa. Betroffen waren Raketen mit einer
Reichweite von 500 bis 5.500 Kilometern. Interkontinentalraketen und
taktische Waffensysteme mit kürzerer Reichweite waren von den Regelungen
ausgenommen.
Die Mittelstreckenraketen und deren Stationierung waren das zentrale
Thema des Rüstungswettlaufs in den 1980er Jahren. Deswegen hatte die
Beendung des Wettrüstens in diesem Bereich eine so hohe Bedeutung. An
der Frage der Mittelstreckenraketen bekam der Weg von Abrüstung und
Vertrauensbildung praktische Relevanz. Umgekehrt hatte die spätere
Entscheidung der USA und der NATO-Staaten, ein System zur Abwehr
ballistischer Raketen aufzubauen, eine verheerende Wirkung für die
Stabilität dieses Abkommens.
Die Problematik dieses Schrittes lässt sich am besten im Rückgriff auf
die Zeit des Schwertkampfes erläutern. Wenn ein Abkommen regelt, welche
und wie viele Schwerter jede Seite haben darf, dann bringt der Einsatz
von Schilden die Balance aus dem Gleichgewicht. Ohne Schild muss jede
Seite die angreift einkalkulieren, dass sie selbst verwundbar ist. Mit
einem Schild lassen sich solche Gegenschläge wenigstens teilweise
abfangen und offensive Kampfszenarien werden wieder denkbar und gewinnen
seit der US-Aufkündigung des Vertrags zum Verbot von
Raketenabwehrsystemen im Juni 2002 immer weiter an Bedeutung. Russland
hat zudem den USA vorgeworfen, dass deren Kampfdrohnen zwischenzeitlich
so leistungsfähig seien und sie eine so hohe Nutzlast tragen könnten,
dass sie de facto eine vergleichbare Wirkung entfalten könnten wie
Mittelstreckenraketen. Auf diese und andere Weise, so der Vorwurf,
hätten die USA seit langer Zeit den INF-Vertrag unterlaufen.
Umgekehrt gibt es den Vorwurf an Russland, seinerseits in jüngster Zeit
den bodengestützten Marschflugkörper Novator 9M729 (NATO-Name: SSC-8)
mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern entwickelt zu haben und
dadurch den Westen Europas zu bedrohen. Letzteres war der erklärte
Anlass dafür, dass Trump im Oktober 2018 am Rande einer
Wahlkampfveranstaltung in Nevada erklärte, der INF-Vertrag wäre nutzlos
und die russische Seite hätte ihn ohnehin schon gebrochen. Trump hat
dabei vollständig ignoriert, welche hohe symbolische und befriedende
Wirkung der Vertrag hat.
Trump zielte bei seinem Vorgehen möglicherweise nicht nur auf Russland,
sondern auf den Rivalen China, der nicht von diesem Vertrag erfasst ist,
da China 1987 nicht zu den wettrüstenden Großmächten gehörte.
Offensichtlich gibt es die Hoffnung von Teilen der US-Administration,
dass nach dem Zerbrechen des INF-Vertrags eine neue Abmachung möglich
ist, die auch die chinesische Rüstung reglementiert. Das ist allerdings
ein hoch riskanter Schachzug.
Mit der Zerstörung des INF-Vertrags verlieren die USA zusätzlich an
Glaubwürdigkeit als Vertragspartner, die ohnehin schon unter anderem
durch den Bruch des Abkommens mit dem Iran gelitten hat. Wie stark der
Wille der USA zur Einhaltung zukünftiger Verträge ist, darf angesichts
dieser und anderer Erfahrungen durchaus hinterfragt werden. In jedem
Fall fördert das US-Gebaren die Bereitschaft anderer Länder, sich auf
Rüstungskontrollverträge einzulassen, in keiner Weise – im Gegenteil.
Steigende Atomkriegsgefahr
Kurz- bis mittelfristig muss nun mit einer Neustationierung von
Atomwaffen in Europa gerechnet werden. Von Seiten der USA wurde dies
bereits angedroht und russische Gegendrohungen gibt es ebenfalls. Für
die Friedensbewegung mag dies die Mobilisierung gegen den neuen
Rüstungswettlauf zwar leichter machen, das ist jedoch angesichts der
zunehmenden Gefahr einer militärischen Konfrontation zwischen NATO und
Russland ein schwacher Trost.
