[IMI-List] [0534] Münchner Sicherheitskonferenz: Rede und Auswertung

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Di Feb 19 17:06:09 CET 2019



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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0534 .......... 22. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Martin Kirsch
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich zur Münchner Sicherheitskonferenz am 
vergangenen Wochenende

1.) die Rede von IMI-Vorständin Claudia Haydt auf der Gegendemonstration;

2.) eine Auswertung zur Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen 
Wochenende.


1.) Rede auf der Demonstration gegen die Münchner Sicherheitskonferenz

IMI-Standpunkt 2019/009
Nein zu Krieg und Atomarer Aufrüstung
Rede bei den Protesten gegen die Münchner Sicherheitskonferenz 2019
https://www.imi-online.de/2019/02/19/nein-zu-krieg-und-atomarer-aufruestung/ 

Claudia Haydt (19. Februar 2019)


2.) Auswertung der Konferenzbeiträge

IMI-Analyse 2019/08
„Selbstbehauptung oder Fremdbestimmung“
Münchner Sicherheitskonferenz – Alternativlose Aufrüstung als Gebot der 
Stunde
https://www.imi-online.de/2019/02/19/selbstbehauptung-oder-fremdbestimmung/
https://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2019-8-SiKo.pdf
Jürgen Wagner (19. Februar 2019)

Betrachtet man sich Titel und Inhalt der letzten beiden „Munich Security 
Reports“ (MSR), die seit einiger Zeit als Aufgalopp unmittelbar vor 
Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo) veröffentlicht werden, 
fühlt man sich unweigerlich an den alten Spruch erinnert: „Gestern stand 
die Regierung am Abgrund – heute ist sie einen Schritt weiter!“ So 
lautete der letztjährige MSR-Titel „Am Abgrund? Und wieder zurück?“, 
während in der aktuellen Überschrift überdeutlich zum Ausdruck gebracht 
wird, dass das Kind bereits in den sicherheitspolitischen Brunnen 
gefallen ist und es jetzt darum geht, die Scherben aufzusammeln: „Das 
große Puzzle: Wer sammelt die Teile ein?“[1]

Allerdings ist es ja nicht gerade neu, dass sich die Konflikte mit 
Russland und China seit Jahren kontinuierlich und gefährlich 
verschärfen. Neu ist allerdings, wie deutlich in jüngster Zeit die Risse 
– ja Gräben – innerhalb des Westens zu Tage treten. Dies zeigte vor 
allem die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel und die direkt daran 
anschließenden Ausführungen von US-Vizepräsident Mike Pence. Die taz 
brachte die diesbezüglich in München dominierende Grundstimmung griffig 
auf den Punkt: „Die transatlantischen Beziehungen – im Eimer. 
Multilateralismus – am Ende. Wie weit der Westen auf den Hund gekommen 
ist, zeigt sich jetzt.“

Aus welchem Grund die Rede der Kanzlerin allerdings allenthalben 
hochgelobt wurde, bleibt etwas fraglich. Konflikte benennen ist die eine 
Sache, konstruktive Lösungen, die über sinnlose Appelle hinausreichen, 
vorzulegen, die andere – und gerade hieran herrschte in München absolute 
Mangelware. Und wenn einem nicht viel einfällt (oder einfallen will), 
wie man aus dem Schlammassel – den man in Teilen ja auch selbst mit zu 
verschulden hat – wieder herauskommt, dann greift man auf scheinbar 
Altbewährtes zurück: Aufrüstung!

Schon im Vorfeld gab die MSC die Marschroute vor, indem sie den 
Teilnehmern und der Öffentlichkeit ins Stammbuch schrieb, man schlittere 
in eine „neue Ära des Großmächtewettbewerbs“, in der es primär um die 
„Selbstbehauptung Europas“ gehe. Fünf Themen beherrschten 
dementsprechend die Konferenz: Erstens die zunehmenden Konflikte mit 
Russland (China spielte eher eine geringere Rolle); zweitens die eng 
damit zusammenhängende Frage, wie auf die absehbare Aufkündigung des 
INF-Vertrages reagiert werden soll; drittens der weitere Ausbau der 
militärischen EU-Strukturen, der sowohl als Reaktion auf die Konflikte 
mit Russland als auch mit Blick auf viertens das zunehmend angespannte 
Verhältnis zu den USA für erforderlich gehalten wird; und schließlich 
fünftens, wie eigentlich immer in den letzten Jahren: Das Geld!

1. Großkonkurrenz mit Russland

Den Auftakt der vom 15. bis 17. Februar 2019 stattfindenden Konferenz 
bestritten Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr 
britischer Amtskollege Gavin Williamson. Der hat sich seit einiger Zeit 
unter dem Schlagwort „Global Britain“ die „Verteidigung“ der 
„Regelbasierten Internationalen Ordnung“ auf die Fahnen geschrieben. In 
diesem Zusammenhang kündigte er in einer Grundsatzrede am 11. Februar 
2019 einen erheblichen Ausbau der militärischen Präsenz seines Landes 
u.a. in der indo-pazifischen Region an. Mit Blick auf Russland machte er 
in seiner SiKo-Rede keinen Hehl daraus, dass er das Land als einen 
Widersacher des Westens sieht: „30 Jahre nach dem Fall der Berliner 
Mauer“, so Williamson, sei der „alte Feind wieder zurück im Spiel.“ Es 
sei erforderlich, „ihren Provokationen zu begegnen [….]. Das russische 
Abenteurertum muss einen Preis haben.“ Moskau müsse „sich von diesem 
Pfad abkehren“ und wieder „beginnen, innerhalb der Regelbasierten 
Internationalen Ordnung zu agieren.“ Im Gegensatz zu solch aggressiver 
Dampfplauderei mussten sich von der Leyens Ausführungen vergleichsweise 
vernünftig anhören. Doch auch sie beklagte die „Wiederkehr der 
Konkurrenz großer Mächte“, um im nächsten Atemzug klarzustellen: „Ob wir 
wollen oder nicht, Deutschland und Europa sind Teil dieses 
Konkurrenzkampfs. Wir sind nicht neutral.“

Den Gegenpart übernahm einmal mehr der russische Außenminister Sergei 
Lawrow, der auf die unzähligen Konflikte verwies, in denen Russland aus 
seiner Sicht – und absolut nicht zu Unrecht – mit feindseligen Aktionen 
der NATO konfrontiert wurde. Er spannte dabei den altbekannten Bogen vom 
Bruch des Anfang der 1990er gegebenen Versprechens keine 
NATO-Osterweiterung vorzunehmen, über die völkerrechtswidrige 
NATO-Bombardierung Jugoslawiens Ende der 1990er und die seit Jahren im 
Aufbau befindliche US-Raketenabwehr bis hin zum Machtwechsel in der 
Ukraine, den  Lawrow – erneut durchaus nachvollziehbar – als „Putsch“ 
bezeichnete. Auf den eigentlichen Kern dieser Auseinandersetzungen kam 
Lawrow gleich zu Beginn seiner Rede recht unverblümt zu sprechen: „[D]ie 
Internationalen Beziehungen befinden sich in einer Phase radikalen 
Wandels, der mit der These von einem ‚Ende der Geschichte‘ aufräumt.“

Der russische Außenminister spielte hier auf Francis Fukuyamas Anfang 
der 1990er aufgestellte These vom ultimativen Sieg der westlich 
dominierten neoliberalen „Regelbasierten Internationalen Ordnung” an. 
Die Tatsache, dass diverse Staaten diesen Sieg nicht bedingungslos 
anerkannt und sich untergeordnet in diese Ordnung integriert haben, 
stellt den Hintergrund für die wachsenden Konflikte zwischen dem Westen 
und Russland (sowie China) dar. Und einer der wohl wichtigsten 
Schauplätze, auf dem dieser Konflikt aktuell ausgetragen wird, ist die 
atomare Rüstungskontrolle – bzw. ihr absehbares Ende.