Wegen der extrem kurzen Vorwarnzeiten beim Einsatz von
Mittelstreckenraketen ist schon allein die Gefahr von Unfällen, von
Missverständnissen und schlussendlich von versehentlich ausgelösten
Kriegen extrem hoch. Dies ist einer der Gründe, warum die so genannte
Weltuntergangsuhr (Doomsday Clock) zurzeit auf 2 Minuten vor 12 steht.
So gefährlich haben die beteiligten Wissenschaftler die Weltlage nur
einmal zuvor, in den 1950er Jahren, eingeschätzt.
In der deutschen politischen Debatte wurde das Ultimatum an die
russische Regierung, innerhalb von 60 Tagen das Novator-Programm
einzustellen, als Kompromiss zwischen der US-Position (sofortiger
Austritt) und dem Verbleib im INF-Vertrag gefeiert. Die NZZ (5.12.2018)
formuliert die Problematik wie folgt: „Eine Kündigung des Abkommens
trägt nichts dazu bei, die illegale Stationierung russischer
Marschflugkörper mittlerer Reichweite rückgängig zu machen. Im
Gegenteil: Moskau könnte dann diese Aufrüstung ganz offen und in weitaus
größerem Ausmaß weiterführen.“
Wir erleben im Moment keine Deeskalation, sondern eine gefährliche
Eskalation und den Einstieg in einen verstärkten konventionellen und
nuklearen Wettlauf. Wer atomar rüstet, begibt sich in die gefährliche
militärische Logik, dass die atomare Abschreckung glaubwürdig sein muss.
Das heißt: Wer atomar rüstet, muss seine Bereitschaft diese Waffen auch
einzusetzen, plausibel erscheinen lassen.
Wenn wir über Atomwaffen reden, dann reden wir wohl über die
unmenschlichste Waffe, die jemals erfunden wurde. Deswegen ist die
aktuelle Eskalation auch eine, die wir nicht ignorieren dürfen. Wie
bereits erwähnt, wurde die Eskalation mit dem Aufbau des
NATO-Raketenschilds eingeleitet. In Ramstein befindet sich übrigens das
Kommando- und Kontrollzentrum des NATO- Raketenprogramms, das ohne die
dortige Infrastruktur nicht einsatzfähig wäre.
Global gesehen gibt es mehrere solcher Installationen. Eine relative
neue befindet sich in Südkorea (THAAD). An der Positionierung lässt sich
auch die Aufgabe dieser Programme ableiten: Es geht um ein militärisches
Containment von Russland und China sowie um den Erhalt der
US-amerikanischen Interventionsfähigkeit.
Im Kontext dieser Konfrontation tauchen in letzter Zeit immer wieder
mediale Impulse auf wie die folgende Überschrift aus der Welt am Sonntag
(29.12.2017): „Brauchen wir die ‚EU-Bombe‘?“
Der Artikel erinnert daran, dass der frühere Außenminister Guido
Westerwelle den Abzug der US-Atombomben aus Deutschland gefordert hatte
und postuliert, dass daran heute niemand mehr denken würde. Die Autorin,
Martina Meister, fordert als Konsequenz aus der Krimkrise und der
unkalkulierbaren Politik von Trump, dass Europa atomar auf eigenen Füßen
stehen solle.
Die Autorin übersieht dabei, dass die globale Schieflage mit noch mehr
Waffen nicht auflösbar ist, sondern allein durch Abrüstung und
Vertrauensbildung. Dabei ist es notwendig, an bestehende globale
Abrüstungsmechanismen anzuknüpfen und nicht, diese zu zerstören.
Die Grenzen des Nichtverbreitungspaktes
Durch den Nichtverbreitungspakt ist es gelungen, dass eine Reihe von
atomaren Schwellenländern auf diese Fähigkeiten verzichtet und wie
Südafrika sogar auf bereits vorhandene Waffensysteme verzichtet haben.
Die Erfahrungen von Schwellenländern, auf Fähigkeiten im Bereich von
Massenvernichtungswaffen zu verzichten, sind jedoch nur begrenzt
ermutigend, wie man am Beispiel Libyens und Iraks sehen konnte.
Dem Vertrag ist es außerdem nicht gelungen, die vollständige Abrüstung
der bisherigen Atommächte auch nur in greifbare Nähe zu bringen. Die
Federation of Atomic Scientists geht davon aus, dass die USA im Moment
im Besitz von 6.550 Atomsprengköpfen sind, und Russland wird ein Bestand
von 6.409 zugerechnet. Das sind Bestände, die mehr als ausreichend
dafür wären, das menschliche Leben auf der Erde vollständig auszulöschen.