2. INF-Vertrag: Alle (nuklearen) Optionen offen?

Völlig einig waren sich sämtliche westlichen Vertreter, dass allein 
Russland für die Suspendierung (und in sechs Monaten wohl Kündigung) des 
INF-Vertrags zum Verbot subatomarer landgestützter Mittelstreckenraketen 
(Reichweite 500 bis 5.500km) seitens der USA verantwortlich zu machen 
sei. So betonte Angela Merkel in ihrer Rede, nach „jahrelangen 
Verletzungen der Vertragsbedingungen durch Russland“ sei „diese 
Kündigung unabwendbar gewesen.“

Es blieb aber vor allem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg 
vorbehalten, Russland auf der Sicherheitskonferenz ins Stammbuch zu 
schreiben, was es – zumindest aus Sicht des Militärbündnisses – nun zu 
tun habe: „Russland hat immer noch die Möglichkeit zur Einhaltung [des 
INF-Vertrags] zurückzukehren. Wir fordern Russland auf, diese 
Gelegenheit zu ergreifen und verifizierbar seine Mittelstreckenraketen 
zu zerstören. Die Uhr tickt. Wir wollen, dass Russland zur Einhaltung 
zurückkehrt, aber wir bereiten uns auch auf eine Welt ohne INF-Vertrag 
vor. Und auf eine Welt mit mehr russischen Raketen in Europa. Die NATO 
hat bereits mit der Arbeit daran begonnen. Und ich werde nicht 
vorhersagen, was dabei herauskommt.“

Im Gegensatz dazu argumentiert Russland das beanstandete System (SSC-8) 
hätte eine Reichweite von 480km und würde demzufolge keine Verletzung 
des Vertrages darstellen. Angebote für Vor-Ort-Inspektionen, um den 
Sachverhalt zu prüfen, wurden von den USA abgelehnt und dennoch stellt 
sich die NATO nun also hin und verlangt von Russland, diese Systeme 
zerstören zu müssen – wäre irgendjemandem ernsthaft am Erhalt des 
INF-Vertrages gelegen, so sähe eine erfolgversprechende 
Verhandlungsstrategie sicher anders aus.

Angela Merkel warnte in ihrer Rede zwar immerhin vor „blindem 
Aufrüsten“, liefert aber keinerlei aussichtsreichen Vorschlag, wie der 
Vertrag doch noch zu retten wäre. Die von ihr geforderte Einbeziehung 
Chinas wäre zwar tatsächlich wünschenswert, aufgrund der Tatsache, dass 
Mittelstreckenraketen im chinesischen Arsenal eine große Rolle spielen, 
ist sie allerdings etwas illusorisch. Ansonsten war in Sachen 
INF-Vertrag kein sinnvoller Rettungsversuch zu erkennen, sodass davon 
auszugehen ist, dass er in knapp sechs Monaten Geschichte sein dürfte.

Wie aus Stoltenbergs Ausführungen klar hervorgeht, ist die NATO in 
diesem Fall offensichtlich gewillt, kräftig weiter an der militärischen 
Eskalationsschaube zu drehen. Allerdings drängt sich hier natürlich 
unmittelbar die Frage auf, wie die im Augenblick laut Stoltenberg in 
Planung befindlichen NATO-Reaktionen dann aussehen könnten. Hier kam es 
im unmittelbaren Vorfeld der Konferenz zu einem interessanten 
Schlagabtausch zwischen Ursula von der Leyen und Rose Gottemoeller, der 
Vize-Generalsekretärin der NATO. Noch am 13. Februar 2019 erklärte die 
deutsche Verteidigungsministerin, sie beabsichtige keinesfalls, eine 
Aufrüstung mit atomaren Mittelstreckenraketen „voreilig“ auszuschließen: 
„Gerade weil wir am Anfang der Diskussion stehen, ist es eben wichtig, 
dass wir jetzt nicht anfangen zu hierarchisieren oder einzelne Punkte 
rausnehmen, sondern wirklich die ganze Palette mit auf dem Tisch liegen 
lassen.“