Der Nichtverbreitungspakt ist damit deutlich an seine Grenzen gekommen
und er wird etwa durch die Tatsache, dass Deutschland durchaus als
atomares Schwellenland bezeichnet werden könnte, weiter strapaziert.
Denn Deutschland verfügt über atomwaffenfähiges Material, zivile
Atomkraftwerke und Anlagen zur Anreicherung von Uran, die zusammen auch
den potentiellen Zugriff auf die Atomwaffe ermöglichen: „Nuclear Power
powers The Bomb“, ist der Slogan mit dem die Anti-Atom-Bewegung
International auf diese Problematik aufmerksam macht. Allerdings
existieren sowohl national als auch international erhebliche Widerstände
gegenüber einer rein nationalen deutschen Atombombe, weshalb auf
allerlei Wegen versucht wird, sich auf andere Weise einen Zugriff zu
verschaffen.
Der Nichtverbreitungspakt wird dabei etwa mit dem Konzept der atomaren
Teilhabe vielfach unterlaufen. Dass deutsche Piloten mit deutschen
Flugzeugen und in Deutschland gelagerten Atomwaffen deren Einsatz für
den Ernstfall üben, ist ein klarer Vertragsverstoß. Trotzdem wird mit
Verweis darauf, dass diese Waffen ja im US-Besitz seien, ein deutscher
Vertragsbruch zurückgewiesen.
Das Konzept der atomaren Teilhabe ist leider kein Auslaufmodell, sondern
eines, das möglicherweise zukünftig auch im Rahmen der EU zum Einsatz
kommen könnte. Frankreich ist im Moment im Besitz von 10 Atomwaffen,
die von Flugzeugen abgeworfen werden können. 250 der französischen
Atomwaffen sind seegestützt und 40 stationäre Interkontinentalraketen.
Auf diese Waffen haben manche deutsche Sicherheitspolitiker schon länger
ein Auge geworfen, auch um dieses Potential noch auszubauen.
Gefährliche Nachrüstung in Büchel
Im rheinland-pfälzischen Büchel sind 20 US-Atomwaffen gelagert, die bis
2020 ausgetauscht werden sollen. Öffentlich wird von einer
Modernisierung dieser Bomben gesprochen. Konkret handelt es sich jedoch
um die Stationierung einer neuen Generation von Atomwaffen. Die
Einsatzoptionen ändern sich dadurch grundlegend. Momentan sind es
verfallende Bomben, deren Einsatz durch die Reichweite der veralteten
Trägersysteme – Tornado-Kampfflugzeuge – deutlich begrenzt ist. Die
Existenz dieser Waffen in Deutschland ist gefährlich, dennoch ist die
Einsatzwahrscheinlichkeit nicht allzu hoch. Bei der neuen Generation
B61-12 handelt es sich jedoch um so genannte smarte Bomben, was
natürlich nicht bedeutet, dass es klug wäre diese Waffen einzusetzen,
sondern dass diese in ihr Ziel gesteuert werden, Bunker brechen können
und dass die atomare Sprengkraft skaliert werden kann. 50 Kilotonnen
beträgt die maximale Sprengkraft, die minimale 5 Kilotonnen. Letzteres
ist dennoch mehr, als in Hiroshima zum Einsatz kam. Die neuen Bomben
wiegen etwa 350 Kilogramm damit gehört diese Waffen nicht zu den
Schwergewichten unter den Bomben. Wie bereits erwähnt, gibt es den
russischen Vorwurf, dass mit US-Drohnen der INF-Vertrag unterlaufen
wird. Angesichts der Nutzlast von über 1.000 Kilogramm, die manche
US-Drohnen befördern können, erscheint dieser Vorwurf nicht völlig aus
der Luft gegriffen. In einem Artikel im National Interest (9.10. 2018)
nennt Zachary Keck die B61-12 „die gefährlichste" Atomwaffe. Nicht weil
sie die größte wäre, denn es gibt Atomwaffen mit deutlich höherer
Sprengkraft, sondern weil sie so variabel, vielseitig einsetzbar ist und
mit Zielabweichungen von maximal 30 Metern sehr präzise. Damit scheint,
aus militärischer Sicht, der Einsatz kalkulierbar und vertretbar. Damit
wird die Schwelle für ihren Einsatz deutlich gesenkt und die Idee eines
„führbaren" Atomkriegs ist damit greifbarer als mit der älteren
Generation dieser Waffe.
Was bedeutet diese Neustationierung für Deutschland? Bisher wird die
Nukleare Teilhabe mit Tornados eingeübt. Deutsche Militärs gehen davon
aus, dass die veralteten Tornados spätestens ab 2025 nicht mehr zum
Einsatz kommen können. Die Vorstellung von Ursula von der Leyen bestand
darin, dass die Eurofighter so umgerüstet werden können, dass sie als
Trägersysteme geeignet sind. Eine entsprechende Anfrage beim Pentagon
wurde (bisher) allerdings nicht positiv beschieden. Die
US-Administration würde gerne eigene Kampfflugzeuge an die Bundeswehr
verkaufen, während das Verteidigungsministerium vorzugsweise eigene
Trägersysteme entwickelt und einsetzt. Unter der Prämisse, dass die
deutsche Regierung nicht auf die atomare Teilhabe verzichten will,
stellt sich die Frage, welche Optionen dann weiter verfolgt werden. Am
intensivsten wird ein Projekt diskutiert, das im Kontext von PESCO
(Ständige Strukturierte Zusammenarbeit) entwickelt wird, das so genannte
Future Combat Air System (FCAS). In einer gemeinsamen
deutsch-französischen Erklärung wurde dies bereits zum Thema gemacht und
die ersten Entwicklungsverträge wurden im Februar 2019 abgeschlossen.
Dieses neue Kampfflugzeug soll nach dem Willen der Beteiligten auch als
atomares Trägersystem fungieren können.
Für den Fall, dass US-amerikanische Atomwaffen in das FCAS integriert
werden sollen, müssten sämtliche Konstruktionsdetails an die
US-amerikanischen Partner übermittelt werden, um eine Zertifizierung zu
ermöglichen. Vor dem Hintergrund der rüstungsindustriellen Rivalität von
Lockheed Martin und dem europäischen Airbus Konzern, gibt es von Seiten
der Industrie einige Vorbehalte gegenüber der Weitergabe sensibler
Konstruktionsdaten an die USA.
Eine europäische Atomwaffe?
Eine Lösung für das Dilemma wäre, eine die vollständig in der Hand der
europäischen Partner liegt, also europäische Kampfflugzeuge bestückt mit
europäischen Atombomben. Dieses Szenario wird von deutschen und
französischen Sicherheitspolitikern diskutiert und ist besonders für
diejenigen, die eine noch stärkere deutsche Militärmacht favorisieren,
attraktiv.
Bevor ich dieses Thema wieder aufgreifen werde, möchte ich kurz an die
deutsche Geschichte erinnern. Es ist bekannt, dass es bereits zu Zeiten
des Nationalsozialismus Programme gab, um eine deutsche Atomwaffe zu
entwickeln. Auch im Nachkriegsdeutschland, unter Verteidigungsminister
Franz Josef Strauß, entwickelten sich wieder atomare Begehrlichkeiten.
Glücklicherweise gab es damals renommierte Atomwissenschaftler, die
diese Pläne in aller Deutlichkeit öffentlich angriffen. Außerdem gab es
damals starken Gegenwind aus Frankreich (Matthew Karnitschnig, German
bomb debate goss Nuclear, Politico, 8.3.2018). Charles de Gaulle wollte
Frankreich als die zentrale und möglichst auch einzige Atommacht auf dem
westeuropäischen Kontinent verankern. In jüngerer Vergangenheit hat sich
diese französische Haltung jedoch etwas verändert und der damalige
Präsident Sarkozy hatte 2007 ein Angebot an die deutsche Regierung
gemacht, über die französische Waffen mit verfügen zu können, im
Gegenzug für eine substantielle finanzielle deutsche Beteiligung
(Spiegel Online, 15.9.2007).
Damals wurde das Angebot in Berlin nicht positiv aufgegriffen, was sich
aber dann vor etwa 2 Jahren durch einen CDU-Politiker änderte. Roderich
Kiesewetter fragte den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen
Bundestages, ob es völkerrechtliche Hindernisse gäbe, die einer
Ko-Finanzierung von Atomwaffen durch Deutschland im Wege stünden
(Wissenschaftliche Dienste, Völkerrechtliche Verpflichtungen
Deutschlands beim Umgang mit Kernwaffen, 23.5.2017). Die Antwort wurde
in Deutschland medial kaum zur Kenntnis genommen. Auch wenn die Idee
einer EUropäischen Abschreckung „Euro Deterrence“ später von Wolfgang
Ischinger und anderen aufgegriffen wurde (Karnitschnig a.a.O.).