Genau in die entgegengesetzte Richtung äußerte sich dagegen 
Gottemoeller, indem sie klarstellte, die Nato habe „nicht die Absicht, 
neue landgestützte nukleare Waffensysteme in Europa zu stationieren.“ 
Fast genauso äußerte sich auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg sowohl 
in seiner SiKo-Rede selbst als auch noch einmal explizit in der 
anschließenden Fragerunde: „Die NATO beabsichtig nicht, neue 
landgestützte atomare Mittelstreckenraketen in Europa zu stationieren.“ 
Allerdings versäumten es weder Stoltenberg noch Gottemoeller sofort 
daran anschließend die Forderung nach anderen „entschlossenen“ 
Reaktionen des Westens zu platzieren. Gottemoeller forderte etwa: „Es 
braucht mehr Verteidigung und Abschreckung angesichts eines 
aggressiveren Russlands, das mit militärischer Gewalt Grenzen in Europa 
verändert.“

Denkbar ist dabei entweder, dass die Truppenpräsenz an der 
NATO-Ostflanke noch weiter aufgestockt wird[2], mit Sicherheit wird aber 
gleichzeitig auch ernsthaft über die Stationierung neuer Raketensysteme 
nachgedacht. Das könnte zum Beispiel neue luft- und seegestützte atomare 
Mittelstreckenraketen einschließen, die sowieso nie vom INF-Vertrag 
verboten wurden. Oder – und die Äußerungen von  Stoltenberg und 
Gottemoeller deuten ein wenig in diese Richtung – die NATO entscheidet 
sich für eine Stationierung konventioneller Mittelstreckenraketen, um so 
der durchaus verbreiteten Sorge unter den europäische 
Entscheidungsträgern vor Protesten der Bevölkerung ein wenig den Wind 
aus den Segeln zu nehmen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang spielte leider kaum 
eine Rolle, nämlich dass auch der andere wichtige 
Rüstungskontrollvertrag – „New Start“ zur Limitierung strategischer 
Atomwaffen (Reichweite über 5.500km) – vor dem Aus zu stehen droht. Der 
Vertrag läuft 2021 aus und auf die Frage, wie es denn weitergehe, 
antwortete Lawrow, Russland habe versucht, in Verhandlungen darüber zu 
treten, bislang aber keine Antwort aus den USA erhalten. Es ist also 
durchaus im Bereich des Möglichen, dass die Welt, Europa und auch 
Deutschland in etwa zwei Jahren ohne jegliche Form von Rüstungskontrolle 
zur Begrenzung atomarer Rüstungsspiralen dastehen könnte.

3. Rüstungsexporte zur Selbstbehauptung Europas?

Angesichts aktueller EU-Zentrifugaltendenzen versuchte die 
EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in ihrer Rede vor allem 
Zweckoptimismus zu verbreiten. Nachdem mit der „Europäischen 
Verteidigungsgemeinschaft“ im Jahr 1954 der erste und bis heute 
wichtigste Versuch zum Aufbau umfassender EU-Militärstrukturen 
scheiterte, sei heute das „Europa der Verteidigung nicht mehr länger der 
unerreichbare Traum unserer Gründer.“ Es seien gerade in der jüngsten 
Zeit substanzielle „Fortschritte“ erzielt worden: Zum „ersten Mal 
überhaupt haben wir damit begonnen, ernsthaft in unsere gemeinsame ‚hard 
power‘ zu investieren – in das Europa der Verteidigung.“ Aus diesem 
Grund stehe die EU – ungeachtet einiger Widrigkeiten – gar nicht so 
schlecht da, wenn es ihr gelinge, den eingeschlagenen Weg in Richtung 
Verteidigungsunion konsequent weiter zu beschreiten: „Die Europäische 
Union ist eine der wichtigsten globalen Mächte in der Welt – der größte 
Weltmarkt und die zweitgrößte Weltwirtschaft […]. Und wir haben – und 
dies ist eine Zahl, die wir manchmal zu vergessen scheinen – zusammen 
als Europäische Union das zweitgrößte Verteidigungsbudget in der Welt.“