International gab es einen größeren Widerhall, in der New York Times
(5.7.2017) etwa konnte man lesen: „Ein europäisches
Nuklearwaffenprogramm wäre legal, besagt eine deutsche Prüfung.“
Das 11seitige Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes kommt zu dem
Schluss: „Im Ergebnis schließt die fehlende Staatspraxis eine
Möglichkeit zur Finanzierung ausländischer Atomwaffenpotentiale
rechtlich nicht aus. Auch aus dem allgemeinen Völkerrecht ergibt sich
derzeit (!) kein Finanzierungs- und Unterstützungsverbot für
ausländische Atomwaffenpotentiale.“ Zusätzlich wurde in dem Gutachten
die Frage erörtert, ob dies über den EU-Haushalt finanziert werden
könnte. Der Wissenschaftliche Dienst wies darauf hin, dass es einen
EU-Verteidigungshaushalt, der vergleichbar mit den nationalen Haushalten
wäre, nicht gäbe.
An dieser Antwort zeigt sich, wie dynamisch sich die EU Militärpolitik
zur Zeit entwickelt. Der Text wurde 2016 geschrieben. Zwischenzeitlich
liegt ein Entwurf für den nächsten mehrjährigen EU-Haushalt (2021-2027)
vor, der de facto einen umfangreichen europäischen Rüstungsetat –
Verteidigungsfonds genannt – beinhaltet. Über einen Vorläufer wird
bereits unter anderem die Erforschung und Entwicklung der waffenfähigen
Eurodrohne finanziert und auch für das FCAS gibt es fortgeschrittene
Überlegungen, es maßgeblich über den künftigen Verteidigungsfonds
mitfinanzieren zu lassen.
Der European Council on Foreign Relations (ECFR) hat einen ganzen
Artikel der Frage gewidmet, ob die Europäische Union eine Nuklearmacht
werden könnte (Manuel Lafont Rapnouil et al: Can Europe be a nuclear
power? ECFR, 3.9.2018). Die Welt (27.7.2018) geht noch einen Schritt
weiter und postuliert: „Eine Nuklearmacht Deutschland stärkt die
Sicherheit des Westens".
Gleichzeitig entsteht mit dem Atomwaffenverbotsvertrag, auf den unten
noch weiter eingegangen werden soll, eine völkerrechtliche Grundlage,
die eine Finanzierung von Atomwaffen unterbinden würde.
Eine Protokollnotiz als deutsche Hintertür
Eine deutsche Atomwaffe mag für einige Militaristen attraktiv sein, sie
würde jedoch schlichtweg zum Kollaps des Nichtverbreitungspaktes führen.
Warum wird diese Forderung dennoch aufgestellt? Der
Nichtverbreitungspakt wird in Deutschland traditionell
Atomwaffensperrvertrag genannt. Das mag auch der Sichtweise derjenigen
entsprochen haben, die 1974 den Vertrag ratifiziert haben. Sie sahen ihn
teils als Hindernis für den deutschen Zugriff auf die Atombombe.
Der Vertrag verpflichtet zur Einstellung der Produktion von Atomwaffen
und zur Auflösung vorhandener Potentiale. Unglücklicherweise geschieht
dies aber ohne zeitliche Vorgaben, so dass die gängige Reaktion der
NATO-Staaten darin besteht, mindestens so lange Atomwaffen haben zu
wollen, wie es noch andere Potentiale gibt. In Artikel 2 werden
Nichtatomwaffenstaaten dazu verpflichtet, die Verfügungsgewalt über
Atomwaffen von niemandem mittelbar oder unmittelbar anzunehmen. Das
schließt, nicht nur nach meiner Interpretation die Nukleare Teilhabe
aus, egal ob im Rahmen der NATO oder der EU.
Weil der Nichtverbreitungspakt einen guten Ansatz hatte, aber nun seit
Jahrzehnten stagniert, haben zahlreiche NGOs, aber auch Staaten die
Initiative ergriffen, einen zusätzlichen Vertrag zu initiieren, der
Atomwaffen vollständig ächtet. Dafür diesen Atomwaffenverbotsvertrag auf
den Weg zu bringen, hat ICAN glücklicherweise den Friedensnobelpreis
bekommen. Eine Unterzeichnung des Vertrags wird in Deutschland durch
eine große Mehrheit in der Bevölkerung unterstützt (German public
rejects nuclear weapons, ICAN, 23.3.2016). Die deutsche Regierung hat
jedoch weder an den Verhandlungen über den Vertragstext teilgenommen
noch hat sie sich jemals positiv darauf bezogen.