Den Vogel in Sachen „Hauruck-Identitätsbildung“ schoss allerdings 
Konferenzleiter Wolfgang Ischinger ab, der die Tagung in einem 
schlechtgemachten Hoodie mit EU-Flagge eröffnete, um so die 
Notwendigkeit zu unterstreichen, angesichts zunehmender 
Großmachtkonflikte die europäischen Reihen zu schließen. Dass einige der 
Probleme, denen sich die EU derzeit gegenübersieht, damit 
zusammenhängen, dass sich Deutschland und Frankreich rigoros daran 
gemacht haben, ihre Vorstellung vom „Europa der Verteidigung“ im Sinne 
ihrer Interessen dem Rest der Union aufzunötigen, blieb dabei auf der 
gesamten Konferenz selbstredend unerwähnt (siehe IMI-Standpunkt 2019/003).

Doch auch das selbsternannte deutsch-französischen Führungsduo scheint 
keineswegs so stabil, wie dies teils suggeriert wird. Als Zeichen 
hierfür wurde etwa gewertet, dass der französische Präsident Emmanuel 
Macron seine ursprünglich zugesagte Teilnahme an der 
Sicherheitskonferenz wieder zurückzog und Merkel, so zumindest die 
Deutung, damit ziemlich im Regen stehen ließ. Schon seit einiger Zeit 
heißt es, Paris sei vor allem über die vermeintlich allzu restriktiven 
deutschen Rüstungsexportrichtlinien erbost, die den „Erfolg“ der 
geplanten deutsch-französischen Rüstungsgroßprojekte, insbesondere des 
Kampfflugzeugs, gefährdeten.

Aller Wahrscheinlichkeit nach, um hier die Wogen zu glätten und die 
Realisierung der – strategisch ungemein bedeutsamen – Rüstungsprojekte 
nicht  zu gefährden, ergriff Angela Merkel in ihrer SiKo-Rede vor allem 
im Bereich Waffenexporte die Initiative: „Wir wollen jetzt gemeinsame 
Waffensysteme entwickeln, und im Zusammenhang mit dem Aachener Vertrag, 
den wir jetzt mit Frankreich unterzeichnet haben, hat das Thema der 
Rüstungsexporte natürlich eine Rolle gespielt. Wenn wir in Europa 
nämlich keine gemeinsame Kultur der Rüstungsexporte haben, dann ist die 
Entwicklung von gemeinsamen Waffensystemen natürlich auch gefährdet. Das 
heißt, man kann nicht von einer europäischen Armee und von einer 
gemeinsamen Rüstungspolitik oder Rüstungsentwicklung sprechen, wenn man 
nicht gleichzeitig auch bereit ist, eine gemeinsame 
Rüstungsexportpolitik zu machen.“

Im Kern geht es dabei darum, die Rüstungsexportrichtlinien in Richtung 
des kleinsten gemeinsamen Nenners hin zu verwässern – zumindest aber 
soll sichergestellt werden, dass französische Exporte bei gemeinsamen 
Projekten nicht durch die, tatsächlich im Verhältnis etwas strengeren 
deutschen Richtlinien behindert werden. Genau hierauf scheinen sich 
beide Länder in einem Zusatzabkommen zum deutsch-französischen Aachener 
Vertrag vom 22. Januar 2019 bereits verständigt zu haben. Aus dem auf 
den 14. Januar 2019 datierten Dokument mit dem Titel 
„Deutsch-französische Industriekooperation im Verteidigungsbereich – 
gemeinsames Verständnis und Prinzipien über Verkäufe“ zitiert u.a. die 
FAZ: „Die Parteien werden sich nicht gegen einen Transfer oder Export in 
Drittländer stellen.“ In eigenen Worten erklärt das Blatt dann weiter: 
„Die Partner könnten nur Bedenken anmelden, wenn direkte Interessen 
berührt würden oder die nationale Sicherheit gefährdet sei.“

Hierbei handelt es sich in der Tat um eine Frage von immenser Tragweite: 
Ohne Rüstungsexporte lassen sich die anvisierten Großprojekte aufgrund 
einer zu niedrigen heimischen Auftragslage nicht realisieren. Gerade das 
deutsch-französische Kampfflugzeug und der Kampfpanzer sind aber die 
Grundlage für den Aufbau eines starken rüstungsindustriellen Komplexes, 
der die Union in die Lage versetzen könnte, „strategische Autonomie“ zu 
erlangen. Gemeint ist damit die Möglichkeit, militärisch auch ohne die 
USA handlungsfähig zu sein, was inzwischen als wesentliche Priorität in 
nahezu jedem EU-Dokument auftaucht. Zwar sei niemandem an einem Ende des 
Bündnisses mit den Vereinigten Staaten gelegen, so eine kürzliche 
Einordnung des EU-eigenen „Institute for Security Studies“ zur Frage, 
was mit „strategischer Autonomie“ eigentlich genau bezweckt werde. Aber 
angesichts aktueller Dynamiken könne niemand wissen, ob das Bündnis 
bestand habe, weshalb die Europäische Union sich „zur Rückversicherung“ 
darauf vorbereitet müsse, notfalls militärisch auf eigenen Füßen stehen 
zu können. Und da dies eben ohne Rüstungsexporte nicht möglich ist, wird 
an den deutschen Richtlinien nun direkt oder indirekt die Axt angesetzt!

4. Schlagabtausch mit den USA

In den beiden vorherigen Jahren wurden auf der Sicherheitskonferenz eher 
versöhnliche Töne in Richtung USA angeschlagen – davon konnte in diesem 
Jahr nur noch bedingt die Rede sein. Vermutlich waren die europäischen 
Entscheidungsträger lange noch optimistisch, den „Trump-Drachen“ reiten 
zu können, indem einfach über befreundete Regierungsmitglieder agiert 
würde. Die wurden aber einer nach dem anderen aus der US-Regierung 
entfernt, zuletzt hatte die Ablösung des dezidiert proatlantischen 
Verteidigungsministers James Mattis regelrechte Schockwellen ausgelöst. 
So bestehen inzwischen wohl ernsthafte Sorgen, dass es zu einem 
dauerhaften Bruch im amerikanisch-europäischen Verhältnis kommen könnte 
– zumal eine Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump, dem Epizentrum 
der aktuellen transatlantischen Konflikte, derzeit keineswegs 
ausgeschlossen erscheint.

Schon beim Konferenzauftakt begegnete Ursula von der Leyen der 
absehbaren US-Kritik, dass die Verbündeten zu wenig Geld in die Hand 
nehmen würden, mit dem Konter, auch Washington weise an entscheidenden 
Punkten Defizite auf: „Natürlich geht es in der NATO um cash, 
capabilities and contributions. Aber genauso umdignity, decency and 
dependability. Nur wenn uns das zu einen gelingt, wahrt die NATO ihren 
Zusammenhalt und ihre innere Stärke.“ Ganz konkret und deutlich wurden 
die Konflikte aber in den nacheinander folgenden Reden von Angela Merkel 
und Mike Pence. Ohne dies hier in epischer Breite ausführen zu müssen, 
verdeutlichten sie in nahezu jeder Sachfrage Dissens: Vom Umgang mit dem 
Iran über die umstrittene Pipeline „North-Stream 2“ bis hin zu den schon 
länger andauernden Auseinandersetzungen über die Höhe der Rüstungsausgaben.

Besonders erbost zeigte sich die Kanzlerin in ihrer SiKo-Rede ob der von 
den USA geplanten Einführung von Schutzzöllen auf Automobile, die vor 
allem Deutschland finanziell erheblich treffen würde: „Wenn es uns mit 
der transatlantischen Partnerschaft ernst ist, dann ist es für mich als 
deutsche Bundeskanzlerin zumindest nicht ganz einfach, jetzt zu lesen, 
dass offensichtlich ich habe es noch nicht schriftlich vor Augen gehabt 
das amerikanische Handelsministerium sagt, europäische Autos seien eine 
Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika. 
Schauen Sie: Wir sind stolz auf unsere Autos; und das dürfen wir ja auch 
sein. […] Wenn diese Autos […] plötzlich eine Bedrohung der nationalen 
Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika sind, dann erschreckt uns 
das."