Woher kommt die vehemente Ablehnung dieses Vertrags? Dabei spielt
offensichtlich die NATO-Bündnissolidarität eine Rolle, aber
möglicherweise auch militaristisches Eigeninteresse. Aufschluss darüber
kann die Protokollnotiz geben, die Deutschland 1974 bei der
Unterzeichnung des Nichtverbreitungspaktes hinterlegt hat.
„The government of the federal Republic of Germany states that no
provision of the Treaty may be interpreted in such a way as to hamper
the further development of European unification, especially the creation
of a European Union with appropriate competence."
Sinngemäß hält diese Notiz fest, dass keine einzige Regelung des
Vertrags so interpretiert werden darf, dass sie eine europäische
Einigung und besonders eine Europäische Union mit entsprechenden
Atomwaffen-Kompetenzen einschränkt. Eine Protokollnotiz gibt den Rahmen
vor, unter dem die Zustimmung zu einem Vertrag stattfindet.
In anderen Worten, alles was Deutschland in Bezug auf den
Nichtverbreitungspakt zugesagt hat, verhindert nicht, dass Deutschland
im Kontext einer EU-Militärunion auch die (Mit-)Verfügungsgewalt über
eine gemeinsame Atomwaffe haben könnte. Mit dieser Notiz hat die
damalige deutsche Regierung es ermöglicht, dass Deutschland die Option
des Zugriffs auf Atomwaffen nicht vollständig aufgeben musste.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung stand die Atomwaffenfrage dann
wieder auf der Tagesordnung. Damals hatte die deutsche Regierung im
Rahmen des Zweiplusvier-Vertrags wiederum zugesagt, keine Atomwaffen
anschaffen zu wollen. Das wurde ergänzt um die Passage: „Insbesondere
gelten die Rechte und Verpflichtungen aus dem Vertrag für
Nichtverbreitung von Kernwaffen … für das vereinte Deutschland fort".
Das bedeutet auch, dass im de facto Friedensvertrag Deutschlands nicht
nur der Nichtverbreitungspakt, sondern auch die zugehörige
Protokollnotiz fortgilt. Damit bleibt die Option einer europäischen
Atomwaffe mit substantiellem deutschem Zugriff auf der Tagesordnung.
Deutsche und EU-Atomwaffen stoppen!
Gleichzeitig erklärt dies auch die deutsche Ablehnung des
Atomwaffenverbotsvertrags. Am 7. Juli 2017 wurde dieser Vertrag mit
großer Mehrheit bei den Vereinten Nationen angenommen. Er enthält ein
vollständiges Verbot der Lagerung, der Produktion, des Einsatzes, des
Transports und selbst der Finanzierung von Atomwaffen. Sobald 50
Staaten diesen Vertrag ratifiziert haben, tritt er in Kraft – Stand März
2019 haben ihn 70 Staaten unterzeichnet und 22 ratifiziert.
Wenn er rechtlich verbindlich wird, dann sind die heutigen
Atomwaffenpotentiale noch nicht aufgelöst, aber es wird zunehmend
schwieriger werden Atomwaffen zu entwickeln, sie zu transportieren oder
ihren Einsatz zu üben. Sollte Deutschland den Vertrag ratifizieren,
müssten die US-Atomwaffen abgezogen werden, europäische Optionen wären
vom Tisch, Transporte durch den deutschen Luftraum und die Finanzierung
von Atomwaffen durch deutsche Finanzinstitute wären rechtswidrig.
Insgesamt ist die Mobilisierungsfähigkeit für diesen Vertag in der
Gesellschaft sehr hoch. Diesen Rückenwind müssen wir für eine weitere
Mobilisierung nutzen, denn der Vertrag ist notwendig, um aus den Träumen
der deutschen Militaristen keine realen Alpträume werden zu lassen.
Bei diesem Artikel handelt es sich um eine aktualisierte Variante des
Vortrags „Atomare Aufrüstung und aufkeimender Widerstand“, der auf dem
letzten IMI-Kongress gehalten wurde.
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