Als Kontrapunkt zu Pence wurde dann auch Joe Biden – u.a. 
Irak-Kriegsbefürworter und Vizepräsident unter Obama – als Vertreter der 
„guten US-Kriegspolitik“ präsentiert und ausführlich Platz auf der 
Sicherheitskonferenz eingeräumt. So nachvollziehbar sie also ist: 
Angesichts der offensichtlich bevorzugten Alternative sollte man 
gegenüber der herrschaftlich an den Tag gelegten Trump-Kritik Vorsicht 
walten lassen: Schließlich wurden hier nicht Bernie Sanders, Alexandria 
Ocasio-Cortez oder vielleicht auch Michael Moore eingeladen, um das 
„gute Amerika“ zu repräsentieren. Nein, ein expliziter Exponent der 
früheren US-Kriegspolitik musste es sein und das war eben kein Zufall – 
und ob die auch nur einen Jota besser war, als das Chaos, das Trump und 
seine Truppe derzeit anrichten, kann zumindest bezweifelt werden.

In jedem Fall stieß der von Mike Pence recht nassforsch formulierte 
Führungsanspruch der USA recht gründlich auf Kritik, wenn etwa Volker 
Perthes, Chef der Regierungsberater von der „Stiftung Wissenschaft und 
Politik“ (SWP), kommetierte: „Es ist interessant, wie der 
US-Vizepräsident bei der Münchner Sicherheitskonferenz sein Verständnis 
von Führung offenbart. Es besagt im Wesentlichen, anderen Nationen zu 
sagen, was sie zu tun haben.“

Es geht also vor allem darum, dass die EU ihren – scheinbar – 
angestammten Platz am Tisch der Weltmächte für sich reklamiert: Mit den 
USA wenn möglich – ohne sie, wenn nötig!

„Wir bleiben Teamspieler – und das ist unser Angebot“, so Außenminister 
Maas bei der Sicherheitskonferenz generös nicht zuletzt mit Blick auf 
die USA. Sollten die aber nicht mitspielen wollen, so die 
unausgesprochene Drohung im Hintergrund, werde man auch für diesen Fall 
gewappnet sein. Der Wille, sich macht- und militärpolitisch unabhängiger 
von den USA zu machen, ist offensichtlich gewachsen und drückt sich auch 
in Kommentaren zur Sicherheitskonferenz, wie dem im Handelsblatt aus: 
„Im multipolaren Wettkampf um Wohlstand und Einflusszonen ist Europa auf 
sich allein gestellt. Unter US-Präsident Donald Trump verstehen sich die 
USA nicht als Bündnispartner der EU. Sie begreifen sich als Gegner. […] 
Europa steht vor Entscheidungen von historischer Dimension. Entweder es 
findet die Kraft, zum machtpolitischen Akteur zu werden. Oder es wird 
zum Spielball der Interessen anderer. Selbstbehauptung oder 
Fremdbestimmung – darum geht es.“

5. Rüstungshaushalte: Anstieg um 350 Mrd.!

Mit Ansage kam erneut der Rüffel aus den USA angesichts von – aus Sicht 
Washingtons – unzureichender Rüstungsbemühungen seitens der Alliierten 
und insbesondere Deutschlands. Im Zentrum steht dabei seit einigen 
Jahren die US-Forderung, alle NATO-Verbündeten sollten mindestens zwei 
Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für das Militär ausgeben. Näher 
betrachtet mutet das US-Getöse allerdings doch mehr als seltsam an: 
Schließlich stiegen die NATO-Militärausgaben nach Eigenangaben von 895 
Mrd. Dollar (2015) auf geschätzte 1013 Mrd. Dollar (2018) in den letzten 
Jahren steil an. Auch der Anteil der europäischen Staaten kletterte im 
selben Zeitraum deutlich, wie NATO-Generalsekretär Stoltenberg auf der 
SiKo stolz verkündete: „Seit 2016 haben die Verbündeten in Europa und 
Kanada zusätzlich 41 Mrd. Dollar für Verteidigung ausgegeben.“ Bis 2024 
sollen die Ausgaben sogar noch einmal deutlich drastischer ansteigen 
berichtete Stoltenberg laut Zeit Online Ende Januar 2019: „Der Etat der 
Nato-Partner der Vereinigten Staaten werde sich im Jahr 2020 um rund 100 
Milliarden US-Dollar erhöhen. Das gab Nato-Generalsekretär Jens 
Stoltenberg auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz 
bekannt. Bis Ende 2024 soll das Budget sogar um 350 Milliarden US-Dollar 
steigen.“

Deutschland ist hier einer der wesentlichsten Faktoren für diesen 
dramatischen Anstieg, wie u.a. Verteidigungsministerin Ursula von der 
Leyen in ihrer Rede zufrieden unterstrich: „Der deutsche 
Verteidigungshaushalt ist seit 2014 um 36% nach NATO-Kriterien 
gestiegen. Und wir haben einen klaren Plan: Weißbuch und 
Fähigkeitsprofil zeigen im Detail, wie wir unsere Bundeswehr bis 2024 
modern ausstatten werden. Damit wird unser Budget zehn Jahre nach Wales 
[2014] um 80% gewachsen sein.“

In Zahlen ausgedrückt hat die Bundesregierung in ihrem letzten 
Ausgabenplan an die NATO zugesichert, den Militärhaushalt von 43,2 Mrd. 
Euro 2019 auf ca. 60 Mrd. Euro 2024 noch einmal extrem anzuheben – und 
ihn danach auch noch weiter zu erhöhen! Hierzu berichtete Spiegel Online 
Anfang Februar 2019: „[D]er deutsche Botschafter [übergab] bei der 
Allianz dem Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ein Dokument, in dem 
sich die deutsche Regierung verbindlich dazu bekennt, die Wehrausgaben 
bis 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. ‚Dieser 
Anstieg soll nach 2024 fortgesetzt werden‘, heißt es nach Informationen 
des SPIEGEL in dem Schreiben. […] Die verbindliche Festlegung überrascht 
trotzdem, da es innerhalb der Koalition in den vergangenen Monaten 
heftige Spannungen über die Verteilung des Haushalts gab.“

Tatsächlich hatte Reuters noch Anfang Februar 2019 von Widerständen 
innerhalb des sozialdemokratischen Finanzministeriums gegenüber solch 
drastischen Ausgabensteigerungen berichtet. Davon ist nun 
augenscheinlich keine Rede mehr, schließlich waren sich gerade die 
deutschen Vertreter auf der Sicherheitskonferenz zumindest über eine 
Sache völlig einig: Aufrüstung ist das Gebot der Stunde!

Anmerkungen

[1] Auch Außenminister Heiko Maas griff den Bericht gleich zu Anfang 
seiner Rede auf: „Im diesjährigen Bericht zur Sicherheitskonferenz wird 
eine Welt beschrieben, die in ihre Teile zerfällt. Und seien wir 
ehrlich: Mit dem Aufheben dieser Teile ist es längst nicht getan. Um die 
Teile zusammenzufügen, braucht es eine neue Übersicht. Den Blick dafür, 
wie sich die Dinge neu fügen oder auch verkanten können, bei alldem, was 
sich um uns herum verändert.“
[2] So forderte etwa Joachim  Krause vom Kieler Institut für 
Sicherheitspolitik (ISPK) nicht lange vor Beginn der 
Sicherheitskonferenz im Deutschlandfunk eine massive Aufstockung der 
Truppenpräsenz an der NATO-Ostfront: „Es ist also eine derzeit 
symbolische Präsenz, und die muss durch eine reale Präsenz erhöht 
werden. […] Da müsste man schon in einer Größenordnung von mindestens 
einer Division pro baltischem Staat und wahrscheinlich auch noch in 
Polen reden. Das ist sozusagen das Mindeste, was sie brauchen, um dort 
überhaupt eine Verteidigungsfähigkeit herzustellen. […] Ungefähr 30-, 
40.000 Soldaten aus anderen Ländern der NATO, sei es aus Deutschland, 
aus Frankreich, aus Großbritannien, USA, Holland oder was weiß ich nicht 
wo, müssten dort stationiert sein.“




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